{G-546.} Gesindelieder

Von diesen Liedern sind nur wenige bekannt. Als man sie zu sammeln begann, waren sie schon fast vergessen. In den doch noch geretteten zeichnet sich aber deutlich das schwere Leben ab, das einst das Gesinde auf den Großgütern führte. Ihre Lieder wurden von den Bauern nicht übernommen, da sie diesen unbekannte Gefühle, Probleme und Leiden ausdrückten. So blieben sie in der Regel auf einen kleineren Kreis beschränkt und wurden höchstens von Knechten, die oft gezwungen waren, ihren Arbeitsplatz zu wechseln, aus einer Gegend in die andere verpflanzt.

Verhältnismäßig gering ist die Zahl der Lieder, die von den Kümmernissen des bei einem Großbauern dienenden Knechtes berichten:

Bin von klein auf schon ein armes Waisenkind,
Groß geworden, zählte man mich zum Gesind.
Lernen mußt ich bald zu dulden und zu leiden,
Mußte mich schon früh mit kargem Lohn bescheiden.
 
Hab betreut, gepflegt der jungen Ochsen vier,
In die Obhut gab sie meine Herrschaft mir.
Hab die Ochsen abgerichtet für den Pflug,
Hab vom Pflügen fremden Ackers bald genug.

                           Szeklerland

Was die Gutsknechte am meisten erbitterte, war die schwache Kost und das kleine Gedinge, wofür sie vom ersten bis zum letzten Lichtschein arbeiten mußten.

Weinreben sich biegen,
Schwer die Trauben wiegen,
Und das Blatt wird rot.
 
Knechte sich abrackern,
Möchten gerne ackern,
Hätten sie nur Brot.
 
Zwiebeln, zwei im ganzen,
Haben sie im Ranzen,
Ohne Brot schmeckt’s arg.
 
Lang ist die Tischdecke,
Hängt über die Ecke,
Doch das Mahl ist karg.
 
Hundsfott dieser Bauer,
Arbeit ist ihm sauer,
Läuft den Weibern nach.
 
Er kennt kein Erbarmen
Mit dem Knecht, dem Armen,
Dem sein Bauch wird flach.

                           Allgemein bekannt

Was dem Gesinde, den Knechten, den Lohnarbeitern am schwersten fiel, war das ewige Wandern. Keiner konnte wissen, ob der Herr ihn nach Ablauf des Jahres behielt oder entließ. Entlassungsgrund war oft nicht nachlässige Arbeit, sondern Aufsässigkeit. Um dieses Thema drehen sich die meisten Knechtslieder:

Knecht bin ich, ein Knechtessohn,
Sieben Gulden sind mein Lohn.
Neujahrr steht schon vor der Tür,
Wagen holt mich fort von hier.
 
{G-547.} Um die Ochsen tut’s mir leid,
Ums Pflugeisen, lang und breit,
Um den Treibstock mit der Gabel
Und um mein geliebtes Madel.
 
Meine Fohlen weiden flott,
Meine Rinder gehn im Trott.
Draußen steht mein Rößlein,
Und ich lieg beim Röslein.

                           Rábaszovát (Komitat Sopron)

Eine eigene Gruppe bildeten auf Großgütern die Tabakgärtner, die gemeinhin „kukás“ genannt wurden. Obwohl halb Pächter, halb Unternehmer, waren sie doch vollkommen von ihrem Gutsbesitzer, dem Herrn oder Bauern, abhängig. Ihre schwere, harte Arbeit wurde nie ihrem wirklichen Wert entsprechend bezahlt. Von ihren charakteristischen Liedern haben sich einige erhalten:

Onkel István in der Scheune geht entlang,
Hundertzwanzig Büschel holt er von der Stang,
„Auf, ihr Mädchen, keine geht mir heut zu Bett,
Eh der Tabak aufgebündelt fest und nett.“
 
„Onkel István, dürfte ich Sie bitten sehr,
Geben Sie mir mein Entlassungsschreiben her.
Ja, wir bitten Sie um den Entlassungsbrief,
Denn Ihr Tabak macht uns alle krumm und schief.“

                           Verpelét (Komitat Heves)