3. Siebenbürgen und der Dreißigjährige Krieg


Inhaltsverzeichnis

Zwischen Osten und Westen

Über den Kriegszug gegen die Habsburger mußte der Fürst sich tatsächlich eine Entscheidung abringen, da zeitlich parallel zum Brandherd im Westen auch Unruhen im Osten entstanden. Der junge und ruhmsüchtige Sultan {320.} Osman II. begann 1619 einen Kriegszug gegen Polen, der praktisch jedoch mit einer Niederlage beider Seiten endete. Eines war freilich klar geworden: Das Verhältnis Polens zur Pforte hatte den gleichen Stand erreicht wie das der Habsburger zur Pforte seit der Jahrhundertwende – keiner war imstande, etwas gegen den anderen durchzusetzen.

Viele Kräfte versuchten, Bethlen in diesen östlichen Konflikt hineinzuziehen. Für das Eingreifen auf türkischer Seite hätten sogar persönliche Gründe gesprochen, da sein alter Bekannter Skender in den polnischen Angelegenheiten eine Hauptrolle spielte. Mehrmals schickte er dem Fürsten den Befehl, sich der Aktion anzuschließen. Auch seine eigenen Diplomaten beschwörten Bethlen, etwas zu unternehmen. In dem großen Durcheinander war nämlich an der Pforte eine innere Machtkrise ausgebrochen, die sich durch den Tod des Großwesirs Nassuh noch zuspitzte und eine Menge bisher unterdrückter feindseliger Gefühle gegen Gabriel Bethlen hervorbrechen ließ, da man ihn für einen Günstling Nassuhs hielt. Über die Zukunft Siebenbürgens wurden die unterschiedlichsten Vorstellungen geäußert, ohne daß auch nur eine für das Fürstentum vorteilhaft gewesen wäre. Verständlicherweise erschien es den siebenbürgischen Gesandten als dringlich, für Bethlens Stellung in Konstantinopel irgendwie eine neue Grundlage zu schaffen.

Der Fürst hielt sich jedoch bewußt von dem östlichen Konflikt fern und verspätete sich – nach vielen diplomatischen Winkelzügen – absichtlich mit seinem Feldzug gegen die Polen. Als er in Suceava eintraf, war bereits alles vorbei, und es blieb ihm erspart, im Verband der türkischen Truppen mitzukämpfen. Die Machtkrise an der Pforte hatte ihn nicht einfach unberührt gelassen, vielmehr hatte diese Bethlen von der Ohnmacht der höchsten türkischen Führung überzeugt. Weder gab er dem subjektiven Druck nach, noch besänftigte er seine Gegner an der Pforte. Statt dessen nutzte er das Wohlwollen einiger türkischer Würdenträger aus und begann, in Konstantinopel über einen Kriegszug gegen den am 20. März 1619 inthronisierten neuen ungarischen König Ferdinand II. von Habsburg zu verhandeln.

Damit hatte sich Bethlen für ein Eingreifen im Westen entschieden, weil ein solches im Osten zwar bemerkenswert, aber reiner Selbstzweck gewesen wäre. Die Kriegswirren dort schwächten wohl die Türkenmacht, doch selbst nach kühnster Vorstellung war keineswegs auf die Vernichtung des östlichen Feindes, der Türken zu hoffen. Vom westlichen Konflikt dagegen nahmen nur wenige Zeitgenossen Bethlens an, daß er nicht mit der Vernichtung der österreichischen Habsburger enden würde.

Den Auftakt für die kriegerischen Ereignisse auf dieser Seite bildete am 23. Mai 1618 der Prager Aufstand gegen die Habsburgermacht, dessen Bedeutung Gabriel Bethlen sofort erkannte. Ihm war klar, daß die Böhmen sich ohne Hoffnung auf äußere Hilfe gewiß nicht zu diesem radikalen Schritt entschlossen hätten, womit er Recht behielt. Ursprünglich hatten die Aufständischen England um Hilfe ersucht, doch vergeblich. Holland hingegen brachte jedes Opfer, um die Kräfte der auch für dieses Land gefährlichen Habsburger in weiter Entfernung zu binden. Dort organisierte man die materielle Unterstützung für den während des böhmischen Aufstandes gewählten König, Pfalzgraf Friedrich V., und dorthin floh dieser auch, als er am 8. November 1620 nach dem Sieg der Kaiserlichen Böhmen verlassen mußte. Die Truppen Ferdinands II. verfolgten ihn zwar nicht, doch {321.} überschwemmten die Söldner sein herrliches Fürstentum am Neckar, womit der Krieg auf Deutschland übergriff. Allmählich wurde dann ganz Europa hineingerissen, und der Krieg dauerte bis 1648, bis zum Westfälischen Frieden zwischen dem damaligen Habsburger Kaiser Ferdinand III. und den Vertretern seiner Gegner, dem französischen König Ludwig XIV. bzw. Königin Christina von Schweden. Die sich lange hinziehenden Kämpfe wurden schon von den Zeitgenossen als „Dreißigjähriger Krieg“ bezeichnet. Entgegen allen anfänglichen Erwartungen war das Kaisertum nicht vernichtet, sondern nur zu einer Schattenmacht geworden. Die Komplexität der Ereignisse läßt sich gut daran erkennen, daß zwar ein böhmischer Aufstand am Anfang stand, der Frieden dem Kaiser aber durch weit entfernt liegende Großmächte aufgezwungen wurde.

Gabriel Bethlen griff nach Verhandlungen mit den Aufständischen als Mitglied des sich um Böhmen gebildeten Bündnissystems im August 1619 in den Krieg ein. Der Schauplatz seines Auftretens ergab sich folgerichtig aus der geographischen Lage: Der Weg zum gemeinsamen Gegner halb Europas war für Bethlen leicht erreichbar, er führte durch das unter Habsburgerherrschaft stehende Ungarn. Hier erwartete man sein Eingreifen ohnehin, ganz unabhängig von der allgemeinen politischen Entwicklung.

Gabriel Bethlen, Fürst von Ungarn

Der Führer der protestantischen Opposition, der spätere Fürst Georg (György) I. Rákóczi, Fürst Sigismunds Sohn, rief Bethlen persönlich, doch darüber hinaus erschien einer Mehrheit der ungarischen Magnaten eine Parteinahme für den Fürsten als sehr attraktiv. Daher wurden die bedeutendsten von ihnen zu festen Stützen seiner Macht, da sie durch Partizipation an dieser ihre eigene zu steigern hofften. Schon bisher lebten sie höchst vorteilhaft: Dem nach dem Fünfzehnjährigen Krieg zum König gewählten Matthias II. hatten sie die Garantie ihrer vollen Rechte abgerungen. Damit war geklärt, daß ihnen innerhalb der arbeitsteiligen Regierung des Landes die Führung der inneren Angelegenheiten zustand; auch die Regelung des Grundherrn-Bauern-Verhältnisses fiel allein in ihre Kompetenz. Mehr war nur noch zu erreichen, wenn sie unter einem nationalen König nicht einmal mehr mit dem Einfluß fremder Interessen zu rechnen brauchten. Neben Bethlen sprachen auch die Geschehnisse der jüngsten Vergangenheit für solche Überlegungen. Anstelle des kranken Matthias II. regierte Erzherzog Ferdinand seit Ende 1616, nach György Thurzós Tod, ohne Palatin. Zwei Jahre später wurde er, noch zu Matthias’ Lebzeiten, zum König gewählt, allerdings gegen eine starke Opposition. Denn jeder wußte, daß Ferdinand in den von ihm beherrschten Erblanden einen absolutistischen Musterstaat errichtet hatte, der sich ganz auf die katholische Kirche stützte. Über den ungarischen Herren hing folglich die finstere Drohung einer erstarkenden Zentralmacht.

Das alles machte Gabriel Bethlen zu einem idealen Kandidaten für den ungarischen Königsthron. Von einem solchen Nationalkönig konnte man erwarten, keine fremden Interessen zu vertreten. Zudem besaß er für den Ausbau einer von den ungarischen Herren unabhängigen Macht nach Lage der Dinge keinerlei Mittel, weshalb man ihn zum Nationalkönig machen konnte, ohne ihm damit die Herrschaft über das Land zu ermöglichen.

{322.} Infolge der Unterstützung der zu ihm übergetretenen Magnaten drang Bethlen in schnellem Tempo vor. Am 27. August 1619 war er in Weißenburg aufgebrochen und für den 21. September berief er bereits die erste Versammlung seiner Anhänger im königlichen Ungarn ein. Diese fand in Kaschau statt. Hier klärte sich das Verhältnis des mit seinem Heer einmarschierenden Fürsten zu seinen Anhängern in Ungarn. Ihren Vereinbarungen gemäß war er kein Angreifer, sondern gekommen, Hilfe zu leisten wie der biblische Jephta den Kindern Israels – einfacher gesagt, er war der offizielle Vertreter ihres Willens gegenüber dem König.

Danach setzte Bethlen seinen stürmischen Vormarsch fort, am 14. Oktober nahm er persönlich an der Einnahme Preßburgs teil. Unterdessen gewann einer seiner jungen Anhänger, György Széchy, die oberungarischen Bergstädte für den Fürsten. Somit war ein großer Teil des königlichen Ungarn bereits in Bethlens Hand, als Palatin Zsigmond Forgách in seinem Namen den Landtag für den 11. November einberief. Als dessen Verhandlungen begannen, stieß die Armee Bethlens nach ihrer Vereinigung mit den Truppen des böhmisch-mährischen Bündnisses bis unter die Mauern Wiens vor.

Aber es kam nicht zur Belagerung der Kaiserstadt. Am 29. November 1619 zog Bethlen von Wien ab und traf damit eine Entscheidung, die im In- und Ausland gleicherweise viel Staub aufgewirbelt hat. Brach er doch damit nicht nur eine vielversprechende Unternehmung plötzlich ab, sondern ließ auch seine böhmischen Verbündeten im Stich. Er selbst redete sich auf Vorgänge in Siebenbürgen heraus, hatte aber in Wahrheit wohl nur die Aussichtslosigkeit einer Belagerung Wiens eingesehen und nahm lieber eine moralische als eine militärische Niederlage auf sich. Er gab vor, ohne Zwang gehandelt zu haben, und hatte Erfolg mit diesem Manöver: Der stark umstrittene Abzug hat seine Popularität in Ungarn nicht beeinträchtigt.

Auf dem Gipfel seiner Erfolge stand Bethlen Ende 1619 – Anfang 1620, als ihm auf dem Landtag die Stände den Thron anboten. Doch Bethlen lehnte aus einem einfachen Grund ab: Die Stände hatten auch eine Wahlkapitulation mit ihren Bedingungen formuliert, in der die Statuten einer idealen Adelsrepublik skizziert waren. Außer der Einberufung des Landtags und der Sanktionierung der Gesetze wollten sie dem künftigen König keinerlei Rechte einräumen. Mit dem Thron lehnte Bethlen also auch die Bedingungen ab. Dennoch ist der Landtag einstimmig übereingekommen, die unbeschränkte Macht für die Verwaltung des Landes in die Hand Gabriel Bethlens zu legen.

Königswahl ohne Krönung

Zur Entthronung des Hauses Habsburg in Ungarn und zur Königswahl kam es dann auf dem darauf folgenden Landtag am 25. August 1620 in Neusohl. Dort unterschrieb Bethlen auch die Wahlkapitulation. In den Verhandlungen danach wurden die Teilnehmer am Landtag offiziell davon in Kenntnis gesetzt, daß Bethlens Herrschaft die Annahme des türkischen Protektorats bedeutete. Ein türkischer Gesandter verlas einen Brief Sultan Osmans II., in dem er Ungarn seinen Schutz versprach, und der siebenbürgische Kanzler Simon Péchi hielt eine große Rede über die Vorzüge der neuen Regelung. Mit dem Argument, daß Ungarn und Siebenbürgen Teile eines zusammengehörigen Ganzen seien, rief er den Landtag dazu auf, die Angelegenheiten des {323.} Königreichs dem Beispiel Siebenbürgens folgend zu ordnen. Zu einer echten Entscheidung konnte es jedoch gar nicht kommen, die ungarischen Herren mußten einfach zur Kenntnis nehmen, daß sie mit ihrer Abwendung vom Habsburgerkönig ihre Hoffnung auf Vertreibung der Türken aufgegeben hatten.

In diesem Zusammenhang war die Unterschrift unter die Wahlkapitulation und die Königswahl eine Gegenleistung von Gabriel Bethlen. Damit vergalt er gewissermaßen die Übernahme der türkischen Schutzherrschaft.

Bethlen ließ sich jedoch nicht krönen, womit er viele seiner Zeitgenossen in Erstaunen und viele Historiker ins Grübeln versetzt hat, obwohl sich diese Geste vielleicht ganz einfach erklären läßt. In Neusohl 1620 hätte diese Zeremonie bloß in improvisierter Form stattfinden können, aber Bethlen plante sicherlich, nach dem triumphalen Abschluß seiner Unternehmung sich die Heilige Krone unter Wahrung aller traditionellen Formen aufs Haupt setzen zu lassen. An seinem endgültigen Sieg hegte er bei seiner Wahl zum König gewiß noch keinen Zweifel.

Ab November 1620 wandte sich der Gang der Ereignisse jedoch immer mehr gegen Gabriel Bethlen. Am 4. November nahm der Ofner Pascha Waitzen ein, und wenig später kam die Nachricht, daß die Truppen Ferdinands II. bei Prag, am Weißen Berg, den böhmischen Aufstand niedergeschlagen und mit grausamer Vergeltung begonnen hätten. Ersteres weckte Zweifel an Bethlens endgültigem Sieg, letzteres verdeutlichte die möglichen Folgen seiner Niederlage.

Gabriel Bethlen selbst handelte weiterhin so, als sei nichts geschehen, und schob Wahlkapitulation wie Gesetze beiseite, da die von den Ständen aufgerichteten Hindernisse nicht nur seine persönliche Macht einschränkten, sondern auch den Erfolg der von ihm angeführten Bewegung gefährdeten. Wenn die Stände Ungarns geglaubt hatten, in Bethlen einen willfährigen und nachgiebigen Herrscher zu bekommen, wurden sie enttäuscht. Der Plan der Stände, den Staat des neuen Königs zu einem billigen Spielplatz ihrer unbeschränkten Rechte zu machen, erwies sich als Illusion. Noch dazu war die Existenz dieses Staates an einen militärischen Sieg gebunden, der unter den Bedingungen einer schrankenlosen Freiheit der Stände nicht zu erringen war.

Bethlen verliert den ungarischen Königsthron

Auf dem ungarischen Schauplatz war ein unauflöslicher Gegensatz entstanden: Gabriel Bethlens endgültiger Sieg schien immer weniger wünschenswert, nach einer Niederlage wiederum drohte – wie das böhmische Beispiel zeigte – schreckliche Vergeltung. Die ungarischen Stände fanden trotzdem eine Lösung. Sie zogen die Initiative an sich und begannen – Sieg und Niederlage gleicherweise vermeidend –, mit Vertretern Ferdinands II. über die Bedingungen einer freiwilligen Kapitulation zu verhandeln.

Noch im Herbst 1619 hatten sie ein Wiener Angebot für eine friedliche Regelung abgelehnt; im Dezember 1620 zwangen sie Bethlen bereits, selbst die Gespräche anzuregen. Die Friedensverhandlungen begannen am 25. Januar 1621 am östlichsten Punkt Österreichs, in Hainburg, und wurden mit mehreren Unterbrechungen fortgesetzt, die Stände auf Bethlens Seite drängten immer mehr, und die Zahl derer, die für Frieden eintraten, stieg {324.} ständig. Auch der junge Imre Thurzó, eines der glänzendsten politischen Talente des Landes, ein besonderer Liebling Bethlens, gesellte sich diesen zu, wurde aber schließlich durch die Pocken vom Verhandlungstisch dahingerafft.

Die Verhandlungen wurden nach Nikolsburg verlegt und am letzten Tag des Jahres abgeschlossen. Bethlen verzichtete auf den Königstitel und verpflichtete sich, nicht mehr in die Angelegenheiten des Königreichs einzugreifen. Dafür wurden für die Dauer seines Lebens 7 oberungarische Komitate mit gewissen Einschränkungen seiner Herrschaft unterstellt, und er erhielt einige große Besitzungen. Für sich selbst sorgten die Stände insofern, als sie von Ferdinand II. eine vollständige Amnestie erwirkten.

Letztlich hatten so die Gründer selbst den Staat Bethlens wieder aufgehoben. Er war ein Versuch gewesen, ein Nationalkönigtum zu schaffen, da dies aber in der Form einer Adelsrepublik nicht zu verwirklichen war, ließen sie die Angelegenheit wieder fallen und vermieden so das Schicksal Böhmens. Wärend aus diesem Land protestantische Flüchtlinge ganz Europa überschwemmten, wählte man in Ungarn einen Lutheraner, Szaniszló Thurzó zum Palatin, einen der ersten Anhänger Bethlens. Bei der Steuerfestlegung auf dem Landtag 1622 stellte sich dann heraus, daß man auch finanziell gar nicht schlecht gestellt war. Statt der von Bethlen veranlagten 28 Gulden pro Steuereinheit, von denen die Herren 22 aus eigener Tasche bezahlten, brauchten sie nur 3 Gulden zu beschließen, die auf die Leibeigenen entfielen. Schließlich wurde in die Gesetzestexte des Landtages von 1622 – zum ersten Mal unter den Habsburgern – auch die Wahlkapitulation des Herrschers aufgenommen. Der kurzfristige Wechsel der ungarischen Stände zu Gabriel Bethlen hatte also keine nachteiligen Folgen.

Von nun an gingen die Lenker der Landespolitik, die großmächtigen Herren, kein Risiko mehr ein. Vergeblich führte Gabriel Bethlen noch zwei Feldzüge, um König zu werden, sie unterstützten ihn nicht mehr.

Kampf um Ungarn und letzte Pläne

Der Fürst von Siebenbürgen kam im August 1623 erneut nach Ungarn, obwohl ihm die oberungarischen Herren wie auch seine sonstigen Anhänger davon abgeraten hatten. Selbst György Rákóczi war erst nach der Weinernte bereit, in seinem Lager zu erscheinen. Gabriel Bethlen berief zwar für den 19. November einen Landtag ein, doch stimmten die Anwesenden für die Wiederherstellung des Friedens. So unterzeichnete der Fürst am 2. April 1624 die Friedensurkunde. In ihr wurde im wesentlichen der Vertragstext von Nikolsburg wiederholt, und seit damals hatte sich die innenpolitische Situation in Ungarn eigentlich nicht verändert, so daß sich Gabriel Bethlen mit seinem 1623er Feldzug im Grunde genommen geirrt hatte.

Bei der nächsten Gelegenheit, im August 1626, gab es bereits bessere Gründe für einen Feldzug ins königliche Ungarn: Bethlen war einem mächtigen internationalen Bündnis beigetreten. Die zu diesem Zweck geführten Unterhandlungen hatten schon 1625 begonnen, als sich die Gesandten Englands, Frankreichs, Hollands und Venedigs in Konstantinopel durch Vermittlung seiner dortigen Geschäftsträger an ihn wandten. Dieselben Mächte erkundigten sich bald darauf auf diplomatischem Wege und unter {325.} Vermittlung des Pfalzgrafen Friedrich, ob er sich einem Bündnis gegen die Habsburger anzuschließen gedächte. Bethlen selbst informierte sich in Deutschland und bat im Frühling 1625 den Kurfürsten von Brandenburg um die Hand seiner Tochter; ein Jahr später fand die Hochzeit statt. Damit war der schwedische König Gustav Adolf zu Bethlens Schwager geworden.

So zog Gabriel Bethlen im Sommer 1626 mit der Hoffnung auf westliche Hilfe ins Feld. Die Lage im Westen gestaltete sich aber so, daß immer er es war, der seinen westlichen Verbündeten helfen mußte. Für einige Monate verlagerte sich sogar der Kriegsschauplatz vom Westen bis zu ihm. Der protestantische Heerführer Mansfeld war nach Ungarn geflohen und wurde von Wallenstein, dem erfolgreichsten der kaiserlichen Heerführer, verfolgt. Die ungarische Sache spielte in diesem Kriegszug kaum eine Rolle, und der Frieden vom Dezember 1626 brachte dem von Nikolsburg gegenüber keinerlei Veränderungen. Die einzige Auswirkung des Friedens war die, daß Ungarn eine Zeitlang von den Zerstörungen des Dreißigjährigen Krieges verschont blieb.

Zwischen den beiden letzten Kriegszügen und vor der Heirat mit Katharina von Brandenburg war Bethlen noch der verblüffende Einfall gekommen, Ferdinand II. um die Hand seiner Tochter Cäcilie Renate zu bitten. Als politisches Angebot fügte er hinzu, er ersuche nach erfolgter Heirat um die Regentschaft im königlichen Ungarn und wolle sich dann, gestützt auf den Kaiser und dessen Verbündete, gegen die Türken wenden. Wenn man sein Angebot annehme – ließ er nach Wien melden –, dann sei es möglich, binnen vier bis fünf Jahren die Türken aus Ungarn zu vertreiben.

Anfänglich erregte sein überraschendes Angebot erhebliche diplomatische Verwirrung, wurde dann aber mehrmals höflich zurückgewiesen. Nur wenige ungarische Würdenträger griffen den Gedanken eines von Siebenbürgen ausgehenden Türkenkrieges auf. So verhandelten 1627 und 1628 Erzbischof Pázmány und auch der neue Palatin Miklós Esterházy durch Vermittler über diesen Plan. Dabei spielte natürlich die beabsichtigte Heirat mit der Habsburger Erzherzogin keine Rolle mehr, als nur der Kern der Sache, von Siebenbürgen aus einen Krieg gegen die Pforte zu beginnen, übrig geblieben war. Verwirklicht wurde jedoch nichts davon. Die Vorstellungen der Ungarn über einen Türkenkrieg beruhten nämlich auf der Hoffnung, nach Beendigung des großen Krieges im Reich werde sich der Kaiser dann gegen seinen östlichen Feind wenden. Zu diesem Ende kam es jedoch noch nicht, und nach seinem dritten Feldzug verzichtete auch Bethlen darauf, die mit Ungarn verbundenen Möglichkeiten weiter zu verfolgen.

Ab dem Jahre 1627 beschäftigte den Fürsten immer stärker der Gedanke an die polnische Krone, was ihn dazu trieb, die Beziehungen zu seinem Schwager Gustav Adolf zu intensivieren. Zu jener Zeit hatte der energische und außerordentlich befähigte Schwedenkönig die Führung im Reichskrieg übernommen. Außer Verhandlungen auch mit polnischen Repräsentanten und dem russischen Zaren Michael vermochte Bethlen jedoch für seine weitgespannten Pläne nicht mehr viel zu tun.

Eine schwere Krankheit verurteilte ihn zur Tatenlosigkeit, wenn er sich ihrer auch mit aller Kraft zu erwehren suchte. Im Oktober 1629 vermochte er kaum noch zu essen, reiste aber dennoch nach Wardein, um mit György Rákóczi die nach seinem Ableben notwendigen Dinge zu besprechen. Kaum zurückgekehrt, starb er am 25. November 1629, vormittags gegen 11 Uhr.

{326.} Siebenbürgens Stellung zu Bethlens Kämpfen

Die große staatsmännische Leistung Bethlens blieb die Wiederherstellung der Macht seines Staates und des Fürsten auf dem früheren Stand in den siebziger und achtziger Jahren des 16. Jahrhunderts. So wie sich seinerzeit Stephan Báthory und zu Beginn seiner Herrschaft Sigismund Báthory als Faktoren in der internationalen Politik eine weit über das kleine Land hinausreichende Geltung verschafft hatten, stieg auch er vom türkischen Gubernator zum Bündnispartner der Großmächte auf. Zwar war es einer seiner Verehrer, der ihn sogar mit König Matthias und Stephan Báthory verglich, wahr bleibt dennoch, daß Bethlen sich als Fürst Siebenbürgens nur an den Größten messen läßt.

Der Kampf um das Königreich erweckte in Siebenbürgen jedoch keine rechte Begeisterung. Anscheinend erkannten die Stände die Perspektiven seines Vorhabens nicht, sondern sahen darin nur eine persönliche Angelegenheit Bethlens. Das Hauptziel des Dreißigjährigen Krieges, die Vernichtung des Hauses Habsburg vermittels einer internationalen Mächtekoalition, interessierte sie nicht.

Darüber war sich Bethlen auch im klaren, weshalb er nie versuchte, die Siebenbürger für den Sturz der Habsburgerherrschaft zu aktivieren, und im Verlaufe der Kriege geschah auch nichts, was das Fürstentum direkt betroffen hätte. Bethlens zwei Gesetzgebungslandtage im königlichen Ungarn behandelten keinerlei siebenbürgische Angelegenheiten. Als die 7 oberungarischen Komitate durch den Nikolsburger Frieden unter die Herrschaft des Fürsten gelangten, versuchten weder die dortigen Stände noch Bethlen, sie staatsrechtlich mit Siebenbürgen zu vereinen. Der siebenbürgische Landtag machte zwar einen zaghaften Versuch, sein Mitspracherecht auf die Einkommen aus den 7 Komitaten auszudehnen, dies lehnte der Fürst aber auf das Bestimmteste ab.

So erlebte Siebenbürgen den Aufstieg seines Fürsten vor allem und unmittelbar an den Veränderungen in den Äußerlichkeiten des Hofes, da Gabriel Bethlen sich mit dem ganzen zur absoluten Herrschermacht gehörenden Pomp umgab. Nach damaliger Auffassung war das einfach seine Verpflichtung, die ihm allerdings nicht schwer gefallen sein mochte. Er verstand die Regierung des Landes als gottgegebene Aufgabe, genoß aber auch das, was dazu gehörte. Wenige haben ihre Pflichten so bereitwillig erfüllt wie gerade Gabriel Bethlen.

Er führte gerne diplomatische Verhandlungen, war ein großer Briefschreiber und verlor auch niemals die Lust, Kriege zu führen. Die meiste Freude machte ihm aber wohl doch die Entfaltung fürstlicher Pracht, denn den Luxus schätzte er sehr; er kleidete sich in grelle Farben, selbst seine Nachtgewänder waren farbig; er gab ein Vermögen für Schmuck aus, er aß gut und extravagant, so ließ er Seefische, Austern, Südfrüchte und Konfekt importieren. Musiker-Deutsche und Italiener-, Sänger und Schauspieler sorgten für seine Unterhaltung.

Dies alles erforderte ständig steigende Ausgaben. Vor dem ersten Kriegszug verbrauchte er etwa so viel wie ein Aristokrat im königlichen Ungarn, nach 1624 steigerte er seine Ausgaben auf das Niveau eines Herrschers. Aber auch seine Einnahmen waren gestiegen, so daß ihn der Luxus relativ nicht mehr {327.} kostete als einen seiner westlichen Kollegen. Gleich diesen wollte er seine Gegner mit der Pracht ebenso beeindrucken wie den internationalen Rang seines Landes damit zum Ausdruck bringen.