1. Das dualistische System


Inhaltsverzeichnis

Wiederherstellung von Konstitution und Union

Der Ausgleich von 1867 als Ergebnis der seit 1865 laufenden Verhandlungen sowie der österreichischen Niederlage im Krieg gegen Preußen (1866) machte das Habsburgerreich zu einer konstitutionellen Monarchie mit zwei Zentren. Von nun an regelten Österreich und Ungarn ihre inneren Angelegenheiten selbständig und unabhängig voneinander, während die äußeren Angelegenheiten und das Verteidigungswesen von einem einheitlichen Apparat unter dem entscheidenden Einfluß des Monarchen verwaltet wurden.

Mit dem Ausgleich fand auch die dreihundertjährige Sonderstellung Siebenbürgens ihr Ende. Gerade die restlose Wiederherstellung der 1848 gebilligten Union war ungarischerseits eine der Grundbedingungen des Kompromisses. Ein Erlaß des Herrschers vom 20. Juni 1867 löste auch formell den Klausenburger Landtag auf, während ein anderer die Beschlüsse des Hermannstädter Landtages außer Kraft setzte.

Die durch Graf Gyula Andrássy gebildete ungarische Regierung erhielt noch am 8. März vom Parlament die Vollmacht, auch die Angelegenheiten Siebenbürgens zu regeln. An die Spitze des vorübergehend beibehaltenen Guberniums wurde als königlicher Kommissar der ungarländische Obergespan Manó Péchy gestellt, dem als Aufgabe auch die Beobachtung der Nationalitätenbewegungen übertragen wurde.

Die Regierung beeilte sich schon deshalb keineswegs, sich die siebenbürgische Verwaltung einzuverleiben, weil sie – nach den Worten ihrer ungarischen Oppositionskritiker – „mit Siebenbürgen wegen der Nationalitätenangelegenheit schonend umgehen wollte”.* Magyar Polgár, 2. September 1868. So wurden beispielsweise jene Komitatsbeschlüsse außer Kraft gesetzt, die allein Ungarisch als Beratungssprache der Komitatssitzungen genehmigten. Das königliche Kommissariat verkehrte mit den sächsischen Stühlen auf Deutsch, mit den Distrikten Fogarasch, Nösnerland und Hatzeg auf Rumänisch, und dieser Praxis mußte auch die Regierung folgen. In der Frage der Komitatsämter schrieb der Innenminister vor, „für jedes der Wahl unterliegende Amt sollen – unter Berücksichtigung der verschiedenen Religionen und Nationalitäten – mindestens drei und höchstens fünf geeignete Personen nominiert werden”.* Törvények és Hivatalos Rendeletek Gyûjteménye (Sammlung der Gesetze und amtlichen Verordnungen). Red. von B. ÖKRÖS. Pest 1868, 207. Die Regierung war {596.} darum bestrebt, die führenden Persönlichkeiten der Nationalitäten zumindest für eine partielle Zusammenarbeit zu gewinnen. Den angesehensten Vertreter der rumänischen Opposition, George Bariţ, forderte Eötvös dazu auf, ungeachtet seiner Prinzipien und Überzeugungen eine Stellung als Ministerialrat zu übernehmen, bei der es „seine Aufgabe wäre, die Erziehung der rumänischen Jugend anzuleiten”.* J. Gáls Brief an Bariţ vom 25. Mai 1867, s. George Bariţ magyar levelezése (George Bariţs ungarische Korrespondenz). Red. von I. CHINDRIŞ und F. KOVÁCS. Bukarest 1975. 103. Diese Gesten sowie die ganz allmähliche Durchführung der Vereinigung zeigten, daß die Regierung, die sich landesweit mit Problemen ihrer Etablierung und den Protesten gegen den Ausgleich seitens der ungarischen Oppositionskomitate auseinandersetzen mußte, alles vermied, in Siebenbürgen eine für Sachsen und Rumänen völlig unannehmbare politische Situation zu schaffen.

Für die detaillierte Regelung der Union wurde eine Sondergesetz geschaffen (Nr. XLIII/1868), das erneut die bürgerliche und politische Gleichberechtigung und damit die Beseitigung der früheren Vorrechte der drei „Nationen” erklärte; zugleich wurde die Rechtsgleichheit der Konfessionen bekräftigt, die ihr Selbstverwaltungssystem beibehalten konnten. Das Gubernium wurde abgeschafft, die Ernennung der Szekler Oberkönigsrichter sowie des Sachsenkomes erfolgte von nun an auf Vorschlag der Regierung. Die sächsische Nationsuniversität blieb vorläufig bestehen, obwohl sie ihre Kompetenz als Gericht einbüßte. Eine ganze Reihe von absolutistischen Rechtsnormen blieb in Kraft, da man bis zur geplanten Reform des Rechtssystems nicht vorübergehend die alten ungarischen Rechtsnormen auf Siebenbürgen ausdehnen wollte. Auf diese Weise bildete Siebenbürgen für eine gewisse Zeit ein tatsächlich separiertes Rechtsterritorium. Mit dem Inkrafttreten der neuen Gesetze verschwanden diese Unterschiede stufenweise, zur Gänze konnten sie aber auch bis zum Ende der Periode nicht beseitigt werden. Dieser Rechtsdualismus führte dazu, daß in Siebenbürgen teils modernere, teils wiederum weniger liberale Verhältnisse als im engeren Ungarn herrschten.

Das moderne österreichische Zivilgesetzbuch blieb (natürlich mit zahlreichen inzwischen durchgeführten Modifizierungen) weiter in Kraft, ebenso das moderne Bergbaugesetz von 1854. Hier (sowie in Kroatien) behielt die Regierung die zentral gelenkte Gendarmerieorganisation bei, die immerhin moderner war als die in den Komitaten des engeren Ungarn bestehende Pandurenorganisation. Dabei hatte zweifellos schon damals eine Rolle gespielt, daß man bemüht war, die Nationalitätenbewegungen zu dämpfen. Es blieben die antiliberalen Presserechtsnormen aus dem Jahre 1852 in Kraft, die allerdings 1871 modernisiert wurden, um „die in der Schwurgerichtsinstitution liegende Garantie der Pressefreiheit auch auf Siebenbürgen auszudehnen”.* Verordnung 1498/1871 des Justiz- und Innenministers. Rendeletek Tára (Verordnungssammlung). 1871, 183. Im Falle einer Anklage auf Pressevergehen reichten bereits sechs „Nicht schuldig”-Stimmen der zwölf Geschworenen aus, um die Anklage fallenzulassen, wodurch der Behördenwillkür zweifellos Grenzen gesetzt wurden.

{597.} Liberale Gesetzgebung und patriarchalische Macht

Die ungarische liberale Führungsschicht vermochte den Widerspruch in der neuen Ordnung zwischen ihrem alten Ideal vom einheitlichen Nationalstaat und der übernommenen Realität des Vielvölkerstaates nicht aufzulösen. Die auf dem historischen Recht basierende nationale Ideologie hatte auf den Grundlagen der Einheit des Landes und des Prinzips der bürgerlichen Rechtsgleichheit den Begriff der „einheitlichen politischen Nation” geschaffen, der jede Nationalität mit einschloß, indem er ihre Spezifika, ihre kulturelle und sprachliche Selbständigkeit soweit anerkannte, als von dieser Seite die historisch entstandene Führungsrolle des Ungartums nicht in Frage gestellt wurde. Innerhalb dieser Konzeption verfügte das liberale Lager bereits nicht mehr über ein detailliert ausgearbeitetes Nationalitätenprogramm. Da im Jahrzehnt der Beseitigung des Absolutismus die nationalen Gegensätze erneut aufgeflammt waren, wurde ungarischerseits die Verwirklichung der Nationalitätenansprüche nicht als Aufgabe der Reform, sondern eher als „Zugeständnis” betrachtet, dessen Ausmaß unmittelbar von den politischen Kräfteverhältnissen abhängig gemacht wurde.

Die liberale Elite – Deák, Eötvös, Lajos Mocsáry – suchte die Garantie für eine Lösung der Nationalitätenfrage in den bürgerlichen individuellen Freiheitsrechten und in einem, auf dem Prinzip der Selbstverwaltung aufgebauten Verwaltungssystem. Mocsáry ging dabei vielleicht am weitesten, indem er offen anerkannte, daß Ungarn als „polyglotter Staat” nur zusammengehalten werden könne, wenn die Völker die Wahrung der alten Zusammengehörigkeit freiwillig übernähmen. Eötvös, der die Frage auch theoretisch mehrfach durchdacht hatte, schrieb gerade während der Analyse der siebenbürgischen Probleme in sein Tagebuch, er würde selbst vor einer republikanischen Konföderation nicht zurückschrecken, „doch hielte ich es für gut und günstig, wenn wir durch eine zeitlich beschränkte Vereinbarung mit dem Dualismus Zeit dafür gewännen, daß der Ungar, in jeder Hinsicht, vor allem in seiner Bildung erstarkend, zu jener großen Rolle fähig werde, die auf ihn in der Zukunft wartet”.* J. EÖTVÖS, Vallomások és gondolatok. Eötvös József mûvei (Bekenntnisse und Gedanken. Werke von József Eötvös). Red. von M. BÉNYEI. Budapest 1977, 624. Eötvös vertrat die Meinung, für den Fortbestand der im Karpatenbecken lebenden Völker sei ein starkes Ungarn vonnöten, das sich jedoch nicht zu einem reinen Nationalstaat entwickeln dürfe; es sollte vielmehr die „billigen” politischen und sprachlichen Forderungen der zum Selbstbewußtsein erwachten Nationalitäten erfüllen und diesen einen höheren Grad an Freiheit bieten, als sie in den Nachbarstaaten erhalten könnten. Aufgrund seines liberalen Pflichtgefühls proklamierte der viel skeptischere Deák wiederum seine den Alltagsbedürfnissen und -realitäten Rechnung tragende Nationalitätenpolitik, die das Ungarn von 1867 zu einem dem Wohle aller dienenden, über den Nationen stehenden Staat umgestalten wollte – freilich unter ungarischer Hegemonie.

Das Nationalitätengesetz (Nr. XLIV/ 1868) war selbst als Kompromiß noch ein bedeutendes liberales Werk. Seiner Verabschiedung gingen lange Ausschußdebatten zwischen den ungarischen Liberalen und den Nationalitäten {598.} voraus, die für sich eigene politische und kulturelle Institutionen sowie auf Nationalitätengrundlage organisierte Komitate – in Wahrheit damit eine Föderalisierung des Staates – forderten, während die ungarischen Liberalen die absolute Priorität der ungarischen Staatssprache und ihre damalige Vorherrschaft in den Komitaten verteidigten. In der endgültigen Formulierung des Gesetzes dokumentierte sich in erster Linie die praktische Kompromißbereitschaft Deáks. Im Sinne des Gesetzes konnte jeder Staatsbürger frei in seiner Muttersprache in den Gemeinde- und Munizipalsitzungen auftreten, seine Eingaben in seiner Muttersprache sogar an die Regierung richten und mußte eine Antwort darauf ebenfalls in seiner Muttersprache bekommen. Er durfte vor den erstinstanzlichen Gerichten Prozesse in seiner Muttersprache führen und mußte ein oberinstanzliches Gerichtsurteil ebenfalls in der Muttersprache erhalten. Das Gesetz gewährte die völlig freie Wahl der Sprache für die Gemeinden, Kirchen und kirchlichen Behörden sowie für die Gemeinde- und kirchlichen Schulen. Dem Staat schrieb es vor, für den Muttersprachenunterricht „bis zu der Stufe, auf der die höhere akademische Ausbildung beginnt” Sorge zu tragen sowie auch dafür, daß sich für hohe Richter- und Verwaltungsämter auch „geeignete Personen” aus den Reihen der Nationalitäten qualifizieren konnten.

Obwohl das Gesetz in erster Linie auf der vollen individuellen Freiheit beruhte, sicherte es doch auch kollektive Rechte. Eine der sich später als hochbedeutsam erweisenden Verfügungen besagte, daß „zur Förderung von Sprache, Kunst, Wissenschaft, Wirtschaft, Industrie und Handel“* Magyar Törvénytár 1836–1868 (Ungarische Gesetzessammlung 1836–1868). Budapest 1896, 493. Vereine, Gesellschaften und Geldfonds bzw. Stiftungen gegründet werden konnten. Dadurch wurde es den Nationalitäten ermöglicht, sich für ihre Organisationen eine eigene, von der Staatsmacht völlig unabhängige materielle Basis zu schaffen und ihre Existenz gleichsam losgelöst von allen Einflüssen seitens der verschiedenen politischen Strömungen zu sichern.

Das Streben der Mehrheit der herrschenden Klasse nach ungarischer Suprematie sowie die aus der allgemeinen Unzufriedenheit resultierende Protesthaltung der Nationalitäten besiegelten das Schicksal des Gesetzes. Unter dem Vorwand der Ablehnung seitens der Nationalitäten und durch die fehlenden Sanktionsmöglichkeiten des Gesetzes begünstigt, suchte die Regierungspartei in ihrer Mehrheit, möglichst wenig von den politischen Ergebnissen des Nationalitätengesetzes zu verwirklichen. In den folgenden Jahrzehnten wurden gleich mehrere Gesetze geschaffen, deren Geist dem Nationalitätengesetz von 1868 widersprach. Eötvös und Deák behandelten die Nationalitätenfrage noch mit großem Taktgefühl. Im gleichen Maße, in dem der Dualismus erstarkte und der Tod die Reihen der großen Liberalen lichtete, wurden die ungeduldigeren Vertreter der Grundbesitzerklasse zu Wortführern der Politik, deren Nationalismus in der Nationalitätenfrage weit größer war als ihr Liberalismus. Der spätliberale Publizist Gusztáv Beksics traf folgende Formulierung: „Ein einheitlicher, ungeteilter Staat, eine einheitliche, ungeteilte Nation: das ist der Ausgangspunkt, das Ziel unserer Bestrebungen, die Norm unserer Taten. Das ist der kategorische Imperativ, dem jede unserer Reformen unterliegt.”* G. BEKSICS, Kemény Zsigmond, a forradalom s a kiegyezés (Zsigmond Kemény, die Revolution und der Ausgleich). Budapest 21883, 307.

{599.} Die Stärkung der staatlichen Einheit, das Abdrängen sowie der Rückzug der Nationalitäten ins politische Abseits bewirkten, daß bis zum Ende der Periode die Nationalitäten bereits die Einhaltung des von ihnen ursprünglich als ungenügend bezeichneten und deshalb verurteilten Gesetzes von 1868 forderten, während die ungarischen Nationalisten es als eine unrealisierbare Rechtsnorm bezeichneten, welche „die Nation in einem selbstvergessenen Augenblick”, in gefährlicher Nachgiebigkeit geschaffen habe. Das auch im europäischen Maßstab ausgezeichnete liberale Gesetz gelangte somit niemals zur vollen Durchführung.

Einen entscheidenden Faktor für die Beschränkung der politischen Rechte bildete das vieldiskutierte, komplizierte Wahlsystem, das auch eigene siebenbürgische Spezifika aufwies. Das Wahlrecht der gesamten Periode beruhte auf den 48er Gesetzen. Die Beseitigung der feudalen Vorrechte wurde in Form einer Ausdehnung der Rechte verwirklicht, so daß die einstigen Adligen und das städtische Bürgertum ihr Wahlrecht behielten und dieses außerdem noch den Bürgern mit entsprechendem Besitz bzw. Bildung (Ingenieure, Ärzte, Rechtsanwälte, Pfarrer, Lehrer usw.) zugesprochen wurde. Die Größe des für das Wahlrecht erforderlichen Besitzes wurde – in diesem von seinen Naturverhältnissen, seinem Wirtschafts- und Entwicklungsniveau her sehr unterschiedlichen Land – so festgelegt, daß die Vermögenden einer jeden Gebietseinheit, ja sogar jeder Mikroregion, in den Kreis der Wahlberechtigten aufgenommen werden konnten. Im engeren Ungarn war das Wahlrecht in den Dörfern von einer unterschiedlich großen Viertel-Urbarialhufe, in der Stadt vom Besitz eines besseren Hauses, Betriebes oder Geschäftes, bei den Handwerkern von der Beschäftigung eines Gesellen abhängig. In Siebenbürgen wurde in den Dörfern als Zensus eine Direktsteuer von 8 Forint festgelegt, die um beinahe die Hälfte höher war als in Ungarn.

Der Kreis der Wahlberechtigten in Siebenbürgen wurde 1874 durch eine Gesetzesnovelle in bescheidenem Maße erweitert; damals erhielt die Dorfintelligenz ihr gesetzlich verankertes Stimmrecht. Dennoch verringerte sich die Wählerzahl für eine gewisse Zeit, da der Zensus in anderer Hinsicht landesweit erhöht wurde. Das Gesetz schloß die breite Arbeiterschicht, die Tage- und Wochenlöhner total vom Kreise jener aus, die das Wahlrecht erhalten konnten. Von der Masse der bis zum Ende der Periode stets etwa 75 000 bis 87 000 siebenbürgischen Wähler stellten die nach dem „alten Recht” abstimmenden Wähler anfangs etwa zwei Drittel, während 1848 in Siebenbürgen die Konskription der aufgrund des Vermögenszensus Wahlberechtigten kaum 10 000 Personen enthielt und deren Zahl auch 1869 kaum über 25 000 hinausging. Dann aber begann die Zahl jener zu steigen, die durch Besitz und hauptsächlich durch Vermögen zur Wahl berechtigt waren; die alten privilegierten Wähler starben zunehmend aus, obwohl hier diese Kategorie noch um die Jahrhundertwende ein Drittel aller Wähler stellte. Auch das 1913 verabschiedete (doch nicht mehr zur Anwendung gekommene) Wahlrechtsgesetz erhöhte – obwohl es gerade Siebenbürgen die meisten Verbesserungen brachte – die hiesige Wählerzahl nur auf das Doppelte, auf 150 000.

In ungarischen Gegenden lag die Zahl der Wähler im allgemeinen höher als in rumänischen Gegenden. Von den erwachsenen Männern konnten aufgrund des Vermögens bei den Sachsen nahezu ein Viertel, bei den Ungarn 20 % und {600.} bei den Rumänen nur 9 % wählen. (Im engeren Ungarn gab es keinen solchen Unterschied.) Die Städte hatten in der Regel mehr Wähler als das flache Land, was wiederum Magyaren und Sachsen begünstigte. Deshalb kritisierte die rumänische Intelligenz dieses für sie ungerechte Wahlsystem, das sie „auf die unwürdigste Weise verunglimpft”.* Emlékirat. A román választók képviselõinek 1881. évi május hó 12-étõl 14-éig tartott egyetemes értekezlete meghagyásából szerkesztette es közzéteszi a kiküldött bizottság (Denkschrift. Im Auftrag der Gesamtsitzung der Deputierten der rumänischen Wähler vom 12. bis 14. Mai 1881 herausgegeben und veröffentlicht von der entsandten Kommission). Nagyszeben 1882, 87.

Das ganze Wahlsystem war jedoch viel komplizierter, als daß es die Rumänen bloß ausschließen und Sachsen und Magyaren privilegisieren wollte. Nach den sehr genauen Angaben der Erhebung von 1904 waren die Wähler rumänischer Muttersprache – mit Ausnahme des Szeklerlandes sowie der Komitate Kolozs und Torda-Aranyos – in der Provinz überall in der Mehrheit, ebenso wie in den ungarischen Gegenden der Komitate Szilágy, Marmarosch, Arad, Temesch und Krassó-Szörény. Im rumänisch dominierten Hunyad kam ein Abgeordneter auf die Hälfte der Anzahl der Bürger wie im Szekler Stuhl Udvarhely, in den Drei Stühlen und im Komitat Csík. Viele Magyaren waren der Meinung, „das Wahlrecht begünstigt die Rumänen, sie machen nur keinen Gebrauch davon”.* I.. Ü[RMÖSSY], Az oláh kérdés II (Die walachische Frage II). Ellenzék, 5. Oktober 1894. All das ist daraus zu erklären, daß die die gegebene Form des Dualismus ablehnende ungarische Unabhängigkeitsopposition unter den Wählern der ungarischen Gebiete leichter Anhänger finden konnte, während die ungarischen Wähler in den rumänischen Gegenden die Regierungspartei unterstützten und mit ihrem Verhalten auch die Rumänen beeinflußten. Die Dorfbevölkerung wiederum hielt die Wahl und auch die Abgeordnetentätigkeit in erster Linie für eine Herrensache. Bei dem gegebenen Entwicklungsstand des politischen Bewußtseins konnten so die rumänischen Wahlkreise bis zum Jahrhundertbeginn stabile Basen der Regierungspartei bleiben. Vorwiegend aus diesem Grund blieb das wenig liberale siebenbürgische Wahlrecht in Kraft und wurde zum „ungemein wichtigen Baustein” des Staates, als das es Ministerpräsident Szapáry 1892 gegenüber dem rumänischen König Karl bezeichnete.* Bericht des Bukarester deutschen Gesandten vom 3. Februar 1892 über das Gespräch Karls I. mit Szapáry. Zitiert von T. PAVEL., Mişcarea românilor pentru unitatea naţională şi diplomaţia puterilor centrale 1878–1895 (Rumänische Bewegung für die nationale Einheit und die Diplomatie des Dreibundes 1878–1895). I. Timişoara 1979, 259.

Das Wahlsystem stellte einen Grundpfeiler für die Erhaltung des dualistischen Systems dar. Gegen Wien und neue, von dort ausgehende absolutistische Bestrebungen garantierte es die parlamentarische Konstitutionalität, ferner infolge der Einschränkung des Stimmrechts innerhalb des dualistischen Rahmens die Sicherung der Hegemonie der herrschenden Klassen, die durch keine von unten aufsteigende sozialen und Nationalitätenbestrebungen in Frage gestellt werden konnte.

Zu Beginn der 70er Jahre sah ein Teil der für die ungarische Unabhängigkeit eintretenden Opposition in den ebenfalls gegen den Dualismus kämpfenden Nationalitäten noch einen möglichen Bündnispartner und unternahm auf der Grundlage des Prinzips der Rechtsausdehnung Schritte, diese für sich zu gewinnen. Auch die Regierung selbst versuchte, mit Hilfe von Kompromissen, deren Widerstand abzubauen, Ministerpräsident Lónyay hatte im Jahre {601.} 1872 mit seinen Sondierungen freilich keinen Erfolg. Der Dualismus festigte sich mit der Parteienfusion von 1875; die bisher oppositionelle „linke Mitte” trat der Regierungspartei bei, und dieser Schritt führte zur Bildung der von Kálmán Tisza geleiteten großen Liberalen (Freisinnigen) Partei.

Mit der Fusion gab die überwiegende Mehrheit der ungarischen Besitzerklasse ihr bisheriges oppositionelles Verhalten auf und etablierte sich nun in der Tat bequem innerhalb des Systems des Dualismus. Die Aufgabe des staatsrechtlichen Widerstandes ging aber – fast wie eine Kompensation – mit einer gesteigerten Ungeduld gegenüber den Nationalitäten einher. Die taktvolle Behandlung der ethnischen Frage wurde zunehmend aufgegeben. Ministerpräsident Kálmán Tisza profilierte sich in den anderthalb Jahrzehnten seiner Regierung (1875–1890) als „Zermalmer der Nationalitäten”,obwohl er früher selbst mehrfach Einzelinteressen der Nationalitäten verteidigt hatte. Neben der Magyarisierung des öffentlichen Lebens nahm eine Politik ihren Anfang, die die Schulen als Instrument für den Magyarisierungsprozeß einsetzte.

Während es für die Regierung in den Jahren nach dem Ausgleich ganz selbstverständlich war, daß die Sprecher gleicher Sprache ihre Kultur über die trennenden Staatsgrenzen hinweg materiell, ja sogar mit Hilfe staatlicher Subventionen förderten und das Ministerium z. B. die bescheidenen Hilfsgelder des rumänischen Staates für die Siebenbürger Rumänen vermittelte, wurde 1875 den Schulen und Kirchen verboten, ausländische Subventionen anzunehmen. 1879 wurde schließlich – paradoxerweise nicht aus nationaler Überlegung, sondern unter dem Zwang parlamentarischer Taktik – gegen den Widerstand des Monarchen ein Gesetz über den obligatorischen Unterricht des Ungarischen in allen Volksschulen verabschiedet. Dies wiederum verletzte jenes Recht der Schulträger, selbst über das Unterrichtsfach Ungarisch entscheiden zu können. Der überwiegende Teil der herrschenden Kreise erwartete die Magyarisierung dennoch nicht von der Schule, sondern von einer 50–100jährigen friedlichen Entwicklungsperiode und wollte diese mit Hilfe der Schule lediglich beschleunigen, des weiteren durch eine Einschränkung der Wirkungsmöglichkeiten seitens der Nationalitätenpolitiker.

Im Zuge der Verwaltungsreform von 1876/77 wurde die traditionelle Autonomie des Königsbodens abgeschafft sowie die sächsischen und Szekler Stühle in das einheitliche Komitatssystem eingegliedert. Auf dem Territorium des historischen Siebenbürgen entstanden 15 Komitate, die durch ihre Benennung (Szolnok-Doboka, Maros-Torda usw.) möglichst die Traditionen ihrer Vergangenheit bewahren sollten. An der Spitze der Komitate stand jeweils als Vertreter der Regierungsmacht der ernannte Obergespan, während die Verwaltungsangelegenheiten durch den von der Komitatsversammlung auf sechs Jahre gewählten Vizegespan mit den ihm unterstellten Beamten sowie in den Kreisen von den ebenfalls gewählten Stuhlrichtern geregelt wurden, die nicht nur die eigenen Komitatsorgane, sondern auch die besonderen („ungarisch-königlichen”) lokalen Organe der zentralen Staatsmacht als kleine Könige beherrschten. Bis zum Ende der Periode wird zwar die Selbständigkeit der Komitate verringert, die Komitatsversammlung bleibt jedoch neben dem Parlament das einzige staatsrechtlich anerkannte politische Diskussionsforum, in dem man sich auch mit der Landespolitik beschäftigen konnte. Die Mitglieder der Komitatsversammlung wurden zur Hälfte {602.} gewählt, die andere Hälfte stellten die größten Steuerzahler, die sog. Virilisten; die Einrichtung dieser letzteren Kategorie garantierte neben der Teilnahme der größeren Grundbesitzer auch die des neuen Bürgertums – zweifellos auf antiliberale Weise. Der Kreis der Virilisten war auf jeden Fall sehr weitgespannt; im ärmeren Siebenbürgen konnte man bereits mit einer Steuersumme um 100 Forint unter sie aufgenommen werden, während man im engeren Ungarn im allgemeinen das Doppelte dazu benötigte.

Karte 23. Verwaltungseinteilung Siebenbürgens zur Zeit des Dualismus (1913) mit den amtlichen ungarischen Komitats- und Städtenamen

Karte 23. Verwaltungseinteilung Siebenbürgens zur Zeit des Dualismus (1913) mit den amtlichen ungarischen Komitats- und Städtenamen

Die Gemeinden und Dörfer hatten keine politischen Rechte, sie unterstanden vollkommen der Komitatsherrschaft, wobei auch das Volksvertretungsgremium der Gemeinden zur Hälfte aus den steuerkräftigen Virilisten {603.} zusammengestellt werden mußte. Immerhin erstreckte sich das breite Stimmrecht in den Gemeinden auf alle selbständigen Männer über 20 Jahre, die über Besitz verfügten.

In den Städten entwickelten sich natürlich modernere Verhältnisse, da deren Bürgertum auch von der Regierungspolitik gefördert wurde.

In den verschiedenen Volksvertretungsgremien auf niedrigerer Ebene besaßen die Sachsen und Rumänen häufig die Mehrheit und waren selbst in den Komitatsausschüssen noch stark vertreten, in den Schlüsselpositionen jedoch verringerte sich ihr Anteil mit der Zeit in schnellem Tempo. Während der langen Regierungsperiode von Kálmán Tisza begann sich die Praxis herauszubilden, daß Nationalitätengebiete auch von Beamten verwaltet werden konnten, die weder die Sprache der dort Ansässigen sprachen, noch deren Kultur und Traditionen genauer kannten. Das sächsische Bürgertum wahrte seine Positionen, vor allem im Komitat Hermannstadt, in dem die Verwaltungssprache praktisch bis zum Schluß das Deutsche blieb. Als Resultat der amtlichen Magyarisierung sowie ihrer parlamentarischen Passivität wurden die Rumänen bis zur Jahrhundertwende auch im politischen Leben vieler Komitate stark in den Hintergrund gedrängt. Manchmal (Brassó, Maros-Torda) gelangten sie nicht einmal in die Komitatsversammlung, gelegentlich behaupteten sie sich als bescheidene, jedoch geachtete Minderheit. Allein in Bistritz-Nösnerland und Hunyad (sowie in Krassó-Szörény und Marmarosch) bewahrten sie ihre starken Positionen. Hier war die Zentralmacht zu Zugeständnissen gezwungen und konnte nur durch fortgesetzte Kompromisse und lokale Bündnisse eine kontinuierliche Tätigkeit ihrer Verwaltung sichern, mit einem Ausdruck jener Zeit, konnte „das Ungartum sich selbst erhalten”.

Die Haltung der Magyaren

Die politische Sonderstellung der Magyaren Siebenbürgens hatte in dem neuen System selbstverständlich keinen Platz mehr. Wer sich mit Politik beschäftigte, ging ganz in einer der großen Parlamentsparteien auf. Lange galt es als unpassend, Sonderinteressen – deren Existenz niemand leugnete – zu betonen, weil dies von der öffentlichen Meinung als Partikularismus gebrandmarkt wurde. Lediglich auf einem Umwege, auf der Grundlage des herrschenden Nationalismus und deshalb in verzerrter Form, konnte in Gestalt des Siebenbürgischen Ungarischen Bildungsvereins EMKE eine Institution entstehen, die (gemeinsam mit dem Siebenbürgischen Wirtschaftsverein) die Funktionen einer Provinzversammlung und eines lokalen ungarischen Regierungsorgans zu ersetzen versuchte. „Wenn wir auch unsere Politik gestaltende Rolle (aus der Fürstenzeit) verloren haben, so blieb doch ihr schönerer Teil erhalten, nämlich durch gesellschaftliche und individuelle Anstrengungen Gemeinwohl und Allgemeinbildung zu heben” – schrieb der Kolozsvári Közlöny (Klausenburger Anzeiger).* Aus der Nummer vom 29. August 1884 des Kolozsvári Közlöny, zitiert in: Az EMKE megalapítása és negyedszázados mûködése 1885–1910 (Gründung und Tätigkeit eines Vierteljahrhunderts des EMKE 1885–1910). Kolozsvár 1910, 78.

{604.} Der Bildungsverein begann seine offizielle Tätigkeit im Frühjahr 1885 mit dem Ziel, ungarische Sprache und Kultur zu verbreiten und gerade in Gebieten mit ungarischer Minderheit zu stärken. Dem Gebot der Zeit gemäß wählte man sich in der Person des Grafen Gábor Bethlen, des einstigen Garibaldisten, einen aristokratischen Präsidenten, der dann als Obergespan des Komitats Klein-Küküllõ über eine zweiprozentige Komitats-Zusatzsteuer (10 000 Forint) für die Ziele des Bildungsvereins abstimmen ließ. Die Leitungen anderer Komitate versuchten sein Beispiel nachzuahmen, womit sie aber eine gewaltige Empörung auf Seiten der rumänischen und sächsischen Intelligenz auslösten. Der Schutz der ungarischen Minderheit war in einem ethnisch gemischten Land eine äußerst heikle Frage; der Gedanke einer Remagyarisierung einiger rumänisierter oder dafür gehaltener kleiner Gemeinden verletzte die Rumänen zutiefst, ebenso jene Forderung im Gründungsaufruf, daß sie von nun an nicht nur „ungarisch verstehen, sondern gemeinsam mit uns auch ungarisch fühlen sollen”.* Ebd., 80

Die ganze Geschichte des Bildungsvereins beherrschte der zeittypische Widerspruch von schwungvoll phrasenhaftem Patriotismus und bescheidenen realitätsorientierten Aktivitäten. „Die Versäumnisse von Jahrhunderten” wollte man durch Magyarisierung aufholen, damit sich „die ethnographische Volksmasse des Szeklertums unter Anwendung der dafür geeigneten Mittel der Allgemeinbildung mit dem großen ungarischen Volksmeer der Tiefebene zusammenschließe“;* Az EMKE 1893–1894. évi jelentése (EMKE-Jahresbericht 1893–1894). EMKE Értesítõ, 20. Mai 1894. doch die finanziellen Mittel für sämtliche Pläne brachte man auf Wohlfahrtsbällen, durch kleine Spenden oder durch Sammlungen zusammen. Charakteristischerweise wurde 1888 ein nichtsiebenbürgischer Grundbesitzer mit seinen 20 000 Forint zum „ersten bedeutendsten Gründungsmitglied”, bis Graf Kocsárd Kun seinen Besitz von 2190 Morgen dem Verein zur Ansiedlung von Szeklern überließ. Statt dessen wurde jedoch auf dem Besitz eine Szekler Agrarschule errichtet, überdies fast ganz mit Mitteln des Landwirtschaftsministeriums, in dessen Hand sie deshalb auch verblieb. Ebensowenig wie aus dieser Ansiedlung wurde auch nichts aus der Magyarisierung.

Die sinnvolle Tätigkeit des Bildungsvereins begann zum kleineren Teil mit der sich jährlich auf 50–150 Forint belaufenden Unterstützung einzelner, ihr Leben kümmerlich fristender Pfarrer und Lehrer in den Gebieten mit ungarischer Minderheit und wurde fortgesetzt mit der Gründung von nahezu 300 Schulen, mehr als 200 Volksbüchereien und in späterer Zeit auch von Kindergärten.

Auf wirtschaftlichem Gebiet „besorgte” der Bildungsverein dem durch den österreichisch-ungarisch-rumänischen Zollkrieg ab 1886 belasteten Kleingewerbe zahlreiche Staatsaufträge. Er propagierte siebenbürgische Erzeugnisse, seine Leiter organisierten Ausstellungen, schrieben Denkschriften und bemühten sich um die Belange des Fremdenverkehrs. Eines der Hauptziele des Vereins war von Anfang an die Gründung einer großen Bodenkreditanstalt in Klausenburg, die aber mangels staatlicher Unterstützung ebenfalls erst später ermöglicht wurde. Anstelle der geplanten Bank zur Rettung der Grundbesitzer übernahm der Verein die Vermittlung von Besitzverkäufen {605.} und Kreditvergaben, er drängte auf Einrichtung von Kreditgenossenschaften. Er hatte einen bedeutenden Anteil an der Gründung der den Szekler Interessen dienenden Industrie- und Handelskammer in Neumarkt (1891) und des Siebenbürgischen Verbandes zur Unterstützung der Industrie.

Seine Tätigkeit wurde bis zum Schluß von der Antipathie der rumänischen und sächsischen Bürger begleitet, obwohl diese recht bald einsahen, daß er keineswegs die Kultur ihrer Nationen und noch weniger ihr Ethnikum gefährdete. Trotz seines wachsenden Vermögens und seiner zunehmenden Unterstützung verringerte sich die Bedeutung des Bildungsvereins nach der Jahrhundertwende. Seine ungarischen Kritiker versuchten ihn ganz auf die Wirtschaftsentwicklung als wichtigste Aufgabe festzulegen. „Wenn er mit seinem Geld nicht schnell der Wirtschaft zu Hilfe eilt, […] werden die vier Millionen Kronen des EMKE sehr schnell nur dafür ausreichen, einen Kranz für das Grab des ungarischen Siebenbürgen zu kaufen” – schrieb eine Wirtschaftszeitung zwei Jahre vor Ausbruch des ersten Weltkrieges.* K. SCHANDL, A román bankok terjeszkedése (Ausbreitung der rumänischen Banken). Magyar Gazdák Szemléje 1909, II (Dezember-Nr.), 221 und weiter 1912, II (November-Nr.), 203.

Um die Jahrhundertwende befaßte sich jedoch auch die führende Schicht der ungarischen Politiker in Siebenbürgen nicht mit den langfristigen Gefahren, sondern hatte sich fest im dualistischen System etabliert, das mit dem wirtschaftlichen Aufschwung und mit dem Ausbau des Staatsapparats selbst jene mitriß, die früher mit einer halben Unabhängigkeit Ungarns unzufrieden waren. Dem Beispiel der Siebenbürgischen Politiker in den Hauptgremien der Macht des Landes folgend, in denen sich diese zeitweise auch in den Parteien zur Siebenbürgischen Lobby vereinten, orientierte sich auch die gesamte Intelligenz gänzlich an Budapest. Publizisten und Schriftsteller schrieben mit Vorliebe für die hauptstädtischen Blätter, auch in der Akademie bildeten die Siebenbürger eine starke Gruppe. Zu einem zentralen Problem war allein die Szekler Frage geworden: Die ungünstigen Wirtschaftsbedingungen im Szeklerland und die Abwanderung blieben damals ein Gewissensproblem für das ganze Land, weil die notwendigen Mittel für eine Lösung innerhalb der gegebenen Struktur fehlten. Trotz der lokalen Probleme akzeptierte die Öffentlichkeit die starke Zentralisierung in der Meinung, daß „nur eine gut zentralisierte Administration den Interessen des Fortbestands von Szeklern und Sachsen dienen kann”.* Bericht des Wiener deutschen Botschafters vom 9. April 1890. Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes, Bonn (PA AA Bonn). Österreich 92. No 6a, Bd. 3, A 4781.

Mit dem dualistischen System war eine spezifische Variante des bürgerlichen Staates entstanden. Es war liberal und modern genug, um die Kapitalakkumulation, den Kapitalzufluß und die Unternehmen zu fördern. Deshalb war es für das moderne Bürgertum akzeptabel, obwohl dieses trotz seiner wachsenden Bedeutung kaum an der politischen Macht Anteil hatte. Andererseits hatte das System genügend viel von den traditionellen Institutionen, dem feudalen Geist und seinen Methoden übernommen, damit die Grundbesitzerklasse, welche die Verbürgerlichung eingeleitet hatte, aber die Lenkung dieses Prozesses mit der Zeit abgeben mußte, und ihre Gefolgschaft in der Intellektuellenschicht ihren Einfluß bewahren konnten. Aus diesem Grunde war das dualistische System zur Gänze auch für die traditionelle herrschende Klasse akzeptabel. Seine halbmoderne politische und administrative {606.} Struktur war im Brennpunkt vielfacher Gegensätze entstanden. Von den Staatsbürgern war deshalb auch keine Identifikation mit dem System zu erwarten, und man begnügte sich damit, es als Realität zur Kenntnis zu nehmen.

In Abhängigkeit von der damaligen internationalen Lage entstand 1867 für das gesamte Ungartum eine Situation der Ungleichheit. Weil die prinzipielle Möglichkeit, die Nationalitätenfrage auf grundsätzlich anderen Wegen zu lösen, ausgeschlossen blieb, wurde die territoriale Integrität des Staates unter Einschluß Siebenbürgens zu einem Eckpfeiler des politischen Lebens. Die Erhaltung des historischen Ungarn war jedoch mit der Führungsrolle der aus dem Adel zusammengesetzten Herrenklasse verbunden, und dies akzeptierten die bürgerlichen Schichten der ungarischen Gesellschaft ebenso wie das ihre Sicherheit garantierende Reich Franz Josephs. Ein Vierteljahrhundert nach dem Ausgleich war diese rationale Akzeptanz zum Dogma der politischen Existenz geworden. Abgesehen von ein bis zwei sehr Klarsichtigen oder eher Instinktsicheren rechnete niemand mehr mit der Möglichkeit, daß die Monarchie und mit ihr der historische ungarische Staat zerfallen könnten. Auch die für Gefahren sensibleren Siebenbürger bezwangen stets ihre immer wiederkehrende Sorge, Siebenbürgen verlieren zu können. Die Zeitungen berichteten abwechselnd von Fortschritten bei der Magyarisierung und vom „Vordringen der Nationalitäten”, während die Regierung – ebenfalls aus parteipolitischer Überlegung heraus – jene Angaben des Statistischen Zentralamtes als vertrauliche interne Information behandelte, denen zufolge an der ungarisch-rumänischen Sprachgrenze in Siebenbürgen „das Ungartum an der Grenze” zu Jahrhundertbeginn „auf der ganzen Linie schwere Verluste hinnehmen mußte”.* Zuschrift des Ministerpäsidenten an den Kultus- und Unterrichtsminister vom 27. Mai 1908. OL, Miniszterelnökség (Ministerpräsidentenamt) 1908. XXV. 102.

Das System des Dualismus war eine Fallgrube: Es verlieh den ungarischen herrschenden Klassen ein falsches Sicherheitsgefühl und verschleierte alle Gefahren, die ihnen selbst wie dem historischen Ungarn drohten.