{137.} 3. Siebenbürgen im frühen ungarischen Königreich (1003–1172)


Inhaltsverzeichnis

Das jenseits des im alten Ungarischen als Igfon-Wald (Egyfan = Heilige Wildnis) erwähnten Biharer Gebirges (Siebenbürgischen Mittelgebirges) liegende Land nannte man aus der Sicht der Donau-Theiß-Ebene „jenseits des Waldes“ (in den Urgesta des 11. Jahrhunderts Erdeelw = erdõ elü), ebenso wie die jenseits der Howos = Havas (Alpes) genannten Karpaten liegende Ebene Havaselve (= Walachei). In den Quellen der Arpadenzeit vor 1190 trägt dieser Landesteil den das italienisch-stadtrömische Latein widerspiegelnden Namen Ultrasilvana (Ultra Silvas), das dem deutschen Latein folgende Transilvana erschien parallel mit dem ersteren zwischen 1190–1250, und das aus ihm gebildete Transsilvania taucht glaubwürdig erst nach 1461 auf. Die Übernahme der tausendjährigen ungarischen Benennung Erdély ins Rumänische ist das auch heute gebrauchte Ardeal, das sich zum ersten Mal 1444 in einer (slawischen) rumänischen Urkunde findet.

Verglichen mit anderen Gebieten Ungarns blieben in Siebenbürgen kaum arpadenzeitliche Urkunden erhalten. 1241 zerstörten die Mongolen und 1277 die Salzburger Sachsen das Weißenburger Kapitel mit Archiv und Regesten. Ähnlich erging es beim Mongolensturm dem Bistum Tschanad, mit Ausnahme eines Teils der Regesten mit Angaben vom Anfang des 13. Jahrhunderts dem Archiv des Bistums Wardein und schließlich, aber nicht zuletzt auch der Registratur der Benediktinerabtei von Alt-Klausenburg (Appesdorf). Urkundliche Angaben über Siebenbürgens frühe Geschichte blieben aufgrund der allgemeinen Vernichtung zumeist nur in königlichen Schenkungsbriefen erhalten, aus irreführend später Zeit (Weißenburg 1111, Csanád 1111/1163, Inner-Szolnok 1134/1166, Arad und Aradvár 1156/1177, Dobokavár 1164, Krasznavár 1093/1164, Tordavár/Thorenburg 1075/1177, Kolozsvár/Klausenburg, Küküllõvár/Kokelburg, Temeschwar, Krassóvár 1177, Zaránd 1203/1214, Hunyadvár 1265/1276). Auf das 11. Jahrhundert verweisen nur vier Urkunden. Diese späten Erwähnungen pflegt man bis heute auch als „erste“ zu bewerten, besonders im Hinblick auf die Einrichtung der ungarischen Staatsorganisation in Siebenbürgen, ohne Berücksichtigung der zeitlich erheblich früheren Chroniken und Legenden und unter Uminterpretation des archäologischen Datenmaterials. Dabei erscheinen aus den gleichen Gründen in den Urkunden dann auch die Sachsen, die Szekler an ihren neuen Wohnorten und die ersten Siebenbürger Rumänen mit jahrzehntelanger Verspätung. Andererseits pflegt man Geschichte und Wirtschaftsgeschichte dieser Epoche im Rückschluß aus der allgemeinen Entwicklung und den späten siebenbürgischen Urkunden zu skizzieren – eine bei weitem nicht zufriedenstellende Methode. Die territoriale (später adlige) Komitatsorganisation („comitatus civitatis“, „mega“), die Grenzgespanschaften (marchiae, comitati confiniorum) und die frühen königlichen Burggespanschaften (civitates, comitati castrorum) in der Geschichte von Siebenbürgen werden bis heute fast völlig vermischt, unabhängig davon, daß die erste von ihnen an manchen Orten tatsächlich spät entstand. Die Burgenorganisation wird z. B. unter Berufung auf den Mangel an Merkmalen und Angaben der territorialen Komitatsorganisation fast allgemein bestritten, obwohl ihre durch Grabungen erforschten, mit Funden und {138.} mehrfach mit Münzen datierten Burgen noch heute stehen und in ihren Friedhöfen seit Stephan I. oder seit Peter fortlaufend bestattet wurde (Alt-Thorenburg, Alt-Klausenburg, Alt-Hunyadvár, Alt-Aradvár). Unter solchen Umständen kommen für eine sachlich-objektive Darstellung der frühen Geschichte dieses Landesteiles der sprachwissenschaftlich kontrollierten Toponymie und der Archäologie eine wichtigere Rolle zu als in anderen Gebieten des Karpatenbeckens.

Die Archäologie hat zu vielem nichts zu sagen. Sie kann aber (angefangen mit dem Neolithikum) Auskunft geben, ob ein Gebiet in einer bestimmten Periode bewohnt war oder nicht, und mit erheblicher Sicherheit auch, ob kontinuierlich oder nur vorübergehend. Sie informiert, zu welchem Typ („Kultur“) die Bevölkerung gehörte, in historischen Zeiten zu welcher staatlichen Einheit sie gehörte, ob ihre Gesellschaft gegliedert war oder nicht. Mit hoher Sicherheit kann sie feststellen, ob in der Periode Burgen und Befestigungen existierten, welchen Typs, wann sie errichtet und umgebaut, zerstört oder verlassen wurden. Die Friedhöfe des 11.–12. Jahrhunderts lassen sich mit der Genauigkeit eines Jahrzehnts datieren, da die schnell aufeinanderfolgenden Herrscher des Arpadhauses ihre Münzen häufig jährlich bis zweijährlich wechselten und diese als Totenobolus in die Gräber gelangten. Ebenso lassen sich selbst die Namen zerstörter Dörfer mit Hilfe von Urkunden oder erhaltenen Flurnamen bestimmen. Sie bietet also ein Quellenmaterial, das heute nicht mehr unberücksichtigt bleiben darf. Bedauerlicherweise sind aber die einseitig erforschten archäologischen Quellen unseres Gebietes zur Beantwortung der wirtschaftshistorischen Fragen noch weniger geeignet als in den vorhergehenden Jahrhunderten der Völkerwanderungszeit.

Die östliche Tiefebene bis zum letzten Drittel des 12. Jahrhunderts

Wie im 10. Jahrhundert ist auch in dieser Periode die Geschichte der östlichen Tiefebene (des neuzeitlichen Partium Regni Hungariae und des Banats) von der Siebenbürgens zu unterscheiden. Die Zentren dieses Gebietes, Biharvár und Csanádvár, spielten im Leben Ungarns eine bedeutende, den beiden königlichen Hauptstädten Gran und Stuhlweißenburg unmittelbar nachgeordnete Rolle, wenn sie nicht gelegentlich diese sogar noch übertrafen.

Von der zweiten Hälfte der 1020er Jahre an macht König Stephan das großräumige Land Bihar zum Herzogtum (ducatus) des Thronfolgers, seines einzigen noch lebenden Sohnes Emerich (Imre, Heinricus, Emericus). 1030 wird der Rang des Gebietes durch die Gründung des Bistums Bihar auf dem früheren Territorium des Bischofs von Eger/Erlau und die gleichzeitige Gründung des Bistums Mieresch im früheren Bereich des Bischofs von Kalocsa weiter erhöht. Herzog Emerich stirbt am 2. September 1031 auf einer Wildschweinjagd im Berettyótal, am vermutlichen Schauplatz des Unglücks wird am Ende des 11. Jahrhunderts ein Kloster gegründet (Hegyköz-Szent Imre, heute: rum. Sîntimreu, „Monostor“-Flur).

Das noch lange „Mierescher“ genannte Bistum Tschanad (Moresenae aecclesia) leitet seit 1030 (Annales Posoniensis) der große Missionsheilige der ungarischen Kirche, der Venezianer Gerardus/Gerhardt (Gellért), der nach {139.} König Stephans Tod zum personifizierten lebenden Gewissen des christlichen Königtums wird, zumindest laut der Chronica Hungarorum. Ihn vermochte selbst das Blutbad König Samuel Abas 1044 bei Tschanad nicht einzuschüchtern, und am Ostersonntag (22. April) weigerte er sich, dem König aus Anlaß des Festes im Dom die Krone aufzusetzen. 1046 kamen in Csanádvár die Gegner der zweiten Herrschaft Peter Orseolos zusammen und suchten von dort aus mit Gerhardts Unterstützung den Thronanwärter des Arpadenhauses, Herzog Andreas, auf, um ihn zur Heimkehr zu bewegen. In Csanádvár gründete und errichtete Gerhardt mit den von König Stephan erhaltenen Iooo Mark Silber den bischöflichen St. Georgsdom (seit 1290 Ruhestätte König Ladislaus’ IV.) und mit ebenfalls 500 Mark Gold und Silber von Stephan das Kloster der hl. Jungfrau Maria, in dem er das erste in Ungarn entstandene theologische Werk verfaßte, die „Deliberatio supra hymnum trium puerorum“. Nach seinem Martyrium (24. Sept. 1046) wurde er bereits 1053 nach Tschanad überführt und im Kloster der hl. Jungfrau Maria beigesetzt, indem man den Stein, durch den er sein Martyrium erlitt, auf den Sarkophag legte. Seine sterblichen Überreste wurden hier auf päpstliche Anweisung am 25. Juli 1083 in Anwesenheit König Ladislaus’ (László) I. und Herzog Lamperts gehoben und die Heiligsprechung des ersten ungarischen Märtyrerbischofs vollzogen.

Stürmischer gestaltete sich das Leben in Biharvár. Zwischen 1048 und 1050 erneuerte König Andreas (András) I. den Dukatus, anfangs mit seinem zum Thronfolger ernannten jüngeren Bruder Herzog Bela an der Spitze, mit dem Recht auf selbständige Münzprägung. Mit der Streitmacht des Dukatus stürzte Bela 1060 die Herrschaft Andreas’ I. und seines Sohnes Salomon, dennoch mußte nach Belas I. Tod auch König Salomon (Salamon) nach seiner Machtergreifung das herzogliche Gebiet Belas Sohn Geysa (1064–1074 – auf seinen herzoglichen Münzen: Magnus dux) übergeben. In diesen Jahrzehnten war Biharvár so etwas wie eine zweite Hauptstadt Ungarns. Nicht zufällig besetzten den Biharer Bischofsstuhl so herausragende Persönlichkeiten wie der 1046 mit Bischof Gerhards zusammen den Märtyrertod gestorbene, seinem Namen nach Italiener Baduil (Budli/Buldi, Budlu) sowie sein Nachfolger, der Lothringer (aus Namur) Leodvin (vor 1061: Lieduinus episcopus Bichariensis), der spätere Erlauer Bischof. In der Umgebung von Biharvár entstanden mehrere herzogliche curtis (Herrensitz, Pfalz). 1073 erhoben sich in Bihar Geysa und Ladislaus gegen König Salomon, von hier aus ging Ladislaus ins Ausland, um Hilfe zu erbitten, während Geysa am 26. Februar 1074 mit dem „Biharer Heer“ eine Niederlage erlitt, woraufhin aber dasselbe Heer kaum zwei Wochen später, am 14. März, unter Herzog Ladislaus’ Führung bei Mogyoród diese Scharte gründlich auswetzte. Nachdem Geysa (Géza) I. zur Herrschaft kam, wird Herzog Ladislaus (László) der neue Dux (1075–1077).

Als im Herbst 1060 bei der Machtübernahme Belas I. oder 1061 während des Stuhlweißenburger Heidenaufstands Stephans I. sterbliche Überreste gehoben (Translatio S. Stephani regis, 11. Okt.) und in Stuhlweißenburg unter einer gewaltigen Steinplatte beerdigt wurden, gelangte seine mumifizierte rechte Hand samt Arm nach Bihar. Der Dieb verbarg sie hier in einem kleinen Holzkloster bis ins dritte Jahr nach der Erhebung anläßlich seiner Kanonisierung am 20. August 1083, als dieser Fall ans Licht kam. König Ladislaus I. und Herzog Almos errichteten an diesem Ort für die {140.} Heilige Rechte (Sanctissima Dextera, im alten Ungarisch: Szent Job) ein Kloster (heute: rum. Sîniob), in dem sie als nationale Reliquie bis 1433 aufbewahrt wurde. Zwar entzog König Koloman (Kálmán) dem Kloster die Privilegien von Herzog Almos – darunter auch den Salzzoll von Szalacs – und seine Besitztümer, doch erhielt es letztere von Geysa (Géza) 11. zurück, und später wurde der als Glaubwürdiger Ort fungierende Konvent großzügig entschädigt. Die sich über das ganze Land erstreckenden Besitztümer der später auch Berettyómonostor genannten Abtei lagen mit wenigen Ausnahmen (z. B. Siri bei Világosvár) im heutigen Ungarn, weshalb aus den in ihren Diensten stehenden 90 Familien mit 16 Berufen keinerlei wirtschaftliche Folgerungen für das hier interessierende Gebiet gezogen werden dürfen.

Nach der Gründung Wardeins schuf Ladislaus I. hier zuerst eine Propstei und ein Kollegiatkapitel und überführte dann auch das Bistum Bihar in die neuerbaute Burg. Erster Wardeiner Bischof wurde sein Vetter und Nachfolger Koloman (Kálmán, zwischen 1093–1095). Der letzte Dux von Bihar war Almos (Ende 1095 – Ende 1106), Kolomans jüngerer Bruder, der frühere König des durch Ladislaus I. eroberten Kroatien (1091–1095), doch ohne Münzprägungsrecht. Almos gründet in Siebenbürgen das Benediktinerkloster von Meszes (vor dem oder im Jahre 1106) und schenkt der nach seiner Wallfahrt nach Jerusalem gegründeten Propstei von Dömös (1108), ca. 100 Güter im Land, darunter etliche im hier behandelten Gebiet zwischen Weißer und Schwarzer Kreisch und auch mehrere Dörfer am Mieresch. Mit seinem Herzogtum läßt sich die Überführung der Überreste Ladislaus’ I. von Somogyvár nach Wardein (1098?) in Verbindung bringen, mit der unübersehbaren Folge, daß einige Jahrzehnte später Wardein nach Stuhlweißenburg zum wichtigsten religiösen und geistigen Zentrum des mittelalterlichen Königreichs Ungarn wird. Nach der Heiligsprechung Ladislaus’ I. in Wardein (1192) wird die Umgebung seines Grabes zum Beerdigungsplatz der Könige und Königinnen. (Als erster erhält hier sein Grab – vorübergehend – Andreas [András] II., dann Königin Beatrix von Luxemburg, Königin Maria von Anjou, König und Kaiser Sigismund von Luxemburg.) Am Nordufer der Schnellen Kreisch, am Elõhegy = Promontorium Waradiense, gründete Stephan (István) II. für Mönche aus Prémontré – noch im Jahrzehnt der Ordensgründung (1120) – Ungarns erste Prämonstratenserabtei, das Mutterkloster der ungarischen Prämonstratenser, in dem 1131 der König bestattet wurde. Da am Grab des hl. Ladislaus gerade in seiner Regierungszeit die ersten Wunder geschahen, ist nicht auszuschließen, daß seine Gebeine später in den Wardeiner Dom überführt wurden. Der Südrand unseres Gebietes wurde im übrigen in der Herrschaftszeit Stephans II. vom Krieg gestreift: Kaiser Ioannes Komnenos II. von Byzanz hatte bei Haramvár (Banatska Palanka, Neu-Palank) die Donau überquert und ein ungarisches Heer bis an den Krassó-Fluß verfolgt – ansonsten erschöpfte sich dieser seltsame Krieg im gegenseitigen Zerstören der Burgen und Verschleppen ihrer Hausteine (1127/1129).* Ioannes Kinnamos 1. FBHH pp. 196–198 und Chronica Hungarorum 156. SRH I. pp. 441–442

Karte B. Die Besiedlung Siebenbürgens und der östlichen Tiefebene 1003–1172

{141.} Karte B. Die Besiedlung Siebenbürgens und der östlichen Tiefebene 1003–1172
1 = marchio-/comes-Burg, 2= Sitz eines dux, 3 = curtis eines Herzogs, 4 = Bistum, 5 = Abtei, 6 = Salzgrube im 11.–12. Jahrhundert, 7 = Burgen und Grenzburgen vom letzten Drittel des 11. Jahrhunderts bis Mitte des 12. Jahrhunderts, 8 = Dorf- und Grenzwächter-Siedlungsnamen mit Besenyõ (B), Kölpény (K) oder Talmács (T), 9 = ungarische Dorfkirchen und Kirchhöfe des 11.–12. Jahrhunderts, 10 = in Urkunden bis zu den 1170er Jahren erwähnte Dörfer, 11 = Besitztümer von Adelsgeschlechtern im 11.–12. Jahrhundert, 12 = slawische Ortsnamen Daróc und Ardó, 13 = Münzen von Stephan I., Peter, Samuel und Andreas I., 14 = Münzen von Bela I., Salomon, Geysa I. und Ladislaus I., 15 = Münzen von Koloman, Stephan II. und Bela II., 16 = Münzen von Geysa II., Stephan III. und Bela III., 17 = Münzschatz: Peter, 18 = Münzschätze: Ladislaus I., 19 = Münzschätze: Bela II., 20 = Münzschätze: Bela III., 21 = Grenzwächterfriedhöfe seit der Zeit Geysas II., 22 = Grenzwächterdörfer seit der Zeit Geysas II., 23 = Grenzgespanschaften (Komitate) im 11–12. Jahrhundert – vergleichsweise Borsova

Die Ebene bei Aradvár wurde durch die allgemeine Versammlung von 1131 berüchtigt: Hier metzelten auf Befehl der Ehefrau Belas II., Königin Helene, die Anhänger der Almos-Partei 68 Herren der Koloman-Partei nieder. Aus ihrem eingezogenen Vermögen wurde – zur Versöhnung – an Ort und Stelle {142.} die St. Martinspropstei errichtet, die zu Stephans (István) III. Zeit (1162–1172) schon gestanden haben muß, da damals um sie herum schon beerdigt wurde. Ihre heutige imposante Ruine war die 1224 geweihte, umgebaute Kirche. Zu ihren 1177 aufgelisteten Schenkungen von Bela II. gehörten außer Dörfern in den Komitaten Arad, Zaránd, Bihar und Temesch auch Güter in Siebenbürgen: ein Besitz im Komitat Torda (von wo die Arader Schiffe der Propstei Salz transportierten) und das bereits erwähnte Dorf Frauenvolk/Asszonynépe.

Die Geschichte dieser Epoche schließt wiederum mit einem byzantinischen Krieg. Im Herbst 1150 zog Kaiser Manuel Komnenos I. an die untere Donau und sandte ein Heer „ins Land Temises“ (Banat), angeführt vom ungarischen Thronprätendenten Boris. Nach dem Heranrücken König Geysas (Géza) II. und seiner Truppen ergriffen jedoch die Angreifer, die gerade die reichen Oppida plünderten, nach übereinstimmender Behauptung von Ioannes Kinnamos* Ioannes Kinnamos 11. FBHH pp. 208–209 und dem sich gerade damals in Ungarn aufhaltenden Granadaer Abû Hamid al-Garnâtî schimpflich die Flucht.

Gleichsam als Epochenabschluß muß unbedingt noch die 1179 am linken Miereschufer von Bela I. gegründete Zisterzienserabtei von Egres (nach der 1142 in Cikádor gegründeten die zweite im damaligen Ungarn) erwähnt werden, die von aus Pontigny umgesiedelten Mönchen im französischen Stil erbaut und zum Mutterkloster der Zisterzienserabtei im siebenbürgischen Kerz (1202) wurde. 1233 wurde im Egreser Kloster Königin Jolanthe Capet-Courtenay und 1235 Andreas II. bestattet.

Siebenbürgen von 1003 bis zur großen Umgestaltung am Ende des 12. Jahrhunderts

Zwar lassen die Hildesheimer und Altaicher Annalen keinen Zweifel, daß, nachdem der Gyula und seine Familie nach Pannonien verbracht worden waren (1003), sofort mit der gewaltsamen Bekehrung der überwiegend noch heidnischen Bevölkerung begonnen wurde, doch besitzen wir noch frühere Angaben über die Organisation der politischen Macht. Im dem Königreich angeschlossenen Gebietsstreifen begann man sogleich mit der Errichtung von Holzerdeburgen, unter anderen geführt vom als Verwandter des Königs bezeichneten Comes (Gespan) Doboka, dem Vater des späteren Comes Csanád von Marosvár. Bei dem von allen drei Stephanslegenden betont hervorgehobenen Petschenegenangriff auf Siebenbürgen – irgendwann zwischen 1015 und 1030 – wird das Volk auf Befehl des Königs schon in mit Mauern verstärkte Burgen getrieben, bis der Weißenburger tribunus mit dem siebenbürgischen Heer den plündernden Feind fortgejagt hat. Die „in den Schutz der Mauern“ geflüchtete Bevölkerung kann kaum sehr zahlreich gewesen sein, doch zweifellos standen die Mauern bereits, und nach der Legenda minor hielt Weißenburg auch einem Angriff des Feindes stand.

Die Burgen von König Stephans Burggespanssystem entstanden in diesen Jahren im ganzen Land und erreichten bis zum Ende seiner Herrschaftszeit fast die Zahl 40. Siebenbürgens wichtigste Burg war die von römischen {143.} Mauern umgebene civitas Alba, die – wie ihre pannonische Schwesterstadt – nicht nur aufgrund ihrer Steinmauern die weiße hieß, sondern auch wegen ihrer Vorrangstellung. Für die in ungarischen Quellen lange Zeit nur Alba Ultrasilvana/Transilvana genannte Stadt blieb in siebenbürgischen Quellen die Benennung (citivas) Alba Iule – ungarisch: Gyulafehérvár – erhalten, welche erst die humanistiche Literatur zu Alba Julia „klassizisieren“ wird (erstmals 1496).

Die übrigen siebenbürgischen Gespansburgen erhielten nach dem ungarischen Allgemeinbrauch ihren Namen nach ihrem ersten Gespan (Dobuka/ Doboka, Turda/Torda, Colus/Kolozs, Hunod/Hunyad, Bihor/Bihar, Urod/ Arad) oder nach dem Fluß, an dem sie errichtet wurden (Küküllõvár = Kokelburg, Krasznavár, Miereschburg = später Csanádvár, Temeschwar, Krassóvár). Die Form des reinen Personennamens (ohne Suffix) als Ortsname ist eine Eigenheit des Ungarischen, die auch dann von ungarischer Namensgebung zeugt, wenn die ungarische Herkunft des Personennamens zweifelhaft oder unbeweisbar ist (so läßt sich eine slawische Herkunft vermuten bei Bihar, Doboka, Kolozs und Szatmár). Von ihrem Personennamencharakter zeugt unter anderem der Name jener Salzbergwerke, die im Gebiet der Gespanschaft lagen und bei denen das slawische Wort akna = Grube zusammen mit dem Namen dieser Personen erscheint (Kolozsakna, Tordaakna, Désakna, eigentlich: Kolozs-, Torda-, Dés-Grube).

Die frühen siebenbürgischen Komitate waren ausnahmslos Grenzkomitate (marchiae, comitati confiniorum). Die Gespansburgen wurden im Inneren, in der Westhälfte ihres Gebietes errichtet: Dobokavár, Klausenburg, Thorenburg, Weißenburg bzw. am Eingang zum Hatzeger Becken Hunyadvár; eine gewisse Abweichung findet sich nur bei der Lage der „östlichsten“ Kokelburg. Die frühen Grenzen der Burggespanschaften nach Osten, Südosten und Süden waren lange Zeit Grenzödland, das in Richtung auf die nur prinzipiell natürliche Grenze der Karpaten verlief und verschwand – wie im Falle der anderen Grenzkomitate der frühen Arpadenzeit (im Westen Zala, im Norden Borsova, Zemplén, Újvár und Gömör). Ihre durch unbewohnte oder dünnbesiedelte Wälder bis zum Gebirgsrücken reichende längliche (im Falle der Gespanschaft Fehér formlose) Gestalt schloß von vornherein aus, daß sie irgendwelche früheren Vorgänger („Woiwodschaften“, „Knesate“) gehabt haben können. Vorgänger lassen sich mit Ausnahme Weißenburgs auch für die Gespansburgen nicht nachweisen. Diese Komitate entsprechen ihrem Wesen nach der Struktur des Komitats Szolnok als Landtransportweg für das siebenbürgische Salz. Das Komitat „Außen“-Szolnok an der Theiß entstand noch unter Stephans I. Herrschaft irgendwann zwischen 1018 und 1038, sein Namensgeber, der Comes Zounuk/Zounok/Zonuk/Zonok (Aussprache: Szónok, Bedeutung: Redner) verlor beim Heidenaufstand 1046 sein Leben. Sein altungarischer Name hat nichts mit slawisch sol ‘Salz’ (im Ungarischen ist der Vorgänger aus ugrischer Zeit ebenfalls sol!) zu tun, die Namensentwicklung zu Szolnok ist spätmittelalterlich. Dieses Komitat wurde jenseits der Theiß und durch die Meszeschpforte („Mittel“-Szolnok) an der vor 1067 mit Gewißheit bereits existierenden Salzstraße von Szalacs (magna via Zoloch) zur Zeit Belas I. oder Geysas I. bis nach Désakna unter dem Namen „Inner“-Szolnok ausgeweitet. Es ist nicht auszuschließen, daß der Namensgeber des letzteren der 1073 unter Herzog Geysas Großen erwähnte Zounuk war.

{144.} Die ungarische Geschichtsforschung behauptet über die Komitatsorganisation im allgemeinen, diese sei aus der Enteignung von zwei Dritteln des Besitzes der landnehmenden Ursippen hervorgegangen. Es ist zweifelhaft, daß dies auch auf die siebenbürgischen Grenzkomitate zutreffen soll. Im Komitat Doboka läßt sich vielleicht (wenn es auch nicht wahrscheinlich ist) die Existenz des Geschlechtes Zsombor vorstellen – doch stammte es aus dem mit den Gyulas verwandten Geschlecht ab, und die im letzten Drittel des 10. Jahrhunderts nach Siebenbürgen umgesiedelten „Gyula-Geschlechter“ können nicht als Nachkommen der siebenbürgischen landnehmenden Ungarn gelten. Die Familie des „gyula“ selbst (Königinmutter Sarolt und ihre mit pannonischen Gütern beschenkten Neffen Boja und Bonyha) stand stets treu zu Stephan I. Doch läßt sich belegen, daß es neben den königlichen Burggütern aus dem enteigneten Besitz des Gyula schon zu Stephans I. Zeit auch Güter der Königin gab. Das ung. asszony alanisch-ossetischer Herkunft bedeutet im alten Ungarischen Herrin, Fürstin, Königin. Hinsichtlich seines Typs und seiner Erwähnungszeit ist das Dorf Asszonynépe = Volk der Königin (Frauenvolk) im Komitat Fehér die früheste Erwähnung eines mit Asszony zusammengesetzten Namens (1177: Ascen nepe, heute rum. Asînip). Das Dorf Lopath (Magyar-Lapád, Lopadea Nouă) in seiner Nähe an demselben kleinen Bach schenkte Königin Gisela (Kesla) um 1030 zusammen mit dem seither verschwundenen siebenbürgischen Dorf Abony (Obon) „mit der Gunst König Stephans“ der Abtei von Bakonybél – dies ist die älteste auf Siebenbürgen („jenseits der Havas-Gebirge“) bezügliche urkundliche Angabe.

Während wir die ersten Gespane der siebenbürgischen Grenzkomitate fast alle namentlich kennen, wissen wir kaum etwas von der ihnen unterstellten Bevölkerung. Es gibt keine Angaben über die mit den Grenzgespannen rivalisierenden, über eigenes Vermögen (facultas) verfügenden siebenbürgischen Grundherrenfamilien (seniores) aus dieser Zeit, nur im Komitat Hunyad können vielleicht die Herrengschlechter Kalan und Kajan als solche gelten, obgleich nach dem Zeugnis identischer Ortsnamen aus dem Theißgebiet und dem Banat auch ihre Ahnen frühestens unter den Gyulas ins Mieresch- und Sztrigytal gezogen sein können. Wie die am Westrand des Komitats Doboka auf seine frühen Besitztümer im Almástal hinweisenden Zsombor-Dörfer belegen, spielte das Zsombor-Geschlecht im 11. Jahrhundert eine periphere Rolle oder wurde auf eine solche zurückgedrängt.

Seit das Gebiet in das Königreich eingegliedert wurde, ist in Siebenbürgen nicht mit anderen gesellschaftlichen Schichten als denen zu rechnen, die in den Gesetzen und Mahnungen Stephans I. erwähnt werden. Von den bei jeder Gelegenheit als wichtigste Stützen des Staates hervorgehobenen Gespannen (comites) und dem Militär ihrer Burgen (milites) zeugen die Burgen selbst und die in ihnen gefundenen Schwerter und Sporen; dies waren die kriegerischen Burgjobagionen (iobagiones), die in stabilen Gebäuden (domus, edificia) wohnten, in ihrer Mehrheit offensichtlich Siebenbürger, Nachkommen der früheren Grenzsicherungskrieger (speculatores) und der Gefolgsleute der Gyulas. Zeichen dafür, daß zu Stephans Zeit bedeutendere Kräfte aus Ungarn angesiedelt worden seien, gibt es nicht. Die Mehrheit des Burgvolkes (civis) gehörte zur Schicht der Freien (liberi), zu ihnen rechnete man damals auch noch die vollrechtlich gewordenen Halbfreien (liberti) – diese bestatteten ihre Toten in den Burgfriedhöfen mit Schmuck und Silbergeld. Von den {145.} Knechten (servi, mancipii) zeugen die Bestattungen ohne Beigaben in den Burgfriedhöfen. Das Gemeinvolk und die armen Freien (vulgares aut pauperes) lebten auch in Siebenbürgen in Dörfern (villae), in Häusern mit in die Erde eingesenktem Fundament (mansi) oder Grubenhütten (mansiunculae); nach Zeugnis der Dorffriedhöfe waren sie ebenfalls in Familien gegliedert. Anders als bei den durch den Sklavenhandel hierher geratenen Knechten läßt sich ihre landnahmezeitliche Herkunft schwerlich bestreiten. Auch in Siebenbürgen wurden die Dörfer von einem Dorfvorsteher (villicus) geleitet. Von blutsverwandtschaftlicher oder künstlicher Sippenorganisation gibt es keine Spuren in irgendwelchen Quellen.

Diese gesellschaftliche Gliederung weist in den Urkunden aus dem zweiten Drittel des Jahrhunderts und in dem um 1077 zusammengestellten sog. „III. Gesetzbuch Ladislaus’“ noch wenige Änderungen auf. Unter den Freien und Halbfreien gab es gleicherweise Arme (ewnek = ínek), die aber materiell und rechtlich weit über den unfreien Knechten standen. Erhebliche Änderungen zeigen demgegenüber die Gesetze vom Ende des 11. Jahrhunderts und die Urkunden an der Wende vom 11. zum 12. Jahrhundert, unter letzteren auch die Siebenbürgen betreffenden (folglich besteht kein Grund, hier eine Abweichung von der landesweiten Entwicklung anzunehmen). Die neue Oberschicht der Gesellschaft waren die Vornehmen (nobiles, optimates, proceres) und die milites, die bereits damals auch schon als Ritter verstanden werden können. Das Burgvolk (cives, castrenses) gehörte selbstverständlich zu den Gemeinfreien (liberi), die sich aber schon spürbar in zwei Gruppen teilten: in Berufssoldaten (castellani, cives castrenses) und die früheren Burgjobagionen (iobagiones castri), die, wie ihre damalige Benennung (ministri, ministeriales – Diensttuende) zeigt, auf dem besten Wege waren, in die neue, große Klasse des Gemeinvolkes (plebs, plebeia) abzusinken. Eine ähnliche Aufgliederung spiegeln die neuen unterschiedlichen Bezeichnungen der freien Burgdienstleute wider (civiles, castrenses castri, populi castri, curtesudvornici). Diese sind bereits arbeitende, dienende Freie (populi) und Halbfreie (libertini), unter denen aber eine immer noch große unfreie Knechteschicht (servi, ancillae) stand.

Sehr wahrscheinlich kam es zur Gründung des siebenbürgischen Bistums schon früh, 1009, gleichzeitig mit den Bistümern von Raab, Fünfkirchen und Erlau/Eger, unter persönlicher Mitwirkung des päpstlichen Legaten Azo. Bischofssitz wurde Weißenburg, wo man eine vorausgegangene Missionstätigkeit der Ostkirche verdrängen mußte. Deshalb ist nicht auszuschließen, daß die als Bischofsdom schon nach einigen Jahrzehnten zu klein und eng gewordene erste Bischofskirche, geweiht zu Ehren des hl. Michael, schon vor 1009 erbaut wurde. Die christliche Mission stieß in der Bevölkerung kaum auf ernsthaften Widerstand. Ihr Erfolg wird sehr bald in den Friedhöfen der Burggespanschaften sichtbar, allerdings nur an Orten mit stärkerer Bevölkerung. Auf das Gebiet der späteren Komitate Kraszna, Sathmar und zumal Ugocsa erstreckte sich die wirkliche Macht der siebenbürgischen Bischöfe erst später. Der erste namentlich bekannte siebenbürgische Bischof Franco wird 1075 in einer Urkunde genannt. Er nahm aktiv an den politischen Landesangelegenheiten teil, heimische und ausländische Quellen erwähnen ihn zwischen 1071 und 1081 unter dem slawischen Namen Weißenburgs als episcopus Bellegrad(i)ensis. Als Bischof „Siebenbürgens“ (Ultra silvanus) erscheint als erster sein nächster namentlich bekannter Nachfolger Simon {146.} (1111). Dessen Nachfolger sind schon ausdrücklich „ultrasilvani“ (Baran 1138, Valter 1156, Vilcina/Wulcina 1166). Dieser Namenswechsel spiegelt vermutlich das starke Wachstum des Bistums im 12. Jahrhundert wider. Das Gebiet der in den ersten Jahren der Herrschaft Kolomans errichteten frühen Archidiakonate fiel in unserer Periode mit den bereits bestehenden Komitaten zusammen. Vermutlich erst er gründete auch das Weißenburger Kapitel.

In dieser Periode war Siebenbürgen höchst selten der Schauplatz bedeutenderer politisch-militärischer Geschehnisse. Das einzige Zeugnis der Bewegung gegen König Peter ist ein um 1041–1046 zwischen Mühlbach und Weißenburg in Langendorf verborgener Silbermünzenschatz.

1068 brach der Petschenegenstamm Jula* Die Beschreibung des Geschehnisses enthält allein die Chronica Hungarorum 102 (SRH I. p. 367), wo auch Osuls Auftraggeber „Gyule dux Cunorum“ offensichtlich die spätere ungarische Personifizierung des westlich des Dnjestr, „in Turkias Nähe“ siedelnden Petschenegenstammes Gula/Iula (= Thema, DAI 37. FBHH p. 41) ist. Bis zu jener Zeit war nämlich der ungarische Würdenamen gyula schon zum traditionellen Personennamen geworden, vgl. in der Urkunde von Garamszentbenedek aus dem Jahre 1075: Iula comes palatinus. – Unter Osuls Führung drang also ein feindliches Petschenegenheer in Ungarn und Siebenbürgen ein. Auf Sand gebaut ist die Theorie, in dem Gyule dux der Chronica den petschenegischen Herren und Namensgeber von Gyula-Fehérvár-„Alba Iulia“ zu sehen. unter Führung von Osul mit Leichtigkeit durch die unwegsamen Grenzwälder in Siebenbürgen ein. Nach der Brandschatzung Alt-Klausenburgs drang er bis Biharvár vor, um dann, durch das Nyírgebiet, das Samoschgebiet und das Lápos-Ilosva-Tal nach Siebenbürgen zurückkehrend, mit Beute beladen über den Borgóer Paß abzuziehen. Das sich in Dobokavár (das damit erstmals in einer Chronik des 11. Jahrhunderts erwähnt wird) versammelnde königliche und herzogliche Heer stellte sich dem Feind am Zusammenfluß von Sajó und Bistritz entgegen, woraufhin er sich auf einen Berg flüchtete, wo ihn König Salomon dennoch mit einem kühnen frontalen Sturmangriff völlig vernichtete.

Diesen als Schauplatz der Schlacht dienenden Berg benannten die Ungarn „Kyrie eleis“ nach ihrem Schlachtruf, woraus zuerst ung. Kerlés und daraus rum. Chirales, wurde, während es inzwischen – aufgrund eines Mißverständnisses Bonfinis (Cherhelem) – als Cserhalom in die ungarische Dichtung einging. Die Geschichte der Schlacht selbst wurde – natürlich um den Preis gründlicher Veränderungen – in die den uralten orientalischen Kampf des Guten gegen das Böse christlich umformende Ladislauslegende aufgenommen. Statt Salomon wurde Herzog, ja sogar König (!) Ladislaus zum Heerführer, der die „Tochter des Wardeiner Bischofs“ aus der Hand des „kumanischen“ Feindes befreit. Das sind schlimme Anachronismen, wurde doch das Bistum Bihar erst ein Vierteljahrhundert später nach Wardein verlegt, und die Kumanen (= Kiptschak-Türken) lebten 1068 noch östlich des Dnjepr usw. Die Erwähnung der „Tochter des Bischofs“ verweist dennoch darauf, daß die Legende schon nach Ladislaus’ I. Tod entstanden sein muß, weil das II. Gesetz König Kolomans die Heirat der Bischöfe endgültig verbot. Nach der Heiligsprechung Ladislaus’ (1192) lebt neben der kirchlichen Legende auch die auf uralten östlichen Elementen basierende Heldensage weiter. Die Szenenfolge der Ladislauslegende auf Fresken in Kirchen der Anjou- und Sigismundzeit zeigt die Episoden dieses Heldenliedes – und keinesfalls zufällig gerade in 12 Dorfkirchen des Szeklerlandes.

Der von der Schlacht berichtenden Urchronik des 11. Jahrhunderts zufolge wurde das bei Doboka wartende ungarische Heer von einem Aufklärer {147.} (speculator) aus Újvár (de Novo Castro) über die Marschroute der Petschenegen informiert. Vermutlich wurde also „Újvár“ (Maroschujvar) schon vor 1068 nahe „Újakna“ zum Schutz der Salzbergwerke und -transporte in der Umgebung errichtet. Denn gemäß der Stiftungsurkunde der Abtei von St. Benedikt am Gran mit ihrem Salzzoll am Aranyos (1075 Aranas) konnte das damals schon lange betriebene Tordaakna vom Mieresch her nicht durch das westlich von ihm gelegene, hier zum ersten Mal erwähnte Castrum quod dicitur Turda geschützt werden. Dennoch spricht alles dafür, daß der das Siebenbürgische Hochland schützende äußere Burgenring aufgrund der Erfahrungen des Einfalls von 1068 geschaffen wurde, da das auf Schutzwäldern und Ödländern beruhende Verhausystem (indagines) sich gegen Angriffe der östlichen Reiter nicht bewährt hatte. Um wie viele Burgen es sich handelte, wissen wir nicht genau; aus späteren Angaben zurückzuschließen ist ebenso unerlaubt wie aus der bloßen Existenz der ohne Grabungen vermessenen Erdburgen. Sicher ist nur, daß sich im letzten Drittel des 11. Jahrhunderts das durch Burgen geschützte Siedlungsgebiet vergrößert hat.

Seine Feuertaufe erhielt das neue Burgensystem im Frühjahr 1091. Der vermutlich über den Ojtozpaß geführte erste schwerwiegende Kumanenangriff unter Führung von Kruls Sohn Kapoltsch gelangte über Alt-Thorenburg, Alt-Klausenburg (mit Berührung Dobokas) wieder bis Wardein und Bihar, ja längs der Theiß bis in die Tiefebene ins Banat und traf erst dort auf das Heer von Ladislaus I. Das Versagen der vorgeschobenen Grenzburgen erkannte bereits Ladislaus, weshalb er begann, den Verteidigungsgürtel in die Tiefe zu staffeln. Hinter den äußeren Burgen siedelte er aus Bihar und aus den westlichen, südwestlichen und südlichen Grenzgebieten Ungarns berittene Bogenschützen als Grenzwächter an (Gesetz II. 17, 1 von Ladislaus: custodes confiniorum qui vulgo ewrii [õrök = Wächter] vocantur), in kleinerer Zahl im Sajó-Gebiet, erheblich mehr südlich des Mieresch am Müllenbach/Sebesch und im Tal der Großen Kokel. König Ladislaus’ frühe Grenzwächtersiedler werden die Schöpfer, hingebungsvollsten Anhänger und Bewahrer des Hl.Ladislaus-Kultes. Ihre Siedlungen (das später den Zusatz Szász = Sachse erhaltende Sebes, Orbó, Kézd) werden genauso zu Namensgebern für spätere Szekler Stühle, Sippen und Geschlechter wie die Namen ihrer früheren Siedlungen (Telegd, Medgyes). In ihren Dörfern errichten sie Holz- und Steinkirchen, um die herum sie in der Zeit Kolomans schon beerdigen. Die Namen ihrer Siedlungen und Dörfer bleiben zumeist auch nach ihrer Umsiedlung nach Osten erhalten, ihre frühen Stühle und Ländereien wurden für die spätere Erinnerung nur deshalb zu „deserta“ (1224), weil sie für die neuangesiedelten Deutschen geräumt werden mußten.

Ungarn und Slawen. Das Zeugnis der Ortsnamen

Die frühe ungarische Grenzwächteransiedlung belegen seit dem 12. Jahrhundert bis heute deutsche Ortsnamen. I. Kniezsas bereits klassische Forschungen besagen: „In den nordöstlichen und südlichen Teilen Siebenbürgens dienen die sächsischen Ortsnamen dieser Gebiete als recht gute Fixpunkte. Denn die deutschen Namen der überwiegend von deutscher Bevölkerung bewohnten Ortschaften im Nordosten, entlang des unweit von Bethlen in den {148.} Großen Samosch mündenden Sajó und von dort nach Nordwesten sind mit ein bis zwei Ausnahmen alle aus dem Ungarischen übernommen“ (ung./dt./rum.: z. B. Sárvár/Schueret/Şirioara, Kendtelek/Kindeln/Chintelecu, Vermes/Wermesch/Vermeş, Kékes/Kikesch/Chiochiş, Somkerék/Simkrugen/Şintereag). „Ebenso finden sich auch unter den sächsischen Ortsnamen nicht nur im Gebiet zwischen den beiden Kokel, sondern auch des Königsbodens zwischen der Linie Große Kokel-Mieresch und Alt auffällig viele Ortsnamen ungarischer Herkunft. Und diese Namen beweisen klar, daß die Sachsen bei ihrer Einwanderung eine ungarische Bevölkerung mit bereits bestehenden Siedlungen vorfanden. Da wir aber von den Sachsen wissen, daß sie ungefähr in der Mitte des 12. Jahrhunderts in ihr heutiges Siedlungsgebiet eingewandert sind, müssen wir die Zeit der ungarischen Siedlungen früher, auf den Beginn des 12. Jahrhunderts oder eventuell auf die zweite Hälfte des 11. Jahrhunderts ansetzen“ (z. B. Örményes/Irmesch/Ormeniş, Holdvilág/Halwelagen/Hoghilag, Ludas/Logdes/Ludesch/Ludoş, Vesszõd/Wassied/Vesăud, Medgyes/Mediasch/Mediaş, Baromlak/Wurmloch/Vorumloc, Sárpatak/Scharpendorf/Şarpotok, Kézd/Keisd/Chizdu, Egerbegy/Arbegen/Agîrbiciu, Bürkös/Bürkesch/Birgiş, Kövesd/Käbisch/Coveş, Homorod/Hamruden/Homorod, Halmágy/Halmagen/Halmeag, Árpás/Arpasch/ Arpaşu, Talmács/Talmesch/Tălmaciu). „Im Burzenland […] stößt man anders als in den bisher behandelten sächsischen Gebieten auf keinen einzigen sächsischen Ortsnamen, der aus dem Ungarischen stammen würde […] vor der Besiedelung der Sachsen konnte es hier keine namhafte ungarische Bevölkerung gegeben haben.“ „Aus unseren Ausführungen folgt auch, daß sich die Szekler im Gebiet des heutigen Stuhles Csík und der Drei Stühle bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts nicht niedergelassen haben können.“

Für das Gebiet von der Latorca über das Tür-Kraszna-Tal bis zur Bistritz wies bereits Kniezsa eine bedeutende slawische Restbevölkerung im 11.–12. Jahrhundert nach. Dies läßt sich durch jüngere Forschungen ergänzen, wonach die große Mehrheit der aus dem Ostslawischen stammenden arpadenzeitlichen Dorfnamen Ardó = Waldhüter/Förster und Daróc = Wildfänger/Waldjäger aus der gleichen Gegend stammen, was zudem belegt, daß die Gebiete Szilágyság, Marmarosch und Bistritz ein riesiges Waldgebiet waren, in dem königliche Dienstvölker mit den obigen slawischen Namen noch im 13. Jahrhundert vorauszusetzen sind. In Ost-Doboka (nordwestlich des Bistritzer Königsbodens, östlich des Sajótals), also dem früheren Grenzödland, taucht zum ersten Mal in Urkunden aus der Zeit Belas III. (1172–1196) ein Dorf mit ungarischem Namen auf, Igalja (Igyalja), das später den Namen der bei seiner ersten Erwähnung bereits stehenden (!) St.Andreaskirche übernahm. Der Besitz bestand aber auch noch 100 Jahre später überwiegend aus Wäldern, Buschwerk, Hainen und Wiesen.

Die wichtigsten Beweise für den Fortbestand der Siebenbürger Slawen sind die Namen kleinerer Flüsse und Bäche. Slawische Namen tragen folgende Nebenflüsse des vereinten Samosch: Krasna, Tur, Turoc, Pisterna, Lekente, Kapnik, Debrek, Debreke mit dem parallelen ungarischen Namen Melsed (= Mély-séd aus der Arpadenzeit); linksseitig des Kleinen Samosch: Loŀad, Lona, Gorbo; beidseitig des Großen Samosch: Tiha, Ilošva, Ilva, Salva, Rebra, Besterce/Bistritz, Lekence; seltener sind sie entlang des Mieresch: Kalodva, Orbo, Lekente (von den Nebenflüssen des Aranyos haben Tur und Torocko slawische Namen); häufiger sind sie in Hunyad: Lesnek, Strig, {149.} Dobra, Černa, Bistra. Von dem parallelen slawischen Namen der beiden Kokel, Tirnava, war schon in der awarisch-bulgarischen Epoche die Rede. Slawische Namen tragen die Nebenflüsse des oberen Alt: Toplica, Kleine Bistritz, Černavoda (Schwarzwasser), Kason, Kovasna, Debren-Bach, in der Gegend des Alt-Knies der Doborka-Bach, Černa-Bach und Gerebene-Bach, von den Nebenflüssen im Hermannstädter Gebiet: Zibin, Černavoda und Zod. Auch die Nebenflüsse im Oberland des Temesch tragen zum guten Teil slawische Namen: Gladna, Bistra, Černa, Lanko.

Erheblich mehr kleinere Flüsse und Bäche ungarischen Namens gibt es in Siebenbürgen; in den Samosch fließen: Szilágy, Egregy, Almás, Lápos, Berekszó, Hagymás, Nádas, Ludas, Kapus, Sóspatak, Füzes, Fejérd, Gyékényes, Hódos, Mélyes, Sajó und Fenes, in den Mieresch: Tekerõ, Békány, Köves, Kigyós, Ezenes, Magyaros = Mogyorós, Görgény, Egregy (ung. Name der Černa), Nagyszád, Farkad, Fenes, Gyógy = Diód, ein anderer Gyógy, Aranyos, Komlód, Ludas, Sebes, Küküllõ/Kokel und ihre Nebenflüsse: Székes, Buzgósár, Székás, Segesd, Csergõd, Hagymás, Sósséd, Nyárád, in den Alt: Feketeügy (ung. Name der Černavoda/Schwarzwasser), Vargyas, die zwei Homoród, Kozd (1206: Cwezfey), Kormos, Sáros, Sebes, Árpás, Hortobágy, Disznajó, der andere Sebes, Feketevíz. Eine slawisch-ungarische Doppelheit findet sich im Quellgebiet von Kraszna, Berettyó und der Kreisch- Flüsse. In die slawische Krasna fließen die slawischen Sereden und Zolina sowie die ungarischen Elõpatak, Bikagyûr, Egres und Székpataka; in den ungarischen Berettyó die slawischen Bistra/Bistrica und Devna und dann die ungarischen Almás, Gyümölcsénes, Gyepes, Ér und Jószás; in die Schnelle Kreisch die slawische (?) Kalota und dann die ungarischen Sebes, Méhséd, Hegyes, Kutas, Nyárér und Kölesér. Die Schwarze Kreisch hatte nur Nebenflüsse ungarischen Namens: Belényes, Fenes, Solymos, Hollód, Hodos und Gyepes. Der große Nebenfluß ungarischen Namens des Temesch ist die Sebes.

Außer den urzeitlichen Namen Maros/Mieresch, Körös/Kreisch – die sich erst in der Großen Ungarischen Tiefebene zu einem Fluß vereinigt –, Szamos/Samosch, Olt/Alt, Ompoly und Berzava (die aber ins Rumänische über slawischen und altungarischen Lautwandel gelangten), lassen sich nur noch im Gebiet am oberen Alt einige Flußnamen mit vermutetem türkischen Namen erwähnen, Barót, Barca und Brassó, und an der unteren Donau Krassó, womit die erwähnenswerten Gewässernamen Siebenbürgens aufgezählt sind.

Aus den Gewässernamen – die sich viel hartnäckiger halten als alle anderen geographischen Namen – läßt sich nur eine Schlußfolgerung ziehen: Siebenbürgen hatte bis zum Ende des 12. Jahrhunderts zwei Bevölkerungsgruppen, eine an vielen Orten weiterlebende slawische aus früherer Zeit und seit dem 10. Jahrhundert kontinuierlich eine ungarische. Die Slawen saßen in fast allen Gebieten Siebenbürgens, doch bildeten sie größere Blöcke – zumindest nach der ungarischen Landnahme – nur im Krasna-Gebiet, zwischen Samosch, Großem Samosch und oberer Theiß, im Becken der Drei Stühle, im Gebiet zwischen Sztrigy und Szeben, in Krassó-Szörény und einen kleineren im Aranyos-Gebiet. Diese Blöcke lösten sich bis zum 12. Jahrhundert weitgehend auf, als die Slawen bereits in fast ganz Siebenbürgen mit Ungarn vermischt lebten. Von den Deutschen (mit Ausnahme der Namen ganz kleiner Bäche) und den Rumänen Siebenbürgens (ausnahmslos) wurden {150.} die 143 slawischen und ungarischen Gewässernamen übernommen, was bis heute nachvollziehbar ist. Gebirgsbachnamen rumänischer Herkunft lassen sich in Siebenbürgen ebenfalls nicht vor dem 15. Jahrhundert finden.

Die Ortsnamen sollen nur erwähnt werden, weil slawische Ortsnamen von den Ungarn, Deutschen (Rodna, Bistritz usw.) und Rumänen gleicherweise übernommen wurden, meist auch in dieser Reihenfolge. Die Zahl der slawischen Ortsnamen und damit der slawischen „Urbevölkerung“ Siebenbürgens darf aber nicht überschätzt werden; von den aus Urkunden bis 1400 bekannten 1119 Ortsnamen sind bloß 104 slawischer Herkunft, weniger als 10 %. Mit Gewißheit frühe ungarische Übernahmen liegen mitten in Siebenbürgen im Zusammenflußgebiet von Aranyos, Mieresch und Kokel vor, zwei Gerend, dann Dombó, Dombró und Gambuc, in denen die Ungarn – wie überall im Karpatenbecken – die im Slawischen später verlorengegangenen Nasalvokale beibehielten.

In Wahrheit herrscht im gesamten Siebenbürgen die ungarische Namensgebung vor. Im wesentlichen sind es Substantive im Nominativ Singular mit Stammes-, Volks-, Personennamen- oder Berufsbedeutung, seit dem 12. Jahrhundert der Schutzheilige der Kirchen im Nominativ. Eine entsprechende Namensgebung ist im Slawischen, Deutschen und Rumänischen unbekannt. Die slawischen Berufsbezeichnungen Bocsár = Mundschenk, Csatár = Schild-/Waffenmacher, Hari = Koch und Igric = Possenreißer kommen im gesamten Karpatenbecken vor, in ähnlicher Weise sind auch die Berufe bezeichnenden ungarischen Namen von sog. Dienstleute-Dörfern keine siebenbürgische Eigenart: Szántó = Pflüger, Kovácsi = Schmied, Fazekas = Töpfer, Ebes = Hundejunge, Solymos = Falkner, Szõlõs = Winzer.

Die politischen Verhältnisse im 12. Jahrhundert

König Koloman setzte zur Regierung des eroberten Kroatien 1105 über die Gespane die Würde eines Banus. Als zeitgleich damit pflegte man die Anfänge einer siebenbürgischen Territorialregierung zu betrachten: das Erscheinen der Woiwodenwürde. Dennoch versuchen sowohl die ungarische als auch die rumänische Geschichtsschreibung – aus unterschiedlichen Gründen – die Wurzeln der „selbständigen“ Territorialregierung auf Jahrhunderte vorher zurückzudatieren. Rumänische Forscher halten die Woiwodenwürde für die Fortsetzung oder im günstigeren Falle für das Wiederaufleben der „blacus“ – Woiwodschaft (voievodatul) des aufgrund von Anonymus im 9. Jahrhundert vermuteten dux Gyalu. Der von Anonymus zu Beginn des 13. Jahrhunderts Gelou: Golou: Galou geschriebene (im heutigen Rumänischen aufgrund von Kapiteltiteln, die von einem Kodexkopisten erst aus dem 14. Jahrhundert stammen, als „Gelu“ eingebürgerte) Name ist nur Gyalu zu lesen und folglich ein ungarischer Personenname türkischer Herkunft (vgl. z. B. im Theiß- Kreisch-Winkel den Dorfnamen Kun-Gyalu). Seine von Anonymus erwähnte Burg ist offensichtlich identisch mit dem aus einer Urkunde von 1246 bekannten Sommersitz Gyalu (Golou)/Julmarkt der siebenbürgischen Bischöfe, dem curtis pontificalis, der neben einem früheren römischen Gastrum erbaut wurde – von da nimmt Anonymus den als Personennamen verstandenen, mit dem Gyula (Geula) verschmolzenen Namen und die Burg. Die einzige echte historische Lehre aus seiner Erzählung ist die Existenz des {151.} befestigten Sommersitzes der siebenbürgischen Bischöfe in Julmarkt bereits um 1200.

Ungarische Forscher suchten die Wurzeln der siebenbürgischen Sonderregierung in mehreren Richtungen: in der Herrschaft der Gyulas; im geheimnisvollen Zoltán Erdõelvi (den angeblich Stephan 1. nach dem Sieg über den Gyula zum Regenten Siebenbürgens machte); in dem in der kleineren Stephanslegende aus dem 11. Jahrhundert erwähnten „tribunus“; oder in den in anderen Quellen aus dem 11. Jahrhundert auftauchenden „principes“. Nur wird eben „der Gyula“ zum ersten Mal 1526 von dem als „Anonymer Kartäuser“ bekannten Legendenschreiber Woiwode genannt. Die (unklare) Chronikangabe vom Ende des 13. Jahrhunderts nennt Zoltán Erdõelvi den „Urvater“ (proavus, Arpads Sohn Zolta) Stephans, was offensichtlich unmöglich ist; die Bezeichnung princeps wiederum wird im 11. Jahrhundert im Sinne von „Großer, vornehmer Herr, Hochadliger“ auf jeden namhafteren Menschen angewandt, so auch auf den seinem Komitat den Namen gebenden Comes Szónok/Szolnok. Der vielfach als Beleg genannte „Mercurius princeps Ultra Silvanus“ in einer Urkunde von 1111 ist schon deshalb wahrscheinlich kein Woiwode gewesen, weil er einige Jahre früher (1097) ausdrücklich als „comes Bellegrat(a)e“ bezeichnet wird.

Die im königlichen Auftrag nach Siebenbürgen gesandten oder ernannten Beamten, die also gerade kein Eigenregiment, sondern die Zentralgewalt vertretenden Woiwoden, tauchen ab 1199 auf, dann aber immer regelmäßiger. Bis 1206 haben bereits fünf einander im Amt abgelöst. Das voievoda-voyvoda neben dem Titel comes Albe Transilvane wird zur ständigen Benennung, woraufhin letzterer bald auch fortfällt. Bei den siebenbürgischen und den ihnen verwandten Slawen bedeutete vojevod der Herr, der militärische Führer, der Heerführer, und schon bei Konstantinos Porphyrogennetos wird er – vermutlich infolge slawischer Dolmetscher – zur Bezeichnung der ungarischen Stammesoberhäupter verwendet. Für die siebenbürgischen Slawen deckte sich dieser Begriff zuerst mit der Macht des Gyula und später mit dem Rang und Amt des Comes, kaum zufällig wird der Comes von Doboka noch 1214 als „Voiouda comes de Doboka“ erwähnt. Wie dem auch sei, 1177 ist Gallus noch „comes Albensis Ultrasilvanus“, die Woiwodenwürde kann also erst danach entstanden sein.

Dementsprechend kann es noch nicht Aufgabe des Woiwoden gewesen sein, den größten, von außen her erfolgten Angriff dieses Jahrhunderts abzuwehren, Manuels I. gegen Stephan III. verfügte Straffeldzüge, die die vorhergehenden Kämpfe im Banat fortsetzten und sich 1166 von der unteren Donau und dem Schwarzen Meer her genau auf Siebenbürgen konzentrierten. Leon Vatatzes’ zum großen Teil aus Walachen vom Gebiet des Haimosgebirges* Niketas Choniates E. 16. FBHH p. 238 u. 295 bestehendes Heer brach vom Euxinus- (Schwarzen) Meer kommend vermutlich durch den Ojtozpaß „ins Land der Hunnen“ ein, wo „es schonungslos jeden niedermetzelte und alles zertrat, was ihm in den Weg kam“. Es kam zu einem großen Blutvergießen, man schleppte viele Gefangene mit sich fort, die Nachricht hebt besonders die erbeuteten Pferde hervor – dies ist die erste Angabe über die später so berühmte siebenbürgische Pferdezucht. Die andere byzantinische Strafexpedition ging von Vidin aus, unter Führung von Ioannes Dukas. „Durch schwer zu erreichende, von keinem Menschen bewohnte {152.} Gebiete“, also aus dem Černa-Bistra-Tal durch das Eiserne Tor von Hunyad oder im Žil-Tal brach das Heer „ins Hunnenland“ ein, wo es zahlreiche große Dörfer verwüstete und riesige Beute machte – zumindest nach Meinung der zeitgenössischen byzantinischen Chronisten.* Ioannes Kinnamos 26. FBHH pp. 238–239 und das 337. Epigramm eines anonymen Autoren. FBHH p. 193

Wirtschaft und Bevölkerung

Wirtschaftsgeschichtliche, topographische und ethnische Angaben über Siebenbürgen blieben in Urkunden vom letzten Drittel des 11. Jahrhunderts erhalten. Im wesentlichen ist die Erzählung der größeren Gerhardtslegende über die Salztransportschiffe des hl. Stephan auf dem Mieresch wohl glaubhaft (vgl. oben, bei der Geschichte Ajtonys), doch wird in einer zeitgenössischen Urkunde erstmals 1075 der Salzzoll (tributum salinarum) eines ung. Aranas genannten Ortes nahe dem Castrum Torda „ultra silvam“ erwähnt, dessen Hälfte Geysa I. der Abtei St. Benedikt an der Gran überläßt. Kurze Zeit später ist bereits von wirklichen Salzschenkungen die Rede.

Eine glaubwürdige Urkunde Belas II. um 1131 bestätigt Ladislaus’ I. Schenkung für die St.-Moritz-Abtei von Bakonybél von 1092 (die später, unter Stephan II. angefochten wurde). Ladislaus hatte dem Kloster 24 Familien (mansiones) geschenkt, mit der Bedingung, viermal jährlich 600 (später durch Schaben des Papiers auf 6000 „korrigierte“) Salzblöcke an die Brüder zu liefern (qui quattuor vicibus per annum sal deferrent scilicet, sexcentos lapides fratribus). Daß hier von siebenbürgischem Salz die Rede ist, bleibt aufgrund der noch zu behandelnden Urkunde Belas II. von 1138 kaum zweifelhaft. Beim ersten Lesen ist es dennoch unklar, ob die namentlich genannten 24 Familienoberhäupter siebenbürgische Salzschneider oder nur zum Transport Verpflichtete waren, weil die Urkunde nichts über ihren Wohnort mitteilt. Den Namen der Dörfer nennt auch die für Bakonybél auf das Jahr 1086 ausgestellte Besitzkonskription aus dem Jahre 1186 nicht, in die Ladislaus’ echte Urkunde von 1092 – die Dienstleistungen gründlich krönend – „hineinkopiert“ wurde. Insofern verrät sie doch mehr, als sie im Zusammenhang mit den gleichen 24 Personennamen auch von einem Salzbergrecht (salifodium) und von ausgegrabenen Salzblöcken, transportiert mit drei Schiffen (navibus), spricht. Die 24 Personennamen gelangten aus der verlorenen Urkunde Ladislaus’ I. von 1092 ebenfalls in die glaubwürdige Urkunde Belas II. um 1131. Damit beweist gerade die 1186 interpolierte Urkunde, daß es sich um siebenbürgisches Salzvermögen handelte.* P. SÖRÖS, A bakonybéli apátság története CGeschichte der Abtei von Bakonybél;. In: A pannonhalmi Szent-Benedek-rend története, VIII. Budapest 1903, 271–272.

Die 24 Familien aus der Urkunde von 1092 konnten prinzipiell überall wohnen. Auf ihre siebenbürgische Herkunft verweist gerade, daß ihr Wohnort nicht angegeben ist, wie auch die Dörfer der sicher siebenbürgischen Salzfuhrleute von 1138 nicht genannt sind. Diese weitere Untersuchungen erfordernde Eigentümlichkeit verrät, daß die frühen siebenbürgischen Salzschneider und -fuhrleute nicht nach Dörfern, sondern nach dem Familienoberhaupt registriert wurden.

{153.} Die 24 Namen von 1092 unterstützen die siebenbürgische Zugehörigkeit der Salzfuhrleute. Zum ersten Mal erscheint urkundlich die Bezeichnung Szekler: Scicul/Scichul ist die älteste Form, die mit der üblichen Namensform der nächsten 130 Jahre übereinstimmt (Chronica Hung. zu 1116 und 1146: Sicul/Sycul, Anonymus: Sicul, Urkunden von 1213/1222: Sicul, Regestrum von Wardein 1217: Scecul) und damit beweist, daß die früher von Turkologen vorgeschlagene Herleitung aus „śikil“ (recte: śilik!), „eśkil/eśekel“ falsch ist. Christliche Namen tragen noch wenige: Paulus, Martinul, Michael, viel häufiger sind die eingliedrigen Namen ungarischer Dienstleute: San = Csány, Nesinc = Nesincs, Nanasca = Nánás, Sacan = Csákány, Zacan = Zákány, Bela, Kasudi = Kásádi, Cuna = Kuna (Marder), Keta = Kötõ, Rescadi = Részedi), das finnougrische Bildungssuffix -di kommt auch bei Namen slawischer oder sonstiger Herkunft vor: Zagordi, Bedladi, und schließlich gibt es auch eindeutige slawische Namen: Boguta, Walen. Die übrigen, mit Ausnahme eines Schimpfnamens (Negus), sind bisher nicht zu deuten: Lawa, Cunei, Zaut, Desce, Gnenu.

Ebenso ließ Bela II. sämtliche Güter, die sein Vater, Herzog Almos, 1108 der Propstei von Dömös geschenkt hatte, registrieren und bestätigte sie am 3. September 1138.* D. SZABÓ, Die Schenkungsurkunde der Propstei von Dömös, n38/t329 (ung.). Magyar Nyelv 32 (1936), 203–206. Im „Salzdorf“ Sahtu/Sajti am Mieresch wurden 25 Salzschiffer registriert, die verpflichtet waren, mit zwei Schiffen jährlich sechsmal Salz auf dem Mieresch aus Siebenbürgen zum Markt nach Szombathely im Komitat Arad (forum Sumbuth, heute: rum. Sîmbăteni) zu transportieren. Diese Salzschiffer aus Sajti tragen ohne Ausnahme eingliedrige ungarische Namen, wie Aianduk = Ajándék, Bise = Bicse/Bese, Buken = Bökény, Ceuse = Kõcse/Kese, Forcos = Farkas, Gucur = Gyüker, Halaldi = Haláldi, Kewereg = Kevereg, Maradek = Maradék, Niundi = Nyundi, Numarek = Nyomorék, Silev = Süllõ, Sima = Sima, Sumpu = Csömpõ, Tuda, Wendeg = Vendég, Wosos = Vasas, und auch ihre christlichen Namen sind ungarisch gefärbt: Iwanus, Pedur, Mihali, Michal.

Die Salzfuhrleute von Sajti (allatores salis) lieferten an einem in derselben Urkunde von 1138 nicht näher bestimmtem Ort dort lebenden 30 Familien siebenbürgischer Salzschneider (In Ultrasilvanis partibus sunt mansiones que sal dare debent) jährlich 24 tausend (?) Salzblöcke (die Angabe ist vermutlich eine nachträgliche „Korrektur“ in der Kopie von 1329) für die Propstei von Dömös. Ungefähr drei Fünftel der Salzschneider führen eingliedrige ungarische Namen: Wosas = Vasas, Besedi = Beszédi, Fuglidi = Fogolydi, Both = Bot, Vtos = Utas, Cima = Sima/Csima, Kosu = Kos, Cesti = Késdi, Halis = Hálás/Halász, Himudi = Hindi/Himdi, Satadi = Csatádi (?), Sounik = Szónok, Orsci = Or(r)szi, Emis = Emes, Vza = Uza, Eulegen = Õlegyen, Ellu = Ellõ/Élõ, Wendi = Véndi. Die anderen sind entweder slawische Namen: Kinis, Senin, Sokol, Lesin, Ginon, Viuscij sowie der slawische christliche Name Wasil, oder christliche: Martin, Simeon, Isaac. Namen unsicherer oder unbekannter Herkunft sind Vir und Ogsan. Die Urkunden von 1092 und 1138 sind die ersten Fenster, durch die wir einen Blick auf die frühen ethnischen Verhältnisse Siebenbürgens werfen können. Die Fälschungen vom 12.–14. Jahrhundert und die „korrigierten“ Kopien der Urkunden weisen zudem auf eine starke Entwicklung der Salzbergwerke hin.

{154.} Die in der gleichen Urkunde von 1138 an einem näher nicht bestimmbaren Ort „in den siebenbürgischen Teilen“ der Propstei Dömös geschenkten Leute – offenbar Wildfänger – zahlten jährlich 20 Marderfelle, ein Bärenfell, ein Büffelhorn und hundert Lederriemen als Steuer an die Abtei. Die Urkunde enthält leider nicht ihre Namen.

Die 1177 schriftlich niedergelegte Flurbeschreibung des nach 1131 von König Bela II. der St.-Martins-Propstei von Arad geschenkten Gutes Asszonynépe/Frauenvolk bewahrte die Angaben der ältesten siebenbürgischen Gemarkung.* Dl 30 571; I. BORSA, Levéltári Közlemények (Archivmitteilungen) 1962, 216. Die Flurnamen sind ausnahmslos ungarisch: Feketefee = Feketefeje/fõ; Hegesholm[ir]u = Hegyeshalom; Sossed = Sós-séd; Acnahege = Akna-hegye; Husee Berke = Huseje/Husó/Husi berke; Ret = Rér, Sciluas = Szilvás; Thow = Tó; Fequet kopna = Fekete kapuja; Fequet = Fekete, das spätere Fugad/Fügöd. Dementsprechend tragen die benachbarten Dörfer ebenfalls ungarische Namen oder türkische Personennamen: Bodon, Lapad, Heren, Tordosi de Vyuuar = der Újvárer Tordos, bzw. Sugman = S/Szukmán, das spätere Szokmánd. Als Name eines Hains kommt hier zum ersten Mal das falsch geschriebene Caxun vor, das sich wohl nur als Taxun = Taksony verstehen läßt (nur ein Strich ist weggefallen = Č). Das ebenfalls falsch geschriebene „Parpurcum“ (~ Harpurtum) erscheint 1317 in der Form Haperthon, ist also mit dem heutigen Dorf Háporton (rum. Hopîrta) identisch. Sein Name (háportyán) entspricht im siebenbürgischen Ungarisch ungefähr dem „Mattenflechter“ = Háportyos. Zur gleichen Zeit wurden auch die ungarischsprechigen Gemarkungspunkte des Gutes Torda (Thorda) der Arader Abtei aufgezeichnet: Oronos = Fluß Aranyos, Fyzeskuth = Füzeskut, Monorospatak, Sospatak usw.

Große Bedeutung besitzt schließlich die Flurbeschreibung von 1223 über den der 1202 gegründeten Kerzer Zisterzienserabtei zwischen 1202 und 1209 geschenkten Besitz, der aus dem Land der damals bereits dort lebenden Fogarascher Machen ausgegliedert wurde (terra exempta de Blaccis). In ihr finden sich außer den Flußnamen Olt (Alt) und Kerc (Kerch, unbekannter Herkunft) nur frühe ungarische (bzw. ungarisch-slawische) Flurnamen – der sumpfige Egerpatak (Egwerpotac), als Name eines Buchenwaldes (fagos) nogebik (Nagybükk) und der Fluß Arpas –, die gewiß aus einer weit vor Bela III. und Geysa II. liegenden Periode stammen.

Die archäologischen Zeugnisse aus der Gründungszeit des Königreiches

Während man Siedlungen des 10. Jahrhunderts – mit Ausnahme Weißenburgs und vielleicht Biharvárs – bisher weder in der östlichen Tiefebene noch in Siebenbürgen kennt, knüpft sich das Leben seit Beginn des 1 L Jahrhunderts an bekannte, auch heute noch mit ihrem Namen existierende Burgen und Siedlungen.

Bemerkenswerte Denkmäler der neuen Epoche sind die Holzerdeburgen, jene großangelegten Verteidigungswerke, die Anonymus um 1200 selbstverständlich für die Zentren aller Macht hielt. Zum Teil hätten sie schon vor {155.} Ankunft der Ungarn bestanden und seien von ihnen belagert und eingenommen worden (z. B. Sathmarvár, Biharvár, Alpárvár, Gyaluvár), zum anderen Teil, schreibt er ausdrücklich, hätten sie die Fürsten der landnehmenden Ungarn erbauen lassen (z. B. Szabolcsvár, Csongrádvár). Wir wissen heute, daß bei Anonymus nicht irgendein Prinzip problematisch ist (damals bildete die Burg wirklich ein unentbehrliches Machtelement des „modernen“ Staates), sondern sein einfallsreicher Erzählstil. Eine ganze Reihe ungarischer Burgen des 10.–11. Jahrhunderts hatte tatsächlich Vorgänger. Einzelne waren urzeitliche (bronze-, eisenzeitliche) Erdschanzen unterschiedlichen Ausmaßes, im allgemeinen an geographisch-strategisch wichtigen Punkten; andere, und das ist die Ausnahme, wurden auch auf den verfallenden Steinmauern römischer Städte errichtet. Die Burgen der der Landnahme unmittelbar voraufgehenden Mächte übernahmen die Ungarn nur selten und bauten sie wieder auf (Bresalauspurc = Preßburg, Mosapurc = Zalavár – diese erst am Ende des i i. Jh., Belgrad = Weißenburg, die bulgarische Erdburg Černigrad = Csongrad). Nur die letzte von ihnen kommt bei Anonymus vor, allerdings bei den von den Ungarn neuerrichteten Burgen. In Alpárvár, Zemplénvár und Titelvár wurden die Burgen der Arpadenzeit im 11. Jahrhundert oder noch später unmittelbar auf urzeitliche Fundamente gebaut – nicht eine stand im 9. Jahrhundert als Burg, dabei hätten sie doch die Zentren der Anonymusschen Lokalgewaltigen sein sollen. Im Falle von Szabolcsvár, Abaújvár, Patavár, Alt-Aradvár, Alt-Kolozsvár/Klausenburg, Alt-Tordavár/Thorenburg (Várfalva/Burgdorf), Dobokavár, Sárvár/Schart und einer Reihe anderer Burgen belegten auch moderne Grabungen, daß die Holzerdeburgen ohne Vorgänger an der Wende vom 10. zum 11. oder im 11. Jahrhundert erbaut wurden.

Vor wenigen Jahrzehnten konnten sich nicht einmal die ungarischen Historiker vorstellen, daß die „nomadischen“ oder „halbnomadischen“ Ungarn Burgen gebaut hätten – die aus den schriftlichen Quellen bekannten Burgen der Burggespanorganisation des 11.–13. Jahrhunderts waren archäologisch unerforscht, niemand hatte auch nur annähernde Vorstellungen von ihrer Ausdehnung und Struktur. So „vermachte“ die damalige historische Auffassung, Anonymus folgend, die als unbedeutend betrachteten Burgen leichthin der lokalen Bevölkerung.

Heute ist auch der Geschichtswissenschaft klar, daß eine Machtstruktur, besonders ein mittelalterlicher Staat, ohne Burgen unvorstellbar ist. Folglich setzte ein moderner (teurer und mühsamer) Kampf um die Burgen ein. Man sucht außerhalb der heutigen Grenzen Ungarns – vom jeweiligen Land abhängig – die slawisch-blakisch-bulgarisch-„römischen“ (fränkischen) Burgen des Anonymus. Nicht zuletzt ist dieser „nationalstaatlichen Archäologie“ die Konjunktur der Burggrabungen zu verdanken, zugleich aber auch ihre Verzerrung, gehen doch die Datierungen nicht von den wirklichen Schichten, von den archäologischen Funden in den Schichten aus, sondern von Anonymus: Die Datierung der Funde und Bauobjekte werden seinen „Angaben“ angepaßt. In Siebenbürgen inspirierte die Anonymus-Figur des blakischen Fürsten „Gelu“ die Erforschung Dobokavárs, Alt-Klausenburgs und der Burg Gyaluvár/Julmarkt und am Mieresch der Anonymussche Fürst Glad die der Burg Alt-Arad. Aber leider bedingte diese Konzeption auch, die Ergebnisse zu verändern. Denn die Ausgrabungen (zudem noch einige andere) erbrachten nicht nur keine Funde aus dem 9., sondern auch kaum aus dem 10. Jahrhundert. Der Ausbau der Burgen ist auf die Zeit der ungarischen {156.} Staatsgründung zu datieren, und das noch heute vorhandene bischöfliche Schloß aus dem 15.–17. Jahrhundert in Julmarkt entstand direkt auf der römischen Trümmerschicht aus dem 3. Jahrhundert und noch nicht einmal auf dem Gelände des römischen Lastrum.

Der Ursprung des frühen ungarischen Burgenbaues ist noch ungeklärt. Die ungarischen Burgen sind nur in gewissen Konstruktionseigenheiten mit den Holzerdeburgen in Mittel- und Osteuropa aus dem 10.–13. Jahrhundert verwandt, ihren Ausmaßen und ihrer Funktion nach waren sie ganz anders. In ihrem funktionalen Aspekt gehen sie vermutlich auf chazarische Vorbilder zurück, was aber die künftige Forschung erst noch nachweisen muß. Es handelt sich um ausgedehnte, in hohe Erdschanzen eingebettete Balkenburgen mit Kassettenkonstruktion (Beispiele aus dem heutigen Ungarn: Hontvár, Sopronvár = Ödenburg, Mosonvár = Wieselburg, Abaújvár, Szabolcsvár, Borsodván usw.), die im ausgetrockneten Zustand erheblich brandanfällig wurden und bei einer Belagerung oder durch Zufall leicht niederbrannten; aufgrund des dabei rotgebrannten Wallkerns wurden sie häufig (irrtümlich) „gebrannte Burg“ oder „Scherbenburg“ genannt. Bei ihrer Wiedererrichtung war man aus Konstruktionsgründen gezwungen, die Erdwälle zu erhöhen, bei manchen Burgen sogar zweimal. Dies half ihnen jedoch nicht viel – die Mongolen nahmen die belagerten russischen, polnischen und ungarischen Holzerdeburgen ein, und zu diesem Zeitpunkt wurden viele von ihren Bewohnern endgültig verlassen. Nur jene waren nicht brandanfällig, die statt hölzerner mit steinernen Mauern umgeben wurden (z. B. Dobokavár, Biharvár). Bis zum 13. Jahrhundert war dieser Burgtyp jedenfalls schon veraltet.

Von den ca. 40–50 frühen Gespansburgen stehen nur wenige auf römischen Vorgängern: Sopronvár/Ödenburg (Scarabantia), Gyõrvár/Raab (Arrabona), slaw. Visegrád an der Donau und die Weißenburg der Gyulas (Apulum), die beiden ersteren auf verfallenen römischen Mauern. Beispiellos und alleinstehend im Karpatenbecken ist Weißenburg, das gemäß seinen ältesten Militärplänen (1687, 1711) bis zum 18. Jahrhundert den regelmäßigen quadratischen Grundriß von 474 – 474 m, zwei Ecktürme und die Achse der römischen Hauptstraße (cardo) mit an beiden Enden auf römischen Fundamenten erbauten Toren samt Tortürmen des römischen Legionslagers bewahrte. Die schon 1547 als römisch bezeichneten, in Resten bis heute vorhandenen Mauern verdanken ihre Erhaltung vermutlich ihrer ausnehmend hohen Bauqualität sowie dem Umstand, daß die römische Stadt auf dem rechten hohen Miereschufer am Fuß der Berge mit der Auflassung der römerzeitlichen Gold- und Eisenbergwerke im Siebenbürgischen Erzgebirge uninteressant wurde, und zwar bis zur Eroberung durch die Donaubulgaren. Von den übrigen römischen Kastellen Daziens mit ähnlichen Ausmaßen und Grundriß (Ulpia Traiana, Potaissa, Napoca, Porolissum) wurden drei keine Zentren, ihr Platz blieb bis heute unbebaut, obwohl oberhalb von Neu-Thorenburg bis in die Neuzeit die Mauern Potaissas und einer seiner reliefverzierten großen Tortürme standen. – Im Mittelalter wußte man nicht einmal, daß sie römischen Ursprungs seien, die deutschen Einwohner Alt-Thorenburgs nannten sie die „Saxoniaburg“, der Humanist Bonfini vermutet in ihnen dann als erster – irrtümlich – das römische „Salinum = Salzstadt“. Bei Klausenburg läßt sich nur eine nachträgliche Verwendung der Nord- und Westmauerreste Napocas vermuten, seine mittelalterliche Stadtstruktur erbte – {157.} außer dem Decumanus, der Linienführung der zum Samosch parallel verlaufenden Hauptstraße – nichts von der römischen Stadt.

In den Burgen und Siedlungen Siebenbürgens sind die frühesten von der ungarischen Besiedlung zeugenden Funde aus der Landnahme- und Staatsgründungszeit Töpfe vom östlichen (Saltowo-) Typ und Herkunft mit kanneliertem Zylinderhals (Doboka, Weißenburg, Alt-Klausenburg, Betelsdorf, Mühlendorf, Unterwintz bzw. Csanádvár, Biharvár und Vártelek in der Nähe des Meszesch), frühe Tonkessel sowie spät landnahmezeitliche Metallgegenstände. Auf den Friedhöfen, die in und neben den Burgen errichtet wurden, herrschten anfangs die im 10. Jahrhundert heimisch gewordenen ungarischen Riten und Trachten. Erstere wiesen zuerst keineswegs ausgesprochen christliche Züge auf, höchstens in Gestalt der nach Osten ausgerichteten Totenbestattung. In der Tracht finden sich unverändert oder mit periodenbedingten Abwandlungen die als Zopfschmuck dienenden Haarreifen, die Fingerringe, Hals- und Armbänder, die zweiteiligen Anhänger und Dolmanknöpfe von Menschen, die nicht selten eine damals als spezifisch östlich-ungarisch betrachtete Heiltechnik, die gegen Krankheiten vorgenommene Schädelöffnung (Schein- oder echte Trepanation), mit ihren landnehmenden Vorfahren verband.

Die Friedhöfe vom Ende des 10. oder aus dem 11. Jahrhundert sind nach heutiger Auffassung Friedhöfe einer halb heidnischen, halb christlichen Bevölkerung, aber nur in bezug auf ihren Charakter. Denn die größere Gerhardtslegende verrät, daß die Friedhöfe all jener Gemeinschaften, die am Kirchenbau teilnahmen – laut Stephans Gesetz II. 1 mußten zehn Dörfer eine Kirche bauen –, von dorthin gesandten Geistlichen geweiht wurden, man also ihrer vorläufigen Benutzung zustimmte. Deshalb lassen sich überall im Land die nach der Staatsgründung eingerichteten „heidnischen“ Gemeinvolkfriedhöfe finden (z. B. Diemrich, Várfalva/Burgdorf, beide bis Ladislaus I.).

Eine erhebliche Veränderung tritt damit ein, daß die Friedhöfe und Gräber vom 11. Jahrhundert an gut datierbar werden: Auch in den versteckten Winkeln Siebenbürgens und des Banats verbreiten sich die Totenmünzen. Zahlreich finden sich bereits die Münzen Stephans I., dann fortlaufend die der ungarischen Könige, bruchlos bis zum Ende des 12. Jahrhunderts, der Zeit Belas III., wie in allen Gebieten der Arpadenmonarchie. Vom 12. Jahrhundert an wird die Tracht zwar ärmlicher, aber einheitlicher, neben den kleinen und großen Haarreifen und den Fingerringen verbreiten sich in der Frauentracht metallene Schleiernadeln (Weißenburg, Csitfalva, Neumarkt).

Im frühen Abschnitt der Staatsgründung, den 66 Jahren der Herrschaft Fürst Geysas und Stephans I., erscheint in Siebenbürgen, der östlichen Tiefebene und im Banat die Schicht des durchwegs aus dem früheren bewaffneten Gefolge nach westlichem Muster geschaffenen miles, ebenso wie in anderen Gegenden des damaligen Landes. In den Gräbern dieser Periode (Diemrich) und den frühen Burgen bzw. Siedlungen fand man zweischneidige „Karolinger“-Schwerter (Desch, Doboka, Arn, Biharvár usw.) – verhältnismäßig nicht weniger als anderswo –, seit dem 11. Jahrhundert oft auch die auf neue „ritterliche“ Kampfesweise hindeutenden bronzenen oder eisernen Sporen. Gleichzeitig vereinheitlicht sich in der Arpadenmonarchie eines der wichtigsten Geräte des Alltags: der Tontopf – so sehr, daß es im 11–13. Jahrhundert zwischen der Töpferei z. B. im siebenbürgischen Weißenburg und im pannonischen Stuhlweißenburg keinen nennenswerten Unterschied {158.} gibt. An beiden Orten herrschen die aus dem Osten mitgebrachten, mit dichter horizontaler Linienführung (scheibengedrehten Spirallinien) verzierten, auf der Handscheibe gedrehten Töpfe (vom „Saltowo-Typ“), Flaschengefäße und Tonkessel vor. Die im 10. Jahrhundert bemerkbaren vorlandnahmezeitlichen Töpfertraditionen werden verdrängt oder verschwinden, und die heutige Archäologie versucht auch in Siebenbürgen nur mittels Benennungen (Dridu-Kultur und Csüged/Ciugud-Keramik) ihr „Weiterleben“ nachzuweisen, in Wahrheit zu ersetzen.

Entstehung der Siedlungszentren und Burgen

Zur Landnahmezeit besetzten die Ungarn das bulgarische Belgrad/Weißenburg am nordwestlichen, rechten Miereschufer, was ein bei Bauarbeiten zu Beginn des 11. Jahrhunderts zerwühltes (damals also bereits nicht mehr sichtbares!) ungarisches Reitergrab ebenso beweist wie die Gräber berittener Bewaffneter um die Burg herum. Die Bedeutung der Burg stieg sprunghaft, als der erste siebenbürgische Gyula im letzten Drittel des 10. Jahrhunderts in ihren Mauern seinen Sitz nahm. Die Technik des mit Ziegelmehl vermischten byzantinischen Mörtels bezeugt, daß die früheste christliche Kirche, eine Rotunde, um die herum noch nicht bestattet wurde, zur Zeit der Gyulas erbaut worden sein kann. Das Gemeinvolk bestattete im nordwestlich von der Burg gelegenen heidnischen Friedhof bis zum Ende des 10. Jahrhunderts. Das Weißenburg der Gyulas wird keine sehr bevölkerte Stadt gewesen sein.

Abb. 9. Weißenburgs Kirchen im 10.–13. Jahrhundert

Abb. 9. Weißenburgs Kirchen im 10.–13. Jahrhundert
1 =Rundkirche (Rotunde) aus dem letzten Drittel des 10. Jahrhunderts, 2 = die erste Bischofskirche, erbaut um 1009, 3 = Bischofsdom von Ladislaus I. und Koloman, 4 = heutiger Dom aus der Zeit Andreas’ II.

Die Bedeutung des Weißenburg der gyulas wuchs weiter, als Stephan I. 1003 die Herrschaft seines Onkels als Provinzfürst beseitigte. Seine weißen Steinmauern mochten zu Beginn des 11. Jahrhunderts schon so weit wiederhergestellt gewesen sein, daß sie bis zum Mongolensturm keinen Umbau erforderten. Am Ort des einstigen „heidnischen“ Friedhofs der Burg wird unter Stephan 1. die erste einschiffige Bischofskirche (mit für diese Zeit recht beachtlichen Maßen: 19–20 m Länge) errichtet, die unlängst gegenüber dem heutigen Dom entdeckt wurde. Östlich von ihr, in der Umgebung der {159.} Monetaria (Münzkammer), entstand seit dem zweiten Drittel des 11. Jahrhunderts ein bereits dicht mit Häusern bebautes Gelände innerhalb der Mauern, und auch entlang der in die Burg führenden Straße wurden Häuser gebaut. Offensichtlich vergrößerte sich das Burgvolk derart, daß seit der Mitte des 11. Jahrhunderts bereits drei Friedhöfe um die Burg bestanden, von denen der bedeutendste der neuere nordwestliche auf dem Platz des einstigen römischen Friedhofs ist, der von Andreas I. bis zu Ladislaus I. benutzt wurde. Am Ende des Jahrhunderts errichten Ladislaus I. und Koloman die mit ihren Fundamenten unter dem heutigen Dom liegende dreischiffige, 38 m lange neue Bischofskirche, bei deren Bau die frühere abgerissen wird. Das früheste Zeugnis der siebenbürgischen romanischen Steinplastik, ein halbkreisförmiges Torgiebelrelief dieses zweiten Domes aus der Zeit Ladislaus’–Kolomans, eine Maiestas Domini, blieb als innerer Giebelschmuck des Südtors des heutigen Domes vom Beginn des 13. Jahrhunderts erhalten, neben einigen schönen Säulenkapitellen. Die Datierung und ungarische Herkunft des flachen Giebelreliefs belegt die Gestalt des auf einem in Tierköpfen endenden Thronsessel mit erhobener Hand sitzenden Christus, die den Königsabbildungen auf den Königssiegeln der Zeit Ladislaus’ und Kolomans entspricht. Seit dem 12. Jahrhundert mußten die Burgbewohner um die neue Bischofskirehe herum bestatten – sogar auf dem Platz der früheren Kirche! –, weitere Kirchen und mit Kirchen verbundene Friedhöfe gruppierten sich im 12.–13. Jahrhundert um die Burg.

Den Funden zufolge bestand der als Dobokavár bekannte große Burgkomplex frühestens seit Beginn des 11. Jahrhunderts und wurde im Laufe des Jahrhunderts stufenweise zur umfangreichen Gespansburg ausgebaut. Zahlreiche Zerstörungen und Belagerungen (unter Stephan I vor 1030, dann 1068 [?] und 1091) erforderten wiederholten Wiederaufbau und auch Erweiterungen, ihre Holzerdewälle werden am Anfang des 13. Jahrhunderts durch Steinmauern ersetzt. Eine Kirche stand schon in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts, die zweite bereits zur Zeit Ladislaus’ I. Beide wurden mehrfach neu errichtet und um sie herum Friedhöfe geschaffen. Im 12. Jahrhundert erbaute man auch im Ort unter der Burg eine Kirche.

Für die Existenz von Désvár im 11. Jahrhundert gibt es noch keine archäologischen Beweise (aber von der Besetzung Deschs oder seiner Umgebung im 10.–11. Jh. zeugt das Bruchstück eines westlichen Schwertes), seine frühe Burg und ihr Friedhof sind bisher unbekannt. Von Kokelburg am linken Ufer der Kleinen Kokel kannte man aufgrund der späteren Umbauten nur bescheidene Reste. Sein Erdwall stammt aus zwei Perioden, es war eine übliche Holzerdeburg, innen mit einem Steinpflaster wie in Alt-Thorenburg und Schart, von ihrem Gelände wurde ein Flaschengefäß aus dem 11.–12. Jahrhundert veröffentlicht. Am 4. April 1241 zerstörten sie die Mongolen.

Weit lehrreicher sind drei weitere der „Sieben Burgen“, alle drei insofern klassische Beispiele der typisch osteuropäischen Entwicklung von der Burg in Richtung Stadt, als die Lage der Burg aus der Staatsgründungszeit in keinem Fall identisch mit den aus wirtschaftlichen Gründen mehr oder weniger nahe entstandenen mittelalterlichen Städten ist, die den Namen der Burgen später übernahmen.

Alt-Thorenburg lag auf einem flach abschließenden Hügel über dem heutigen Dorf Várfalva/Burgdorf und gehörte nach Ausmaßen, Form und Konstruktion zu den typischen Gespansburgen vom Beginn des 11. Jahrhunderts. {160.} Grabungen im Inneren fanden nicht statt, nur die Wälle wurden an mehreren Stellen durchschnitten. Der Friedhof des Burgvolkes im Burgort, der 1912 freigelegt und veröffentlicht wurde, stammt von der Wende vom 10. und 11. Jahrhundert. Sein frühester Teil weist noch die Merkmale der Gemeinvolkfriedhöfe auf, in den weiteren Teilen bestattet das christlich gewordene arpadenzeitliche Burgvolk von Stephan I. an bis zu Ladislaus 1. Dieser Friedhof wurde unter Ladislaus I. aufgegeben, die Bevölkerung mußte seit dieser Zeit um die unterhalb der Burg gebaute neue (die heutige unitarische) Kirche herum bestatten – als Dorfbewohner nach Verlassen der Burg im 13. Jahrhundert. In der im 12. Jahrhundert als Stadt der Salzbergleute unweit von Tordaakna entstandenen Stadt Alt-Thorenburg lagen die frühesten Friedhöfe bereits von Anfang an um die Kirchen. Der Friedhof aus dem 11.–12. Jahrhundert auf dem Tündérhegy von Thorenburg gehörte zum benachbarten Dorf Szentmiklós (Zentmyklosfalva). 1176 sind bereits die Nachbardörfer Thorenburgs bekannt: Szind (Scinth) und Koppány (Coppan).

Kürzlich wurde 300 m von der auf einem Felsen erbauten spätmittelalterlichen Burg Eisenmarkt am Zusammenfluß von Cerna und Zalasd auf dem St.Petersberg genannten Promontor die teils zerstörte 200 × 70 m ovale ursprüngliche Hunyadvár vermessen, zu der auch eine Siedlung am Fuße der Burg gehörte. Einer der Friedhöfe des Burgvolkes rechtsseitig der Straße nach Rákosd wurde nach 1910 teilweise freigelegt und veröffentlicht. Die Bestattungen erstreckten sich hier von Stephan I. bis zum Ende des 11. Jahrhunderts, spätere Friedhöfe sind bisher nicht bekannt. Eine Münze von Stephan 1. datiert auch die Anfänge des Friedhofs im nahem Zeikdorf.

Abb. 10. Gespansburgen in Siebenbürgen zur Zeit der Staatsgründung

{161.} Abb. 10. Gespansburgen in Siebenbürgen zur Zeit der Staatsgründung
1 = Alt-Klausenburg und die Rundkirche vom Ende des 12. Jahrhunderts, 2 = Alt-Thorenburg, 3 =Alt-Hunyadvár, 4 = Biharvár, 5 = Dobokavár, 6 = Kokelburg. Eine Grenzburg vom Ende des 11. Jahrhunderts: 7 = Burg Schart

Das bis 1241 existierende erste Coluswar – castrum Clus erhob sich 2100 m westlich der einstigen antiken Stadt. Es wurde in idealer geographischer Umgebung als Gespansburg erbaut, an einer Furt des Kleinen Samosch, einer Straßengabelung, auf einem von Samosch-Armen umgebenen Hügel. Die früheste Holzerdeburg wurde nach Zeugnis der Funde aus dem Erdwall und den Grubenhäusern innerhalb der Burg (Münze Stephans I., spätlandnahmezeitlicher Anhängerschmuck usw.) zu Beginn des 11. Jahrhunderts errichtet. Als während des Petschenegen- (Uzen-)einfalls 1068 die Holzmauer und die Häuser abbrannten (in den Haustrümmern: Salomon-Münzen), wurde der Erdwall erhöht wiedererrichtet. Ausmaße und Konstruktion der Holzerdebefestigung sind identisch mit denen der Gespansburgen, es kann keine Rede davon sein, daß sie einen Herrenhof oder gar ein legendäres frühes Kloster schützen sollte. Der frühere Friedhof des Burgvolkes (unveröffentlicht) lag außerhalb der Burg, aufgrund des im Burginneren eingerichteten Friedhofs kann aber bereits nach der Mitte des 11. Jahrhunderts mit dem Bau einer kleineren Burgkirche gerechnet werden. In der Burg entstand bis zum Ende des Jahrhunderts das von Ladislaus I. gegründete, nach der Heiligen Jungfrau benannte erste siebenbürgische Benediktinerkloster, worum das Burgvolk bis zum Ende des 12. Jahrhunderts bestattet wurde (vgl. Weißenburg). Diese {162.} dreischiffige Klosterkirche wurde um 1190 zerstört (abgerissen?). Neben dem Kloster errichtete man um 1200 – teils aus Klostersteinen – eine Rotunde, innen mit sechs Halbbogen, die aber im 13. Jahrhundert beim Baubeginn des neuen Klosters teils abgerissen, teils als Kapelle in das neue Klostergebäude eingefügt wurde. Das erste Klausenburg wurde beim Mongolensturm mit seinen Verteidigern vernichtet, von der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts an wird es nur noch als Colusmonustora erwähnt (1269–1299), zu der Zeit, als das Klostergebäude mit einer viereckigen Steinmauer umgeben wird.

In den Ruinen des antiken Napoca finden sich im 10.–11. Jahrhundert keine Zeichen von Leben, zahlreiche Grabungen bezeugen, daß sich im Stadtgebiet über den Trümmerschichten bis zu dieser Zeit schon wieder eine neue Oberfläche gebildet hatte. Der erste Nachweis von Leben im Mittelalter ist der in die römischen Trümmer um eine Dorfkirche gegrabene Friedhof des 12. Jahrhunderts auf dem Freiheils-Platz. Der früheste Stadtkern (im Nordwestviertel des einstigen Lastrum, aber von der antiken Mauerrichtung etwas abweichend) ist die Alte Burg aus dem 12.–13. Jahrhundert. Das Klausenburg des 14. Jahrhunderts erstreckte sich jedoch von Anfang an über ein viel größeres Gebiet als das ehemalige Römerkastell, das folglich bei der Stadtentwicklung keine Rolle mehr spielen konnte. Die bisher frühesten Funde (Gefäße usw.) vom Gebiet der Alten Burg und der Innenstadt stammen aus dem 12.–13. Jahrhundert.

Mit dem großen halbkreisförmigen äußeren Burggürtel kann man seit dem letzten Drittel des 11. Jahrhunderts rechnen. Die Meszeschpforte kontrollierte die königliche Burg Krasznavár (1093: Crasson civitas). Im Norden, am Zusammenfluß der beiden Samosch, befindet sich Kozárvár mit ihrer roten Schanze und den Grabfunden aus dem 11./12. Jahrhundert. Im Nordosten folgt am linken Sajóufer die Holzerdeburg von Sárvár/Schart und ihr an Schmuckbeigaben reicher Friedhof aus dem 11./12. Jahrhundert. Das Miereschtal schloß auf der rechten Seite die heute namentlich nicht mehr bekannte kleinere Holzerdeburg von Mühlendorf ab, wo ein westliches Schwert aus dem 11. Jahrhundert und auch ungarischer Anhängerschmuck gefunden wurden, zusammen mit Gefäßscherben, mehrheitlich aus dem späten 11.–13. Jahrhundert. Im Südosten wurde zum Schutz der wichtigen Alt-Furt schon am Ende des 11. Jahrhunderts, spätestens aber an der Jahrhundertwende die beachtlich große Holzerde-„Torburg“ von Galt/(Hévíz-)Ugra gebaut, zu der eine bedeutende Dorfsiedlung gehörte. Diese Ugravár – ihr Namensgeber und Erbauer mag mit dem 1094 zum Gefolge Kolomans gehörenden Biharer Herren, dem Gründer des Biharer Klosters Ugramonostor identisch sein – wird durch reiches Fundmaterial (Tonkessel, Töpfe, Haarringe, Münzen) gut datiert. Um 1200 wurde an ihrer Stelle eine kleinere steinerne Burg errichtet. Zumindest seit dem 12. Jahrhundert existierte das sein einstiges Aussehen im Namen tragende östlichste Schutzwerk am Alt-Brückenkopf: Földvár (Marienburg). Die am linken Ufer des Alt unter der heutigen Burg Fogarasch entdeckte Holzerdeburg ist nicht früher als im 12. Jahrhundert entstanden, während sich im Süden am Übergang von Cibin und Černavoda/Schwarzwasser die Holzerdeburg bei Orlát auf einer flachen Bergnase durch Töpfe und Tonkesselbruchstücke des 11.–12. Jahrhunderts vorzüglich datieren läßt. Ihr ursprünglicher Name mag Cibinvár gewesen sein. Orlát = Váralatt (unter der Burg) ist der Name des Dorfes einer benachbarten neuen steinernen Burg, der Salgóvár. Schließlich gehörte zu {163.} den frühen Grenzburgen (aufgrund von Tonkesselscherben) die nahe Alt-Moldova an der unteren Donau gelegene, vermutlich den Namen ihres Erbauers bewahrende Holzerdeburg Szentlászlóvára (Burg des hl. Ladislaus), die nach dem Mongolensturm aus Stein wiedererrichtet wurde.

Die Herzogs- und Gespansburgen der östlichen Tiefebene sind insofern mit der frühen Geschichte Siebenbürgens verbunden, als sie entlang der von dort kommenden Wasserwege entstanden.

Nach Zeugnis seines militärischen Friedhofs aus dem 10. Jahrhundert ist ein frühes Werk der ungarischen Epoche das gewaltige Biharvár (1075: civitas Bichor und Bichari terra) am Kösmõ-Bach. Außer einer halb aus der Burg hinausreichenden kleinen und niedrigen bronzezeitlichen Schanzenburg, der „Magdburg“ (Ausdruck für den Aufenthaltsort überirdischer weiblicher Wesen in christlicher Zeit), hatte die mittelalterliche Erdburg keinen Vorgänger, aus dem Erdreich des Walls kamen nur urzeitliche Scherben zutage. Auszuschließen ist von vornherein, daß diese zu den größten gehörende und in der Konstruktion typisch ungarische Burg von den weit verstreut lebenden wenigen Slawen der östlichen Tiefebene erbaut worden wäre. Die Holzerdeburg wurde wegen zwei Zerstörungen (1068, 1091) zweimal erneuert und ihre Erdwälle wurden erhöht, bis sie dann irgendwann im 12. Jahrhundert in Stein ausgeführt wurden. Trotz ihrer breiten Steinmauern verlor sie ihre militärische Bedeutung noch vor dem Mongolensturm. Das Gemeinvolk der Burg wohnte im 10.–11. Jahrhundert in Grubenhütten mit Backöfen aus Erde teils in der Erdburg und bestattete von Andreas I. bis zur Zeit Andreas’ II. im großen Friedhof um die Kirche südlich der Burg. Die im Burginneren befindliche Parochial- und später Bischofskirche ist nur aus ihrer Ausgrabungsbeschreibung bekannt; ihre sehr frühe Erbauung wird durch eine Münze Stephans I. datiert, später wurde in ihrer Umgebung auch bestattet. Die Bedeutung Biharvárs spiegeln momentan seine dichtbesiedelten Dörfer samt ihren Friedhöfen aus dem 10.–11 . Jahrhundert besser wider als das wenig erforschte bzw. an unveröffentlichten Forschungsergebnissen reiche Zentrum.

12 km südlich von Bihar sind am Südufer der Schnellen Kreisch im 10.–11. Jahrhundert nur Dörfer und Friedhöfe des ungarischen Gemeinvolkes bekannt, die zwar auf dem Stadtgebiet des heutigen Großwardein liegen, dennoch nicht seine direkten Vorgänger sind. Die runde Holzerdeburg Wardein ließ erst 1091–93 (1093: Varadynum de Byhor) Ladislaus I. errichten, um das von ihm gegründete Kloster herum, das wenig später zum Bischofsdom der Heiligen Jungfrau umgestaltet wurde. Diese dreischiffige Bischofskirche mit halbrunder Apsis war nach Struktur und Ausmaß mit dem gleichzeitigen 2. Dom von Weißenburg verwandt. Die auf einer Insel zwischen Haupt- und Nebenarmen der Schnellen Kreisch erbaute Burg hatte keinen Vorgänger, ihre reichen archäologischen Funde setzen mit der Wende vom 11. zum 12. Jahrhundert ein.

Genaueres über das das Samosch-Gebiet beherrschende, linksseitig des Flusses erbaute Sathmarvár ist bisher nicht bekannt. Unbedingt ein Zentrum im 10. Jahrhundert war demgegenüber Marosvár (Tschanad), zu Beginn des 11. Jahrhunderts der „Hofsitz“ des rebellischen Ajtonys. Seine Bedeutung spiegeln in erster Linie die aus seiner Umgebung bekannten reichen Gräber und Friedhöfe aus dem 10. Jahrhundert wider. Die Gestalt der im 11. Jahrhundert in Csanádvár umgetauften frühesten Holzerdeburg ist auf Luigi {164.} Marsiglis um 1696 verfertigtem Grundplan noch in etwa zu erkennen – 1699 wurde sie nämlich gesprengt und zerstört. Auf der Seite des die Burg bei ihrer Gründung auch südlich umgebenden Mieresch-Armes standen am Ende des 17. Jahrhunderts noch die Türme der St.-Georg-Kathedrale. Am Nordrand der Burg stand das gleichfalls von Bischof Gerhardt gegründete und im 13. Jahrhundert umgebaute Benediktinerkloster der Heiligen Jungfrau, das nach einem erneuten, gotischen Neu- oder Umbau nach 1361 auch St.-Gerhardt-Abtei nach seinem heiligen Grab genannt wurde. Nach den genauen topographischen Angaben der größeren Gerhardtslegende stand letzterer benachbart einst das Kloster Johannes des Täufers, das jedoch 1241 spurlos verschwand, so daß heute nicht einmal sein Platz bekannt ist. Die kleine Dreiapsiden- (und nicht „Siebenapsiden-“ – Stützpfeiler sind keine Apsiden) Kirche, die am Ende der Türkenzeit in der Nähe der Kathedralenruine stand und von ungarischen wie rumänischen Archäologen irrtümlich als die byzantinische Kirche Ajtonys oder gar Hierotheos’ identifiziert wurde, war ein charakteristisch orthodoxes Kirchlein aus dem 16./17. Jahrhundert. Der heutige Dom von Németcsanád (Tschanad) wurde an der Stelle der 1741 restaurierten und 1868 völlig abgerissenen Kirche des Klosters der Heiligen Jungfrau errichtet, beim Abriß fand man in der Mittelachse der Kirche den originalen Steinsarkophag Gerhardts aus dem 11. Jahrhundert. Erneute kleinere Sondierungen belegen an dieser Stelle eine unmittelbar auf ein Gepiden-Dorf aus dem 6. Jahrhundert folgende Siedlung des 10./11. Jahrhunderts.

Besser erforscht ist das erste Aradvár (Urod, Orod) auf einer von einem alten Mieresch-Arm nördlich des Mieresch umflossenen Insel, von dem die Geschichtswissenschaft bereits übereinstimmend anerkennt, daß es 10-12 km östlich des heutigen Arad bei Glogovatz lag. Die Funde belegen eindeutig, daß es eine charakteristische Holzerde-Gespansburg vom Beginn des 11. Jahrhunderts war, die einmal umgebaut und erhöht wurde. Um die noch nicht freigelegte Burgkirche bestattete das in der Burg in Häusern wohnende Burgvolk, das auch eine Urkunde von 1177 erwähnt, seit König Peter (1038–1046) bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts, wonach der Friedhof um die gewaltige St.-Martin-Propstei diese Funktion übernimmt. Alt-Aradvár wurde beim Mongolensturm völlig zerstört.

Von Temesvár kennen wir nur die Stelle, es kann aber gemäß den ungarischen militärischen Friedhöfen der Umgebung und seinem Namen nach vielleicht noch im 10. Jahrhundert entstanden sein. Gräber seines Burgvolkes sind erst aus dem 11. Jahrhundert bekannt. Ebenso aus dem 10. Jahrhundert stammt die zur Arpadenzeit nur als Földvár (Erdburg) bekannte, kaum erforschte Burg in der Flur des heutigen Zimándújfalu. Ihr überreicher ungarischer Friedhof wurde vom 10. Jahrhundert bis zu Ladislaus I. benutzt, dann wurde er wohl mit der Burg zusammen aufgegeben – weshalb sie auch keinen neuen Namen bekam. Aufgrund des Namens kann man in Zarándvár eine fürstliche Gründung aus dem 10. Jahrhundert vermuten, später ist es eine Gespansburg, bekannt nur aus geringen Überresten, wogegen wir im Falle des in der jüngeren Vergangenheit verschwundenen Örs(ova)vár (Alt-Orschowa) nicht einmal über solche verfügen.

{165.} Die frühe Rolle der römisch-katholischen Kirche

Obwohl bereits die Gesetze des hl. Stephan den Bau einer gewissen Zahl von ständigen Kirchen vorschrieben (Decem villę ęcclesiam edificent, II.1), kennen wir im untersuchten Gebiet Kirchenreste aus dem 11. Jahrhundert nur an den Sitzen der Burggespanschaften. Das ist aber keine endgültige Situation, denn das Gesetz I.7 (von 1092) Ladislaus’ I. schrieb den Bischöfen die Wiederherstellung der im Laufe des inneren Krieges (= Heidenaufstände) zerstörten oder angezündeten und Gesetz I/8 die der altersbedingt verfallenden Kirchen vor, solche gab es also schon früher und verschiedenster Art. Doch ist eine grundsätzliche Änderung erst unter Koloman (1095–1116) festzustellen. – Bisherige Vorschläge wurden nun zu Befehlen, besonders die Bestattung um die Kirche herum. Seit der Wende vom 11. zum 12. Jahrhundert entstehen um die Burgen reihenweise neue Pfarr- oder Propsteikirchen (Biharvár, Wardein, Alt-Aradvár, Dobokavár, Weißenburg), aus der Sicht der katholischen Religion waren aber die pilzartig wuchernden Dorfkirchen mit halbrunder oder eckiger Apsis viel wichtiger. Deren Erforschung und besonders die der sie umgebenden Kirchhöfe ist in Siebenbürgen erheblich vernachlässigt worden. Aus den zugänglichen Angaben, in erster Linie den durch Münzen des 12. Jahrhunderts datierten Gräbern, ergibt sich dennoch ein einheitliches Bild. Frühe Dorfkirchen bzw. Kirchenreste finden sich in fast ganz Siebenbürgen: in Mojgrád, in der Flur von Almaszeg die Kirche aus dem 12. Jahrhundert eines namentlich nicht bekannten Dorfes, Kide, Csitfalva, Szentábrahám, Sztrigyszentgyörgy usw., im Komitat Krassó: Ilyéd. Die nach ihrem Schutzheiligen (St. Jakob, St. Nikolaus, St. Andreas, St. Abraham, St. Georg, Heiliger König = St. Stephan) benannten Kirchen stammen meist aus dem 12. Jahrhundert, was die Dorfgrabungen auch dort bestätigten (z. B. in Mezõszopor-Szent Jakab), wo man noch nicht auf die Kirche stieß. Anderenorts sind bisher nur die Friedhöfe um die Kirchen oder Grabfunde bekannt: Szigeth = Máramarossziget, Neustadt = Asszonypataka, Váralmás, Jakabfalva, Györgyfalva, Neumarkt, Marosszentkirály, Konop, Schart, Oderhellen, Fogarasch, Piski, Schäßburg-Weingärten (letzteres vielleicht das verschwundene Dorf Sarold, datiert mit Münzen von Stephan II. und III.).

Siedlungsgebiete, Dörfer, Häuser und Baudenkmäler der frühen Arpadenzeit

Die arpadenzeitliche Siedlungs- und Hausforschung befindet sich auch in Siebenbürgen noch in der Anfangsphase. In Südostsiebenbürgen ist an vielen Orten eine arpadenzeitliche Fortsetzung der früheren slawischen Dörfer (St. Georgen-Kulakert, die späteren Häuser von Siménfalva-Cserealja, der größere Teil der Häuser von Székelyszenterzsébet-Szénásföld, Kézdipolyán – oberste Schicht, mittlere Hausschicht von Alsócsernáton-Domonkos-Kurie, Réty-Suvadástetõ, Schäßburg-Weingärten) nachgewiesen. Am Samosch handelt es sich um eine solche vermutlich bei der Siedlung in Lemhény. Zwischen den späten slawischen und den frühen ungarischen halb in die Erde eingesenkten Grubenhütten bestand anfänglich kein großer Unterschied, höchstens soviel, daß die arpadenzeitlichen Ungarn – infolge ihrer östlichen {166.} Traditionen – die in die Erde eingegrabenen Backöfen (z. B. Kreutz-Gyárfás-Garten, Alsócsernáton-Domonkos-Kurie) mehr schätzten als die Steinherde (z. B. Wermesch, Mühlendorf, Erkeden, Betelsdorf) und statt der Backteller lieber eine Backglocke benutzten. Mit früher ungarischer Ansiedlung kann dort gerechnet werden, wo ungarische Metallgegenstände, in erster Linie Pfeilspitzen, Trensen, Säbelbruchstücke, Zaumzeugschmuck, Sporen des 11.–12. Jahrhunderts und ungarische Münzen gefunden wurden (z. B. Csákó, Marosgombás, Lechnitz, Pretai 2. Dorf) oder die für die Ungarn charakteristischen Ton- und Metallkessel. Die Häuser selbst entsprachen den üblichen Typen der Zeit, es waren Grubenhütten mit Satteldach wie beim Gemeinvolk der Arpadenmonarchie überall (Kreutz-Gyárfás-Garten, Nagymedesér, Wermesch, Betelsdorf, Csapószentgyörgy, Erkeden, Mühlendorf, Alt-Klausenburg, Biharvár, Alt-Aradvár). Von der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts an hatten die Grubenhäuser hier und da auch schon auf Balken ruhende Wände (Kreutz, Mühlendorf), was auch das Erscheinen der 4-6 dachtragenden Pfosten belegt (Nieder Kreuz, Mühlendorf, Csíkszentkirály). Wichtige Haushaltsgegenstände des ungarischen Gemeinvolkes waren die von den Ungarn aus der osteuropäischen „Saltowo-Kultur“ mitgebrachten kleineren und größeren Familien-Kochkessel, die man in den Dörfern auf dem offenen Herd verwendete, während sie in den Sommerlagern die Kochkessel der Hirten waren. Die Tonkessel waren im 10.–13. Jahrhundert in allen von Ungarn bewohnten Gebieten des Karpatenbeckens verbreitet – und zwar nur dort, in den von Slawen bewohnten Gegenden kommen sie nicht vor.

Karte 9. Ungarische Siedlungen der Landnahme- und Arpadenzeit mit Töpfen mit geripptem Hals und Tonkesseln östlicher Herkunft im östlichen Drittel des Karpatenbeckens

{167.} Karte 9. Ungarische Siedlungen der Landnahme- und Arpadenzeit mit Töpfen mit geripptem Hals und Tonkesseln östlicher Herkunft im östlichen Drittel des Karpatenbeckens
1 = Töpfe mit geripptem Hals, 2 = Tonkessel

Die auch in Siebenbürgen zahlreich gefundenen Tonkesselreste hält die jüngere rumänische und sächsische Forschung unter Berufung auf die Tonkessel der Moldauer Petschenegen und der Donaubulgaren aus der Dobrudscha und von der unteren Donau (letztere gleichfalls für „Petschenegen“ haltend) für petschenegischer Herkunft und will mit ihnen in Siebenbürgen einfach die massenhafte Anwesenheit des petschenegischen und seit neuestem auch des „römischen“ Elements belegen. Eine massenhafte petschenegische Ansiedlung hat es aber im Karpatenbecken niemals gegeben, geschweige denn in Siebenbürgen, wo von den 103 Petschenegen(= Besenyõ)dörfern aus der Arpadenmonarchie nur 6–8 ost- und südsiebenbürgische aus dem 11./12. Jahrhundert bekannt sind, wobei der Name dieser Dörfer an sich schon gegen eine petschenegische Umgebung spricht. Andererseits unterscheiden sich Form und Verzierung der Tonkessel im Karpatenbecken wesentlich von ihren angeblichen Vorbildern, den (tatsächlich meist späteren!) Tonkesseln der Moldau – ihren lokalen Ursprung und insbesondere römische Bronzegefäße als Vorbilder anzunehmen, ist unhaltbar. In zahlreichen Siedlungen Siebenbürgens und Ungarns fanden sich die Tonkessel in durch ungarische Metallfundstücke aus dem 10.–11. Jahrhundert datierten Schichten und Häusern oder gemeinsam mit von Ungarn auf der Handscheibe gedrehten „Saltowo“-Töpfen (Biharvár, Alt-Klausenburg, Alt-Thorenburg, Alt-Aradvár, Weißenburg, Dobokavár, Lechnitz, Csapószentgyörgy, Mühlendorf). Vom 11. Jahrhundert an werden sie durch ungarische Münzen datiert, durch die Grabobolus enthaltenden frühen Friedhöfe auch die ihnen gehörenden Siedlungen. Die frühe Wellenlinienverzierung datiert mehrere Kessel in das 10.–11. Jahrhundert (Alt-Klausenburg, Belényesszentmiklós, Schäßburg-Weingärten, Bultsch-Kápolnás usw.). Die sehr zahlreichen Kesselfunde in der Ebene im Komitat Arad zeigen die Stellen {168.} der beim Mongolensturm zerstörten ungarischen Dörfer. Insgesamt gesehen sind die bisher ca. 180 Tonkesselfunde aus Siebenbürgen und der östlichen Tiefebene wichtige Beweise für die ungarische Besiedlung in der Arpadenzeit und passen sich nahtlos den gegenwärtig 500–600 Tonkesselfunden in den von Ungarn bewohnten Gebieten an.

Zur Siedlungsgeschichte des 11. Jahrhunderts gehören jene verborgenen Schätze, die zugleich auch die Ereignisgeschichte der Epoche und die wirtschaftlichen Verhältnisse beleuchten. Bei einem Petschenegenangriff vor 1030 oder unter Peters Herrschaft (1038–1044) wurden die silbernen Perlen einer Halskette vom Darufalva (Draßburg)-Jurkovci-Typ in Dobokavár verstreut. Diese Schmuckstücke osteuropäischer Herkunft finden sich in durch Münzen gut datierbaren Schätzen aus den 1030er Jahren. Eher schon beim uzisch-petschenegischen Angriff von 1068 kann ein prachtvoller, gleichfalls aus osteuropäischem Silberschmuck bestehender Schatz auf dem späteren „Königsboden“ in die Erde gelangt sein. Der Silberschmuck beleuchtet die Beziehungen Siebenbürgens zur ostslawischen Welt. In Alsócsernáton in den Drei Stühlen verbarg der slawische Besitzer in einem beim feindlichen Angriff abgebrannten Haus seit dem 10. Jahrhundert gesammelte byzantinische Münzen. Vier gehortete Geldschätze aus Münzen Ladislaus’ I. belegen ausgezeichnet die Route des von Kapoltsch 1091 geführten ersten Kumanen-Angriffs durch Siebenbürgen bis nach Biharvár (Thorenburg, Magyarfráta, Dobokaváralja, Biharszentandrás), zugleich zeigen sie, daß sich fallweise auch im Besitz Einzelner bedeutende Geldvermögen (120–170 Silbermünzen) befanden.

Im übrigen stimmt der „Umlauf“ der ungarischen Münzen – wenn man von einem solchen überwiegend aufgrund von Grabmünzen überhaupt sprechen kann – in der östlichen Tiefebene und im Banat seit Stephan I. mit dem allgemein ungarischen überein. Im Inneren Siebenbürgens waren in den erforschten Machtzentren (Alt-Hunyad, Alt-Thorenburg, Alt-Klausenburg und Doboka) und ihrer Umgebung die Münzen Stephans I. und Peters überall in Gebrauch. Allein von Weißenburg wurde bisher keine Münze vor Andreas I. mitgeteilt, wogegen Peters Münzen im nahen Langendorf belegt sind; also ist ihr Fehlen nur zufällig. Zufall ist auch, daß in Siebenbürgen bisher keine Münzen von Geysa I. gefunden wurden. Von Kolomans Zeit an ist der „Geldumlauf“ im gesamten von Ungarn besiedelten Gebiet allgemein, wie dies der am Ostrand des Siedlungsgebietes aus Kolomans Zeit, 1862 in Homoródszentpál gefundene Münzschatz belegt, dessen Besitzer ihn unter Ladislaus I., Koloman und hauptsächlich Bela II. sammelte und durch irgendein Ereignis gezwungen war, ihn zu verbergen. – Aus der Verbreitung der Münzfunde läßt sich also nicht „auf die Etappen der ungarischen Kolonisation“ folgern. Davon kann höchstens in den späteren Drei Stühlen die Rede sein, wo beginnend mit der Zeit Geysas II. die ungarischen Münzen erstmals und gleichzeitig erscheinen.

Das Ergebnis jüngster Forschungen ist die Entdeckung einer herzoglichen Pfalz (curtis) aus dem 11. Jahrhundert mit dazugehöriger Kapelle nahe Belényesszentmiklós. Der beachtlich große Palast ist der königlich-herzoglichen Pfalz von Dömös an der Donau nahe verwandt – eine wahrscheinlich zur Zeit des Dukats Belas I. und Geysas I. erbaute Residenz. Der 1091 während des Kumaneneinfalls beschädigte Palast mag unter Herzog Almos’ Dukat wiedererrichtet worden sein, wobei auch seine Kirche erweitert wurde. Seine {169.} spätere Geschichte und Erweiterung verknüpft sich im 13. Jahrhundert mit dem Herrengeschlecht der Borsa.

Abb. 11. Herzogspalast aus dem 11.–12. Jahrhundert in Belényesszentmiklós

Abb. 11. Herzogspalast aus dem 11.–12. Jahrhundert in Belényesszentmiklós
1 = Palast Belas und Herzog Geysas, 2 = von Herzog Álmos neu errichteter Palast
und spätere Anbauten

Ebenso belegten neue fachgerechte Ausgrabungen, daß die aufgrund ihrer Grundrisse – hauptsächlich von ungarischen Kunst- und Architekturhistorikern – ins 10.–11. Jahrhundert datierten Zentralkirchen (Oderhellen-Jesuskapelle, Kézdiszentlélek-Perkõ) in Wahrheit spätarpadenzeitliche Bauten in archaisierendem Stil sind. Zu ihnen gehörten, in völligem Einklang der urkundlichen mit den archäologischen Angaben, die um 1300 erbaute orthodoxe Vierapsidenkirche von Gursaden (= Zad, entstand nach urkundlichen Angaben nach 1292), die an der Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert erbaute Rundkirche von Alt-Klausenburg (in ihr Fundament waren ein Kapitell und die Reliefbasis einer Zwillingssäule aus dem 12. Jahrhundert eingebaut) sowie die von rumänischer Seite neuerlich als aus dem 9.–10. Jahrhundert stammend betrachtete Rundkirche von Ilyéd, die ihr Kirchhof aber ins 12.–13. Jahrhundert datiert.

Die wirklich frühe Architektur ließ die der Romantik verhaftete Forschung außer acht. Nach Maßen, Bau- und Formeigenheiten gehört die teils aus römischen Ziegeln errichtete kleine Rotunde mit halbkreisförmiger Apsis von Gergesdorf (das Pendant zu Wesprim, Sárospatak, Ducó/Ducové und Karlsburg/Weißenburg!) ganz gewiß in die hier behandelte Periode (11.–12. Jh.). Die unbegründet spät datierte, seltsamerweise unbekannte Rundkirche ist wohl der historisch und im heutigen Siebenbürgen älteste erhaltene Kirchenbau.

{170.} Die Umsiedlung der Grenzwächter nach Osten

Die Verbreitung der Siedlungen der nun bereits auch räumlich in die Tiefe gegliederten berittenen Bogenschützen (sagittarii) als Grenzwächter an der Wende vom 11. zum 12. Jahrhundert wird im allgemeinen von der äußeren Linie der Grenzburgen angedeutet, wobei an einigen Orten aber mit vorgeschobenen petschenegischen Grenzern zu rechnen ist. Auf der siebenbergischen Seite des Rotenturmpasses liegt das Dorf Talmács/Talmesch (Tălmaciu bzw. Kis-Talmács = Klein Talmesch, Tălmacel), dessen Name die Mitglieder des Petschenegenstammes Talmat/Talmać östlich des Dnjeprs bezeichnet, die sich seit der zweiten Hälfte (?) des 10. Jahrhunderts auch als Leibgardisten des byzantinischen Kaisers verdingten (talmatzoi),* DAI 37. FBHH p. 41 Der unsichere Anfang dieser Verpflichtung ist kein Beweis für ihr gleichzeitiges Auftauchen im einstigen Ungarn. Die Entstehung der Ortsnamen Talmács in Ungarn ist zusammen mit den Ortsnamen Kölpény aus einem petschenegischen Stammesnamen (Kölpenen) durch das gut datierbare Auftreten letzterer in Byzanz (kulpingoi) in die zweite Hälfte des 11. Jahrhunderts zu bestimmen. Diese und der größere Teil der Dorfnamen „Besenyõ“ sind über die inneren Gebiete Ungarns verstreut, was ihre – auch historisch zu belegende-Einwanderung in mehreren Wellen während des 11. Jahrhunderts widerspiegelt. Ihre Einwanderung und Verteilung über das Land war kein Hindernis für ihre in der frühen ungarischen Geschichte mehrfach nachweisbare Rolle als Grenzwache und Vorhut, und dies läßt sich gerade – ausnahmsweise – in Siebenbürgen auch durch die vorgeschobene Lage ihrer Siedlungen belegen. Das Dorf Talmács am Rotenturmpaß, Mezõ-Kölpény (Culpin) im Stuhl Marosch und sechs Dörfer „Besenyõ“ zwischen Großem Samosch und Alt fügen sich vorzüglich in das Grenzschutzsystem des 11. Jahrhunderts ein, und daß ihre Bewohner auch im 12. Jahrhundert noch heidnische Petschenegen waren, dafür ist ein durchschlagender Beweis der frühe deutsche Name des Dorfes Besenyõ bei Bistritz: Heidendorf.

Von herausragender siedlungsgeschichtlicher Bedeutung sind die kürzlich unter den und um die sächsischen Kirchen Südsiebenbürgens aus dem 12./13. Jahrhundert gefundenen romanischen Stein- und Holzkirchen des 11./12. Jahrhunderts, die Friedhöfe um diese Kirchen, die frühromanischen Kirchen der ungarischen Grenzerdörfer und ihre bis zur Zeit Geysas II. Stephans III. (1162–1172) benutzten Kirchhöfe Szászsebes/Mühlbach, Szászkézd/Keisd, Mediasch, Fehéregyháza/Deutschweißkirch, Kelling, Rohrbach, Szászorbó/Urwegen, Draas. Sie beweisen ferner, daß die katholische Kirchenorganisation bis zu jener Epoche in den Tälern der Sebesch, Großen Kokel und des Homorod(en) bereits verbreitet war und im Süden bis an den Alt (Fogarasch) reichte. Zugleich mit der nach der Mitte des 12. Jahrhunderts beginnenden Ansiedlung der Sachsen wird die Bevölkerung der ungarischen Grenzerdörfer – die Grenzwächtersiedler des 11. Jahrhunderts – ins heutige Szeklerland, vorwiegend in das Drei-Stühle-Becken umgesiedelt. Es kommt vor, daß das frühere Dorfleben für immer abreißt. Am Südufer der Großen Kokel, nicht weit von Mediasch, in der Flur des alten Dorfes Paratéj/Pretai, ist ein durch Münzen auf das 12. Jahrhundert datiertes Dorf mit vielen Tonkesseln des 12. Jahrhunderts verlassen worden, offensichtlich wurden seine Bewohner umgesiedelt.

{171.} Beweiskraft für das Auftreten der ungarischen Grenzwächter im 12. Jahrhundert besitzen die beiden großen Friedhöfe im Gebiet des späteren Stuhls Orbai in den Fluren von Gebißdorf (Zabola) und Petersdorf. Beide entstanden vermutlich in der Nähe einer Holzkirche – von deren Existenz gerade 1147 Otto von Freising berichtet – zur Zeit Geysas II., und gemäß der reichlich gefundenen Totenmünzen wurde in ihnen zur Regierungszeit Stephans III. und Belas III., in Petersdorf sogar bis zum Mongolensturm fortlaufend bestattet. Der Ritus der Friedhöfe und die Tracht der Bestatteten sind arpadenzeitlich ungarisch. Auf ihre außergewöhnliche Lage verweist auch ihr Reichtum. Das Haar der Frauen schmückten, für die damaligen Verhältnisse oft, kleine, mittlere und große Haarringe aus Elektron oder Silber, an den Händen trugen sie verzierte variantenreiche silberne Kopffingerringe. Auf den Beruf der Männer verweisen eisenbeschlagene Köcher, eiserne und beinerne Pfeilspitzen, auf ihren nicht allzu festen christlichen Glauben die den Toten ab und zu beigegebenen Hammel-, Rind- und besonders Pferdefleischgerichte. Auf Kontakte mit der örtlichen slawischen Bevölkerung deuten keine konkreten Spuren hin. Die Bewohner Gebißdorfs und Petersdorfs gehörten zu den wohlhabenden Freien Ungarns – all das entspricht genau der rechtlichen und wirtschaftlichen Stellung der neu umgesiedelten Grenzwächter. Die nach Osten ausgerichteten Gräber mit Beigaben im Kézder Stuhl vom Ende des 12. Jahrhunderts belegen gleichfalls das Auftauchen der neuen Siedler (Alsócsernáton).

Zugleich mit den Friedhöfen erscheinen auch die damaligen neuen Siedlungen. Im heute zu Torja gehörenden Karatna, im Garten der Apor-Kurie, gelangte ein Haus mit in die Erde eingetieftem Fundament und rundem Backofen zum Vorschein, mit einem runden, in die Erde gegrabenen Backofen im Freien in seiner Nähe. Die Siedlung wird durch Scherben eines Tonkessels, durch mit denen von Gebißdorf verwandten eigentümlichen Pfeilspitzen und Gefäßscherben mit Bodenmarken des 12. Jahrhunderts sicher datiert. Die Siedlungsfunde von Karatna, die Pfeilspitzen vom Zabola- Typ und die Sporen aus dem 12. Jahrhundert datieren und charakterisieren gut die oberste Siedlungsschicht mit rundem, in die Erde gegrabenem Backofen von Alsócsernáton-Domonkos-Garten, die aufgrund der datierenden Münzen auf einer 1068 zerstörten slawischen Siedlungsschicht mit Steinherd entstand (Tonkessel, Pfeilspitze, Sporen) und die Siedlungen St. Georgen-Bedeháza (Tonkessel, Sporen) und -Eprestetõ (Tonkessel, Pfeilspitze, Spateneisen), Angyalos (Pfeilspitze), Réty (Tonkessel, Sporen) im Gebiet der späteren Drei Stühle. Seit dem Ende des 12. Jahrhunderts finden sich auch im späteren Stuhl Csík frühe Grenzwächtersiedlungen: Niklasmarkt-Schloß Lázár (Tonkessel), besonders im Bereich von Csíkszentkirály, wo ein Haus mit eingesenktem Fundament, aber an den vier Ecken schon mit dachtragenden Pfosten durch Gefäße aus dem 12. Jahrhundert, Tonkessel und Münzen von Isaak Angelos II. (1188–1195) datiert wird. Auch aus Csíkrákos ist charakteristisch ungarische Keramik des 12. Jahrhunderts bekannt. Demnach belegten die jüngsten Grabungen und Funde die Umsiedlung der ungarischen Grenzwache im 12. Jahrhundert nach Osten, während sie die früheren Ansichten nicht bestätigen, welche die erwähnten Siedlungen – in erster Linie aufgrund zu früh datierter Pfeilspitzen – mit hier schon zuvor lebenden Ungarn des 10.–11. Jahrhunderts oder sogar Petschenegen zu verbinden versuchten.

{172.} Siedlungsgeschichtliche Lehren der ungarisch-slawischen Epoche bis zur großen Umgestaltung am Ende des 12. Jahrhunderts

Wie zufällig und unsystematisch die archäologischen Forschungen des vergangenen Jahrhunderts auch waren, ermöglichten sie doch einige unbestreitbare Feststellungen über siedlungsgeschichtliche Tatsachen.

Der vom Érgebiet bis zur unteren Donau verlaufende Ostrand der Großen Ungarischen Tiefebene mit den sich ihm anschließenden Tälern unterscheidet sich höchstens insofern von der ihm im Westen in ganzer Länge benachbarten Ebene, daß gerade in diesem Randgebiet die Zentren der ungarischen Ansiedlung und der frühen Staatsorganisation lagen, von Sathmarvár über Biharvár, Várad = Wardein, Zarándvár, Aradvár, Temeschwar bis Krassóvár und Orschowavár. Um diese Zentren herum kann mit einer noch dichteren und reicheren frühen ungarischen Besiedlung gerechnet werden als im Mittel- und Südabschnitt des Gebietes östlich der Theiß. Im Lichte der archäologischen Siedlungsgeschichte ist es also kein Zufall, daß die mit Gran und Stuhlweißenburg konkurrierenden politischen Zentren des frühen ungarischen Staates im 11. Jahrhundert um Maroschvar/Tschanad und Biharvár entstanden.

Anders sind die Verhältnisse im historischen Siebenbürgen zu werten. Zur Zeit der Landnahme läßt sich aus den Gräbern der militärischen Mittelschicht auf die strategische Besetzung des westlichen Teils der Siebenbürgischen Heide, der größeren Becken (z. B. Drei-Stühle-Becken) sowie beider Seiten des Miereschtals folgern. In der Mitte des 10. Jahrhunderts verschwindet mit dem Ende der Bedrohung durch Petschenegen und Bulgaren das früher tiefgestaffelte Verteidigungssystem, an dessen Stelle ringsherum Grenzödland und in der Westhälfte des Siebenbürgischen Hochlands dauerhafte Besetzung und Besiedlung treten. Ein ständiges ungarisches Siedlungsnetz entsteht zuerst um die Salzgruben an Mieresch und Aranyos, zweifellos mit Weißenburg als politisch-militärischem Zentrum. Aufgrund fehlender Forschungen wäre es vorerst schwer zu sagen, wo man außer Weißenburg und einigen kleineren Dörfern in den Tälern von Mieresch und den beiden Kokel mit größeren Ansiedlungen in der zweiten Hälfte oder im letzten Drittel des 10. Jahrhunderts rechnen kann. Im Gebiet des Kleinen Samosch können 2–3 Dorfnamen nach Stammesnamen auf die Grenzwächter von Großfürst Geysa hinweisen.

Der Weg und die Schlagader der Staatsorganisation nach 1003 war auch im 11. Jahrhundert der Mieresch und sein Tal. Eine den Feldzug gegen Ajtony auslösende Ursache war die Verzollung der Salztransportschiffe auf dem Mieresch durch den Maroschvarer Fürsten. Dies ist der Hauptweg der aus Siebenbürgen nach Arad und Szegedin und später nur nach Szegedin gehenden Salztransporte noch bis zum Ende des 16. Jahrhunderts. Wie aus den bisherigen Ergebnissen der archäologischen Siedlungsgeschichte geschlossen werden kann, entstand erst gegen Mitte des 11. Jahrhunderts die Salzstraße zu Lande, vom in „Inner“-Szolnok neu errichteten Salzdorf über die bereits seit der Staatsgründung bekannte und benutzte (Vártelek!) Meszeschpforte bis nach Szolnok an der Theiß, die kaum zufällig Königsstraße (via regis) genannt wurde. Gemäß dem negativen Zeugnis der eine ungarische {173.} Besiedlung ausschließenden archäologischen Spuren kann das schwer begehbare Tal des vereinten Samosch von Desch bis Neustadt bis zum Ende des 11. Jahrhunderts keine große Rolle bei der Einwanderung und Niederlassung der Ungarn und der Verbindung beider Landesteile gespielt haben.

Das Fehlen archäologischer Funde und jeglicher Spuren menschlichen Lebens schließt natürlich ebenso aus, daß Nord- und Nordostsiebenbürgen in der Arpadenzeit eine dichte und womöglich eine andere als die slawische und ungarische Bevölkerung gehabt haben könnte. Den nordöstlichen Teil des Szilágy-Gebietes und von Marmarosch beschreiben die Urkunden des 12.–13. Jahrhunderts als riesiges königliches Waldgebiet. Von den nach moldauischen Chroniken des 17.–18. Jahrhunderts (Miron Costin, Dimitrie Cantemir) angeblichen Marmaroscher rumänischen „Ureinwohnern“ (die sich von Trajan bis zu Dragoş im 14. Jahrhundert versteckt hielten!), gibt es keine Spur.

Die siedlungsgeschichtliche Bedeutung der ebenfalls seit der Landnahme bekannten Straße Schnelle Kreisch–Königssteig–Kleiner Samosch war jedoch der Hauptschlagader im Miereschtal untergeordnet. Das läßt sich bis zum Ende der Arpadenzeit durch die Verbreitung und schwerpunktmäßige Verteilung der mit Tonkesseln charakterisierten Dörfer belegen.

Die strategische Verteidigung Siebenbürgens versahen bis ins letzte Drittel des 11. Jahrhunderts im Norden Dobokavár, im Osten Kokelburg und im Süden Hunyadvár. Eine geschlossenere, dichtere ungarische Besiedlung läßt sich um sie sowie um Alt-Klausenburg und Alt-Thorenburg beobachten, während Weißenburg seine Rolle als Zentrum stets behielt. Ein wichtiges Ergebnis der Archäologie ist es, die der ungarischen Landnahme voraufgehenden größeren slawischen Siedlungsblöcke ebendort nachgewiesen zu haben, wo die Sprachwissenschaft aufgrund der slawischen geographischen Namen die Existenz der Siebenbürger Slawen bis ins 11.–12. Jahrhundert wahrscheinlich gemacht hat.

Den Schutz des zentralen Gebietes sicherten seit dem letzten Drittel oder Ende des 11. Jahrhunderts die aus Ungarn in die späteren sächsischen Gebiete umgesiedelten Grenzwächterdörfer, die sich im Süden bis an den Alt um und hinter kleineren oder größeren Holzerdeburgen gruppierten. Unter Ladislaus I. und Koloman ist im auf diese Weise in Besitz genommenen gesamten Gebiet der Ausbau der dörflichen Kirchenorganisation zu beobachten. Auf römisch-katholische Kirchen und Kirchhöfe stößt man von nun an auch in früher unbewohnten, einstigen Waldgebieten, besonders in den Kokeltälern. Die Gespansburgen bildeten überall die Zentren des Christentums, so wissen wir z. B. im Gelände von Dobokavár von zwei, später mehrfach umgebauten frühen Steinkirchen.

Die Grenzwächterorganisation vom Ende des 11. Jahrhunderts begann man zur Zeit der ersten deutschen Ansiedlung, im mittleren Drittel des 12. Jahrhunderts, in das spätere Szeklerland zu verlegen, wo das Auftauchen neuer Siedlungen und Friedhöfe der Grenzwächterbevölkerung heute schon archäologisch belegt ist. Die Grenzwächter waren Ungarn mit im damaligen Land schon etwas veralteten altungarischen Traditionen, auf ihre Bedeutung verweist ihr Reichtum, der seinen Spuren nach an die Adelstracht dieser Epoche heranreicht.

Die siedlungsgeschichtliche Skizze der Archäologie stimmt mit dem Bild überein, das die jüngste Forschung in bezug auf die ungarische Besiedlung Siebenbürgens aufgrund der siebenbürgischen Dialekte zeichnete.

{174.} Der ungarische Dialekt der Komitate Sathmar, Kraszna, Mittel-Szolnok, Ost-Bihar und West-Kolozs (Kalotaszeg) ist dem des Gebietes östlich der Theiß und an der oberen Theiß verwandt. Die ungarische Besiedlung dieses – großenteils außerhalb des historischen Siebenbürgen liegenden – Gebietes begann nach Zeugnis der archäologischen Siedlungsgeschichte an der Wende vom 10. zum 11. Jahrhundert, gleichfalls von Westen her.

Bei den Szeklern unterscheiden sich zumindest drei ausgeprägte Dialekte voneinander. Ihre altertümlichsten Sprachreste finden sich in Inner-Szolnok, Nord-Kolozs bzw. Ost-Fehér und West-Küküllõ, sie scheinen die Reste der frühen, der Grenzwachen des 11. Jahrhunderts zu sein, die in der westlichen Hälfte des späteren Stuhls Oderhellen sind eindeutig Biharer Herkunft. Die drei großen Dialekte des späteren Szeklerlandes zeigen auffällige Beziehungen zu den nordöstlichen (Preßburger Gegend → Stuhl Maros), südlichen (Süd-Baranya, Valkó → Bihar → Telegd, Oderhellen) und südwestlichen (Õrség → Drei Stühle, Csík) Grenzlanddialekten, entstanden also im Laufe des 11.–12. Jahrhunderts aufgrund der Umsiedlung verschiedener „Grenzwachen“ nach Osten. Welche wohl die größte namensgebende Gruppe gewesen sein mag, läßt sich heute nicht mehr feststellen. Die eingesessene lokale Bevölkerung des gesamten Szeklerlandes war slawisch.

Der ungarische Dialekt des Siebenbürgischen Hochlandes hat einen ausgeprägten siebenbürgischen Charakter, er unterscheidet sich von allen ungarischen Dialekten. Dafür gibt es wohl kaum eine andere Erklärung, als die ursprüngliche Landnahme am Ende des 9. Jahrhunderts, deren früher Kern in dem mit den Grabfunden der landnehmenden Ungarn und den frühesten Erdburgen identischen Gebiet von Dobokavár über Klausenburg, Thorenburg, Kokelburg und Diemrich bis Hunyadvár zu finden ist. Von hier breitete sie sich seit dem 11./12. Jahrhundert auf die östliche Hälfte der Siebenbürgischen Heide und im Westen zum Oberlauf von Weißer und Schwarzer Kreisch aus. Dies ist ungefähr das Gebiet des neuerlich innerhalb des Bartókschen 4. siebenbürgischen – an sich schon selbständigen und archaischen – Volksmusikdialektes ausgegrenzten archaischen ungarischen Musikdialektes der Siebenbürgischen Heide, von Straßburg und Marosludas. All das belegt, daß eine bedeutende Gruppe von Ungarn sich seit 895 ständig in der westlichen Hälfte des Siebenbürgischen Hochlandes aufhielt. Aufgrund ihrer spezifischen geograpischen Lage unterscheidet sie sich insofern von dem großen Block der Ungarn – auch von den später in ihre heutigen Gebiete gesiedelten Szeklern! –, daß sie archaischere Züge bewahrt hat als alle anderen ungarischen Regionen.