Die Stickerei

Die Stickerei ist einer der reichsten und vielfältigsten Zweige der ungarischen dekorativen Volkskunst, der auch innerhalb eines relativ kleinen Gebietes außerordentlich vielgestaltig sein kann. Die Stickereien lassen sich in zwei große Gruppen teilen. Die eine steht der buntgewebten Leinwand sehr nahe; sie entsteht, indem das Muster nach der Fadenzähltechnik auf glattes Leinen gestickt wird. Die Elemente dieser Kreuzstich- und Fadenzählstickereien sind deshalb geometrisch, und das ungeübte Auge kann sie leicht mit Handwebereien verwechseln. Demgegenüber ist die zweite Gruppe, die der frei entworfenen Stickereien, kaum noch durch das Material gebunden; sie hält sich nicht mehr allein an die traditionellen Elemente, sondern Überläßt mehr der schöpferischen Phantasie das Feld.

Abb. 180. Einfacher Kreuzstich.

Abb. 180. Einfacher Kreuzstich.
Allgemein

230. Gestickte Abendmahl-Decke, Ausschnitt, 1755

230. Gestickte Abendmahl-Decke, Ausschnitt, 1755
Szirma, Kom. Borsod-Abaúj-Zemplén

Abb. 181. Fadenzählstich und Kehrseite

Abb. 181. Fadenzählstich und Kehrseite

{G-432.} Üblicherweise versuchen sich auf dem Lande bereits die kleinen Mädchen im Sticken, doch eine wirklich gute Stickerin wird nur diejenige, die es erlernt, das alte Motivgut mit hoher technischer Fertigkeit zu variieren und neu zu gestalten. Solche Meisterinnen im Sticken werden dann Berufsstickerinnen, die einzelne Stickereien – oftmals die gesamte Aussteuer einer Braut – gegen bescheiden oder reichlich bemessenes Entgelt anfertigen. Bei den frei entworfenen Stickereien kommt den Vorzeichnerinnen eine besondere Bedeutung zu. Weniger begabte Stickerinnen bringen ihnen das zu bestickende Leinen zum Vorzeichnen; das Aussticken der vorgezeichneten Muster, selbst der schönsten, erfordert dann nicht mehr so viel Geschicklichkeit.

Bestickt wurden sowohl Stücke für den täglichen Gebrauch wie auch für feierliche Anlässe. Eine besondere Rolle spielen die Stickereien auf den verschiedenen Kleidungsstücken der Volkstracht; doch werden nur die Stellen bestickt, die zu sehen sind. Das gleiche gilt für die bestickten Ränder der Kissen, die so gebettet werden, daß die Stickereien nach außen liegen. Die Blumenstickereien der verschiedenen Tücher, Decken, Tischtücher und Handtücher sollen nicht nur von den Familienmitgliedern, sondern auch von den Besuchern bewundert werden. Doch wie sehr all diese Dinge auch verziert sind, sie bleiben Gebrauchsgegenstände.

Abb. 182. Einfacher Plattstich

Abb. 182. Einfacher Plattstich

Das Grundmaterial für die Stickereien waren die eigenen Handwebereien, später auch gekaufte Stoffe. Das Stickgarn färbte man mit pflanzlichen Farbstoffen teilweise selbst; in einzelnen Gegenden kaufte man es aber auch schon seit alters her vom Händler. Zur Herstellung geometrischer Ornamente eignet sich der bereits genannte Kreuzstich besonders. Es werden zwei oder mehrere Stiche über Kreuz angeordnet, wodurch das Muster den Eindruck eines Gewebes erweckt. Eine Variante dieses Stiches ist der Fadenzählstich, mit dem auch bestimmte frei entworfene Muster gestickt werden können. Dabei werden dann zwei Quadrate nicht mit vier, sondern nur mit drei Stichen bestickt. Vom Plattstich sind im ungarischen Sprachraum mehrere Varianten bekannt, je nachdem, ob die Fäden teilweise oder vollständig nebeneinander liegen. Der Plattstich ist die verbreitetste Technik der ungarischen Stickereien. Beim Schling- und beim Kettenstich wird auf dem zu bestickenden Material aus dem Garn eine Schleife gebildet. Die verschiedenen Schleifenformen und die Art ihrer Befestigung auf der Stickfläche geben der Stickerei ihre Eigenart.

Abb. 183. Schlingstich

Abb. 183. Schlingstich

{G-433.} Doch nicht nur der Technik der Stiche, sondern auch der Musterkomposition verdanken die ungarischen Stickereien ihre charakteristische Gestalt. Die allgemeinste ist die klassische Form der Dreiteilung. Dabei wird das horizontal verlaufende Hauptmotiv in die Mitte der Stickfläche gesetzt; oben und unten ist es von einem Streifen, dem sogenannten Meistershen (mesterke), umrahmt, der unten schmaler und oben meistens breiter bzw. offen ist. Diese Rahmenverzierungen gehören zu den ältesten Elementen, die sonst mehr und mehr an den Rand verdrängt wurden.

Stickereien wurden nicht nur von Frauen, sondern in bestimmten Fällen auch von Männern angefertigt, dann aber immer berufsmäßig. Es waren Handwerksspezialisten, die verschiedene Oberkleidungsstücke (szûr, ködmön, suba) zuschnitten, nähten und auch verzierten.

Abb. 184. Blume einer Bakonyer Szûr-(Bauernmantel-) Stickerei,

Abb. 184. Blume einer Bakonyer Szûr-(Bauernmantel-) Stickerei,
Kom. Veszprém, Anfang 20. Jahrhundert

Der reich verzierte Szûrmantel (cifraszûr) wurde aus weißem oder hellgrauem groben Tuch angefertigt und mit schwarzem und rotem, stellenweise auch blauem oder sogar gelbem Woll- beziehungsweise Seidenfaden bestickt, wobei zahlreiche Farbnuancen für glatte Übergänge sorgten. Die Verzierungen mit Rosen, Nelken, Tulpen, Maiglöckchen und dem dazugehörigen Blätterwerk haben sich in den letzten zwei Jahrhunderten entwickelt und auf dem Szûrmantel stabilisiert. Der Szûrschneider nannte die Stickerei Blumenverzierung (virágozás), und die Komposition stellte immer einen Blumenstrauß dar, der sich in einem Korb oder einem Topf befand. Mitte des vorigen Jährhunderts begann man die Stickereien auf den Szûrmänteln immer mehr auszudehnen. Der Szûrsticker ließ auf der sichtbaren Oberfläche möglichst keine glatte Stelle, keinen„ Bauern“.

Abb. 185. Verzierung an einem Ködmön (Pelzjacke). Kürschnerarbeit.

Abb. 185. Verzierung an einem Ködmön (Pelzjacke). Kürschnerarbeit.
Ipolymente, Kom. Nógrád, Anfang 20. Jahrhundert

Den am reichsten verzierten, durchweg bestickten Szûrmantel findet man in Eger; im Hajdúság (Heiduckenland) wurden hauptsächlich die beiden Seiten (aszaj) des Szûr bestickt, und die Szûrmäntel aus dem Kunság (Kumanien) erkennt man an den Kranzmotiven. Im Theißgebiet, hauptsächlich in Bihar, liebte man die schwarzen Applikationen, die auf die Szûrmäntel aufgenäht wurden, besonders seitdem sich die {G-434.} Nähmaschine immer mehr einbürgerte. Stellenweise verbreiteten sich diese Szûrapplikationen auch in Siebenbürgen, bis hin zum Kalotaszeg. Die Szûrmäntel aus dem Westen, Bakony und Somogy, sind kurz und haben ganz spezifische Ornamente, unter anderen auch rote Applikationen. Mitte des vorigen Jahrhunderts wurden die Szûrmäntel auch von den Adligen als Symbol des nationalen Widerstandes gegen die Habsburger getragen, und in dieser Kleidung eilten sie sogar den italienischen Freiheitskämpfern zu Hilfe. Deshalb heißt eine bestimmte Art der Szûrmäntel auch Garibaldi-Szûr.

Nah verwandt mit den Szûrstickereien sind die Pelzstickereien. In früheren Zeiten wurde bei Lederkleidungsstücken nur an den Nähten eine Lederfadenstickerei entlanggeführt. Noch heute sind zahlreiche Beispiele dafür zu finden, vor allem in Siebenbürgen. Die reiche Blumenstickerei wurde mit Kürschnerseide, hier und da auch mit Wollfaden im Plattstich ausgeführt. Seit dem Ende des 18. Jahrhunderts sind in der Pelzstickerei die verschiedenen zu einem Strauß zusammengestellten Blumenmotive vorherrschend, die ebenso wie bei der Szûrstickerei immer mehr zur Stilisierung neigten. In der Farbe zeigen die einzelnen Gebiete des ungarischen Sprachraums gewisse Unterschiede. Im Kalotaszeg dominieren die verschiedenen roten Farben; ähnlich sind auch die siebenbürgischen Pelze in der Homoród-Gegend bestickt. Im Csík wird die Lederbekleidung höchstens an den Nähten verziert. Am reichsten verziert ist der Ködmön aus der Tiefebene, besonders in Békés, vielleicht deshalb, weil hier die Handarbeiten verschiedener Nationalitäten mit denen der Ungarn wetteifern. Der kleine Pelz aus dem Hajdúság wird meistens nur mit schwarzem Garn bestickt, während der Suba vom Jászság grüne Stickereien trägt. Zwischen Donau und Theiß bevorzugten die Reformierten die rote Farbe, während die Katholiken lieber Blau und Gelb trugen. Den westungarischen Ködmön schmückt ein rotes Blumenmuster, stellenweise auch mit anderen Farben kombiniert.

Die Leinenstickerei war stets Frauenarbeit. In den einzelnen Gebieten des ungarischen Sprachraums gibt es so viele Varianten, daß hier nur einige typische und allgemein bekannte Arten der Leinenstickerei beschrieben werden sollen.

Eine der ältesten Stickereien ist die Wollhaarstickerei (szõrhímzés) aus der Tiefebene, genauer gesagt aus Nagykunság, Hódmezõvásárhely und Orosháza. Sie wurde im Plattstich mit blauem, grünem und rotem Wollfaden in außerordentlich vielen Farbnuancen – manchmal auch in Schwarz – angefertigt. Am liebsten stickte man kleine und große Rosenblüten, von Blättern umrahmt, doch ist auch die Tulpe ein häufiges Motiv. Ähnliche Stickereien wurden neuerdings auch in Westungarn und in Oberungarn entdeckt, ein Zeichen dafür, daß die Wollhaarstickerei einst allgemein verbreitet war.

231. Gestickter Bettlakenrand, Ausschnitt

231. Gestickter Bettlakenrand, Ausschnitt
Kom. Veszprém

Unter den Stickereien des Rábaköz (das Land zwischen Raab und Rabnitz) gibt es neben dem Kreuzstich und den Fadenzählerarbeiten häufig auch Stickereien nach frei entworfenem Muster. Erstere wurden nur mit rotem Garn gestickt, und die sich aus der Sticktechnik ergebende Gebundenheit versuchte man durch Spirallinien aufzulockern. Bei den frei entworfenen Mustern dominierten die Blumenmotive, hier und da {G-435.} auch mit Vögeln kombiniert. In letzter Zeit wurden oft historische Stile wiederbelebt. Sie waren schon seit langem aus den Stickereien verschwunden und konnten nur noch an musealen Stücken studiert werden. In der Gegend von Kapuvár, vor allem in Hövej, gibt es eine hauchzarte Weißstickerei, mit der hauptsächlich Kopftücher verziert wurden.

Die Weißstickereien, von denen viele Arten verbreitet sind oder zumindest noch in jüngster Vergangenheit verbreitet waren, bilden eine besondere Gruppe. Manche von ihnen lehnen sich an die Lochstickerei an, so zum Beispiel in Somogy, Zala und Veszprém, wo die Hemden der Burschen, vor allem das Hochzeitshemd, das die Braut dem Bräutigam überreicht, mit Weißstickerei verziert sind. Auch die Turaer Stickerei, mit der die Tücher für die Speisen-, Schulter- und Kopftücher sowie Handtüchlein verziert wurden, war ursprünglich eine Weißstickerei. Die winzigen Blüten wurden zusehends farbiger und größer, womit sich auch ihre Komposition lockerte. Die farbige Plattstichstickerei von Tura verbreitete sich auch in den umliegenden Dörfern.

232. Teil eines Bettlakenrandes mit Weißstickerei, in der rechten Ecke Eigentümerzeichen

232. Teil eines Bettlakenrandes mit Weißstickerei, in der rechten Ecke Eigentümerzeichen
Kom. Zala

Die noch heute von Bauersfrauen angefertigten Stickereien sind im allgemeinen farbig, wofür die besten Beispiele die Stickereien von Kalocsa und Umgebung darstellen. Sie gingen Ende des vorigen Jahrhunderts von der fabrikmäßig hergestellten Lochstickerei aus, die man mit Rot, Blau und Schwarz selbst nachzuahmen versuchte. In den letzten Jahrzehnten hat sich die Farbgestaltung weiterentwickelt, und heute können auf den bestickten Leibchen, Schürzen, Hauben und neuerdings auch Tüchern und Tischdecken bereits zweiundzwanzig Farbkombinationen {G-436.} gezählt werden. Die Vorzeichnerinnen weichen immer mehr von den ursprünglichen Mustern ab und entwerfen reiche Blumen-, Blatt- und Rankenmuster. Diese Freude am Ausschmücken machte nicht bei den Stickereien halt, sie erstreckte sich auch auf die Möbel, die Häuserwände, ja sogar auf die Ostereier; alles wurde bunt bemalt, und die Töpfer übernahmen den Blumenschmuck für ihre Teller.

Abb. 186. Teil einer Haubenstickerei („Hündchen“).

Abb. 186. Teil einer Haubenstickerei („Hündchen“).
Sárköz, Kom. Tolna, Anfang 20. Jahrhundert

Die Bewohnerinnen vom Sárköz tun sich nicht nur im Weben, sondern auch im Sticken hervor. Die Motive des rot oder schwarz bestickten Totenkissens sind eine indirekte Anlehnung an die Renaissancestickereien aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Am bekanntesten sind die auf schwarzem Grund mit weißem Garn reich bestickten Sárközer Hauben. Zunächst steckte die Stickerin die zu bestickende Fläche ringsum ab, dann füllte sie das Innere ohne Vorzeichnung mit reichem, improvisiertem Muster aus. Als Motive kommen Blumen, Blätter, Zweige, seltener auch stilisierte Vögel vor. Wer sich die Anfertigung einer wirklich reich bestickten Haube nicht zutraute, kaufte oder bestellte sie nach eigenen Wünschen lieber bei einer der außergewöhnlich talentierten Stickerinnen. Die jungen Frauen banden noch ein Schleiertuch (bíbor) über ihre Haube, dessen Enden nicht nur reich bestickt, sondern auch mit Metallsoutachen verziert waren. Wahrscheinlich ist diese Art der Verzierung von Süden, von den Kroaten und Serben entlang der Donau ins Sárköz gekommen.

Abb 187. Teil einer großen ,,geschriebenen“ Stickerei.

Abb 187. Teil einer großen ,,geschriebenen“ Stickerei.
Kalotaszeg, Anfang 20. Jahrhundert

Die Matyóstickereien in ihrer heutigen Form sind ebenfalls neueren Datums. Früher wurden hier rote und blaue Kreuzsticharbeiten angefertigt, deren Hauptmotive aber bereits Blumen bildeten, die der {G-437.} geometrischen Technik angepaßt wurden. Eine Variante dieser Stickereiform lebt noch heute in Tard. Wesentlich verbreiteter war bereits im vorigen Jahrhundert die Freihandstickerei, deren Hauptmotiv die von Blättern umgebene Rose war. Früher wurde sie in roter und blauer Farbe gestickt und schmückte die Bettlakenränder, Kissenbezüge und einzelne Kleidungsstücke der Männer. Um die Jahrhundertwende stickte man mit Seiden- und Wollgarn in vielen Farben so dichte Muster, daß das Grundmaterial fast vollkommen unter den Rosen und Blättern verschwand. Diese Kompositionen, die von den besten Vorzeichnerinnen entworfen wurden, kommen häufig der Ornamentik der Kürschner nahe. Als die Pelzsticker schon lange nicht mehr ihr Handwerk ausübten, variierten und entwickelten die Vorzeichnerinnen der Leinenstickerei noch immer deren Mustergut.

233. Haube, ausgebreitet

233. Haube, ausgebreitet
Sárköz

234. Bettlakenrand mit Matyóstickerei, Ausschnitt

234. Bettlakenrand mit Matyóstickerei, Ausschnitt
Mezõkövesd

Die Stickerei vom Kalotaszeg ist eine der bekanntesten siebenbürgischen Arten dieser Kunst. Man nennt sie írásos, zu deutsch „geschriebene“ (vorgezeichnete). Man tauchte einen Gänsekiel oder ein Spindelende in mit Milch verrührten Ruß und zeichnete damit auf dem Leinen das Muster freihändig vor, doch so, daß die zu bestickende Fläche genau ausgefüllt war. Das Vorzeichnen übernahmen die älteren Frauen, die die zahlreichen Formen des reichen Mustergutes auswendig kannten und mit geschickter Hand auf das Leinen brachten. Laken, Kissenbezüge, Tischtücher und Handtücher bestickte man in dieser Art. Auch hier ist ein Dichterwerden der Muster zu beobachten, indem man nicht nur mit Ketten- und Schnürstich arbeitete, sondern von Zeit zu {G-438.} Zeit die freien Flächen auch noch mit Plattstichen füllte. Rot war die häufigste Farbe, doch kamen auch Schwarz und Dunkelblau vor, gewöhnlich jede Farbe für sich, denn früher wurden die Farben nicht vermischt. Die ältesten „geschriebenen“ Stickereien vom Kalotaszeg zeigen noch die Starre ihrer geometrischen Vorläufer, ein anderes Mal gehen sie auf Blumenkompositionen zurück, deren Weg in der Renaissance von Italien her zu verfolgen ist.

235. Stickerei für das Kopfende des Bettes, Ausschnitt

235. Stickerei für das Kopfende des Bettes, Ausschnitt
Kalotaszeg, ehem. Kom. Kolozs, Rumänien

236. Stickerei für das Kopfende des Bettes

236. Stickerei für das Kopfende des Bettes
Kalotaszeg, ehem. Kom. Kolozs,
Rumänien

Im Szeklerland gibt es neben den frei entworfenen vorgezeichneten Stickereien zumeist Fadenzählarbeiten, womit gleichzeitig auch die Stichtechnik der Stickereien bestimmt ist. Die Muster unterschieden sich kaum von denen der buntgewebten Leinwand; häufig wurden die gewebten und die gestickten Kissenbezüge für die Aussteuer der heiratsfähigen Tochter mit den gleichen Motiven verziert. In Kászon findet man fast alle Formen der Szekler Fadenzählarbeiten. Ihre Komposition ist übersichtlich und gut gegliedert. In der Mitte erstreckt sich ein breites Hauptmotiv, nach dem der Stickereityp benannt wird. So kennt {G-440.} man das Große-Teller-, das Große- oder Dichte-Sternen-, das Dichte-Rosen-, das Tischbein-, das Große- Apfel-, Hahnenkamm- und das Große-Streifen-Muster. Oben und unten ist das Hauptmotiv von einem schmalen Ornamentstreifen, dem mesterke (Meistershen), umrahmt, der bei den Szeklern nicht breiter als ein Drittel oder höchstens die Hälfte des Mittelstreifens ist. Ursprünglich wurde nur in roter Farbe gestickt, später kam auch Blau, hier und da sogar Schwarz hinzu. Die Ornamente sind vielfach mit den Stickereien der nahen Siebenbürger Sachsen verwandt; sie lassen sich bis zum Mittelalter zurückverfolgen.

237. Kissenrandstickerei

237. Kissenrandstickerei
Kalotaszeg, ehem. Kom. Kolozs, Rumänien

Über eine Art der Spitzenklöppelei, das Fransenbinden, wurde oben schon gesprochen. Vergleichbar damit ist die Ziernaht, mit der zwei Leinenbahnen zu einem Laken, einer Decke oder einem Tischtuch zusammengefügt werden. Von einer ausgesprochenen Spitzenklöppelei {G-441.} der ungarischen Bauern kann jedoch nicht gesprochen werden. Es waren Spitzen im Gebrauch, doch wurden diese von Slowaken und Deutschen aus dem Oberland hergestellt und durch fahrende Händler im größten Teil des ungarischen Sprachraumes verbreitet. Um die Jahrhundertwende gab es mehrere Versuche, das Spitzenklöppeln in Ungarn einzubürgern, was jedoch nur in Kiskunhalas und Karcag mit Erfolg geschah. Die hier geklöppelte Spitze findet als Erzeugnis des volkstümlichen Kunstgewerbes in Ungarn und über die Landesgrenzen hinaus auch heute noch Anerkennung.

238. Gestickter Bettlakenrand, Ausschnitt

238. Gestickter Bettlakenrand, Ausschnitt
ehem. Kom. Háromszék, Rumänien