Neue Balladen

Die Ballade des 19. Jahrhunderts und der Jahrhundertwende, die letzte Gruppe der Balladen, hat bereits die kapitalistische Entwicklung zum Thema. Es ist die Zeit der Begegnung des Dorfes mit der Maschine, und in diesen Balladen erscheint die Maschine noch als die unheilvolle fremde Macht, als Ursache von Tragödien und nicht als Helferin bei der Arbeit. Es gibt eine Ballade, in der das Schicksal und das Unglück des Bauernmädchens in der Fabrik und ebenfalls die Furcht vor der Maschine geschildert wird:

Julcsa Farkas
(Das Mädchen, das in die Dreschmaschine fiel)
 
Kaum begann die Dreschmaschine ihren Lauf,
Stieg die Julcsa Farkas auf den Tisch hinauf,
Dem Einleger sollte sie zu Händen sein,
Dabei fiel die Arme in die Trommel rein.
 
Ruft hinab der Einleger: „Herr Maschinist!
Julcsa in die Trommel reingefallen ist!
Haltet die Maschine an, sofort, sofort,
Helft, wir bringen Julcsa, meine Schwester, fort!“
 
Julcsa legten sie auf Stroh im Leiterwagen,
Um sie zu dem Arzt, dem Király, hinzutragen.
Der Arzt Király besah sie gleich und sagte dann:
„Dieser Armen nur der Himmel helfen kann.“
 
Bei den Farkas’ brennt das Licht die ganze Nacht,
Für die Julcsa halten sie die Totenwacht.
Aufgebahrt liegt Julcsa mit dem Blumenkranz,
Ihre Mutter steht dabei, gebrochen ganz.
 
Vater Farkas kommt auch in die Stube rein,
Stützt sich auf den Nußholztisch, so schwer wie Stein.
„Oh, mein teures Kind, mein Gold“, kann er nur sagen,
„Lieber Gott, wie hast du mich so schwer geschlagen!“
 
{G-589.} Auf dem Friedhof steht der Maschinist am Grab,
Sinkt mit beiden Armen auf das Kreuz hinab.
„O mein Gott, was kann das Leben mir noch frommen,
Hast du meinen liebsten Schatz mir weggenommen.“

Die erste Maschine, die in den ungarischen Dörfern erschien und sich in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts schnell verbreitete, war die Dreschmaschine mit Dampfantrieb. Natürlich verursachten die ungewohnten, sich rasch bewegenden Maschinenteile häufig Unfälle. Opfer waren in erster Linie die Mädchen, die die Garben in die Trommel einlegten. Balladen über dieses Thema verbreiteten sich in den letzten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts im ganzen ungarischen Sprachraum, und sie haben noch die balladenhafte Darstellungsweise beibehalten.

Aus den Balladen der kapitalistischen Entwicklungszeit klingt die Öde und Hoffnungslosigkeit des bäuerlichen Schicksals heraus. Die Gesänge der Auswanderer erinnern an die Flüchtlingsballaden; in einer Ballade tötet der Exmittierte den Besitzer, der sein Heim gerichtlich versteigern läßt, und selbst die der Ballade angefügten religiös-andächtigen Strophen sind nicht imstande, die öde und grausame Stimmung zu mildern. Wenn die Formen dieser Balladen auch nicht immer künstlerisch ausgereift sind, führen sie uns doch gespenstisch das Schicksal der ausgebeuteten und gequälten Armbauernschicht vor.