{579.} 3. Kulturelles Leben und multinationale Gesellschaft


Inhaltsverzeichnis

Das geistig-kulturelle Leben in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stand ganz im Zeichen der alles beherrschenden Idee des liberalen Nationalismus. Allerdings ist in den auf die 48er Revolution folgenden nationalen Konflikten und im Sturm des Bürgerkrieges auch in Siebenbürgen die Einheit von Liberalismus und Nationalismus zerbrochen, und in den politischen Auseinandersetzungen stießen die beiden Ideen wiederholt heftig aufeinander. In der Weltanschauung der Zeitgenossen hat sich jedoch diese Einheit Jahrzehnte hindurch behauptet. Das geistig-kulturelle Leben eines halben Jahrhunderts wurde vornehmlich von der Generation gestaltet, für die das Jahr 1848/49 nach wie vor ein Schlüsselerlebnis geblieben war, das nicht nur die Geschichte, sondern auch die Menschen geprägt hat.

In der Epoche der Nationsbildung und der Integration ihrer Gesellschaft wurde die vielseitige Entwicklung der muttersprachlichen Kultur und deren Verbreitung, die möglichst alle soziale Schichten erfassen sollte, zu einer erstrangigen Aufgabe der jeweiligen Nation. Die drei in Siebenbürgen beheimateten Nationen waren Träger höchst unterschiedlicher und voneinander wesentlich abweichender Kulturtraditionen; da sie aber territorial gesehen eng miteinander verflochten waren, bildeten sie aus diesem Grund einen nicht auflösbaren Komplex. Weder unter dem Aspekt der quantitativen Proportion der einzelnen Ethnika, noch ihres politischen Gewichtes, ihrer Wirtschaftskraft und ihrem Entwicklungsstand war ein echtes Gleichgewicht entstanden, so daß die jeweilige Intelligenz den ethnisch-kulturellen Bestand ihres eigenen Volkes ängstlich hütete, um diesen vor dem Einfluß einer sprachlichen Assimilation oder gar eines kulturellen Übergewichts der „anderen Nation” zu bewahren. Die Sorge um die Zukunft der Nation und die Hoffnung auf ihren Aufstieg waren für die Zeitgenossen die Hauptantriebskraft für ihr kulturelles Schaffen.

Siebenbürgens kulturelle Eigenständigkeit ging eigentlich schon verloren, bevor die Selbständigkeit als Provinz 1848 und dann endgültig 1867 aufgehoben wurde. Lokal gefärbte Kulturen pflegen im Rahmen gesamtnationaler Kulturen zu verschwinden; dieser Prozeß vollendet sich im Absolutismus und besonders nach 1867, in der dualistischen Periode: So geht das ungarische Kulturleben Siebenbürgens völlig in dem des Mutterlandes auf, während sich das Kulturleben der Rumänen immer enger mit dem der rumänischen Nation jenseits der Karpaten verbindet. Dieser zwei entgegengesetzte Richtungen einschlagende Verschmelzungsprozeß vollzieht sich nicht im gleichen Tempo, weil die Entwicklung beider Nationen zu unterschiedlich war; das trifft auch auf die politischen Voraussetzungen zu, denn die Karpaten bildeten für Jahrhunderte eine Grenzlinie, und auch im 19. Jahrhundert blieb die kulturelle Entwicklung des rumänischen Staates noch hinter der des ungarischen Mutterlandes zurück. So bestanden bei den Siebenbürger Rumänen – im Gegensatz zu ihren ungarischen Landsleuten – relativ lange noch landschaftsspezifische Literaturen, im Banat wie in Bihar. Eine traditionell selbständige, lokale geistige Prägung ihrer Kultur bewahrten bis zum Ende der Periode allein die Sachsen, trotz der geistigen Osmose mit Deutschland, daß die sächsische Intelligenz ihre Vergangenheit als Teil der {580.} deutschen Geschichte und sich selbst als Vorposten des Deutschtums betrachtete.

Von einem eigenständigen Kulturleben in Siebenbürgen kann man in dieser Periode folglich nur bei den Sachsen sprechen, bei den Rumänen nur mit Einschränkungen und bei den Ungarn nach 1867 überhaupt nicht mehr. Dementsprechend konzentriert sich der folgende gedrängte Überblick vor allem auf die im allgemeinen weniger bekannte rumänische und sächsische Kultur.

Vereine und ihre Ziele

Die stark eingeschränkte gesellschaftliche Eigenaktivität unter dem Absolutismus entfaltete sich in den von der Reformzeit geebneten Bahnen. Alle drei Nationen schufen sich eigene wissenschaftlich-kulturelle „Gesellschaften”, die über die Pflege und Organisation der Wissenschaften hinaus auch eine national-politische Funktion erfüllten.

Der sächsische Verein für Siebenbürgische Landeskunde entstand schon 1840, nach 1860 spaltete sich von ihm der Siebenbürgische Verein für Naturwissenschaften ab. Beide Vereine wie auch die Bruckenthal-Bibliothek und die Gymnasien entwickelten eine breit gefächerte wissenschaftliche Tätigkeit, die von der Ethnographie über die Geschichte bis hin zur Tier- und Pflanzenwelt sowie zu den Bodenschätzen der Karpaten so ziemlich alles umfaßte. Die zukünftigen Gelehrten studierten ausnahmslos an deutschen Universitäten, an denen sie auch ihre methodologische Ausbildung erhielten. Sie leisteten auf allen Gebieten eine ausgesprochene Pionierarbeit. (Gerade infolge dieser enger gewordenen Beziehungen zu Deutschland sind – von einzelnen persönlichen Bekanntschaften abgesehen – die Verbindungen der sächsischen Wissenschaft zur ungarischen nur sehr lose geblieben.) Aus der Fülle der in dieser Epoche entstandenen wissenschaftlichen Werke sollen hier nur einige wenige herausgegriffen werden: So die seit 1852 in Heften erscheinende Geschichte der Siebenbürger Sachsen von Georg Daniel Teutsch, die erste ganz auf Quellen aufgebaute zusammenfassende Sachsengeschichte, sowie das um die Jahrhundertwende begonnene Urkundenbuch zur Geschichte der Deutschen in Siebenbürgen, eine bis heute grundlegende Quellenausgabe; ferner das Wirken von Franz Zimmermann, der das sächsische Archivwesen auf eine beispielhaft moderne wissenschaftliche Basis stellte. Darüber hinaus entstanden noch zahlreiche andere Vereine mit kultureller Zielsetzung; einer der bekanntesten, der 1881 gegründete Karpaten-Verein, erwarb sich bei der Entwicklung des Tourismus und durch das Aufgreifen von Naturschutzproblemen bleibende Verdienste.

Bis in die Gegenwart hinein wirkte ein Spezifikum des sächsischen Kulturlebens, daß nämlich die gesamte sächsische Lehrerschaft – die in unserer Periode mit dem Ende der hegemonialen Stellung der Juristen auch immer mehr an politischem Gewicht gewann – wissenschaftliche Forschung betrieb und das geschriebene Wort bereits damals ein hohes Ansehen in der gesamten sächsischen Gesellschaft besaß.

Durch Wiederaufleben einer alten Idee und beeinflußt vom sächsischen Vorbild entstand als nationale Einrichtung der Magyaren der Erdélyi Múzeum Egyesület, der Siebenbürgische Museumsverein. Zu diesem Zwecke stiftete {581.} Graf Imre Mikó in Klausenburg einen 5 ha großen Garten samt Villa, erarbeitete das Statut und erwirkte in Wien die Gründungsgenehmigung. Bereits 1857 fand die erste Vollversammlung statt, obwohl die Genehmigung erst 1859 erteilt wurde. Erster Vorsitzender war Graf Mikó, nach dessen Urteil „unser Verein eine praktische Schule der Selbstverwaltung sein kann”. Der Verein war eine rein ungarischsprachige wissenschaftliche Gesellschaft, sein Bestand setzte sich aus den auch Antiquitäten umfassenden Sammlungen von Aristokraten, Intellektuellen und Bürgern zusammen. Finanziert wurde er durch Schenkungen, die größte Summe von 10 000 Forint spendete übrigens der altkonservative Baron Samu Jósika. Die Aktivitäten dieses Vereins mit Akademie-Charakter erstreckten sich auf die Geschichts- und Naturwissenschaften, er entwickelte sich zur größten wissenschaftlichen Gesellschaft Siebenbürgens. Seine riesige Antikensammlung, die mehreren tausend Urkunden und Manuskripte, die später durch die wertvolle 48er Kollektion ergänzt wurden, und sein naturwissenschaftliches Kabinett bildeten von Anfang an eine ausgezeichnete Forschungsbasis. Die vom Polyhistor Sámuel Brassai unter dem Titel Erdélyi Múzeum herausgegebenen Jahrbücher erfreuten sich weiter Verbreitung.

Kulturelle Gründung und Organisation galten noch in dieser Periode als politische Tat. Unter den freieren Verhältnissen des öffentlichen Lebens in den 60er Jahren und zumal nach dem österreichisch-ungarischen Ausgleich von 1867 und der Union mit Ungarn verlor der Museumsverein viel von seinem politischen Symbolcharakter, während seine wissenschaftliche Bedeutung erhaltenblieb. Eine Zäsur bildet 1872 die Gründung der Klausenburger Universität: Die Sammlungen des Vereins werden der Universität vertraglich zur Nutzung überlassen, und die Betreuer der Sammlungen sind von nun an die Professoren der jeweiligen Fachgebiete. Damit werden die Tätigkeiten von Verein und Universität eng miteinander gekoppelt, ohne daß ersterer seine Selbständigkeit aufgegeben hätte. Zu einer Arbeitsverlagerung kommt es in unserem Jahrhundert, als Jahresversammlungen und populärwissenschaftliche Vorträge in Mode kommen.

Der bekannteste ungarische Kulturverein war übrigens der 1885 gegründete und lange Zeit lautstark politisierende EMKE, dessen Tätigkeit später im politikgeschichtlichen Kapitel dargestellt wird.

Unter den Rumänen war der Gedanke einer Akademie oder einer Sprachpflegegesellschaft bereits 1852 aufgetaucht, bis dann unter dem Einfluß des ungarischen Museumsvereins 1861 in Hermannstadt die Asociaţiunea transilvană pentru literatura română şi cultura poporului român (Siebenbürgische Gesellschaft für rumänische Literatur und Kultur des rumänischen Volkes), ASTRA, gegründet wurde. Die stark historisch und linguistisch-literarisch ausgerichtete, aber auch mit Naturwissenschaften befaßte Gesellschaft schob die alten konfessionellen Unterschiede beiseite und vereinigte alle Intellektuellen, die bisher meist in einem Konkurrenzverhältnis zueinander gestanden hatten. Erster Vorsitzender der ASTRA wurde zwar der orthodoxe Bischof Baron Şaguna, Sekretär jedoch der konfessionell unvoreingenommene Bariţ. Die ASTRA erhielt in den Jahren nach 1861 grenzüberschreitende Bedeutung, da sie mangels einer vergleichbaren Institution in Rumänien eine Zeitlang die Funktion einer rumänischen Akademie erfüllte.

Materiell gesehen war die ASTRA schlechter gestellt als der Museumsverein {582.} oder der sächsische Verein, wenn sie auch von der rumänischen Intelligenz unterstützt wurde. Typischerweise gaben nicht nur Geistliche und Bürger für ihre Gründung Geld, sondern es mußte auch die Opferbereitschaft der Bauern in Anspruch genommen werden; so verpflichteten sich Dorfgemeinschaften, 5 Jahre lang eine bestimmte Menge Mais zur Unterstützung der ASTRA zu spenden. Ihre Bedeutung blieb auch nach dem Ausgleich bestehen, als der politische Kampf der Siebenbürger Rumänen um ihre nationale Emanzipation fortgesetzt wurde und die ASTRA darin – trotz ihres zeitweisen Verfalls – eine unverändert wichtige Rolle spielte. Ab 1895 erweiterte die Gesellschaft ihr Tätigkeitsgebiet auf die nichtsiebenbürgischen Teile Ungarns. Die um die Jahrhundertwende reorganisierte Gesellschaft gibt die erste rumänische Enzyklopädie heraus, deren 38 000 Wortartikel zur Hälfte von Verfassern aus Rumänien stammten. 1905 wird das Hermannstädter ASTRA-Museum errichtet, das auch Zentrale, Bibliothek und Theater beherbergt. Von hier aus werden Vorträge für die bäuerliche Bevölkerung organisiert und für diese über 100 kleine Volksbüchereien eingerichtet. Die Vollversammlungen vor dem ersten Weltkrieg entwickeln sich zu wahren Massendemonstrationen. Während für den ungarischen Museumsverein vor allem seine wissenschaftliche Tätigkeit bezeichnend war, liegt die Bedeutung dieser rumänischen Kulturgesellschaft in erster Linie in ihrer Volksbildungsarbeit. In den letzten Jahrzehnten unserer Periode ersetzte die ASTRA den Mangel eines rumänischen Kulturministeriums.

Zwischen diesen drei Vereinen entwickelten sich keine engeren Beziehungen, obwohl anfänglich jeder aus Höflichkeit Ehrenmitglieder auch aus den anderen beiden Nationen aufnahm und es bei der wissenschaftlichen Arbeit zu gelegentlichen Kontakten unter den Fachleuten kam. Die Zeitgenossen waren damals aber mehr vom Ausbau der eigenen nationalen Institutionen, vom nationalen Integrationsprozeß oder „nationalen Kampf” in Anspruch genommen, als daß sie großen Wert auf wechselseitige Beziehungen gelegt hätten.

In der zweiten Jahrhunderthälfte führte bei Magyaren und Rumänen die weitgehende kulturelle Verschmelzung mit der „Mutternation” zeitweise zu einem wahren Exodus der Intellektuellen nach Pest und Bukarest. Das sich zur Weltstadt entwickelnde Budapest zog die Künstler und Gelehrten wie ein Magnet an. Die rumänischen Intellektuellen hingegen gingen bereits seit Jahrzehnten gerne nach Bukarest, nicht nur aus Unzufriedenheit mit den politischen Verhältnissen in Ungarn oder auf der Flucht vor der Staatsmacht, wenn sie mit dieser in Konflikt geraten waren, sondern auch, wenn sie hier bereits Karriere gemacht hatten. Der Banater Victor Babeş, seit 1879 ein geschätzter Professor an der Budapester Universität, der mit Pasteur, Koch und Virchow in Verbindung stand und das erste ungarische bakteriologische Lehrbuch verfaßte, folgt 1886 dem Ruf der rumänischen Regierung nach Bukarest. Sein Bruder, ein Chemiker, geht ebenso nach Rumänien wie der namhafte Augenarzt George Crăiniceanu, der auch Fachmonographien in ungarischer und deutscher Sprache geschrieben hat. Ihr Beispiel belegt, daß die wirklich schöpferischen Intellektuellen in der Periode der Nationalgesellschaften eine vollwertige Fachkarriere nur innerhalb der eigenen Nation machen konnten. Gegenbeispiele, wie der Dichter und Publizist Grozescu, der aus Rumänien nach Pest zurückkehrte, sind eher die Regel bestätigende Ausnahmen.

{583.} Schule und Bildung

Am Beginn der bürgerlichen Periode stand das Schulwesen der drei siebenbürgischen Nationen auf sehr unterschiedlichem Niveau. Historisches Erbe und Wirtschaftskraft der einzelnen Gesellschaften sowie die Haltung des Volkes zur institutionalisierten Kultur unterschieden sich stark voneinander. Alle diese Differenzen wurden noch verstärkt durch die Aktivitäten der jeweiligen Staatsmacht, welche die Weiterentwicklung des Schulsystems entsprechend ihren eigenen Zielen beeinflußte. Zu Beginn unserer Periode waren die Schulen überdies vollständig in der Hand der Kirchen, und dies änderte sich auch in dem nun folgenden halben Jahrhundert nicht wesentlich.

Eine zusammenfassende Geschichte der ungarischen Schulen in Siebenbürgen muß noch geschrieben werden, liegen doch nicht einmal genaue Zahlen der Unterrichtseinrichtungen vor. 1851 waren von den 2146 siebenbürgischen Schulen 949 ungarisch (742 rumänisch und 455 sächsisch). Als nach dem Ausgleich die ungarische Regierung die Volksschulen 1869 zählen ließ, waren von 2654 Schulen 866 ungarisch (1436 rumänisch und 273 deutsch-die übrigen gemischtsprachig). Von den damals 113 000 schulpflichtigen ungarischen Kindern besuchten nur 47 000 die Schule, und von ihnen auch nur die Hälfte das ganze Jahr über, die sächsischen Kinder dagegen zu 80 %. Ein beachtlicher Teil der Eltern – besonders im Dorf – stand dem Unterricht mehr oder weniger feindselig gegenüber. Das Ministerium für Kultus und Unterricht stellte 1870 zu seiner eigenen Überraschung fest, daß sehr oft auch die vermögenderen Bauernfamilien bemüht waren, ihre Kinder vom verpflichteten Schulbesuch fernzuhalten.

Neben der allgemeinen Rückständigkeit war für die Ungarn Siebenbürgens die Vielfalt des konfessionellen Unterrichts kennzeichnend. Als die gegenüber der Schulpflicht aufgeschlossenste Konfession galten die Unitarier, zumindest wiesen sie die höchste Schülerquote auf; ihnen folgten die Reformierten und nach diesen, mit nur kleinem Abstand, die Katholiken. Daraus lassen sich aber keinerlei Schlußfolgerungen für das Niveau des Volksschulunterrichts ziehen, weil sich dieses nach Landschaft und Schule erheblich unterschied.

Nach dem Ausgleich favorisierte der Staat die ungarischen Schulen, teils um die ungarische Diaspora zu schützen, vorwiegend aber zu dem Zweck, zur Verbreitung der ungarischen Sprache unter den Nicht-Magyaren beizutragen. Zweifellos förderten der staatliche Schulbau und die gelegentlichen Beihilfen für die kirchlichen Schulen die Entwicklung des ungarischen Volksschulunterrichts. Zur Jahrhundertwende gab es allein in den von Szeklern bewohnten 4 Komitaten 797 Bildungseinrichtungen mit doppelt soviel Schülern, als zur Zeit des Ausgleichs Magyaren in ganz Siebenbürgen zur Schule gingen.

Der Absolutismus modernisierte und vereinheitlichte den Mittelschulunterricht, während der dualistische Staat bereitwillig neue Gymnasien und Fachschulen errichtete. Die traditionsreichen Gymnasien und Hochschulen konnten ihre herausragende Bedeutung bewahren. Die Mittelschulen von Klausenburg, Straßburg und Neumarkt verfügten landesweit über einen guten Ruf, und – nicht nur – das Klausenburger Piaristengymnasium wurde stets auch von einer großen Zahl rumänischer Schüler besucht. Dem reformierten Gymnasium von Zillenmarkt gehörten nicht nur der geniale ungarische Dichter der Jahrhundertwende Endre Ady, sondern auch {584.} Iuliu Maniu, einer der großen rumänischen Politiker des 20. Jahrhunderts an.

Vervollständigt wurde das ungarische Schulsystem durch die 1872 geschaffene Klausenburger Franz-Joseph-Universität, die auf der Basis der damit aufgehobenen Rechtsakademie, des Chirurgischen Instituts und des Siebenbürgischen Museumsvereins entstand. Anfangs hatte sie mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen. Dank ihrer Professoren und der zunehmenden staatlichen Unterstützungen entwickelte sie sich bis zur Jahrhundertwende aber zu einem wertvollen Zentrum für Lehre und Forschung. Nach der Universitätsgründung wurde Klausenburg zu einer wahren Schulstadt, deren Bevölkerung vor dem Weltkrieg zu einem Viertel aus Lehrern und Schülern bestand.

Das sächsische Schulnetz durchlief eine nicht nur für die Verhältnisse im Karpatenbecken, sondern auch im europäischen Maßstab beispielhafte Entwicklung.

Unter dem Absolutismus wurde die auch von der Regierung geförderte Modernisierung der sächsischen Gymnasien vorangetrieben, ohne daß sie – wie übrigens auch die Hermannstädter Rechtsakademie – vom Staat übernommen wurden. Aus dem Vermögen der Nationsuniversität hatte man noch im Jahre 1850 einen eigenen Schulfond gebildet, der für den Unterhalt der Unterrichtseinrichtungen aufkommen sollte. 1869 besuchten bereits 80 % aller sächsischen Kinder die Schule und übertrafen damit die Ungarn und noch mehr die Rumänen bei weitem. Der hohe Vermögensstand der Sachsen und ihre beispiellose Opferbereitschaft reichten auch in der Periode des Dualismus dazu aus, die wiederholten Magyarisierungsversuche der Regierungen von ihren Unterrichtsanstalten fernzuhalten und staatliche Subventionen nur insoweit anzunehmen, als diese ihre Schulautonomie nicht gefährdeten. (Die sächsischen Gemeinden spendeten zwischen 1907 und 1910 1,3 Millionen Kronen für wohltätige – in erster Linie schulische – Zwecke.) 1907 wurde aus den Waldverkäufen der Nationsuniversität erneut eine Stiftung von 18 Millionen Kronen geschaffen, die mit den nach 1910 bereits umfangreicheren staatlichen Subventionen den fälligen Neubau von Gymnasien finanzieren konnten. An diesen Gymnasien unterrichteten überwiegend Lehrer mit deutscher Universitätsausbildung, von denen auch viele in der Forschung tätig waren. Der bekannteste von ihnen ist wohl der bereits in seiner Schulzeit experimentierfreudige Hermann Oberth, nach dem Kriege einer der Pioniere der Raumfahrt.

Bis zum ersten Weltkrieg war bei den Sachsen der Analphabetismus völlig verschwunden, denn in jeder Gemeinde gab es eine Schule mit insgesamt 700 gut bezahlten Lehrern. Auch nach Auffassung der Zeitgenossen deckten die 5 Gymnasien, 1 Oberrealschule, 2 Unterrealschulen, 1 Untergymnasium und 2 Lehrerbildungsseminare die Bedürfnisse der 230 000 Sachsen. Stärke und Bedeutung der sächsischen Gymnasien erweisen sich auch daran, daß beinahe ein Viertel ihrer Schülerschaft aus ungarischen und rumänischen Schülern bestand.

Die Schwäche des rumänischen Schulnetzes blieb die gesamte Periode hindurch eine der schmerzlichsten Tatsachen für die rumänische Intelligenz, darüber hinaus aber auch für die gesamte rumänische Gesellschaft in Siebenbürgen und Ungarn, und bildete ein schweres nationales Gravamen in der Zeit des Neoabsolutismus und Dualismus.

{585.} Vor 1848 besaßen die orthodoxen Rumänen kein einziges Gymnasium, und Blasendorf genügte nicht einmal für die Bedürfnisse der Griechisch-Katholischen. Um die Rückständigkeit auf schulischem Gebiet aufzuholen, hielt man in den 1850er Jahren 18 Gymnasien für nötig. Trotzdem kam es in der absolutistischen Periode nur zur Errichtung des Kronstädter kirchlichen (1850) und des Nußdorfer Stiftungsgymnasiums (1863). Die Volksschulen – über deren Zahl wir aus dieser Zeit keine zuverlässigen Angaben haben – waren ebenfalls in der Hand der beiden Kirchen. In den 50er Jahren wurden rumänische und deutsche Grammatik sowie der Deutschunterricht eingeführt und später auch rumänische Geschichte als Unterrichtsfach.

Nach dem Ausgleich führte das 1868er Volksschulgesetz von Eötvös die allgemeine Schulpflicht (von den rumänischen Kindern besuchten damals nur 28–33 % die Schule) und zugleich die Freiheit der Lehre ein. Als Folge davon kam es zu einer Welle von Schulgründungen; es wurden viele kirchliche und eine Reihe von gemeindeeigenen Schulen errichtet. Zwar verpflichtete das Gesetz den Staat, in ärmeren Gegenden muttersprachliche Elementarschulen zu schaffen, doch blieb diese Vorschrift selbst in ungarischen Gebieten auf lange Zeit ein papierener Trost, und rumänische Schulen wurden vom Staat überhaupt nicht eingerichtet. Das rumänische Schulwesen wurde deshalb auch weiterhin von den Kirchen getragen, der Geistliche der Gemeinde war der „Direktor”, der Protopope der Schulinspektor und das Erzbistum die oberste Schulbehörde. Die Regierung gab rumänischsprachige Unterrichtsmaterialien heraus, und Eötvös gründete 1868 in Diemrich ein rumänisches Lehrerbildungsseminar. Im allgemeinen aber blieb der Unterricht den Schulträgern überlassen, die nur einige grundlegende fachliche Verpflichtungen einhalten mußten. In den Volksschulen war der Ungarischunterricht nicht verbindlich. Die Schulbücher der Siebenbürger Rumänen waren auch in Rumänien vielfach in Verwendung.

Das Jahrzehnt nach 1868 kann als Blütezeit der rumänischen Schulen bezeichnet werden. 1879 bestanden auf dem ungarischen Staatsgebiet 2755 rumänische Volksschulen. Durch die damals einsetzende Schulpolitik der Magyarisierung stagnierte danach allerdings die Entwicklung. 1879 wird auch für die nicht-magyarischen Volksschulen die ungarische Sprache als Lehrfach vorgeschrieben. Schulen, die sich darüber hinwegsetzten, wurden vom Staat mit Vorbedacht geschlossen, um an ihrer Stelle ungarische oder gemischtsprachige Schulen einzurichten. Ärmere Gemeinden waren von sich aus bestrebt, die Lasten des Schulträgers abzuschütteln, was den Verstaatlichungsbestrebungen ebenfalls entgegenkam. So konnte der Rückstand – trotz nennenswerter Fortschritte bei der Alphabetisierung – letztlich nicht aufgeholt werden, und zur Jahrhundertwende war der Analphabetismus unter den Rumänen noch immer am höchsten. (In Szolnok-Doboka konnten nur 20,8 % lesen und schreiben, und fast eben so schlimm war die Situation in den Komitaten Kolozs und Hunyad.) Als 1908 die Lex Apponyi die Erhöhung der Lehrergehälter vorschrieb, mußten viele rumänische Schulen die Staatsbeihilfe annehmen, die mit verstärktem ungarischen Sprachunterricht verbunden war, und eine Reihe von Schulen wurden geschlossen. 1904 registriert die staatliche Statistik 2433 rein rumänischsprachige und 407 gemischtsprachige rumänische Schulen, und 1913 sind es insgesamt nur mehr 2170; allerdings waren bei den rumänischen Kirchen mehr, nämlich insgesamt 2665 Schulen registriert, und 3350 Lehrer erhielten Staatsbeihilfen.

{586.} Relative Armut der rumänischen Gesellschaft und staatliche Schulpolitik der Magyarisierung hatten zum Ergebnis, daß die Kirchen das rumänische Schulnetz nicht mehr weiterzuentwickeln vermochten. Die beiden Kirchen konnten mit der erhaltenen staatlichen Schulbeihilfe (1914 3 Millionen Kronen) den erreichten Stand gerade noch halten. Unter diesen Umständen waren 10–20 % – nach anderen Berechnungen ein Drittel – der rumänischen Schüler dazu gezwungen, ungarische oder deutsche Schulen zu besuchen. Außerdem war bei den Rumänen der Anteil derer, die überhaupt nicht die Schule besuchten, noch höher (39,2 %) als bei den Ungarn.

Während des Dualismus bestanden 5 rumänische Gymnasien, für weitere hatten entweder die Kirchen kein Geld, oder der Staat verhinderte ihre geplante Errichtung, wie z. B. in Karansebesch. Die offizielle Schulpolitik legte auf die Magyarisierung des Mittelstufenunterrichts besonderes Gewicht. Mit dem Argument, die ungarische Diaspora zu schützen, errichtete die Regierung Gymnasien in nicht-ungarischen Gebieten, wie in Hermannstadt, Fogarasch, Karansebesch und Orawitza, die dann von zahlreichen nicht-ungarischen Schülern besucht wurden. (Im Schuljahr 1911/12 besuchten 1913 rumänische Schüler rumänische und 4256 ungarische und deutsche Mittelschulen.) In fünf staatlichen Gymnasien gab es fakultativen Rumänischunterricht. Wie sehr der Mittelstufenunterricht zu jener Zeit eine national-politische Frage war, zeigt die Tatsache, daß rumänische Mittelschullehrer und -schüler periodisch wiederkehrend „unpatriotischer Haltung” bezichtigt wurden. Im Zusammenhang mit solchen Anschuldigungen wurde 1889 das rumänische Gymnasium von Belényes teilweise magyarisiert. Im gleichen Zusammenhang standen der um die Jahrhundertwende entbrannte Streit über die aus Rumänien stammenden Subventionen für das Kronstädter rumänische Gymnasium und schließlich die Tatsache, daß in den Verhandlungen der rumänischen Nationalpartei mit Graf István Tisza vor dem Weltkrieg die Einrichtung weiterer rumänischer Mittelschulen eine wesentliche Rolle spielte.

Auch an der Hochschulausbildung waren die Rumänen weit unter ihrem Bevölkerungsanteil beteiligt. Außer drei orthodoxen und vier griechischkatholischen Priesterseminaren gab es vor dem Weltkrieg sechs rumänische Lehrerbildungsanstalten mit jährlich rund 400 Studenten. Eine rumänische Rechtsakademie war trotz der Forderung der 48er Generation nicht eingerichtet worden. Wer als Rumäne ein Universitätsstudium beginnen wollte, ging nach Klausenburg, lieber aber noch nach Budapest, Wien oder an deutsche Universitäten. Die Pester Universität besaß 1862 einen rumänischen Lehrstuhl, dessen erster Leiter Alexandru Roman, trotz seiner politischen Presseprozesse und Verurteilungen, bis 1897 im Amt blieb. Die Klausenburger Universität wurde gegen rumänischen Wunsch nicht zweisprachig eingerichtet, sie erhielt lediglich einen rumänischen Lehrstuhl, dessen erster Leiter Grigore Silaşi 1885 aus politischen Gründen pensioniert wurde, seinen Nachfolger Grigore Moldovan hielten viele wegen seiner scharfen Auseinandersetzungen mit der rumänischen Nationalpartei für einen Renegaten. Die beiden ungarischen Universitäten und die Rechtsakademien hatten in den Jahren vor dem Weltkrieg 600–700 rumänische Hörer.

Eine bedeutende Hilfe für die Schulanstalten der rumänischen Jugend leisteten die national geprägten Vereine, Banken und Stiftungen. Neben den Kirchen war die wichtigste von ihnen die 1871 geschaffene Gozsdu-Stiftung, {587.} die bis zum Weltkrieg rund 3000 Stundenten mit mehr als 1 Million Kronen für Stipendien versorgte. Dasselbe taten aber auch die Nußdorfer und Karansebescher Vermögensgemeinschaften, die ASTRA und nicht wenige Einzelpersönlichkeiten.

Das wissenschaftliche Leben im Wandel

Schon in der Reformzeit war das ungarische wissenschaftliche Leben Siebenbürgens eng mit dem eigentlichen Ungarn verbunden, und unter dem Absolutismus erfüllte es – wie das Beispiel des Siebenbürgischen Museumsvereins zeigte – eine geradezu national-politische Sendung. Mit dem Ausgleich wurde jedoch seine Sonderstellung endgültig aufgehoben, sofern wir nicht die ortsgeschichtlichen Forschungen, die Arbeit der lokalen archäologisch-historischen Gesellschaften als solches gelten lassen wollen, die sich im übrigen auch im landesweiten Rahmen vollzog.

Die 1872 erfolgte Gründung der Klausenburger Universität bildete ein über Siebenbürgen weit hinausweisendes Ereignis, zugleich aber auch eine Zäsur in der Wissenschaftsentwicklung. „Der letzte Polyhistor”, der debattierfreudige Professor Sámuel Brassai, setzt zwar seine vielseitige Tätigkeit weiter fort, aber die kommenden Jahrzehnte stehen schon ganz im Zeichen der Fachwissenschaftler.

Die sechsbändige Geschichte Siebenbürgens des noch zur 48er Generation gehörenden László Kõvári ist noch ausgesprochen politisch orientiert, ebenso wie seine 1861 erschienene Darstellung über Siebenbürgen in den Revolutionsjahren 1848/49. Sándor Szilágyi verfaßt bereits eine modernere, kulturgeschichtlich geprägte Gesamtdarstellung der Geschichte Siebenbürgens. In seiner vorzüglichen Geschichte Klausenburgs schreibt der Archivar Elek Jakab auch über 1848/49 ein zusammenfassendes Kapitel.

Danach aber gewinnen die Quellenausgaben zunehmend an Bedeutung, beginnend mit der Serie Erdélyi történelmi adatok (Quellenmaterial zur Geschichte Siebenbürgens) von Imre Mikó; die bekannteste ist wohl die 21 Bände umfassende Ausgabe der Erdélyi országgyûlési emlékek (1540–1699) (Dokumente der siebenbürgischen Landtage 1540–1699), herausgegeben von Sándor Szilágyi. Ab der Jahrhundertwende festigt sich die neue Spezialdisziplin der sog. Heimatgeschichte, es entsteht eine Reihe bis heute brauchbarer Komitatsmonographien, die fast alle von Balázs Orbáns monumentaler A Székelyföld leírása (Beschreibung Siebenbürgens, Budapest, 1868–1873) beeinflußt sind. Trotz ihrer Spezialisierung löst sich die Historiographie nicht vollständig von der Politik, exemplarisch belegt dies die öffentliche und historiographische Tätigkeit Benedek Jancsós, der die rumänischen politischen Bestrebungen bekämpft und seine Stellungnahme mit gründlichen historischen Studien untermauert.

An der Klausenburger Universität wurden besonders hervorragende Fachleute im Bereich der Naturwissenschaften ausgebildet. Nach der Jahrhundertwende entstand das moderne Gebäude der Universitätsbibliothek, zugleich die zweitgrößte öffentliche Bücherei des Landes. Von den hier ausgebildeten Gelehrten sollen – mehr oder weniger willkürlich – der Philosoph Károly Böhm, der Zoologe Géza Entz, der auch für den Nobel-Preis vorgeschlagene Zoologe István Apáthy, der Pionier der Farbphotographie {588.} Ferenc Veress, der mit Flugzeugtheorie befaßte Lajos Martin und der Geologe Gyula Szádeczky Kardos hervorgehoben werden. Auf einen besonderen Weg führte die Tätigkeit Hugó Meltzls, der Petõfis Gedichte an Nietzsche vermittelte und mit Brassai zusammen seit 1877 die 12sprachigen, auch international bahnbrechenden Összehasonlító Irodalomtörténeti Lapok (Vergleichende literaturhistorische Blätter) herausgab.

Für die Entfaltung eines rumänischen Wissenschaftslebens war die Ausdauer und Spendefreudigkeit einzelner Personen von großer Bedeutung, da ein organisatorischer, institutioneller Rahmen beinahe zur Gänze fehlte; selbst im rumänischen Staat hat ein solcher erst in den 80er Jahren langsam Gestalt angenommen.

Die Geschichtsschreibung als typisch „nationale Wissenschaft” war auch bei den Siebenbürger Rumänen von zwei Tendenzen beherrscht: Ab den 50er Jahren entstehen zusammenfassende Werke, welche durch Aufdeckung der wechselvollen und heroischen Vergangenheit der Nation deren rechtlichpolitische Emanzipationsbestrebungen zu unterstützen suchen (A. T. Laurian, A. Papiu-Ilarian), andererseits setzt die Herausgabe von Quellen als Grundlage jeder wissenschaftlichen Historiographie ein. Als eine repräsentative Gesamtdarstellung in der Zeit nach dem Ausgleich ist das 1889-1891 in Hermannstadt herausgegebene 3bändige Werk von Bariţ zu bezeichnen: Părţi alese din istoria Transilvaniei pe 200 de ani in urmă (Ausgewählte Abschnitte der Geschichte Siebenbürgens aus den letzten zwei Jahrhunderten), das zugleich eine Zäsur markiert. Denn seine Nachfolger untersuchen nur mehr kürzere Perioden und konzentrieren sich auf die Geschichte der einen oder anderen Landschaft, Persönlichkeit oder auch der Kirchen und Schulen und geben immer häufiger Quellen heraus. Fachwissenschaft und Tagespolitik trennen sich freilich auch in den Folgejahren nicht völlig voneinander, auch nicht bei jenen, die die Budapester Universität besuchen – dies wird schon durch die politisch-nationalen Kämpfe verhindert. Bezeichnenderweise ist auch das repräsentative 8bändige politisch-historische Werk der Jahrhundertwende, Teodor V. Păcăţians Cartea de aur, sau luptele naţionale ale românilor de sub corona ungară (Das Goldene Buch, oder die nationalen Kämpfe der Rumänen unter der ungarischen Krone), eine Quellenausgabe im Dienst der unmittelbaren Ziele der rumänischen Nationalbewegung.

In der zweiten Jahrhunderthälfte spielt Siebenbürgen bei der Entwicklung der rumänischen Sprachwissenschaft eine zwar noch wichtige, aber an Bedeutung eher abnehmende Rolle. Der gelehrte Blasendorfer Domherr Timotei Cipariu, der die Traditionen der Siebenbürgischen Trias weiterführte, gab die erste philologische Zeitschrift heraus und beschäftigte sich nicht nur mit Sprachgeschichte und Phonetik, sondern betrieb die Einführung der – im übrigen stark von der gesprochenen Sprache abweichenden-etymologisierenden lateinischen Schreibweise. Eine Wende tritt dann in den 60er Jahren ein: Die siebenbürgisch-rumänische Presse geht von der kyrillischen zur lateinischen Schrift über. Der Versuch der Etymologisierung, der auf die Beseitigung der nicht-lateinischen Elemente und Wörter abzielte, fand natürlich auch jenseits der Karpaten Anhänger, die Bukarester Akademie hat ihn übernommen, und erst nach jahrzehntelangen Debatten gelang es, die starken Übertreibungen zu eliminieren.

In der Periode nach 1867 waren bei den siebenbürgisch-rumänischen Gelehrten drei Tendenzen vorherrschend: Die einen setzten die begonnenen {589.} Traditionen fort und siedelten nach Rumänien über oder bildeten sich dort zum Fachwissenschaftler aus – wie der Schöpfer der rumänischen Slawistik Ioan Bogdan –, andere waren nach Studien an ausländischen und ungarischen Universitäten in Budapest tätig (Victor Babeş, G. Alexici), wieder andere – und diese Tendenz wurde immer stärker – suchten und fanden nach ihrem Universitätsstudium Arbeit im rumänischen Schulwesen Siebenbürgens und wurden bei ihrer wissenschaftlichen Arbeit von der ASTRA oder der Kirche unterstützt. Ausnahmen bilden jene schöpferischen Techniker wie der Flugzeugbauer Aurel Vlaicu, der auch über die Grenzen beider Länder hinaus bekannt wurde.

Literatur und Kunst

Im langen halben Jahrhundert bis zum ersten Weltkrieg wurde das literarische und künstlerische Leben davon geprägt, daß es sich von der Vorherrschaft von Themen und deren idealisierender Darstellung unter dem direkten Einfluß der nationalen Erweckungsbewegungen befreite und sich allmählich in den als modern bezeichneten Richtungen entwickelte. Mit der Entwicklung des Schulwesens erreichen Literatur und bildende Künste langsam über die sehr dünne Adels- und Intelligenzschicht hinaus auch breitere Schichten des Bürgertums und sogar den gebildeteren Teil der Bauernschaft, auch wenn dabei der Unterschied von sog. hoher Kunst und anspruchsloser Unterhaltung erhalten bleibt. Statt einer Analyse der kulturellen Rezeptionsfähigkeit unterschiedlicher Schichten und der komplizierten Verhältnisse des literarisch-künstlerischen Lebens müssen wir uns mit einer notgedrungen dürftigen Skizze von Literatur und bildender Kunst begnügen.

In den ersten Jahrzehnten unserer Periode blieb die rumänische Belletristik noch stark an kleinere Landschaften oder an Pest-Buda gebunden – letzteres spielte als eines der Zentren des geistigen Lebens der Rumänen eine Rolle. Außer den im Banat, in Bihar und Pest seit 1854 erscheinenden kurzlebigen Kulturzeitungen und Anthologien bildeten Bariţs in Kronstadt erscheinende Kulturzeitschrift Foaie pentru mime, inimă şi literatură (Blatt für Vernunft, Herz und Literatur) und vor allem die 1865 von Iosif Vulcan in Pest gegründete und von 1880 an in Großwardein erscheinende Familia ein Forum für belletristische Versuche. Vulcan war noch ein klassischer Vertreter des kulturellen Programms der nationalen Erweckungsbewegung: Organisator des literarischen Lebens, Herausgeber von Zeitschriften, Erforscher der Volkskultur. Er schrieb selbst Gedichte, Novellen und Dramen, sogar einen Roman, unterhielt gute Kontakte zu den Repräsentanten des geistigen Lebens von Pest, war Mitglied der ungarischen Kisfaludy-Gesellschaft und später der Bukarester Akademie. Sein besonderes Verdienst liegt in der regelmäßigen Publikation von aus dem Ungarischen übersetzten Werken, in seiner Zeitschrift veröffentlichte er die ersten Gedichte des größten rumänischen klassischen Dichters, Mihail Eminescus. Außer den Zeitschriften vermittelten auch Almanache und die für eine breitere Öffentlichkeit bestimmten Kalender den Lesekundigen literarische Lesestoffe.

Ein wirklich großer siebenbürgisch-rumänischer Dichter ist der Literaturgeschichte bis zur Generation der Jahrhundertwende nicht bekannt. Andrei Mureşanus Dichtung erreichte noch vor 1849 ihre Vollendung und ging in der {590.} gesamtrumänischen Literatur auf. In den Gedichten seiner siebenbürgischen Nachfolger war das herrschende Motiv für längere Zeit die historische Vergangenheit. Die Schriftsteller, Literaten und Zeitschriften dieser Periode betrachteten die Erforschung und Veröffentlichung der Volksdichtung und allgemein der rumänischen Folklore als ihre nationale Aufgabe. Als erster gab Atanasie Marienescu 1859 eine Volksliedersammlung heraus.

Ein Charakteristikum dieser Jahre ist auch die ungarisch-rumänische Polemik im Rahmen der Volksdichtungsforschung. Die 1863 von dem uniarischen Dichter und Bischof János Kriza veröffentlichte Szekler Volksdichtungssammlung („Vadrózsák” – Heckenrosen) wurde von dem ansonsten hervorragenden Iulian Grozescu in einer Pester Zeitung angegriffen, von der Annahme ausgehend, Kõmûves Kelemen und Molnár Anna seien einfache Übersetzungen rumänischer Balladen. Im Verlauf der unter dem Namen Heckenrosen-Prozeß bekannten, lang andauernden Auseinandersetzung wurde es klar, daß es sich hier um viel entferntere Wechselwirkungen und Parallelentwicklungen handelte, wodurch zugleich das ungarische Interesse auch auf die rumänische Volksdichtung gelenkt wurde. 1870 erschien in Zusammenarbeit mit dem eben erwähnten Grozescu und Vulcan eine Anthologie der rumänischen Volksdichtung in ungarischer Sprache. Herausragende Forschungen zur Volksdichtung stammen von dem anspruchsvollen Novellisten und Übersetzer auch der ungarischen Literatur, Ion Pop Reteganul, der mehrere tausend Volkslieder und Sagen sammelte.

Bis zum Ende des Jahrhunderts wirkt sich die Entwicklung der siebenbürgisch-ungarländischen Rumänen und der Fortschritt auf dem Gebiet der nationalen Integration auch auf die Literatur aus. Die realistischen Novellen und Romane des Gründers der Hermannstädter Zeitung Tribuna, Ioan Slavici, schöpfen ihre Themen zwar aus der Welt des siebenbürgisch-rumänischen Dorfes, aber sein gesamtes schriftstellerisches Werk ist bereits mit Bukarest verbunden. Nach seinen beruflichen Anfängen als Tribuna-Mitarbeiter überschreitet der Nösner Dichter George Coşbuc sehr bald die Karpaten und steigt dort zum Erneuerer der rumänischen Poesie auf, ebenso der Kronstädter Ştefan Octavian Iosif.

Nach der Jahrhundertwende übernimmt wiederum die ungarische Hauptstadt im politischen und geistigen Leben der Rumänen eine wichtige Rolle. Die dichterische Laufbahn Octavian Gogas, der aus der Hermannstädter Gegend stammte, entfaltete sich in Budapest im Rahmen der 1902 gegründeten Literaturzeitschrift Luceafărul (Morgenstern), die er entscheidend prägte. Hier erscheinen auch seine ersten Gedichtbände. Der Schriftstellerkreis um das neue Periodikum vertritt eine betont national-politische Volksverbundenheit. Der bedeutende Prosaist Ioan Agîrbiceanu beginnt seine Tätigkeit gleichfalls bei dieser Zeitschrift. Ein Erlebnis, das Gogas ganzes Leben bestimmte, war die ungarische Dichtung und besonders die Freundschaft mit dem größten ungarischen Dichter jener Zeit, Endre Ady, die 1914 mit dem Ausbruch des Weltkriegs im nationalen Konflikt ihr jähes Ende fand. Um diese Zeit erschien Luceafărul bereits seit längerem (seit 1906) in Hermannstadt, wohin auch Goga umzog und seine hervorragenden Fähigkeiten ganz in den Dienst der rumänischen Nationalbewegung stellte, um bis an sein Lebensende an der Tagespolitik mitzuwirken.

In ausgesprochen ungarischer Umgebung nimmt das novellistische Werk des Nösners Liviu Rebreanu seinen Anfang (zuerst versucht er auch ungarisch {591.} zu schreiben), der nach Aufgabe der Offizierslaufbahn sich 1909 in Rumänien niederläßt und nach dem Weltkrieg seine Begabung als Romancier zur vollen Größe entfaltete. Andere Wege beschritt der Dichter und Schriftsteller Emil Isac; dieser war bereits am Beginn des Jahrhunderts ganz von den ungarischen Radikalen und Sozialdemokraten fasziniert und läßt in seinen Gedichten auch das Proletariat zu Wort kommen. Selbst in der Zeit des aufgeputschten Nationalismus des Weltkriegs steht er treu zu seinen ungarischen Freunden. Es hat Symbolwert, daß er es war, der im Moment des Zusammenbruchs des historischen Ungarn das letzte künstlerische Foto vom todkranken Endre Ady machte.

Jene sächsischen Schriftsteller und Dichter, die mit der Volksdichtungsforschung beschäftigt waren oder in ihren historisch inspirierten Gedichten, Novellen und Dramen ihre Gedanken zur Erziehung des Volkes niederlegten, sahen ebenfalls ihre Aufgabe darin, den nationalen Zielen zu dienen. Der bekannteste Dichter jener Zeit, Viktor Kästner (1826–1857), schrieb seine Verse im sächsischen Dialekt und wirkte damit als Gründer einer Schule, während Friedrich Wilhelm Schuster die Sachsen bereits als Teil der großen deutschen Kultur betrachtete und dem in seinen Gedichten beredten Ausdruck verlieh. Michael Alberts Ziele lagen eher in der traditionellen Volkserziehung. Im letzten Jahrhundertdrittel war die politische Dichtung auch bei den Sachsen fast bedeutungslos geworden. Die charakteristischen Schöpfungen in den ersten Jahrzehnten unserer Periode bildeten historische Novellen, Dramen oder Romane, wie Traugott Teutschs Die Bürger von Kronstadt (1865), ein Rückblick auf das 17. Jahrhundert, oder sein späteres Hauptwerk Schwarzburg (1882), das die internen siebenbürgischen Kämpfe des 14. Jahrhunderts beschreibt. Die sächsische Literatur nach dem Ausgleich beschäftigt sich noch lange mit dem aus der vorangehenden Epoche bekannten Selbstverteidigungskampf, der sich beispielsweise in dem als sein bestes Werk zu bezeichnenden Drama von Traugott Teutsch, Johannes Honterus (1898), widerspiegelt. Die historische Novelle bleibt eine – wenn auch nicht ununterbrochen – beliebte Gattung der gesamten Periode, besonders auf der Bühne. Die Schriftsteller kehren immer wieder zur sächsischen Landnahme, zu den Themen der frühen Geschichte zurück, als Zeichen dafür, daß sie die Existenzfragen ihres an Zahl kleinen Volkes ständig beunruhigten.

Infolge der sich wandelnden Welt und der neuen künstlerischen Einflüsse um die Jahrhundertwende entfaltet sich eine modernere, gegenwartsbezogene Literatur, deren bekannteste Werke in Ungarn die Romane Oskar Wittstocks und Adolf Meschendörfers sind, der 1907 die moderne Literatur- und Kunstzeitschrift Die Karpathen gründet; außerdem entsteht auch eine recht bunte, das Dorfleben darstellende lyrische und Prosaliteratur, und keine Seltenheit sind die in den Lokaldialekten geschriebenen Schöpfungen. Die Ausbreitung der lokalen Sprache ist als ein Zeichen für die wachsende nationale Integration zu betrachten und steht keineswegs im Gegensatz zur starken Bindung an die gesamtdeutsche Kultur.

Das unbestrittene Zentrum des ungarischen literarischen Lebens bildete schon vor 1848 die Stadt Pest. Der Romancier Miklós Jósika kehrte aus der Emigration zwar nicht nach Siebenbürgen zurück, in seinen Romanen und Novellen blieb er aber der Vergangenheit seiner Heimat stets verbunden. Und obwohl Zsigmond Kemény in Pest lebte, hatte seine stark psychologisierende Belletristik gleichfalls siebenbürgische Themen zum Inhalt. Aus einem {592.} siebenbürgischen Dichter entwickelte sich der zur 48er Generation gehörende Pál Gyulai – ebenso in Pest – zum großen Literaturkritiker und zugleich zu einer der richtungsweisenden Persönlichkeiten des geistigen Lebens. Lange Zeit war Dániel Dózsa sozusagen der einzig echte siebenbürgisch-ungarische Dichter und Schriftsteller, seine Themen stammten vor allem aus der Geschichte der Szekler.

Auch nach 1867 gab es immer wieder Versuche, ein regionales literarischwissenschaftliches Leben zu begründen. Der reformierte Pfarrer und Schriftsteller Lajos Tolnai gründete in Neumarkt 1876 die Zsigmond-Kemény-Gesellschaft, deren vielversprechende Tätigkeit bereits 1884 wegen mangelnden Interesses beihahe völlig zum Erliegen kam. Unter ihrem Präsidenten István Petelei, einem Novellisten mit bewußten Dezentralisierungsabsichten, erfuhr sie eine Wiederbelebung, und vor dem Weltkrieg finden sich einige bekannte Persönlichkeiten unter den Mitgliedern dieser Gesellschaft. 1888 wurde in Klausenburg die Siebenbürgische Literarische Gesellschaft gegründet, der lange Zeit der Orientalist Graf Géza Kun vorstand und deren Kern die Politiker József Sándor und Miklós Bartha, die Gelehrten Kõváry und Brassai sowie die Schriftsteller Petelei und Elek Benedek bildeten; ihre belletristische Zeitschrift Erdélyi Lapok (Siebenbürgische Blätter) wurde 1912 von Graf Miklós Bánffy redigiert.

Vor dem Weltkrieg bezog Siebenbürgen mehr als ein Drittel der ungarischen Buchproduktion, aber eine breite und auf eigenen Füßen stehende Provinzialkultur konnte sich niemals durchsetzen …

Die herausragenden Gestalten der bildenden Kunst vor 1848 waren Miklós Barabás und Károly Szathmáry Papp. Sie verließen Siebenbürgen aber sehr bald, und wenn der junge Bertalan Székely in den 50er Jahren sogar noch den Gouverneur Carl zu Schwarzenberg in Hermannstadt porträtiert, wird auch er erst im engeren Ungarn zu einem der größten Historienmaler. Eher seiner Heimat verbunden und doch landesweit bekannt war der Szekler Jenõ Gyárfás (1857–1925), dessen damals noch weniger bekannten Bilder seine gelungensten waren. Allgemein ist das Śuvre der lokalen ungarischen Künstler heute noch so unbekannt, daß mit Gewißheit nur gesagt werden kann, in keiner Form hat es in dieser Periode einen künstlerischen Regionalismus gegeben.

Gerade an der Grenze zum damaligen Siebenbürgen, in Frauenbach, schuf der ehemalige Münchener Simon Hollósy 1896 seine Malerschule, die mit dem Münchener Akademismus brach und sich zur hochbedeutsamen Werkstatt des ungarischen Impressionismus entwickelte, so daß ihr selbst von weit her großes Interesse entgegengebracht wurde. Die bekannten Pioniere der modernen ungarischen Malerei – Károly Ferenczy, István Réti und Béla Iványi Grünwald – wurden hier ausgebildet, während sie Anerkennung und Erfolge in ihren Budapester Ausstellungen ernteten.

Die Schlüsselrolle in der sächsischen bildenden Kunst spielen eine Zeitlang nach 1849 nicht-siebenbürgische Deutsche, wie Theodor Glatz und Theodor B. Sockl. Seit den 80er Jahren verläßt dann die Gymnasien eine neue Generation, die nach der ersten Hermannstädter Kunstausstellung 1887 bekannt wird und deren Mitglieder in Budapest, München und auch in Italien studieren. Die namhafteren von ihnen sind Robert Wellmann (1866–1910), Karl Ziegler (1866–1945) und Fritz Schullerus (1866–1898), der große Historienbilder der sächsischen Geschichte in akademischer Manier malte. Bahnbrechend für die moderne Kunst unter den Sachsen war Arthur Coulin {593.} (1869–1912), der Schöpfer des graphischen Layouts der seit 1907 erscheinenden Zeitschrift Die Karpathen. Nach Ausbruch des Weltkriegs beginnt auch bei den Sachsen die Hegemonie der naturgetreuen Malerei abzunehmen.

Eine spezifisch siebenbürgische Künstlerpersönlichkeit ist der einst modernste Maler dieser Landschaft, dessen ganzes Leben eine Gradwanderung zwischen internationaler Anerkennung und Unbekanntheit darstellte, János Máttis Teutsch (1884–1960), den sowohl die ungarische als auch die sächsische Kunstgeschichte für sich beansprucht. Das in einer sächsischen Familie aufwachsende Kind eines Szeklers studiert in Budapest und danach in München die akademische Bildhauerei. Anfangs malt er traditionelle Porträts und Landschaftsbilder, bis man während des Weltkriegs beim Betrachten von Bildern seiner neueren Entwicklungsperiode in ihm einen der ersten ungarischen Vertreter des Expressionismus und der abstrakten Kunst entdeckt. Mit kürzeren und längeren Unterbrechungen wirkte Máttis Teutsch als Lehrer in seiner Geburtsstadt Kronstadt.

Von den im ungarischen Staat lebenden rumänischen Talenten der bildenden Kunst waren manche jenseits der Grenzen tätig (C. Lecca), andere arbeiteten in beiden Ländern, wie der aus einer Fogarascher Ikonenmalerfamilie stammende Mişu Pop (1827–1892), der Kirchen ausmalte oder Porträts im Biedermeier-Stil anfertigte und fast jede bedeutende rumänische Persönlichkeit der 48er Generation porträtierte. Die bekanntesten rumänischen Maler im Banat waren Nicolae Popescu (1835–1877), der unter dem Einfluß Wiens stand, der begabte Temeschwarer Schöpfer mehrerer Historienbilder Constantin Daniel (1798–1873) und der Kirchen- und Porträtmaler Ioan Zaicu (1868–1914).

Zur Generation der Jahrhundertwende gehört Octavian Smighelschi (1866–1912), ein inniger Freund des Sachsen Coulin, mit dem er gemeinsam die orthodoxe Kirche von Hermannstadt ausmalt und mittels eines Fraknói-Stipendiums auf Studienreise nach Italien geht. Die Zeitgenossen kannten ihn nicht nur von seiner auch byzantinische Stilmerkmale bewahrenden Kirchenmalerei her, sondern auch als Porträtisten und Landschaftsmaler.

In der Bildhauerei beschränkten sich die Siebenbürger auf die Porträt- und Kleinplastik. Als man Ende des Jahrhunderts begann, teure große Bronzestandbilder zu errichten, gingen die Aufträge allgemein an Künstler außerhalb Siebenbürgens. Das erste bedeutende öffentliche Denkmal ist das von General Bem in Neumarkt, 1880, von dem Pester Bildhauer Adolf Huszár, das Kronstädter Honterus-Denkmal gestaltete 1898 ein Berliner Bildhauer, das des Bischofs und Historikers G. D. Teutsch in Hermannstadt 1899 ein Stuttgarter Künstler. Das Klausenburger Matthias-Corvinus-Denkmal (1902) und die Wesselényi-Statue in Zillenmarkt (1902) sind Werke des Nicht-Siebenbürgers János Fadrusz.

Die Architektur dieser Zeit wird ebenfalls von den allgemein verbreiteten Stilrichtungen geprägt. Auch die Architektur folgte hier der Budapester Mode, von der Neogotik bis zum Jugendstil bestimmten die neuen Stilrichtungen das traditionelle Stadtbild. Das neue Jahrhundert bringt aber auch einen Wandel mit sich. Wie in der Musik Bartók und Kodály gerade in Siebenbürgen nach den frühesten Schätzen der ungarischen Volksmusik suchen, zweigt vom Jugendstil eine spezifische Stilrichtung innerhalb der Architektur ab: Ede Thoroczkai Wigand, Dezsõ Zrumeczky und – der bekannteste – Károly Kós wenden sich dem architektonischen Formenschatz {594.} von Kalotaszeg und dem Szeklerland zu und schaffen einen „volksnahen” Baustil, in dem in Siebenbürgen eine – wenn auch nicht zu große – Anzahl von privaten und öffentlichen Gebäuden entsteht und der sich auch das eigentliche Ungarn erobert, so daß einzelne dieser Bauten bis heute eine bescheidene Erinnerung an die einstige Baukunst Siebenbürgens verkörpern.

Die neuen literarisch-künstlerischen Bestrebungen, welche an der Jahrhundertwende zugleich auch eine Gegenbewegung zur sog. volksnationalen Richtung darstellten, entfalteten sich überwiegend im westlichen Grenzgebiet des historischen Siebenbürgen am stärksten, in dem aus der Sicht der tiefer wirksamen Kräfte noch kaum untersuchten Interferenzgürtel von Neustadt bis Temeschwar. Vor allem Großwardein fungierte als Zentrum, in dem sich an Stelle der als offiziell zu bezeichnenden traditionellen Literatur die bürgerlich-radikalen (und sozialistischen) Bestrebungen im geistigen Leben verdichteten, deren Sinnbild bereits auch für die Zeitgenossen der Dichter Endre Ady darstellte.

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79. Die im Werk von Füle 1859 für Hermannstadt gegossene Eisenbrücke

79. Die im Werk von Füle 1859 für Hermannstadt gegossene Eisenbrücke

80. Kanaldeckel aus der Hermannstädter Rieger-Fabrik, um 1900

80. Kanaldeckel aus der Hermannstädter Rieger-Fabrik, um 1900

81. Miereschbrücke für die Strecke der Ersten Siebenbürgischen Eisenbahn, 1870

81. Miereschbrücke für die Strecke der Ersten Siebenbürgischen Eisenbahn, 1870

82. Bahnhof von Piski, 1870

82. Bahnhof von Piski, 1870

83. Eisenbahndamm bei Sztána. Aufnahme von Ferenc Veress, 1870er Jahre

83. Eisenbahndamm bei Sztána. Aufnahme von Ferenc Veress, 1870er Jahre

84. Bahnlinie bei Bánffyhunyad zu Anfang der 1870er Jahre. Aufnahme von Ferenc Veress

84. Bahnlinie bei Bánffyhunyad zu Anfang der 1870er Jahre. Aufnahme von Ferenc Veress

85. Bleischmelzen von Alt-Rodna mit ihrem typischen Rauch. Aufnahme von Ferenc Veress, 1870er Jahre

85. Bleischmelzen von Alt-Rodna mit ihrem typischen Rauch. Aufnahme von Ferenc Veress, 1870er Jahre

86. Kokerei von Schylwolfsbach am Jahrhundertbeginn

86. Kokerei von Schylwolfsbach am Jahrhundertbeginn

87. Siemens-Martin-Stahlwerk der Österreichisch-Ungarischen Staatseisenbahnen-Gesellschaft in Reschitza zur Jahrhundertwende

87. Siemens-Martin-Stahlwerk der Österreichisch-Ungarischen Staatseisenbahnen-Gesellschaft in Reschitza zur Jahrhundertwende

88. Die Petersdorfer Papierfabrik aus der Vogelschau

88. Die Petersdorfer Papierfabrik aus der Vogelschau

89. Ein Mittelbetrieb: Inneres des Unterhammers der Lántzky-Fabrik in Karlshütte mit dem Hammerwerk, Jahrhundertwende

89. Ein Mittelbetrieb: Inneres des Unterhammers der Lántzky-Fabrik in Karlshütte mit dem Hammerwerk, Jahrhundertwende

90. Gußeiserne Zierschale aus Reschitza, Mitte des 19. Jahrhunderts

90. Gußeiserne Zierschale aus Reschitza, Mitte des 19. Jahrhunderts

91. Die staatliche Hüttenanlage von Eisenmarkt, 1896

91. Die staatliche Hüttenanlage von Eisenmarkt, 1896

92. Thorenburger Salzschneider, 1894

92. Thorenburger Salzschneider, 1894

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93–94. Das traditionelle (um 1860) und das sich modernisierende Klausenburg (um 1900) aus dem gleichen Blickwinkel

93–94. Das traditionelle (um 1860) und das sich modernisierende Klausenburg (um 1900) aus dem gleichen Blickwinkel

95. In den 1870er Jahren standen noch die ”Türme der mittelalterlichen Stadtbefestigung Klausenburgs. Turm in der Híd-Str. Aufnahme von Ferenc Veress

95. In den 1870er Jahren standen noch die ”Türme der mittelalterlichen Stadtbefestigung Klausenburgs. Turm in der Híd-Str. Aufnahme von Ferenc Veress

96. Studentenheim der Universität Klausenburg

96. Studentenheim der Universität Klausenburg

97. Hauptgebäude der Universität Klausenburg, um 1900

97. Hauptgebäude der Universität Klausenburg, um 1900

98. Ansicht Hermannstadts von Nordwesten. Aufnahme von Emil Fischer, um 1900

98. Ansicht Hermannstadts von Nordwesten. Aufnahme von Emil Fischer, um 1900

99. Kulturpalast und Rathaus in Neumarkt. Erbaut von Marcell Komor und Dezsõ Jakab, 1913. Aufnahme von Josef Fischer, 1930er Jahre

99. Kulturpalast und Rathaus in Neumarkt. Erbaut von Marcell Komor und Dezsõ Jakab, 1913. Aufnahme von Josef Fischer, 1930er Jahre

100. Detail des Treppenhauses im Kulturpalast

100. Detail des Treppenhauses im Kulturpalast

101. König Matthias’ Reiterdenkmal auf dem Ring (Hauptplatz) von Klausenburg. Ein Werk von János Fadrusz, 1902

101. König Matthias’ Reiterdenkmal auf dem Ring (Hauptplatz) von Klausenburg. Ein Werk von János Fadrusz, 1902