Praktiken des Volksglaubens

Die Glaubenswelt der ungarischen Bauern setzte sich nicht nur aus Gegenständlichem, aus Vorschriften, Verboten und gewissen Vorzeichen und Voraussagen zusammen, sondern zu ihr gehörte auch eine Reihe von verschieden motivierten Handlungen, durch die ein bestimmtes Ziel erreicht, das heißt entweder jemandem Schaden zugefügt oder – im Gegenteil – seine Heilung bewirkt werden sollte. Von einigen Praktiken erhoffte man eine vorbeugende oder abwehrende Wirkung. Oftmals waren verschiedene Handlungen miteinander verknüpft, weshalb sie im folgenden auch jeweils komplex beschrieben werden.

Um Gesundheit und Schönheit zu erlangen, kannte man zahllose Verfahren. So holte man zum Beispiel am Karfreitag noch vor Sonnenaufgang Wasser vom Fluß oder vom Brunnen, denn wer sich darin wusch, der blieb das ganze Jahr gesund. In der Karwoche vor Ostern warf man einen roten Apfel in den Brunnen, und Mensch und Vieh, die von dem Brunnenwasser tranken, blieben das kommende Jahr von Krankheiten verschont. Brotrinde gab rote Wangen, ein Linsengericht am Sonnabend machte für den Sonntag schön. Linsen als Neujahrsgericht erhielten die Schönheit und die Gesundheit das ganze Jahr über. Wenn der erste Schnee fiel, wälzte man die Kinder darin, weil das ihre Gesundheit kräftigte. Mit Märzschnee wuschen sich die Mädchen das Gesicht, um davon schön zu werden. Die kleinen Mädchen stellten sich in den strömenden Regen hinaus – davon sollten ihre Haare wachsen, besonders wenn sie dabei den Vers sprachen:

Regen, Regen, Regen,
Fall und bringe Segen.
Wachsen soll der Weiten,
Hafer soll sich spreizen,
Und mein Haar soll wachsen ganz
So lang wie der Pferdeschwanz,
Oder noch ein Stückchen drauf
So lang wie der Donau Lauf,
Oder, ja, ich wünsch noch mehr:
So lang wie das große Meer.

                           (Csongrád, Komitat Csongrád)

{G-735.} Um den Milch- und Butterertrag zu steigern, haben die Palotzen ein gewisses Kraut, den Wiesenknopf, getrocknet, zerstoßen und mit Salz vermischt den Kühen ins Futter gegeben. Ein neues Butterfaß versuchten die Ungarn im ehemaligen Komitat Nyitra auf verschiedene Weise zu verzaubern, damit möglichst viel Sahne darin gebuttert werden konnte. Man spülte es mit Wasser aus drei Flußläufen, worin auch Kiesel vom Flußufer ausgekocht wurden. Andere wieder schworen auf Kräuter, die von neun verschiedenen Ackerrainen oder von einem Grabhügel gepflückt worden waren und aus denen ein Sud gekocht werden mußte. Es wird auch von Bäuerinnen berichtet, die mit dem Butterfaß auf dem Rücken in der Stube herumliefen oder bis zur Wegkreuzung gingen und bei der Rückkehr schon Butter im Faß hatten. Ließ sich die Milch schwer buttern, murmelte die Frau beschwörende Sprüche. In Zagyvarékas (Komitat Szolnok) wurde folgender Reim aufgezeichnet:

Heilige Jungfrau, Gottesmutter,
Mach schnell unseren Rahm zu Butter.
Mädel mit dem großen Bauch
Wünscht sich Butter, Sahne auch.
Milch und Rahm und Topfen,
Mischka, hilf mir klopfen,
Geh Zusammen, werde fest.
Mir die Butter, dir der Rest.
Krankes Mädchen liegt im Bett,
Buttermilch es gerne hätt’,
Geh Zusammen, werde fest.
Butter mir, der Katz’ den Rest.
Heiliger Philipp, heiliger Paul,
Helft mir, seht, ich bin nicht faul.
Fünf-sechs Klumpen tu ich rein,
Groß wie Kopf von Peterlein.

In die letzte Zeile wurde immer der Name des Kindes eingefügt, das gerade beim Butterfaß auf die Buttermilch wartete.

Von den Feldarbeiten kam der Aussaat besondere Bedeutung zu. So gab es hier nicht nur Verbote, sondern auch verschiedene Handlungen, mit denen man sich eine gute Ernte sichern wollte. Im Kalotaszeg war es üblich, sofern eine stillende Mutter im Haus war, ein paar Tropfen Muttermilch auf die Saatkörner zu träufeln, damit das Korn recht „milchig“ wurde. Die Männer mischten abgeschnittene Nägel unter die Saatkörner, und bei der Aussaat sprachen sie: „Daß dir niemand schade, wenn ich nicht da bin“, denn sie glaubten, die Nägel würden das Korn stellvertretend für den Bauern beschützen. In Göcsej breitete man das Saatgut in der Nacht zu Mariä Geburt aus, damit es den Segen Gottes empfange und eine reiche Ernte bringe. In der Raab-Gegend war es Brauch, bei der Aussaat der Hirse die Saatkörner durch ein Radloch rieseln zu lassen, wodurch sie vor den Vögeln verborgen und damit bewahrt bleiben sollten.

Obgleich Mais erst seit dem 18. Jahrhundert allgemein in Ungarn angebaut wird, verbinden sich, wie schon oben beschrieben, auch mit {G-736.} der Einsaat dieser Feldfrucht zahlreiche Bräuche. In der Umgebung von Pécs warf man die ersten Körner mit geschlossenen Augen durch einen Schlitz im Rock der Frau unter die Hacke, damit sie der Ziesel nicht fand. Es war auch gut, sich bei der Aussaat ein oder zwei Maiskörner unter die Zunge zu legen, so konnten die Mäuse die ausgesäten Körner nicht finden. In Kleinkumanien schüttete man die übriggebliebenen Saatkörner in den Sack zurück und band ihn fest zu, wodurch verhindert werden sollte, daß die Krähen die Saatkörner fraßen; solange der Mais nicht aufgegangen war, durfte niemand den Sack öffnen. In der Jászság hängte man sich den Sack mit den Saatkörnern um den Hals, und wenn alle Körner ausgesät waren, warf man den Sack erst hoch in die Luft – so hoch sollte der Mais wachsen –, dann wälzte man ihn auf der Erde, damit jeder Maisstengel auch dicke Kolben bekam.

Die Melonenkerne wurden vor der Aussaat mit süßer Milch begossen, wovon man sich wohlschmeckende, süße Melonen versprach. Bei der Kürbisaussaat sprang man eilig von einem Saatloch zum anderen, so schnell sollten die Ranken wachsen. War die Saat beendet, stieß man mit dem Hintern auf die Erde – als Zeichen dafür, wie groß der Kürbis werden sollte.

Leute mit übernatürlichen Kräften, vor allem Hexen, vermochten Menschen, Tiere und Pflanzen gleichermaßen zu verwünschen. Am meisten waren kleine Kinder gefährdet, bei denen ein böser Blick genügte, um sie weinen, erkranken, ja sogar sterben zu lassen. Ebenso häufig fielen Liebesleute den Verwünschungen zum Opfer. Um die Liebe eines Mannes zu gewinnen, mußte man ein Haar von ihm oder die Asche eines Haares in den Brotteig mischen, dann konnte sich der Auserwählte nie mehr lossagen.

Die allgemein verbreitetste Form der Verwünschungen war der Fluch. Verschwommene Formen des Fluches leben noch heute in der Umgangssprache; die meist gebrauchte Formel ist: A fene egye meg! (Die Pest soll ihn fressen!), aber auch solche wie: Da soll doch gleich der Teufel dreinschlagen! oder: Der Schlag soll ihn treffen! sind in jedermanns Munde. Am häufigsten wurden Diebe verflucht; zumindest sind die Flüche, mit denen man Räuber- und Diebesgesindel bedachte, am zahlreichsten bekannt. Wurde jemand des Diebstahls verdächtigt, suchte man ein Kleidungsstück von ihm zu bekommen, um es auf einer Wegkreuzung zu verbrennen und ihn dabei mit folgendem Spruch zu verfluchen: „Nicht dieses Kleid verbrenne ich, ich verbrenne deine Seele, deine Knochen, du sollst keine Ruhe haben, bis du es (den gestohlenen Gegenstand) zurückgegeben hast.“ Und wem die Bienen gestohlen worden waren, der verfluchte den Dieb „Wer meine Bienen gestohlen hat, den soll der Tod nicht erlösen, bis er mich nicht zu sich gerufen hat.“ Zahlreiche Flüche wurden auch von verlassenen oder betrogenen Verliebten ausgesprochen. Ein Mädchen, das der Liebhaber verlassen hatte, sammelte die Erde aus den Fußspuren ihres untreuen Burschen zusammen, formte daraus eine Menschengestalt und sprach: „Ruhe und Frieden sollst du nicht haben, ehe du zu mir zurückkehrst und mich freist.“ Doch auch der verlassene Bursche hielt sich nicht zurück, manchmal trug er seinen Fluch sogar in Versen oder als Lied vor:

{G-737.} Ich fluch dir nicht, ich bleib dir ewig gut,
Nur dein Waschwasser wandle sich in Blut,
Dein Handtuch aber, wünsch ich, schieße Flammen,
Werd wie ein Faß und schrumpfe dann zusammen,
Auszehrung plage dich dein ganzes Leben,
Und wo du sitzt, dort bleib für immer kleben.

                           (Komitat Szatmár)

310. Räuchern gegen den bösen Blick

310. Räuchern gegen den bösen Blick
Tunyog, Kom. Szabolcs-Szatmár

Wollte man jemandem das Glück abspenstig machen, dann mußte man sich in umgekehrter Richtung zu seinem Fußabdruck aufstellen und sagen: „Er soll sein Glück verlieren, Hände und Füße sollen ihm erfrieren!“ Es gab auch beschwörende Formeln, mit denen man sich selbst Glück, anderen aber Unglück wünschte. So sprach die Bäuerin zum Beispiel am Luzientag (13. Dezember) einen Zauberreim zu ihren Hühnern:

Legt Eier mir, legt jeden Tag,
Die Nachbarin die Schwindsucht plag!

Die Hexen bewirkten ihre Verwünschung oft durch Gießen. Im Szeklerland kochten sie weiße Bohnen und gossen sie im Morgengrauen beim ersten Hahnenschrei auf den Weg, den die Person, die verflucht werden sollte, entlangzugehen pflegte. Schritt diese tatsächlich darüber, gingen alle schlechten Wünsche in Erfüllung. Goß man das Wasser, mit dem ein Toter gewaschen worden war, in den Hof eines anderen, dann konnte das diesem Krankheit bringen. In anderen Gegenden streuten die Hexen Geld aus, und wenn es jemand auflas, bekam er Blasen an den Händen. Wer heimlich jemandem unter seine Türschwelle Tollkirschenwurzeln vergrub, der verwünschte damit die Bewohner des Hauses. Im Bodrogköz war es üblich, Puppen am Dorfausgang {G-738.} zu vergraben, damit von niemandem das Vieh hinausgetrieben werden konnte, denn es blieb jedesmal an dieser Stelle erschreckt stehen und rannte zurück, als ob es geschlagen würde.

Die Heilkunst der Bauern bestand zum Teil aus rationalen Verfahren und empirischen Kenntnissen, zum Teil aus mittelalterlichen medizinischen Praktiken. Doch versuchte man Krankheiten bei Mensch und Tier auch mit irrationalen Verfahren zu heilen. Besonders wenn das Übel Flüchen und Verwünschungen zugeschrieben wurde, schützte man sich durch Besprechen (ráolvasás), eine Form des Gesundbetens.

Das Besprechen läßt sich ebenso wie das Verfluchen außerordentlich weit zurückverfolgen. Vielleicht sind seine Wurzeln schon in den Bräuchen der vorchristlichen Ungarn des 11. Jahrhunderts zu sehen, die die christlichen Gebete umgekehrt vom Ende bis Anfang aufsagten, um ihre Kraft zu brechen und ins Gegenteil zu verkehren. In Tiszaigar (Komitat Szolnok) versuchte man, wurmkranke Kühe mit folgendem Zauberspruch zu heilen:

Hör mich, heiliger Ivan,
Wegen der Kuh vom Imre Csató,
Der rotgescheckten, ruf ich dich an.
Neun böse Würmer sind in ihr,
Neun sind es nicht, nur acht,
Acht sind es nicht, nur sieben,
Sieben nicht, nur sechs,
Sechs sind es nicht, nur fünf,
Fünf sind es nicht, nur vier,
Vier sind es nicht, nur drei,
Drei sind es nicht, nur zwei,
Zwei sind es nicht, nur einer,
Einer nicht, nur keiner,
Keiner und von dieser Stund
Ist des Csatós Kuh gesund.

Es gab kaum eine Krankheit, für die man nicht eine Beschwörungsformel bereit hatte. Bekam jemand ein Gerstenkorn am Auge, dann versuchte man es mit den Worten zu verscheuchen: „Scher dich, Gerstenkorn, denn ich mäh dich, dresch dich, mahl dich, back dich, eß dich!“ Einen gebrochenen oder verrenkten Fuß heilte man mit dem Spruch: „Knochen zu Knochen, Blut zu Blut und Fleisch zu Fleisch, wie ihr wart, so fein sollt ihr wieder sein!“ Zahnschmerzen versuchte man mit einem kleinen Vers zu vertreiben:

Neumond, neuer König,
Muß mit hohlem Zahn dich grüßen –
Jesus Christus sei gepriesen!

Gesichtsrose besprach man in der Tiefebene wie folgt

Trockner Tag, der Kopf tut weh,
Bleib nicht, Kopfschmerz, sondern geh,
Geh, verlaß den Armen bald,
Kriech in einen Baum im Wald.
 
{G-739.} Jesus, Herr im Himmel dort,
Höre auf mein bittend Wort.
Ich kann dich nur preisen, loben,
Doch die Heilung kommt von oben.

311. Siebdrehen

311. Siebdrehen
Beregújfalu, ehem. Kom. Bereg, Sowjetunion

Man unterschied zwischen Krankheiten, die auf bösen Blick oder Verwünschung zurückgingen, und Krankheiten, die der Schreck hervorgerufen hatte. Letztere wurden von den Bleigießerinnen behandelt. Der Schreck konnte nämlich zu vielen Krankheiten führen, und die Bleigießerin mußte aus dem gegossenen Blei herausfinden, wer oder was den Schreck verursacht hatte. Hatte das gegossene Blei zum Beispiel die Gestalt eines Hundes, so war die Ursache klar und die Krankheit damit auch schon geheilt.

Die gefährlichste Krankheit für Tier und Mensch war die Tollwut; sie wurde von speziellen Tollwutheilkundigen behandelt, die weithin bekannt waren. Ihr Wissen und ihre Praktiken vererbten sich meist innerhalb der Familie vom Vater auf den Sohn. Ihre Heilverfahren hielten sie strengstens geheim, denn wenn sie bekannt wurden, verloren sie Kraft und Wirkung. Der wichtigste Bestandteil ihrer Medizin war das Kantharidenpulver, das sie meistens mit Schnaps verabreichten. Die Rinder wurden bei Tollwutgefahr durch den Rauch von {G-740.} verbranntem Kantharidenpulver getrieben; blieb ein Tier stehen und weigerte sich, durch den Rauch zu gehen, dann hatte es die Krankheit bereits in sich und mußte getrennt von den anderen kuriert werden.

Verwünschungen konnten durch verschiedene Methoden abgewehrt werden. Auch hierbei spielte das Räuchern eine besondere Rolle. In einem Strohfeuer wurden neun Maiskolben, drei Bohnen, drei Knoblauchzehen, die Schalen von drei Kartoffeln, eine Handvoll Zucker und ein wenig Weihrauch verbrannt, dann zog man das verwunschene Kind über Kreuz durch den Rauch und hatte den Bann gebrochen. Um die Verhexung durch den bösen Blick aufzuheben, wurde das Kind vor Sonnenaufgang in Milch gebadet. War es ein Mädchen, das geheilt werden sollte, gab man die Milch nach dem Bad einer Hündin, war es ein Junge, bekam sie ein Rüde. Von Nutzen war es auch, den Kranken in einem Sud aus Blättern von neun verschiedenen Obstbäumen zu baden; das Badewasser mußte dann rückwärts gen Westen ausgeschüttet werden.

Einen breiten Raum im Volksglauben nahmen die vorbeugenden Handlungen ein, die Verwünschungen, Krankheiten und Unglück fernhalten sollten. Um vor Verwünschungen sicher zu sein, legte sich die Braut Geld in den Schuh, die schwangere Bäuerin legte sich unter ein Spinnennetz. Um kleine Kinder gegen den bösen Blick zu schützen, band man ihnen ein rotes Bändchen um den Arm. Wer etwas zum erstenmal im Jahr aß, tat gut daran, zuvor den kleinen Vers zu sagen:

Neuigkeit in meinem Magen,
Krämpfe sollen die Herren plagen.

Nach der Ernte ließ man einige Getreidehalme auf dem Feld, damit die Vögel nicht die Ernte des nächsten Jahres zugrunde richteten. Einem neugeborenen Fohlen wurden einige Roßhaare vom Schweif des Muttertieres um den Hals gebunden, das sollte es vor Verwünschungen schützen.

Die abwehrenden Handlungen waren immer gegen eine akute Gefahr gerichtet. So stellte man zum Beispiel bei Gewitter die Backschaufel und den Schürhaken vors Haus, damit es nicht vom Blitzschlag getroffen wurde. Bis in die Gegenwart hielt sich in vielen Orten der Glaube, daß Sturmläuten Flur und Dorf vor Hagel bewahren könne.

312. Was sagen die Bohnen?

312. Was sagen die Bohnen?
Gajcsána, Moldau (Egyházaskozár, Kom. Baranya)

Die bäuerliche Glaubenswelt trat, ihrer gesellschaftlichen und ökonomischen Grundlagen beraubt, angesichts der rationalen Erkenntnisse in den Hintergrund. Daß sie nicht ganz verschwunden ist, zeigt sich in Redensarten der Umgangssprache. Wenn man sich zum Beispiel das Verhalten eines Menschen nicht erklären kann, dann heißt es, „der Teufel ist in ihn gefahren“; wenn jemand seine Arbeit gut und schnell erledigt, sagt man, er ist megtáltosodott (Zauberfex geworden). Und so könnten noch viele solcher scherzhaft gebrauchten Redewendungen aufgezählt werden, in denen doch auch Reste des einstigen Volksglaubens bis in unsere Zeit erhalten geblieben sind, und zwar nicht nur auf dem Lande, sondern auch unter der Stadtbevölkerung. Noch heute zeigen zum Beispiel viele dem Neumond ihr Geld mit den Worten: „Komm zu mir, samt Vater und Mutter“, ein Wunsch, ihr Geld möge sich {G-741.} mit zunehmendem Mond vermehren. Für geschenkte Medizin darf man sich nicht bedanken, sonst nützt sie nichts. Stich- oder Schneidewerkzeuge soll man nicht verschenken, sonst wird die Freundschaft zerschnitten. Kommt es doch zu einem solchen Geschenk, muß der Schenkende dem Beschenkten damit in den Finger stechen, dann ist jegliches Unglück abgewendet. Montags soll man möglichst kein Geld ausgeben. Der erste Käufer wird noch heute von den Marktfrauen in Budapest besonders geehrt, denn er bringt Glück, vor allem, wenn {G-742.} es ein Mann ist; als erstes frühmorgens einer Frau zu begegnen, ist kein gutes Vorzeichen. Das beherzigen auch die Jäger und Angler. Wenn jemand schon einmal aus der Haustür getreten ist, sollte er, bloß weil er etwas vergessen hat, nicht wieder umkehren, sonst ist ihm das Glück an diesem Tag nicht hold. Zieht man dagegen ein Kleidungsstück verkehrt herum an, bringt das Glück; auch Spinnen sollen Glück bringen, man darf sie nicht töten. Es ist nicht gut, etwas mit lauten Worten zu loben, man soll es nicht „berufen“. Wenn sich jemand an einem neuen Ort schlafen legt, muß er vor dem Einschlafen die Ecken des Zimmers zählen, damit seine Träume in Erfüllung gehen. Eine schwarze Katze, die ihm über den Weg läuft, kann sogar einen Kraftfahrer bange machen.

Diese wenigen Beispiele sollen nur verdeutlichen, wie stark die Glaubenswelt der Vergangenheit in Sprache und Gewohnheiten lebendig ist, auch bei denen, die es nie zugeben würden, an solche Dinge im Ernst zu glauben.