{G-57.} I. Die gesellschaftliche (soziale) Kultur


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Die Erforschung der gesellschaftlichen (sozialen) Kultur ist in der ethnographischen Fachliteratur Ungarns ein ziemlich vernachlässigtes Gebiet. Zwar wird in verschiedenen zusammenfassenden Darstellungen ein Überblick auch über die soziale Kultur gegeben, doch weist man ihr irgendwo zwischen der materiellen und der geistigen Kultur einen Platz zu. Zweifellos ist die gesellschaftliche Kultur gleichermaßen eng mit der materiellen wie mit der geistigen Kultur verbunden, dennoch haben wir es vorgezogen, sie gesondert und an erster Stelle zu behandeln, da es für den Leser zweckdienlich ist, sich gleich anfangs mit Begriffen vertraut zu machen, die ihm auf den folgenden Seiten dieses Buches auf Schritt und Tritt begegnen werden. Die Abgrenzung ist außerordentlich schwierig, weshalb wir hier oftmals Fragen aufwerfen, die sowohl auf dem einen wie auch auf dem anderen Gebiet hätten gestellt werden können. Das liegt zum einen in der Einheit des Lebens begründet, in dem alles mit allem zusammenhängt; zum anderen möchten wir dadurch die Bedeutung der sozialen Kultur eigens hervorheben.

Angefangen von der kleinsten gesellschaftlichen Einheit, der Familie, über die Bluts- und Pseudo-Verwandtschaft hin machen wir mit der Einrichtung der Nachbarschaft bekannt, mit den Bevölkerungsschichten der ungarischen Dörfer und teilweise der Marktflecken, mit der Organisation des Dorfes, mit den Verbindungsmöglichkeiten der kleineren beziehungsweise größeren Regionen und Gebiete. Des weiteren gehen wir auf die Arbeiterwanderungen ein, die insbesondere in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts stark zunahmen, das ganze Land erfaßten, oftmals sogar über die Grenzen hinausreichten und im Kulturaustausch der entfernteren Gebiete eine bedeutende Rolle spielten.