4. Fürstliche Politik unter dem Zwang der Verhältnisse


Inhaltsverzeichnis

Machtkrise und Triumph Georg I. Rákóczis

Gabriel Bethlen war zwar ohne Erben gestorben, aber zu seinem Nachfolger hatte er seine zweite Gemahlin, Katharina von Brandenburg, schon im Juni 1626 wählen lassen, eine in Europa beispiellose Tatsache, da es gewählte weibliche Herrscher kaum gab. Wir wissen nicht, ob sie die Würde angestrebt hat, sicher ist nur, daß Katharina das Herrschen nicht schätzte – und auch nicht verstand. Sie verhielt sich so, als wollte sie ihre Untertanen absichtlich ärgern, und ignorierte auch das Vermächtnis ihres verstorbenen Gatten. Noch am Sterbetag Bethlens forderte sie Ferdinand II. ausdrücklich zur Rücknahme der 7 Komitate auf, obwohl diese nach dem Plan des Fürsten behalten werden sollten.

Die Rückgabe der Komitate war dennoch die einzige Angelegenheit, in der Katharina und die Mehrheit der Stände übereinstimmten. Nur wenige von den Siebenbürgern und Oberungarn wollten den Zwitterzustand einer je halben Zugehörigkeit zum Fürstentum und zum Königreich beibehalten. Damit war es mit dem Einverständnis von Fürstin und Ständen auch zu Ende. Zum Bruch kam es aber erst, als sich herausstellte, daß Katharina durch Vermittlung ihres Geliebten István Csáky Siebenbürgen unter die Herrschaft Ferdinands II. stellen wollte.

Die Krise spitzte sich durch Nachrichten über György Rákóczi weiter zu, den die Führer der Opposition in der Sache der 7 Komitate mobilisiert hatten. Ausdrücklich wollten ihn István Bethlen d. J. und Dávid Zólyomi, zwei Zöglinge Gabriel Bethlens, zum Fürsten haben und boten ihm zu diesem Zweck die Hilfe der Haiducken an, die nach Bethlens Tod die einzige gesellschaftliche Kraft für die Bewahrung der Komitate darstellten. Anfänglich zögerte Rákóczi, bis er sich dann Ende September 1630 dem Lager der Haiducken anschloß, nachdem er auch vom Bruder des verstorbenen Fürsten, István Bethlen, schriftlich dazu überredet worden war.

Stephan (István) Bethlen amtierte, als er diese Nachricht übersandte, noch als Gubernator unter Katharina von Brandenburg – jedoch bereits als Fürst, als Rákóczi bei den Haiducken eintraf. Die der Regierung überdrüssig gewordene Katharina hatte man nämlich am 28. September zurücktreten lassen und ihn zum Fürsten gewählt. Damit komplizierte sich die Lage, denn Rákóczi kehrte trotzdem nicht um. Vergebens schickte ihm Palatin Esterházy den Befehl, heimzukehren, und der neue Fürst Drohungen. Statt heimzukehren sandte er den jungen István Bethlen nach Szolnok, um dort Muharrem Pascha um Hilfe zu bitten. Über Wardein hinaus begab er sich jedoch nur einmal, um Fürst Stephan Bethlen zu Verhandlungen zu zwingen.

Ende Oktober erreichten Rákóczi und Stephan Bethlen auch eine Einigung. Da aber die Lage beider unsicher war und sie über ziemlich gleich gute {328.} Beziehungen zur Pforte verfügten, wollten sie den Siebenbürger Landtag entscheiden lassen. Zwischen ihnen beiden sollte nach sechs Wochen gewählt werden. Ihre Lagebeurteilung erwies sich als zutreffend: Die Pforte nahm tatsächlich für keinen von ihnen Partei. In Siebenbürgen trafen zwei Fermane des Sultans ein, von denen einer Stephan Bethlens und der andere Rákóczis Wahl befahl, und Katharina von Brandenburg mußte entscheiden, welchen sie verlesen ließ. Da sie ihren Schwager stets verachtet hatte, wurde Georg (György) Rákóczi zum Fürsten.

Die Fürstenwahl wurde am 1. Dezember 1630 vollzogen. Rákóczi erhielt die langerwartete gute Nachricht am 3. Dezember in Wardein und reiste noch vor Weihnachten nach Siebenbürgen zu seiner Einführung. Muharrem Pascha von Szolnok und der Gesandte des Kaimakam folgten ihm einen Tag später, und in ihrer Anwesenheit legte er am 24. Dezember den Fürsteneid ab.

Mit den Haiducken brach er jedoch erst einige Monate später, nachdem diese unter Führung István Bethlens d. J. und Dávid Zólyomis das Königreich angegriffen hatten. Eigentlich wollten sie den neuen Fürsten selbst für die Sache der oberungarischen Komitate aktivieren. Statt den erfolgreichen Kampf der Haiducken fortzusetzen, schloß der neue Fürst aber Frieden mit Ferdinand II. Am 3. April 1631 verpflichtete er sich, die Haiducken künftig nicht mehr gegen das königliche Ungarn einzusetzen.

Günstige Außenbeziehungen und innere Gegensätze

In Erinnerung an seinen Vater begrüßten die siebenbürgischen Stände Georg Rákóczi nach seiner Wahl, obwohl es nicht allzu viele Züge von Ähnlichkeit zwischen Fürst Sigismund und seinem Sohn gegeben haben mochte. Sigismund Rákóczi hatte einen geschmeidigen Charakter besessen, zu jedem leicht Kontakt gefunden und war, sich geschickt jeder Situation anpassend, zum Fürsten aufgestiegen, um dann, als dies im Interesse des Landes notwendig schien, sich weise zu entfernen. Demgegenüber hatte Georg Rákóczi praktisch so gut wie keinen Schritt unternommen, um die Herrschaft zu erlangen, als er dem Palatin mitteilte, er werde nicht umkehren, auch wenn es ihn sein Leben koste.

Als Fürst verhielt sich Georg I. Rákóczi in allem ähnlich. Hartnäckig und krampfhaft hielt er an dem fest, was ihm seiner Meinung nach zukam. Auch seinen Untertanen trat er mit harten Forderungen entgegen. Während seiner Herrschaft nahm er ihnen vor Gericht mehr Besitz ab als jemals ein Herrscher in Ungarn. Denoch gewann er an Größe, weil er unter vorteilhaften äußeren Umsänden wirken konnte. Die Jahre seiner Herrschaft waren die seit Menschengedenken ruhigsten im Lande und im Umfeld Siebenbürgens.

Der alle Kräfte der österreichischen Habsburger bindende Dreißigjährige Krieg war 1630 aus ihrer Sicht gerade am Tiefpunkt angelangt. In absehbarer Zeit konnten sie gar nicht daran denken, in Ungarn irgendetwas zu ändern. Konstantinopel wiederum hatte seit 1622 immer wieder mit Janitscharenaufständen zu kämpfen. Nach den 30er Jahren war für zwei Jahrzehnte die Existenz der Pforte in Europa kaum zu bemerken.

Typisch für diese allgemeine Ruhe war das Ausbleiben jeder Intervention seitens der beiden Großmächte bei dem dreimaligen Fürstenwechsel von 1629–1630 in Siebenbürgen. Im Lande selbst entfachte Rákóczi jedoch einen {329.} gewaltigen Sturm, als er sich im Frieden nach dem Haiduckenkrieg 1631 auch dazu verpflichtete, in eine Burg seiner Familie, Ónod, eine kaiserliche Besatzung einzulassen, bis einer seiner Söhne als königlicher Untertan seinen ständigen Wohnsitz in Ungarn nehmen sollte. Da seine Söhne damals um die 10 Jahre alt waren, schien die Einquartierung der kaiserlichen Besatzung langfristig zu sein.

Diese Angelegenheit betraf nicht nur die Rákóczis, sondern auch die Bewohner der Umgebung, weil Ónod an der Sajó-Mündung eine strategische Bedeutung gegenüber Erlau besaß. An der Grenze zum Türkengebiet verteidigte sie mit den Grundherrschaften auch deren Bevölkerung. Ihre Besatzung bestand bisher aus Soldaten aus der Umgebung, und diese schützten damit die eigene Wirtschaft sowie die ihrer Geschwister und Verwandten, wenn sie gegen die Raubzüge der Erlauer Türken ins Feld zogen. Die Bewohner erschraken nun: Wie wird sich das aus der Ferne anrückende kaiserliche Militär verhalten?

Die einfachen Leute um Ónod hatten das Gefühl, von den Mächtigen im Stich gelassen worden zu sein, und begannen, ihre Selbstverteidigung zu organisieren. Nach dem Beispiel der Haiducken suchten sie sich zuerst adlige Führer, und als das nicht gelang, übernahmen Bauernhauptleute unter Péter Császárs Führung die Organisation und sandten Briefe mit einem Aufruf an die Dörfer im Umkreis Ónods. Für Ende Juli 1631 war eine gemeinsame Versammlung mit dem Adel geplant. Als die Herren von dieser aber Abstand nahmen, wurde Mitte August in Gönc nach Komitaten ein bäuerlicher Führungsstab gewählt. Damals wurde schon das doppelte Ziel der Bewegung sichtbar: Imre Csuka, ein angesehener alter Fronbauer, leitete den radikalen Flügel, der auch soziale Forderungen stellte, während Császár weiterhin auf der Suche nach einem adligen Führer war. Seine Gruppe schickte einen Gesandten zu Dávid Zólyomi, der sie aber an den Fürsten verwies. Im Januar 1632 reiste dann Péter Császár wirklich nach Weißenburg, womit sein Schicksal besiegelt war.

Bis dahin hatten sich die ungarischen Herren nämlich nicht viel um die Bauernbewegung gekümmert. Da dies alles sich auf den Rákóczi-Gütern abspielte und in erster Linie den Fürsten betraf, nährten viele ihre stille Schadenfreude daran. Als aber nun die Gefahr drohte, daß Rákóczi nicht gegen die Bauern, sondern als ihr neuer Bündnispartner auftreten werde, wandten sich die Stände des Königreichs gegen die Aufständischen. Sie nahmen Péter Császár fest und stellten ihn am a. März 1632 in Kaschau vor ein Standgericht. Aufgrund politischer Anschuldigungen wurde er nach schrecklichen Foltern hingerichtet.

Auch wenn es bisher kaum zu tatsächlichen Aktionen gegen die Herren gekommen war, entfesselte Péter Császárs Tod die wildesten Emotionen. Der oberungarische Adel versuchte, der Unruhe durch Verhandlungen zu begegnen, dafür war es aber schon zu spät. Wenn auch ein Teil der Bauernschaft die Waffen niederlegte, zog doch ihre Mehrheit nach Siebenbürgen, das sie allerdings nicht erreichten, weil sie von István Bethlen d. J. und David Zólyomi in einem erbitterten Kampf geschlagen wurden.

Diese zwei jungen Politiker hatten seit Gabriel Bethlens Tod einen Angriff auf das Königreich vorbereitet. Vor der Möglichkeit, die ihnen die Bauernbewegung bot, schraken sie jedoch zurück. Ganz unabhängig vom zu erwartenden Ausgang des Kampfes wollten sie nicht an der Spitze eines Bauernheeres {330.} stehen. Zólyomi und der junge Bethlen rückten von den Bauern ab, obwohl sie einen Angriff gegen das königliche Ungarn keineswegs für hoffnungslos hielten. Bethlen aber starb Ende 1632, und so begann Zólyomi allein seine Vorbereitungen gegen die Habsburger zu intensivieren. Es wären schon Gesandte dreier ausländischer Herrscher gleichzeitig bei ihm gewesen – äußerte er einmal etwas hochmütig. Deshalb auch ließ ihn Georg I. Rákóczi, der ihm doch vieles verdankte, im Frühjahr 1633 festnehmen und strengte einen Prozeß wegen Untreue gegen ihn an.

Gleichzeitig stellte man auch Mózes Székely vor Gericht, der die Fürstenwürde angestrebt hatte, nachdem die Anhänger seines verstorbenen Vaters ihn dazu überredet hatten. Er hatte sich an der Pforte Unterstützung gesichert. Rákóczi wollte seine Pläne aber nicht via Konstantinopel durchkreuzen, sondern warf ihn zu Hause ins Gefängnis und eröffnete den Prozeß gegen ihn und seine Anhänger. Diese gleichzeitigen Prozesse gegen Mózes Székely und Zólyomi benutzte der Fürst zur Einschüchterung der Opposition – aber damit begnügte er sich nicht. Es verging kaum ein Jahr der Herrschaft Georg I. Rákóczis ohne Hinrichtungs- und Enteignungsurteile.

Den schlimmsten Schlag führte er gegen die Sabbatarier, obwohl diese aus der Reformation herausgewachsene, aber antitrinitarische Konfession schon seit Jahrzehnten in Siebenbürgen in Frieden lebte. Wohl hatten sie früher, wenn sie überhaupt den Bereich der Theologie verließen, recht unklare gesellschaftliche Bestrebungen vertreten, seit den 1620er Jahren traten aber auch unter ihnen Wortführer oppositioneller politischer Vorstellungen auf. Gabriel Bethlen hatte sich seinerzeit nicht viel um sie gekümmert, sondern sie lieber für die Pfortendiplomatie eingesetzt.

Rákóczi wiederum hatte einen persönlichen Widerwillen gegen ihre Theologie und wollte auch ihre politischen Verbindungen nicht dulden. Ein gar nicht unwesentlicher Gesichtspunkt war schließlich, daß er den Sabbatariern durch Gerichtsbeschluß die Güter wegnehmen konnte. Zuerst fand in Desch – um die Fiktion von den theologischen Gründen für ihre Verfolgung hervorzuheben – ein großes religiöses Streitgespräch statt, und unmittelbar danach, im Juli 1638, ergingen die Vorladungen vor Gericht.

Die Angeklagten flüchteten sich zum Teil in die anerkannten Konfessionen, diejenigen aber, die ihrem Glauben treu blieben, wurden zur Hinrichtung und zum Verlust ihrer Güter verurteilt. Schließlich begnadigte sie der Fürst und zog nur ohne Ansehen der Person ihre Güter ein. Eine Hinrichtung gab es dennoch: Der Goldschmied János Torockai aus Klausenburg wurde aufgrund eines Gerichtsurteils gesteinigt.

Die Wirtschaftspolitik Rákóczis

Völlig aufreiben konnte Rákóczi die Opposition durch die Gewaltanwendung gegen die Sabbatarier nicht. Zum Mittel der Hochverratsprozesse griff er auch später gern, nicht nur zum Zweck der Wahrung der politischen Disziplin, sondern ebenso der Vergrößerung seiner fürstlichen Besitzungen.

Auf große Grundbesitze war Rákóczi deshalb angewiesen, weil er gegenüber den Zeiten Gabriel Bethlens die Basis der fürstlichen Macht geändert hatte. Statt durch staatlichen Handel oder merkantilistische Maßnahmen suchte er sich durch Vermehrung seines persönlichen Vermögens zu {331.} bereichern. Er ersetzte die wirtschaftspolitischen Entscheidungen mit ihren komplizierten Erwägungen durch seinen fast schon fanatischen Landhunger.

Bei dieser Güterbeschaffung erwies er sich als unerhört erfolgreich; während seiner Herrschaft vervielfachte er seine Familienherrschaften. Verfügte Rákóczi bei seiner Wahl über 10 Güterkomplexe gänzlich oder zum Teil, so waren es 32 in seinem Testament. Um 1648 produzierten in Ungarn und Siebenbürgen 27 000 Bauernhaushalte auf Rákóczis Gütern, in seinen zahllosen Dörfern und 56 Landstädten lebten weit mehr als 100 000 Menschen. 54 Meierhöfe und 12 Winzereien sorgten für seine Familie oder produzierten für den Verkauf. Was dies wirklich bedeutete, wird daran sichtbar, daß der Fürst mehr Leibeigene besaß als alle anderen siebenbürgischen Grundbesitzer zusammen.

Damit hatte er sich eine eher für das Mittelalter typische Herrschaft aufgebaut, beispiellos unter all den Herrschern des 17. Jahrhunderts, die auf eine staatliche Finanzwirtschaft setzten. Rákóczis Machtstellung aber war vergleichsweise um nichts geringer. Mit seinem persönlichen Reichtum war er ein von der Mitsprache der Stände ebenso unabhängiger Fürst wie Gabriel Bethlen.

Zudem verspürten seine Untertanen auch gewisse Erleichterungen: Es gab keine Handelsprivilegien der Schatzkammer mehr, und die Steuern wurden um ein Viertel verringert.

Sieg über die Türken

Die Machtstellung des Fürsten blieb nach außen lange Zeit unsichtbar, als wäre sie für Rákóczi reiner Selbstzweck. Das änderte sich, als er gleich zweimal an internationalen Aktionen teilnahm, beide Male durch äußere Umstände zum Handeln gezwungen.

Zuerst mußte er gegen die Türken vorgehen, da Großwesir Nassuhr Sohn, der Ofner Statthalter, in seiner Abneigung gegen Georg I Rákóczi die Beziehungen Siebenbürgens zur Pforte beeinträchtigte. Noch mehr ins Gewicht fiel dabei die Tatsache, daß sich am Hof des Ofner Paschas eine Gruppe rebellischer Persönlichkeiten gebildet hatte, die, ohne auf die Zentrale in Konstantinopel zu achten, die Geschicke der türkischen Provinz und ihrer Grenzgebiete lenken wollte.

Zum Hebel dieser gegen Konstantinopel auftretenden Türken in Ungarn wurde der alte Stephan Bethlen, der 1635 nach Ofen gegangen war, um den Hochverratsprozessen zu entgehen. Zólyomi war sein Schwiegersohn und sein Sohn Péter lag im Kerker; so fürchtete auch er sich vor Rákóczi. Den Männern um Hussein Nassuh wiederum bot eine Unterstützung Stephan Bethlens gegen Rákóczi eine willkommene Gelegenheit einzugreifen.

Der Fürst versuchte, dies durch Einschaltung der Konstantinopeler Würdenträger zu verhindern, letztere aber verwiesen ihn an den Diwan des Ofner Statthalters, der diesen Streit zwischen Bethlen und Rákóczi entscheiden sollte. Dadurch geriet der Fürst in eine ziemlich hoffnungslose Lage, denn es war kein Geheimnis, daß das türkische Ofen auf Seiten Stephan Bethlens stand. Auch die Herren im königlichen Ungarn rieten vom Kriege ab, sowohl Péter Pázmány als auch Miklós Esterházy vertraten eine Politik, die gerade damals jeden Kampf zu vermeiden suchte.

{332.} Dennoch bereitete sich Rákóczi auf den türkischen Krieg vor – es blieb ihm gar kein anderer Ausweg. Schließlich trieben seine Soldaten die bei Szalonta lagernden Türken in einer Oktobernacht 1636 mit einer Kriegslist in die Flucht. Noch Monate später fanden sich in den Sümpfen der Umgebung reich gekleidete Leichen, während man mit den im Kampf gemachten türkischen Gefangenen noch jahrelang Handel trieb.

Georg Rákóczi blieb also in dieser ihm aufgezwungenen Aktion Sieger. Seit Jahrzehnten mehr hatte kein siebenbürgischer Fürst türkische Truppen geschlagen. Er galt damit als Held, auch wenn der Gegner nicht Konstantinopel, sondern die Opposition der Reichszentrale war. Sein Ansehen stieg im In- und Ausland gewaltig.

Krieg gegen die Habsburger und Sonderfrieden

Rákóczis Teilnahme an einer zweiten, weitaus größeren internationalen Aktion erzwangen von außen an ihn herangetragene Erwartungen, die darauf hinausliefen, daß er die habsburgfeindliche Politik seines großen Vorgängers Gabriel Bethlen fortsetzen werde. Viele der früheren Verbündeten Bethlens, aber auch der Wiener Hof und der ungarische Adel versuchten, seine diesbezüglichen Absichten in Erfahrung zu bringen. Rákóczi aber schlug nach seinem Türkensieg zwar im Verkehr mit den habsburgfreundlichen Politikern des Königreichs einen schärferen Ton an, gab aber nicht zu erkennen, eine solche Unternehmung zu planen.

Der Argwohn der Habsburgfreunde einerseits und das Drängen der Habsburgfeinde andererseits beendeten dann aber Rákóczis Passivität nach 13 Jahren. Im Frühling 1643 schloß er einen Vertrag – der auch den französischen König Ludwig XIII. zur Hilfe verpflichtete – mit Königin Christina von Schweden und zog im Jahr darauf Anfang Februar gegen Ferdinand II., womit er auch in den Dreißigjährigen Krieg eingriff.

Warum er gerade diesen Zeitpunkt wählte, ist eigentlich ein Rätsel. Die politische Lage im königlichen Ungarn hatte vorher viel geeignetere Momente zum Eingreifen geboten, obwohl Rákóczi weder damals noch jetzt dort einen so tatkräftigen Förderer hatte, wie er es seinerzeit für Gabriel Bethlen gewesen war. Er konnte sich nicht damit rechtfertigen, man habe ihn zu Hilfe gerufen. Sein Ziel war es, das Nationalkönigtum wieder zu errichten, die mächtigsten Politiker blieben ihm aber fern. Er rief die Ungarn zum Schutz der protestantischen Religionsfreiheit auf, doch waren bis 1644 die meisten Magnaten bereits wieder katholisch geworden. In grober Vereinfachung eines komplizierten Prozesses könnte man sagen: Nach dem Ausbruch an Bethlens Seite drückten sie ihre ehrliche Friedensabsicht mit der Obernahme des Glaubens des Herrscherhauses aus, weshalb sie die Losung der Religionsfreiheit bei Rákóczis Angriff ungerührt ließ. Ohne ihre Beteiligung aber war eine Dethronisierung der Habsburger niemals zu erreichen.

Der Kriegszug begann trotzdem sehr erfolgreich, obwohl die westlichen Verbündeten – wie schon bei Bethlen – auch jetzt keine militärische Hilfe leisteten. Unter den verschiedensten Ausreden versäumten sie, die mit Rákóczi abgesprochenen Militäroperationen auszuführen. Allein aus Frankreich kamen gegen Ende der Unternehmung 200 000 Taler. Dessenungeachtet erlitten die Truppen Rákóczis ihre erste Niederlage erst am 9. April bei {333.} Galgóc. Dann aber wendete sich das Kriegsglück mit immer mehr Erfolgen ganz den Kaiserlichen zu. Mit Hilfe der Bauern aus der Umgebung konnte der Fürst zwar Kaschau noch halten, der Kriegsverlauf brachte ihn aber zu der Einsicht, sich nun nicht um Erfolge im Kampf, sondern am Verhandlungstisch bemühen zu müssen.

Unbestreitbar war Rákóczi militärisch im Nachteil, als er dank seiner hervorragenden Diplomaten dennoch einen vorteilhaften Friedensschluß erreichen konnte. Eine der wichtigsten Zugeständnisse des 1645 in Linz geschlossenen Friedens war die Ausdehnung der Garantie der freien Religionsausübung auch auf die Bauern. Rákóczi wurden zudem die 7 oberungarischen Komitate und ihm persönlich mehrere große Güter überlassen.

Letztlich hatte Ferdinand III. damit recht große Zugeständnisse gemacht, wofür er allerdings gute Gründe hatte. Denn indirekt hatte Rákóczi doch Hilfe von seinen Verbündeten erhalten: Die Nachricht vom Heranrücken der schwedischen Truppen zwang den König, alle Forderungen zu erfüllen. Im Juni sandte Rákóczi seinen Sohn Zsigmond und den Oberkommandierenden seiner Truppen János Kemény nach Mähren zu seinen Verbündeten, zögerte aber nach Abschluß der Friedensverhandlungen nicht, seine Leute sofort aus dem schwedischen Lager nach Hause zu beordern.

Wechselseitiges Desinteresse der Verbündeten und Rákóczis letzte Pläne

Gegenüber dem schwedischen Heerführer Torstensson, der nach dem Abzug der Truppen Zsigmond Rákóczis die Belagerung Brünns aufgeben mußte, behauptete der Fürst, die Pforte habe ihn zurückbefohlen – ein glaubhaft klingender Vorwand. Niemand konnte oder mochte ihn nachprüfen, weil die seit Sommer 1645 ständig siegreichen Gegner des Kaisers auf Rákóczi nicht mehr angewiesen waren und unterdessen in Westfalen schon die Friedensunterhändler verhandelten. Bevor noch die Gegner Ferdinands III. Prag belagern konnten, war der Krieg beendet.

Das Ausbleiben der Belagerung von Prag ist sehr bezeichnend: es zeigt das ganze Desinteresse der westlichen Verbündeten am böhmischen Königtum der Habsburger. Der Kaiser hatte die böhmischen Stände bereits zu Beginn des Krieges geschlagen, und danach kümmerte sich niemand mehr um sie. Ferdinand III. schloß den Westfälischen Frieden als Verlierer, aber vom böhmischen Königreich war ebensowenig die Rede wie vom ungarischen. Die Diplomaten Georg I. Rákóczis konnten bloß durchsetzen, daß Siebenbürgen als Verbündeter Schwedens und Englands im Westfälischen Frieden in der Reihe der Länder Europas aufgeführt wurde.

Die Gleichgültigkeit des Westens am Territorium rings um Ungarn war nicht unnatürlich. In der internationalen Politik gibt es keine selbstlosen Opfer – solche brachten auch die siebenbürgischen Fürsten während des Dreißigjährigen Krieges nicht. Auch sie gingen in der Unterstützung ihrer Verbündeten nur so weit, wie ihre Interessen es erlaubten. Bethlen ließ sie vor Wien im Stich, Rákóczi zog seine Truppen von Brünn ab.

Vermutlich waren es die wiederholten Mißerfolge in der Zusammenarbeit mit dem Westen, die Rákóczi schließlich auf Polen aufmerksam werden {334.} ließen. Ein solches Interesse mochte nicht als bloßer Traum erscheinen, war doch schon einmal ein siebenbürgischer Fürst polnischer König gewesen. Es gab auch Ermutigung seitens der Polen durch den Herzog Janusz Radziwill. Mit ihm und seinen Anhängern wurde der große Plan ausgearbeitet, nach dem Tode des kranken Königs Wladislaus IV. den jüngeren Sohn des Fürsten, Zsigmond Rákóczi, zum polnischen König zu machen. Die siebenbürgische Diplomatie war in diesem Sinne bereits tätig, als der Plan unverhofft Auftrieb erhielt.

Im Sommer 1648 erfuhr Rákóczi vom Aufstand der Kosaken gegen Polen. In ihnen sah er einen möglichen Bundesgenossen und nahm mit ihrem Führer – und das war vielleicht die einzige Geste einer Initiative in seinem Leben – Beziehung auf. Hetman Bogdan Khmelnitzki versprach auch Unterstützung, unter Berufung auf das hochverehrte Andenken Stephan Báthorys. Georg I. Rákóczi vermochte diesen schönen Brief jedoch nicht mehr zu lesen, da er am II. Oktober 1648 gestorben war. Seinen Söhnen Georg (György) und Zsigmond hinterließ er seine Pläne als Vermächtnis und dem älteren, Georg II. Rákóczi, Siebenbürgen, das in den vergangenen beinahe dreieinhalb Jahrzehnten seine größte Blütezeit erlebt hatte.