4. Siebenbürgen im Fünfzehnjährigen Krieg


Inhaltsverzeichnis

Der Wandel in der Türkenpolitik und seine Folgen

Die übertriebene Personalisierung der Macht war die entscheidende Schwäche des stark zentralisierten Regierungssystems Siebenbürgens. Bei jeder politischen Wende kulminierte daher in der Person des Herrschers die gesamte Entscheidungsgewalt.

Nach Stephan Báthorys Tod (1586) entbrannte ein dafür charakteristischer Machtkampf um seinen minderjährigen Nachfolger Sigismund Báthory. Der 1585 ernannte Regent János Ghiczy stellte sich gegen die Báthory-Verwandtschaft: den Burgkapitän von Fogarasch István Báthory d.J., den Wardeiner Burgkapitän Boldizsár Báthory und István Bocskai (den Onkel Sigismunds). Die Kanzlei unter Kovacsóczy bildete gewissermaßen einen dritten Pol. Die dreißig Jahre hindurch so gehorsamen Stände nutzten nun die Gelegenheit. Der für den Oktober 1588 einberufene Landtag machte die Entfernung der Jesuiten zur Bedingung für die Großjährigkeitserklärung des 16 jährigen Herrschers. Der als strenggläubiger Katholik erzogene Sigismund Báthory widersetzte sich dem anfangs, zumal auch sein eigener Beichtvater Alfonso Carillo ein spanischer Jesuitenpater war.

Der Landtag wurde aufgelöst und im Dezember erneut einberufen. Da sich die Báthory-Vettern auf die Seite der Stände stellten, setzte die Versammlung nun die Entfernung der Gesellschaft Jesu durch (womit zugleich die letzte Stunde für das Experiment der Klausenburger Universitätsgründung schlug). Verbittert trat der greise Ghiczy zurück und bald darauf starb er. Die {295.} machthungrige Báthory-Verwandtschaft aber bekräftigte ihr Bündnis mit der von der Familie Kendi angeführten ständischen Opposition, und gemeinsam zerstörten sie immer mehr von den Grundlagen der fürstlichen Macht. Im November 1591 verpflichtete der Landtag den Landesherrn, Landesangelegenheiten nur mit Einwilligung seines Rates zu entscheiden. Wenig später beschloß er die Errichtung einer selbständigen ständischen Streitmacht und einer Finanzkammer. Während der immer verwickelter werdenden internen Kämpfe verriet der Fürst den geplanten Mordanschlag seiner Anhänger an Boldizsár Báthory diesem selbst. Im Gegenzug ließ dieser nun zwei Führungspersönlichkeiten der Kanzlei, den gelehrten Sekretär Pál Gyulay und Sigismunds früheren Erzieher János Gálfi, ermorden.

Der Herrscher überging diese blutige Aktion mit Schweigen. Sein Kanzler Kovacsóczy jedoch nahm mit der Opposition Verbindung auf und ging durch seine Heirat mit einer Kendi-Tochter sogar verwandtschaftliche Beziehungen mit Boldizsár Báthory ein. Dem Fürsten verblieb als einzige Stütze das Heer. Die Soldaten des verstorbenen Königs Stephan, die auf dem polnischen Kriegsschauplatz Erfahrungen gesammelt hatten, waren längst wieder in ihre Heimat zurückgekehrt und in den Grenzburgen stationiert. 1593 erhielt nun dieses Heer unvermutet die Möglichkeit, erneut einen Einfluß auf die Politik auszuüben.

Denn im gleichen Jahr hatte in Ungarn ein neuerlicher großer Türkenkrieg begonnen, in dem anfänglich die christlichen Heere in der Übermacht waren. Der Jesuitenzögling Sigismund Báthory, der sich als Nachfolger König Stephans betrachtete, sandte seinen Beichtvater Carillo mit einem Bündnisangebot zu Kaiser Rudolf, 1594 verkündete er im Februar in Weißenburg den Beitritt seines Landes zur Heiligen Liga. Wenige Wochen später brachen siebenbürgische Truppen ins Banat auf, um dort gegen die türkischen Grenzwachen den Kampf aufzunehmen.

Die Stände Siebenbürgens hatten jedoch ihre negativen Erfahrungen aus den 1550er Jahren nicht vergessen. Außerdem stellten sie in Rechnung, daß außer dem Kaiser nur Venedig und das Papsttum der Koalition beigetreten waren. Der unmittelbare Nachbar Polen betrieb eine ausgesprochen türkenfreundliche Politik. Deshalb verweigerte der Landtag am 12. Mai 1594 in Thorenburg seine Einwilligung zur Kriegserklärung. Anfang Juli berief Sigismund den Landtag erneut ein, doch traten die Stände ihm bewaffnet entgegen und beschlossen, den Frieden zu bewahren. Die wichtigsten Befürworter des Krieges waren schon vorher in die von den Türken bedrohten Grenzburgen geeilt. Der enttäuschte Fürst selbst dankte ab.

Diese überraschende Entwicklung verwirrte die vereinigte Opposition: Boldizsár Báthory, Sándor Kendi und Farkas Kovacsóczy verwickelten sich in wochenlange Verhandlungen über eine neue Staatsführung. Währenddessen überzeugten Kristóf Kereszturi, der Burgkapitän von Kõvár, zusammen mit István Bocskai, dem neuen Burgkapitän von Wardein, dem Diemricher Burgkapitän Ferenc Geszti, Gáspár Kornis und László Gyulaffy den abgedankten Fürsten von der Notwendigkeit, an die Macht zurückzukehren. Als dieser sich an die Spitze seiner Truppen stellte, leisteten ihm die Stände keinen Widerstand. Auf dem Landtag am 20. August ließ der Herrscher die Anführer der Opposition festnehmen: Sándor Kendi wurde zusammen mit seinem jüngeren Bruder Gábor und drei Räten geköpft, Boldizsár Báthory mit Kovacsóczy und einem dritten Kendi verhaftet und ermordet.

{296.} Am 28. Januar 1595 unterschrieb István Bocskai in Prag den tatsächlichen Beitritt Siebenbürgens zur Liga, woraufhin Rudolf in aller Form Báthorys Fürstentitel anerkannte und ihm mit der Erzherzogin Maria Christina von Habsburg sogar eine Braut schenkte.

Im Laufe der Frühjahrsoffensive eroberte György Borbély, Banus von Karansebesch, fast sämtliche Festungen des Mieresch-Gebietes von den Türken zurück, von Világos bis Arad und von Fatschet bis Borosjenõ. Ende des Sommers zog Sigismund Báthory mit seinem Hauptheer selbst in die Walachei: Er wollte den dort seit 1593 regierenden neuen Woiwoden Michael, mit dem er im Jahr zuvor ein heimliches Bündnis geschlossen hatte, gegen Großwesir Sinan Pascha unterstützen, der mit einem 40 000-Mann-Heer gegen seinen „rebellischen Lehnsmann“ ins Feld gezogen war. Michael brachte zwar am 23. August bei Călugăreni den Angriff der Türken zum Stehen, mußte sich aber dennoch vor ihrer Übermacht zurückziehen. Báthory rief zu seinem fürstlichen und dem ständischen Heer auch noch die Szekler zu den Waffen, die sich von ihm dafür ihre alte Freiheit bestätigen ließen. Mit dem dadurch gewaltig angewachsenen Heer (allein die Szekler machten 23 000 Mann aus) nahm Bocskai Mitte Oktober in der Walachei Tîrgovişte im Sturm und vernichtete schließlich am 25. den Großteil der zurückweichenden Truppen Sinans bei Giurgiu.

Den Preis dieser glänzenden Siege zahlte jedoch das Land. Der siebenbürgische Adel begann, gegen die Szeklerbefreiung zu protestieren, bedeutete doch eine solche für ihn den Verlust von vielen tausend ihm untertanen Bauernfamilien. Nach zum Schein geführten Verhandlungen nahm der Fürst seine frühere Entscheidung schon Anfang 1596 wieder zurück. Als die Szekler, die sich nach ihren heldenhaften Kämpfen schändlich betrogen sahen, zum Aufstand übergingen, wurde dieser von István Bocskais Truppen mit seltener Grausamkeit niedergeschlagen.

Auch das Kriegsglück wandte sich nun von Siebenbürgen ab. Im Sommer 1596 mußte die Belagerung Temeschwars aufgegeben werden, und zwischen dem 23. und dem 26. Oktober verloren die vereinten christlichen Heere (einschließlich dem von Báthory) bei Mezõkeresztes die Schlacht gegen Sultan Mechmed III. (1595–1603). Im Januar 1597 reiste der Fürst nach Prag und bot dem Kaiser seine Abdankung an. Er ließ sich freilich noch einmal zum Bleiben überreden. Aber nach neuerlichen militärischen Mißerfolgen am Jahresende traf Pater Carillo mit der Nachricht von der „ganz festen“ Absicht Sigismunds, zurückzutreten, am Kaiserhof ein. Rudolf stimmte zu, und im April 1598 trafen kaiserliche Komissare zur Übernahme der Regierungsgeschäfte in Siebenbürgen ein. Bocskai nahm den Truppen den Treueid auf den Kaiser ab, Báthory ging nach Schlesien ins Exil, um als Entschädigung über das kleine Gebiet Oppeln und Ratibor „zu herrschen“.

Kriegsverluste und die kaiserliche Intervention bewirkten einen Stimmungsumschwung der siebenbürgischen Stände zugunsten einer türkenfreundlichen Politik. Der aus seinem Amt entlassene Bocskai wandte sich daraufhin an Sigismund Báthory, und dieser eilte im August 1598 heimlich zurück nach Siebenbürgen. Dort stellte sich das Heer auf seine Seite, Bocskai bekam sein Amt als Generalkapitän zurück, der „Obertürke“ Kanzler István Jósika wurde hingerichtet und die kaiserlichen Kommissare zurückgeschickt.

Prag war selbstverständlich mit diesem Wechsel nicht einverstanden. Um die neue Lage auszunützen, begannen die Türken Wardein, das Tor nach {297.} Siebenbürgen, zu belagern. (Es ist eine Ironie des Schicksals, daß die Burg von einer kaiserlichen Besatzung verteidigt wurde.) Báthorys Friedensangebot lehnte der Sultan ab, worauf sich Pater Carillo an den allmächtigen Kanzler Polens, Jan Zamoyski, wandte. Fürst Sigismund verzichtete im März 1599 erneut auf seinen Thron, diesmal zugunsten seines aus Polen heimgekehrten Vetters, des Kardinals Andreas (András) Báthory. Die Parteinahme Krakaus bewirkte tatsächlich die Zustimmung des Sultans zum neuerlichen Machtwechsel. Die Walachei allerdings wurde durch Siebenbürgens Frontenwechsel von ihren christlichen Verbündeten abgeschnitten. Mit Kaiser Rudolfs Einverständnis und finanzieller Unterstützung zog nun der Woiwode Michael gegen Fürst Andreas ins Feld. Am 28. Oktober 1599 wurde der siebenbürgische Generalkapitän Gáspár Kornis bei Schellenberg unweit von Hermannstadt von den auch durch die Szekler unterstützten walachischen Truppen geschlagen. Am 3. November ermordeten die vom Haß gegen die Báthorys erfüllten Szekler den flüchtenden Fürsten und Kardinal, und am 1. November zog Michael der Tapfere in Weißenburg ein, um am Ende des Monats vom Landtag die ihm als kaiserlichem Statthalter zukommende Huldigung zu empfangen. Zum Fürsten wurde er nie gewählt, und Siebenbürgen in irgendeiner Form mit der Walachei zu verbinden, kam ihm nicht in den Sinn: Die beiden Länder wurden völlig unabhängig voneinander regiert.

Zwar besetzte Woiwode Michael einige wichtigere Ämter mit walachischen Bojaren, er ließ aber den ständischen Regierungsapparat Siebenbürgens unbehelligt, ja bemühte sich sogar um die Unterstützung seitens des ungarischen Adels. Die Siebenbürger Rumänen erhielten auch von ihm keine politischen Recht, obgleich er ihre orthodoxe Kirche in die Reihe der anerkannten Konfessionen aufnahm. Seine Regierung vermochte sich dennoch nicht zu behaupten, weil zunächst die Grausamkeit abschreckte, mit welcher die Szekler schreckliche Rache an den Herren für den „blutigen Fasching“ von 1596 nahmen. Dann begannen seine eigenen rumänischen und raizischen Söldner mit Plünderungen, da sie wegen Geldmangels keinen Sold erhielten. Als der Kaiser sah, daß der Woiwode das Land für sich beanspruchte, entzog er ihm seine Unterstützung. Michael wollte mit einem improvisierten Kriegszug in die Moldau (im Mai 1600) seine drückende Lage verbessern, doch vergeblich eroberte er dieses Land vom polenfreundlichen Woiwoden Jeremias (Ieremia Movilă) – die geringe Beute, die er dort machte, reichte nicht aus, den Unterhalt seines Heeres für längere Zeit zu sichern. In Siebenbürgen vermehrten sich nun die Ausschreitungen und immer häufiger floß Blut. Im Namen der Stände wandte sich István Csáky an Kaiser Rudolfs General Giorgio Basta um Hilfe, worauf dieser im September 1600 mit einem starken Söldnerheer in das Land einmarschierte, um nach seinem Sieg über Michael den Tapferen am 18. September bei Miriszló im Miereschtal Siebenbürgen wieder dem Königreich einzuverleiben. Ende Oktober leisteten die Stände Rudolf den Treueid, die Freiheit der Szekler (die Michael ihnen wiedergegeben hatte) wurde erneut aufgehoben und István Bocskai verjagt.

General Bastas Soldaten warfen sich – da ihr Sold ebenfalls ständig mit Verspätung eintraf oder ganz ausblieb – gierig auf Siebenbürgen, das im Vergleich zum kriegsverwüsteten Ungarn noch immer viel reicher war. Die Tagebücher der Zeitgenossen sind voll von Berichten über die ausgesuchten Grausamkeiten ungarischer, wallonischer, italienischer, tschechischer und deutscher Söldner. Gleichzeitig brachen auch türkische und tatarische {298.} Marodeure immer wieder über die unverteidigt gebliebenen Grenzen ins Land. In ihrer Verzweiflung wandten sich die Herren Siebenbürgens mit einem Hilferuf an Sigismund Báthory, der diesmal mit polnischer Unterstützung eintraf und 1601 neuerlich seinen Fürstenthron bestieg. Basta zog sich kampflos zurück, doch nur, um Kräfte zu sammeln und im Sommer 1601 wieder anzugreifen, zusammen mit dem inzwischen auch aus der Walachei vertriebenen Woiwoden Michael, der mit Rudolfs Hilfe seine Herrschaft wiederzuerlangen hoffte. Am 3. August besiegte Basta Báthory bei Goroszló und ließ nach der Schlacht den Woiwoden Michael einfach im Lager ermorden. Dessen Andenken sollte – nach Jahrhunderten – von der Ideologie der rumänischen Einheitsbestrebungen wieder wachgerufen werden, die aus der Figur des nach Landerwerb strebenden feudalen Eroberers eine Art modernen Stifters nationaler Einheit zu machen versucht.

Die Schrecken der Söldner-Herrschaft begannen nun von neuem, und um das Maß voll zu machen, kehrte Sigismund Báthory zum vierten Mal in sein ruiniertes Land zurück: Hatte er im Namen des Kampfes gegen die Türken Siebenbürgen in den Krieg getrieben, kam er als Anhänger des Sultans nun mit türkischen und tatarischen Hilfstruppen über seine früheren Untertanen. Zu Beginn des Jahres 1602 wieder Herr über Siebenbürgen, brach Báthory jedoch beim Anblick des Ergebnisses seiner „Eroberung“ seelisch zusammen und verließ das Land nach einigen Monaten der Herrschaft endgültig: 1613 sollte er im Prager Exil sein Leben beenden. Als Basta von seiner Absicht erfuhr, sich entfernen zu wollen, erschien er wieder mit seinem Heer, schlug bei Dreikirchen die Truppen der Stände vernichtend und besetzte im Juli 1602 das ganze Fürstentum. Die Verwüstungen der Söldner und die Lasten des sinnlos sich hinziehenden Türkenkrieges trieben die Siebenbürger zu einem letzten verzweifelten Versuch: Mózes Székely wiegelte im April 1603 die siebenbürgischen Truppen auf und sprengte mit Unterstützung türkischtatarischer Hilfstruppen die Söldner Bastas auseinander. Am B. Mai hatte er schon den Fürstentitel angenommen – doch die Grausamkeiten der Tataren übertrafen jene der Söldner noch bei weitem, und der neue Woiwode der Walachei, Radu Şerban, griff als Verbündeter des Kaisers Siebenbürgen an. Die Szekler schlossen sich ihm an, Mózes Székely verlor am 17. Juli die Schlacht bei Kronstadt und fiel. Basta kehrte mit einem neuen Heer zurück und konnte, nachdem er das ganze Land gebranntschatzt und geplündert hatte, Anfang 1604 seine Truppen ruhigen Gewissens abziehen. Ausgeblutet und erniedrigt hatte Siebenbürgen keine Kraft mehr, irgendwelche selbständige Schritte zu unternehmen.

Der Aufstand von Bocskai und die Wiedererrichtung des siebenbürgischen Staates

Während Siebenbürgen seinen Leidensweg bis ans Ende zu gehen hatte, tobte in Ungarn seit 1596 der Krieg zwischen den Kaiserlichen und den Türken und konnte von keiner Seite für sich entschieden werden. Die christlichen Heere belagerten mehrmals erfolglos Ofen, die Türken hingegen besetzten 1600 Kanizsa und hatten damit fast das Grenzgebiet Österreichs erreicht. Zwar hielten die Kaiserlichen in Neograd ihre zu Beginn des Krieges eroberten Gebiete, aber bei den sich jährlich wiederholenden Feldzügen waren beide {299.} Seiten gezwungen, immer mehr irreguläre Truppen in den Kampf zu werfen. Ausgebildete Mannschaften sowie Geld waren knapp geworden.

In dieser bedrohlichen Lage versuchte die kaiserliche Regierung sich auf ungewöhnliche Weise zu helfen. Mit falschen Anschuldigungen führte sie Prozesse gegen die größten ungarischen Grundbesitzer. Eines der ausersehenen Opfer sollte der auf seinen Besitztümern im Gebiet jenseits der Theiß zurückgezogen lebende István Bocskai sein. Er wurde beschuldigt, mit den in türkische Obhut geflüchteten siebenbürgischen „Landflüchtigen“, also den Resten der früheren Türkenpartei, Verbindung zu unterhalten. Gegen ihn wurde ein Heer auch mit ungarischen Einheiten – den übrigens wegen ihrer Grausamkeit berüchtigten Haiducken – ausgesandt. Diese jedoch, empört über die antikalvinistische kaiserliche Politik, rebellierten unterwegs und trieben am 15. Oktober mit Bocskais Hilfe nahe Álmosd den Kaschauer Generalkapitän Barbiano in die Flucht. Am 11. November zog Bocskais um die Haiducken vermehrte Armee bereits in Kaschau ein, ohne auf Widerstand zu stoßen. Der Führer der Landflüchtigen, Gábor Bethlen, überbrachte ihm das Adhname des Sultans, das ihn als Fürsten Siebenbürgens anerkannte. Nicht viel später treffen auch türkische und tatarische Hilfstruppen ein, mit denen Bocskai den Gegenangriff des inzwischen zum Generalkapitän ganz Ungarns ernannten Basta nach anfänglichen Niederlagen zum Stehen bringen kann, woraufhin das gesamte Gebiet jenseits der Theiß – mit Ausnahme Wardeins – dem von den Türken unterstützten Fürsten huldigt. Die leichtbeweglichen Haiducken- und Tatarentruppen überrennen ab April 1605 fast das gesamte königliche Ungarn. Ein Teil der ungarischen Magnaten – unter Führung des Hauptgeschädigten der Besitzenteignungsprozesse, István Illésházys – geht zu Bocskai über, und die Vorhut des Heeres verwüstet im September bereits das österreichische Grenzgebiet zwischen Ödenburg und Wien. Das unter großen Schwierigkeiten aufgestellte kaiserliche Heer vermag mit seinem Gegenangriff Ende Oktober (unter Graf Tillys Führung) schließlich nur Transdanubien zurückzuerobern.

Inzwischen hatte der Landtag in Szerencs am 20. April 1605 Stephan (István) Bocskai zum Fürsten Ungarns gewählt. Dieser war bereits am Überlegen, ob er beim Sultan um den Titel des ungarischen Königs ansuchen sollte. Als aber der Großwesir Lalla Mohammed ihm eine prächtige Krone überbrachte, hatten die transdanubischen Niederlagen seine Begeisterung bereits wieder abgekühlt, und da er den Türken nach wie vor nicht traute, verwarf Bocskai schließlich den Einfall, sich krönen zu lassen. Statt dessen begann er alles zu versuchen, um endlich das ihm formell zustehende Land Siebenbürgen in Besitz zu nehmen.

Der neue Fürst hatte seit Jahren nichts mehr mit dem Land gemeinsam, seine Umgebung bestand aus Haiduckenhauptleuten, ungarischen Adligen und einigen Aristokraten, die sich ihm angeschlossen hatten. Die Siebenbürger brachten ohnehin kein allzu großes Vertrauen zu ihm auf, verdankten sie ihm doch den Eintritt in den Krieg, die blutigen Abrechnungen mit den Szeklern und das allgemeine Elend. Die Stände jedoch fühlten sich schwach und sahen deshalb die ganze Zeit untätig zu, wie Bocskai zuerst das Partium und darauf Lugosch und Karansebesch zwang, sich ihm zu unterwerfen. Als er (schon zu Beginn des Jahres 1605) ein Heer unter László Gyulaffy nach Siebenbürgen sandte, ließen die Szekler das Lager der Habsburger im Stich, im Vertrauen auf Bocskais Versprechen, ihre Freiheit wiederherzustellen. {300.} Der Widerstand beschränkte sich auf die sächsischen Städte und die restlichen kaisertreuen Truppen. Umsonst organisierte einen solchen der greise Albert Huet mit aller Hartnäckigkeit. Als Bocskai schließlich das Land betrat, im Sommer 1605, kapitulierten der Reihe nach die sächsischen Städte und die kaiserlichen Garnisonen. Mit ihrer Waffenniederlegung nahm auch der Fünfzehnjährige Krieg hier sein Ende. Am 14. September führte der Landtag von Mediasch den neuen Fürsten in sein Amt ein.

In den übrigen Teilen Ungarns floß trotzdem immer noch Blut. Bocskai überließ das Regiment über Siebenbürgen einem altehrwürdigen Aristokraten aus dem Partium, Zsigmond Rákóczi, und machte sich selbst auf den Weg, Frieden zu schließen. Allerdings stieß er dabei auch auf den Widerstand eines Teils seiner Anhänger, während der Kaiser einen Mordversuch gegen ihn unternehmen ließ. Aber er gab nicht auf. Die kriegsbegeisterten Hajduckenhauptleute ließ er hinrichten, einen großen Teil der Haiducken siedelte er in den verlassenen Wüstungsgebieten jenseits der Theiß an und gab ihnen – nach Szekler Muster – kollektiv die Freiheit. Die Verhandlungen mit dem Kaiserhof erreichten schließlich am 23. Juni 1606 mit dem Wiener Frieden ihr Ziel. Das Fürstentum Siebenbürgen wurde wieder hergestellt, seine Grenzen sogar nach Westen verschoben (Bocskai erhielt die Komitate Szatmar, Szabolcs, Ugocsa und Bereg sowie die Burg Tokaj, wenn auch nur für seine Person). Im königlichen Ungarn führten die Vertragspartner die Religionsfreiheit wieder ein und stellten das Prinzip auf, wonach zukünftig nur mehr Ungarn zu Würdenträgern des ungarischen Staates ernannt werden sollten.

Kaum ein halbes Jahr nach dem Frieden von Wien folgte ein vielleicht noch wichtigerer Friedensschluß mit den Türken (am 15. November 1606) an der Zsitva-Mündung, genannt Frieden von Zsitvatorok. Die Grenzen wurden dort belassen, wo sie sich zum gegebenen Zeitpunkt gerade befanden. Weder der Kaiser noch der in einen erneuten Perserkrieg verwickelte Sultan waren fähig, irgendetwas an der Situation, so wie sie entstanden war, zu verändern.

Somit war also das 15 jährige Morden endgültig beendet. Militärisch zeigte die Waage beinahe ein Gleichgewicht: Bei Kanizsa und in Richtung Erlau hatten die Türken und in Neograd und entlang des Mieresch (also im Grenzgebiet von Siebenbürgen) die Christen Raum gewonnen. Dieses ungewohnte Phänomen erregte auch die Aufmerksamkeit der Zeitgenossen, da dies der erste Krieg der Türken in Ungarn war, den diese nicht siegreich zu beenden vermochten. Ihre gewaltige Kriegsmaschinerie begann allmählich zu versagen; mit den Ausbleiben der Eroberungen setzte der langsame Verfall des osmanischen Reiches ein.

Betrachtet man die Dinge von Siebenbürgen aus, hatte sich einmal mehr gezeigt, daß die Habsburger nicht in der Lage waren, dieses weit entfernte Land wirksam gegen die Türken zu verteidigen. Trotzdem benötigte das Fürstentum die Habsburger als „Gegengewicht“ insbesondere gegen die Türken. Wie in der Jahrhundertmitte der Selbsterhaltungstrieb der ungarischen herrschenden Schicht einen neuen Staat hatte entstehen lassen, so errichtete jetzt der Adel im Land jenseits der Theiß neuerlich den bereits für untergegangen gehaltenen Staat, dem sich die Siebenbürger wiederum erst nachträglich und teils nur dem Zwang gehorchend unterwarfen. Dennoch wird zur Zeit Bocskais die komplizierte Beziehung zwischen Siebenbürgen und dem königlichen Ungarn um ein neues Moment bereichert: nämlich um die Erkenntnis, daß auch die ungarischen Stände auf Siebenbürgen angewiesen {301.} sein könnten. Bocskai schrieb in seinem Testament: „Solange aber die ungarische Krone in der Hand einer stärkeren Nation als unserer, der deutschen, ist, […] ist es immer nötig und nützlich, in Siebenbürgen einen ungarischen Fürsten zu haben, weil dies auch für sie zum Schutz und Nutzen dient.“* Magyar történelmi szöveggyûjtemény (Textsammlung der ungarischen Geschichte). Hrsg. von GY. EMBER–L. MAKKAI–T. WITTMANN, Budapest 1968, I. 372.

Doch war die Lektion, die die Ungarn und die Siebenbürger erhalten hatten, wahrlich fürchterlich. Zwar wurde der Grad an Zerstörung, den die Tiefebene oder die Ofner Umgebung nach vieljährigem Blutbad aufwiesen (Gebiete in der Größe von Komitaten waren fast vollständig entvölkert), hier nicht erreicht, doch hatten die Militäraktionen, die Ausschreitungen und die den Feldzügen regelmäßig folgenden Seuchen die Bevölkerung tatsächlich dezimiert.

Und was der Krieg nicht zerstört hatte, das besorgten die systematischen Raubzüge der verschiedenen Truppen. Noch von den kleineren Städten erpreßte man zehntausende Goldgulden, allein die Umgebung von Kronstadt soll, wenn es denn wahr ist, Bastas Herrschaft 350 000 Gulden gekostet haben: Der abziehende General selbst habe zwei Tonnen Gold- und Silberschmuck aus Siebenbürgen mitgenommen. Für die Wirtschaft dieses ohnehin mit Geldknappheit kämpfenden Landes hätte dieser Abtransport von Geld und Edelmetallen auch das Ende bedeuten können. Die langsam vernarbenden Wunden der Szeklerfrage waren unvorsichtig wieder aufgerissen, der ansehnliche fürstliche Besitz aufgeteilt worden.

Bocskai war es gelungen, Siebenbürgen wiederzuerwecken, aber dies konnte nicht derselbe Staat sein wie früher. Er war ärmer und verletzlicher als jemals zuvor und seine Neugeburt verdankte er eher der Erschöpfung beider Kriegsgegner als seiner eigenen Kraft. Wenn einer seiner beiden Nachbarn wieder zu Kräften kommen sollte, könnte die Existenz des Fürstentums erneut in Frage gestellt werden.

Der neue Herrscher war ein vorzüglicher Feldherr und, wie seine letzten Lebensjahre zeigen, auch ein zu schwierigen Entscheidungen fähiger Diplomat und Staatsmann. Hätte er länger gelebt, wäre es ihm vielleicht gelungen, den mühsam anlaufenden Prozeß des Aufbaus zu beschleunigen. Aber das Schicksal ließ ihm keine Zeit dazu. Bocskai starb kaum ein paar Wochen nach der Krönung seines Lebens, dem doppelten Friedensschluß, in seiner provisorischen Hauptstadt Kaschau, am 29. Dezember 1606. Die Haiducken in ihrer wilden Trauer massakrierten den des Giftmordes verdächtigten Kanzler Mihály Káthay – aber dadurch war das anstehende Problem nicht gelöst, daß sich Siebenbürgen wieder einen neuen Herrscher suchen mußte.

{256a.} -{257a.}

6. Kirchenstifter, 409. Ein 1743 völlig erneuertes Wandbild aus der griechisch-orthodoxen rumänischen Kirche von Sztrigyszentgyörgy (Streisîngeorgin)

6. Kirchenstifter, 409. Ein 1743 völlig erneuertes Wandbild aus der griechisch-orthodoxen rumänischen Kirche von Sztrigyszentgyörgy (Streisîngeorgin)

7. Eine Seite des Breviariums von Domokos Kálmáncsehi, zwischen 1481 und 1495

7. Eine Seite des Breviariums von Domokos Kálmáncsehi, zwischen 1481 und 1495

8. Suleiman empfängt Johann Sigismund 1566 in seinem Thronzelt auf dem Zemuner Feld

8. Suleiman empfängt Johann Sigismund 1566 in seinem Thronzelt auf dem Zemuner Feld

9. Das Virginal Katharinas von Brandenburg, 1617

9. Das Virginal Katharinas von Brandenburg, 1617

10. Habáner Krug, 1615

10. Habáner Krug, 1615

11. Detail des Adelsbriefes für den Hofmaler István Nagybányai Csengeri Képíró, 1632

11. Detail des Adelsbriefes für den Hofmaler István Nagybányai Csengeri Képíró, 1632

12. Adelsbrief für den fürstlichen Sekretär Erazmus Adam, 1607

12. Adelsbrief für den fürstlichen Sekretär Erazmus Adam, 1607

13. Als Fürstengeschenk gedachtes 10-Dukatenstück von Gabriel Báthory. Vorder- und Rückseite. Prägung von Hermannstadt, 1611

13. Als Fürstengeschenk gedachtes 10-Dukatenstück von Gabriel Báthory. Vorder- und Rückseite. Prägung von Hermannstadt, 1611

14. Mittelteil einer Tischdecke Zsuzsanna Lorántffys mit den Wappen Siebenbürgens und der Familie Lorántffy, zweites Viertel des 17. Jahrhunderts

14. Mittelteil einer Tischdecke Zsuzsanna Lorántffys mit den Wappen Siebenbürgens und der Familie Lorántffy, zweites Viertel des 17. Jahrhunderts

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42. Klausenburg von Norden. Radierung, 1617

42. Klausenburg von Norden. Radierung, 1617

43. Kanzelbrüstung der Kirche in der Farkas-Str. von Klausenburg. Alabastereinlagen von Elias Nicolai, 1646

43. Kanzelbrüstung der Kirche in der Farkas-Str. von Klausenburg. Alabastereinlagen von Elias Nicolai, 1646

44. Porträt Gabriel Bethlens. Kupferstich von Egidius Sadeler d. J., 1620

44. Porträt Gabriel Bethlens. Kupferstich von Egidius Sadeler d. J., 1620

45. Grabsteine sächsischer Königsrichter in der evangelischen Kirche von Hermannstadt. Links Valentin Seraphin († 1639), daneben Valentin Frank († 1648)

45. Grabsteine sächsischer Königsrichter in der evangelischen Kirche von Hermannstadt. Links Valentin Seraphin († 1639), daneben Valentin Frank († 1648)

46. Rumänisches Neues Testament, herausgegeben von Georg I. Rákóczi, Weissenburg 1648

46. Rumänisches Neues Testament, herausgegeben von Georg I. Rákóczi, Weissenburg 1648

47. Griechisch-orthodoxe rumänische Kirche in Fogarasch, gegründet vom Fürsten der Walachei Constantin Brîncoveanu, 1697–1698

47. Griechisch-orthodoxe rumänische Kirche in Fogarasch, gegründet vom Fürsten der Walachei Constantin Brîncoveanu, 1697–1698

48. Münzen siebenbürgischer Fürsten

48. Münzen siebenbürgischer Fürsten
1 10-Guldenstück von Georg I. Rákóczi, 1631. Vorder- und Rückseite
2 Taler von Georg II. Rákóczi. Prägung von Frauenbach, 1652. Vorderund Rückseite
3 Taler von Ákos Barcsai. Prägung von Klausenburg, 1659. Vorder- und Rückseite
4 Taler von Johann Kemény. Prägung von Klausenburg, 1661. Vorder- und Rückseite

49. Michael Apafi und Karl von Lothringen, 1688

49. Michael Apafi und Karl von Lothringen, 1688

50. Csíkdelne, Inneres der römisch-katholischen Kirche. Gebäude: zweite Halfte des 15. Jahrhunderts, Decke: 1611. Altar: 1675

50. Csíkdelne, Inneres der römisch-katholischen Kirche. Gebäude: zweite Halfte des 15. Jahrhunderts, Decke: 1611. Altar: 1675