Die Großbauern

Eine markante Figur des ungarischen Dorfes war der Großbauer oder, wie er in der Tiefebene regional genannt wurde, der Dorfpascha (Basaparaszt). Die Entstehung dieser Schicht hat bereits zur Zeit der Leibeigenschaft eingesetzt, da nämlich einzelne Bauernfamilien trotz der feudalen Bindungen ihren mobilen und immobilen Besitz bedeutend zu vermehren vermocht hatten. In der Ungarischen Tiefebene konnte der Wohlstand vor allem durch vermehrten Viehbesitz vergrößert werden, während er in anderen Gebieten durch Landkauf und -verkauf vermehrt wurde. Nach der Aufhebung der Leibeigenschaft nahmen die Möglichkeiten der kapitalkräftigen Großbauern noch zu. Ihren immer größer werdenden Landbesitz ließen sie nicht mehr nur von Tagelöhnern, sondern auch von ständigem Gesinde bestellen. In der Mehrzahl der Fälle wurde das Gesinde hier noch mehr ausgebeutet als durch Großgrundbesitzer, schon allein weil die Großbauern, die sich ständig auf ihrem Hof oder Feld aufhielten, nicht duldeten, daß jemand verschnaufte oder herumstand; da mußte unentwegt gearbeitet werden.

{G-84.} Ein bedeutender Teil der Großbauern lebte auch weiterhin in der Großfamilie, zumal es auf dem Bauernhof reichlich Arbeit gab. Außerdem war es auch notwendig, daß die Familienmitglieder mit dem Gesinde zusammen arbeiteten, um dessen Arbeit ständig zu kontrollieren. Das Haus des Großbauern unterschied sich mehr in der Größe als in der Form von den traditionellen Wohnhäusern des Dorfes. Die Wirtschaftsgebäude waren je nach den Erfordernissen auch größer, damit die reichlichere Ernte und der größere Viehbestand aufgenommen werden konnten. Unter den Bauern waren die Großbauern die ersten, die neue, bessere und teurere Arbeitsgeräte und später Maschinen einsetzten, um so die Ernteerträge erhöhen zu können.

In den Hauptmerkmalen ihrer Kultur und Tradition stimmten die Großbauern mit den übrigen Schichten der Bauernschaft überein. Auch ihre Kleidung war ähnlich, höchstens für die Festkleider kauften sie besseren und teureren Stoff. Die Schicht der Großbauern stand der Dorfintelligenz am nächsten. So verheirateten sie ihre Töchter gern mit einem Lehrer oder einem Geistlichen, an deren Lebensformen sie sich zu orientieren suchten. Deshalb tauchten auch zuerst bei den Großbauern neuartige Möbel auf, deshalb trennten sich die Frauen der Großbauern am frühesten von der Volkstracht, und auch in der Küche übernahmen sie gern die Neuerungen der Herrschaften. Im großen und ganzen hat die Schicht der Großbauern am ehesten mit einem Teil der Traditionen gebrochen.

Aus den Reihen der Großbauern gingen die Dorfoberen, die Gemeindevorstandsmitglieder, die Dorfschulzen und andere Amtsträger hervor, was zum Teil auch darauf zurückzuführen war, daß sie am ehesten Zeit für die Erledigung öffentlicher Angelegenheiten erübrigen konnten. Andererseits schlossen sie sich gern den von Berufs wegen führenden Personen des Dorfes an. Auf diesem Weg konnten sie auch die unmittelbaren Interessen ihrer Familie gut vertreten.