{G-648.} Die Taufe

Die Gevatterwahl war meist schon der Geburt vorangegangen. Die Taufe wurde in der Regel zwei bis drei Tage nach der Geburt während der Morgenstunden in der Kirche vorgenommen. Die Taufpatin, begleitet von der Hebamme, brachte das Kind in die Kirche, wo der Taufpate und die Gevatter schon versammelt waren. Wenn sie wieder zu Hause ankamen, traten sie mit dem in ganz Europa bekannten Gruß ein: „Wir haben einen Heiden mitgenommen und einen Christen zurückgebracht.“ Das Kind wurde von seinem Vater oder seiner Großmutter über die Schwelle gehoben und wurde so vollberechtigtes Mitglied der Familie. Jetzt wird es zum ersten Mal bei seinem Namen genannt, denn vor der Taufe erfand man aus Angst vor Behexung verschiedene Kosenamen für das Kind; man nannte es das „Kleine“, das „Namenlose Kleinweißnicht“ oder ähnlich.

275. Säugling im Trog

275. Säugling im Trog
Lészped, Moldau, Rumänien

Gleich nach der Taufe oder am folgenden Samstag wurde ein Festmahl gegeben, an dem meist nur die Familienmitglieder, die Taufpaten und die Gevatter teilnahmen. Natürlich durfte auch die Hebamme nicht fehlen. Besondere Gerichte, die im ganzen Sprachraum üblich gewesen wären, kennt man nicht, doch können an vielen Orten Kuchenbrot und besonders große Bretzeln als bei Taufen traditionell {G-650.} betrachtet werden. Glückwünsche wurden in Prosa, bei gehobenerer Stimmung auch in gereimten Ausrufen ausgedrückt:

Hör, Gevattrin, was ich sag,
Helft dem Knäblein jeden Tag,
Bis aus ihm ein Bursche wird,
Der den Mädl’n den Kopf verwirrt.
Ujujujujuj!

                           (Magyarvista, ehem. Komitat Kolozs)