Sonstige Zweige der dekorativen Volkskunst

Die außergewöhnlich reiche Metallkunst der Ungarn zur Zeit der Landnahme hat in der volkstümlichen Metallkunst der jüngsten Vergangenheit kaum irgendwelche Spuren hinterlassen. Es muß sogar gesagt werden, daß dieser Zweig der ungarischen dekorativen Volkskunst im Vergleich zu den übrigen sehr bescheiden ausfällt und auch an dem großen Aufschwung im vorigen Jahrhundert nicht beteiligt war.

Bestimmte Metallverzierungen konnten geschickte und begabte Bauern selbst ausführen, und wie wir gesehen haben, verwendeten in einzelnen Gebieten sogar die Hirten bei ihren Schnitzereien Metall. Im wesentlichen waren es aber dennoch Handwerker wie Schmiede und Schlosser, die sich am besten auf Metallarbeiten verstanden. Die meisten waren Ungarn, doch gab es unter ihnen auch viele Zigeuner, die ausgezeichnete Kunstwerke schufen. Die Zigeuner, die sich im Mittelalter angesiedelt hatten, lebten verstreut über das ganze Karpatenbecken und gingen den verschiedensten Tätigkeiten nach. Sie waren Musiker, Steinmetzen, Schnitzer von Trögen und Webstuhlteilen, Mattenflechter und Seiler, doch am meisten geschätzt wurden sie als Schmiede und Schlosser. Als solche fertigten sie verschiedene Eisengegenstände und Arbeitsgeräte je nach dem Geschmack der Besteller, und wenn sich eine Gelegenheit oder Möglichkeit bot, haben sie ihre Erzeugnisse auch gern verziert.

Abb. 189. Schäferhaken mit eingelegtem Stiel.

Abb. 189. Schäferhaken mit eingelegtem Stiel.
Palotzengebiet, Anfang 20. Jahrhundert

{G-454.} Den Spinnrocken, den der Bursche seinem auserwählten Mädchen schenkte, verzierte er nicht nur mit reichen Blumenschnitzereien, sondern es kam oft auch Metallschmuck hinzu, vor allem in Oberungarn, wo das Holz ausgehöhlt und die Vertiefungen mit Blei oder einer Zinnlegierung ausgefüllt wurden. Meistens wählte man geometrische Motive, die nicht selten auf das gotische Mustergut zurückgehen. Die Bauernburschen verstanden es, die wenigen Elemente so zu variieren, daß der Schmuck nie eintönig wirkte. Im Kalotaszeg goß man auch die Spindelbeschwerer selbst; die Gußformen wurden aus Holz oder Alabaster geschnitzt, und die geometrisierten Ornamente gravierte man bereits in die Gußform ein, die dann aufgehoben und nach Bedarf wieder verwendet wurde.

Schmiede und Schlosser dekorierten gern die einfachsten Arbeitsgeräte. Eigentlich ist auch das Eigentumszeichen, das die Hersteller in das Strohschneide- oder das Winzermesser, manchmal auch in die Pflugschar einschlugen, eine elementare Form der Metallverzierung. Es deutete mit einigen Linien einen Stern, ein großes Herz, ein Kreuz, einen Halbmond oder eine Blume an. Doch kommen auch reichere Ornamente vor, die zumeist graviert oder punziert wurden. Hier und da findet man sogar Ranken- und Blumenmotive. Die geschicktesten Schmiede schmückten Äxte mit Kupfer- oder anderen Metalleinlagen.

Unter den kunstfertigen Händen der Schmiede entstanden zahlreiche Gegenstände, die sie erst gossen und anschließend verzierten, so zum Beispiel die Messingschnalle an dem Riemen, mit dem die Viehglocke am Hals des Rindes befestigt wurde. Ein beliebtes altes Schmuckelement war der nach beiden Seiten sehende Vogel, doch auch andere Tierdarstellungen sind häufig. Nach dem Guß wurde die Oberfläche des Metallstückes abgeschliffen und mit Ranken-, Blumen-, Linien- und Punktornamenten verziert. Die schönsten Gußerzeugnisse waren die Schäferhaken, die ebenfalls aus Kupfer gefertigt wurden. Nach dem zentralen Ornament im zurückgebogenen Teil des Hakens nannte man das Stück einen Schlangenkopf-, Stern- oder Blumenhaken. Auf den glatten Teilen des Hakens wurden Zierknöpfe angebracht und Blatt- oder Zweigornamente eingraviert. Ähnlich verziert waren die kleinen und großen Schellen beziehungsweise Glocken, die aber nur an der Seite eingravierten Schmuck trugen.

Abb. 190. Schäferhaken mit Schlangenkopf.

Abb. 190. Schäferhaken mit Schlangenkopf.
Balmazújváros, Kom. Hajdú, 1908

Die Schmiede stellten auch Gegenstände her, die zwar dem Gebrauch dienten, im großen und ganzen aber Zierat waren. Dazu gehörten die Spinnrockennägel oder Spinnrockennadeln, mit denen das Werg am Spinnrocken befestigt wurde. Der Nagelkopf ließ sich gut verzieren, der Stift aber blieb glatt, denn er sollte ja eine praktische Funktion erfüllen. Die Nageloberfläche wurde mit Ringen, Blättern, Vierecken und zweiseitig auseinanderstrebenden Spiralen geschmückt, so daß das Ganze wie ein Blumenstrauß wirkte.

Aus Faßreifen stellte der Schmied gewöhnlich Kleiderhaken und Aufhänger für Kochtopfdeckel her. Sie wurden kalt bearbeitet. Zunächst schnitt er kleinere Stücke von Faßreifen ab, klopfte sie und formte dann den Bügel. Der obere Teil des Bügels wurde mit einfachen Eingravierungen, eventuell auch in Blatt- oder Blumenform geschmückt. Häufig sind auch Tiergestalten, unter denen besonders Hähne oder {G-455.} Vögel beliebt waren, die sich meistens gegenüberstehen und einander anblicken. Der fertige Bügel oder Deckelhalter wurde gründlich gereinigt und farbig bemalt, so daß er einen heiteren Farbeffekt ins Haus brachte.

Abb. 191. Riemenschnallen von Kuhglocken.

Abb. 191. Riemenschnallen von Kuhglocken.
Kecskemét, Kom. Bács, 19. Jahrhundert

Den Hausgiebel zierte man oft mit Holzschmuck oder Strohgeflecht, aber als schönster Giebelschmuck galten vom Schmied aus Eisen gehämmerte Blumen. Sie sind im ganzen ungarischen Sprachraum zu finden, doch kennen wir die schönsten Giebel aus der Tiefebene. Das Sternen- und Halbmondmotiv weist nicht nur auf das reformierte Glaubensbekenntnis der Bewohner hin, sondern geht möglicherweise sogar auf die Zeit der Türkenherrschaft zurück, während die kreuzförmigen Hausgiebelzierden bei den Katholiken üblich waren. Die meisten Giebelzierden wiesen eine Blumenform auf, worunter am häufigsten Tulpen oder Nelken waren, doch wählte man auch Knopfblumen oder Granatäpfel. Diese Art der Eisenverzierungen geht überwiegend auf Renaissance-Motivgut zurück.

Zu den ungarischen Volkstrachten gehörten nicht nur Perlen, sondern auch verschiedene Schmuckstücke aus Metall, wie Ohrringe, Armreifen, Halsschmuck und Ringe. Sie wurden für die Bauern von Gold- und Silberschmieden hergestellt, die sich in einzelnen größeren Städten, so zum Beispiel in Gyõr, Komárom (Komárno) und Baja, zusammenfanden und von hier aus eine weite Umgebung mit ihren Waren versorgten. Meistens bearbeiteten sie Silber, das sie relativ billig einkauften, oder sie verwendeten geschmolzenes, manchmal nur ein wenig umgestaltetes Silbergeld. Ihre Schmuckstücke verzierten sie gewöhnlich mit pflanzlichen Ornamenten, unter anderem mit Kleeblättern, sechs- bis achtblättrigen Blüten und Linsen; einzelne Ornamente nannte man auch Muschel-, Stern- oder Falterschmuck. Solche Bauernsilberschmiede waren vor allem im Süden des ungarischen Sprachraums bis in die jüngste Zeit tätig.

Verhältnismäßig selten waren die Roßhaararbeiten, die vorwiegend von Pferdehirten, Kutschern usw. angefertigt wurden, also von Menschen, die täglich mit Pferden zu tun hatten. In früheren Zeiten wurden aus dem kräftigen, biegsamen und sehr reißfesten Roßhaar viele Gebrauchsgegenstände geflochten (Halfter, Seil, Peitsche, Fessel usw.), man fertigte aber aus Roßhaar auch Dinge, die neben ihrem unmittelbaren Nutzen zugleich als Zierde dienten, zum Beispiel das Nadelkästchen, das in der Mitte aus Holz, Vogelknochen oder Federn bestand und ringsherum reich mit Roßhaargeflecht verziert wurde.

Außerdem flocht man auch Ringe, Halsschmuck und Ohrringe aus Roßhaar. Die Technik des Roßhaarflechtens ist eine so hohe Kunst, daß sie sogar die Fertigkeiten der Meister der Knopfmacherzunft übersteigt, was zugleich auch ein Beweis für die langen historischen Traditionen des Roßhaarflechtens ist.

Abb. 192. Bemalte schmiedeeiserne Kleiderhaken.

Abb. 192. Bemalte schmiedeeiserne Kleiderhaken.
Hódmezõvásárhely, Kom. Csongrád, Anfang 20. Jahrhundert

Über Pelz- und Lederverarbeitung haben wir schon in mehrerer Hinsicht gesprochen. Die Stiefelmacher verzierten vor allem die Fußbekleidung der Frauen mit speziellen Ornamenten, und die Kürschner bestickten und applizierten die Pelze mit bunten Mustern. Aber darüber hinaus hatte verziertes Leder noch vielerlei andere Funktionen. Ein Berufsmeister der Lederverarbeitung war der Sattler. Seine Hauptaufgabe {G-456.} bestand in der Anfertigung und reichen Verzierung des Pferdegeschirrs, wobei lange Lederquasten als Riemenverzierung (sallang) ein wichtiges Moment waren. Im übrigen nähte der Sattler rote, gelbe oder grüne Applikationen auf, die sich gut vom schwarzen Leder abhoben. Oder er formte die Ränder der Riemenverzierung unterschiedlich und schnitt Löcher ins Leder, so daß eine vollständige Dekorkomposition entstand. Die Sattler verstanden es auch hervorragend. aus dünnen Riemen ein flaches Flechtwerk herzustellen, das sie zu Mustern fügten und durch Messingsterne zusammenhielten.

Abb. 193. Schmiedeeiserner Giebelschmuck.

Abb. 193. Schmiedeeiserner Giebelschmuck.
Großkumanien, 19.–20. Jahrhundert

Die Verzierung der Spinnrockenbänder (guzsalyszalag) der Matyómädchen und -bräute war dagegen mehr Sache der Kürschner. Das aufgewickelte Werg wurde unten nur mit einem Bindfaden am Spinnrocken befestigt, darüber fiel ein abwärts breiter werdendes mehrstreifiges Lederband in Hellbraun, Lila oder Hellgrün, das den oberen Teil des Wergs völlig bedeckte. Ringsherum war es mit wellenförmigen Lochreihen verziert, an den Rändern gezackt. Ein solches Band gebührte nur den jungen Mädchen; gewöhnlich kaufte es der Bursche für seine Auserwählte.

248. Frau beim Eierbemalen

248. Frau beim Eierbemalen
Miske, Kom. Bács-Kiskun

Abb. 194. Buntbemalte Ostereier.

Abb. 194. Buntbemalte Ostereier.
Ormánság, Kom. Baranya, um 1950

Das Ostereierbemalen ist ein Zweig der dekorativen Volkskunst, der sich mit besonders vielen Vorstellungen des Volksglaubens verbindet. Das Ei spielt als Symbol der Fruchtbarkeit im Volksglauben seine wichtige Rolle. Verzierte Eier verschenkt man speziell zum Osterfest, ein Brauch, der in Stadt und Land gleichermaßen bis in die Gegenwart lebendig geblieben ist. Das Verzieren der Eier hat eine lange Tradition. Gefärbte Eier fand man bereits in awarischen Gräbern aus der Zeit der Völkerwanderung, und auch Schmuckelemente wie eine Swastika, ein harkenförmiges Motiv und viele andere geometrische Muster, die nur auf Ostereiern vorkommen, sind ein Beweis für den uralten Brauch. Die Ostereier werden entweder als verzierte Eier (hímes tojás) oder als rote Eier (piros tojás) bezeichnet. Ihre Herstellungsweise ist unterschiedlich; häufig wendet man die Batiktechnik an. Man trägt das gewünschte Muster mit einem in flüssiges Wachs getauchten Federkiel {G-457.} auf das rohe Ei auf und taucht dann das ganze Ei in Farbe. Nach dem Trocknen entfernt man das Wachs, und das Muster erscheint als weiße Fläche. Das Ei wird zum Schluß noch mit einem fettigen Lappen abgerieben, damit es schön glänzt. Eine andere Möglichkeit der Ostereierverzierung besteht darin, mit einem spitzen Gegenstand Ornamente in die gefärbte Eierschale einzukratzen. Auf das Ostereierbemalen verstand man sich überall, doch gab es auch besondere Spezialisten dieser Kunstfertigkeit, meistens alte Frauen, die für ein Dankeschön oder einige Hühnereier als Gegengabe gern die Ostereier bemalten.