{G-87.} Die Deputanten

Schon seit Jahrhunderten erhielten die landlosen Landarbeiter für ihre Arbeit in der Landwirtschaft vor allem einen bestimmten Ernteanteil. Richtig zur Entfaltung kam diese Art der Entlohnung erst nach der Aufhebung der Leibeigenschaft, als der kapitallose Großgrundbesitzer auf einmal seine Frondienstleute verlor. Ihm blieb keine andere Wahl, als zur Getreideernte, zum Maisanbau und zur Maisernte und später zum Anbau der verschiedenen Handelsgewächse Deputanten einzustellen. Daraus entstand eine Verflechtung der Beziehungen, die den Arbeiter in seiner Bewegungsfreiheit behindern und so stark wie möglich an einen Ort binden sollte.

Im 18. Jahrhundert erhielten die Deputatschnitter noch ein Sechstel bis Siebtel des Ertrages, Ende des 19. bis Anfang des 20. Jahrhunderts sank das Deputat für die Schnitter und Garbenbinderinnen auf ein Zehntel bis Elftel. Von der Mitte des vergangenen Jahrhunderts an wurden die Arbeitsbedingungen auf den großen Gütern schriftlich festgelegt. Solche Schnitterverträge wurden meist bereits im Februar zwischen dem Vorschnitter (Bandenführer), der im Namen der Schnitter verhandelte, und dem Verwalter des Gutes geschlossen. Im Vertrag wurde die ausgehandelte Höhe des Schnitteranteils festgehalten, weiterhin wie und innerhalb welcher Zeit die Arbeit durchzuführen war. Erkrankte jemand, wurde er entlassen und erhielt höchstens die bereits geleistete Arbeit bezahlt. Für das Trinkwasser sorgte der Arbeitgeber, doch in die Krüge abfüllen und verteilen mußten es die Arbeiter selbst. Wenn die Getreidepuppen vom Sturm durcheinandergewirbelt wurden, mußten sie von den Schnitterkolonnen so oft wieder aufgestellt werden, wie dies erforderlich war.

Die Form der Beköstigung war unterschiedlich. Auf den Gutshöfen wurde im allgemeinen das sogenannte Gedinge zugeteilt, das heißt, wöchentlich wurden Brot, Speck, Mehl, Gemüse, eventuell Schmalz und Essig in unterschiedlicher Menge ausgegeben und Branntwein in jedem Fall, in einigen Gegenden auch Wein. Von den Lebensmitteln kochte die Schnitterköchin das Mittagessen, und in einigen Fällen bereitete sie auch das Abendbrot. Anderswo wurde es zur Gewohnheit, daß der Gutsbesitzer selbst kochen ließ, doch da er hiermit die Möglichkeit hatte, die Landarbeiter zu betrügen, nahmen diese lieber das in Naturalien ausgehändigte Gedinge an. Die Versorgung mit warmem Essen blieb eher bei den Groß- und Mittelbauern erhalten, die den ein bis zwei Schnitterpaaren, die ihnen bei der Ernte halfen, in der Regel dieselbe Verpflegung gaben, die sie sich selbst gönnten.

Die Getreideernte dauerte im allgemeinen zwei bis vier Wochen, und da mit der Arbeit gewöhnlich schon vor Morgengrauen begonnen wurde, gingen die Schnitter nur, wenn die Felder nicht weit vom Dorf entfernt lagen, zum Schlafen ins Dorf oder auf den Gutshof nach Hause. Meistens schliefen sie im Freien, wenn sie nicht gerade in einem nahe gelegenen Einödhof Unterschlupf fanden. Auf den Gutshöfen wurde für diese Zeit irgendein Stall geräumt, und hier schliefen die Schnitter auf Stroh.

23. Kätnerfrau

23. Kätnerfrau
Öszöd, Kom. Somogy

Der Vertrag wurde auf verschiedene Weise geschlossen. So verpflichteten {G-88.} sich manche Gruppen vertraglich nur zur eigentlichen Schnitterarbeit, die mit dem Garbenaufstellen abgeschlossen war. Andere wiederum übernahmen auch die eigentliche Einbringung der Ernte, sie halfen beim Beladen der Leiterwagen und auch beim Einschobern. Es kam aber auch vor, daß im Anschluß an die Ernte und das Getreideeinbringen der Drusch (mit Flegeln oder Pferden) und später auch der maschinelle Drusch übernommen wurde, was den Schnittern eine gewisse Mehreinnahme garantierte.

Die Getreideernte mußte innerhalb einer bestimmten Zeit abgeschlossen sein, weil sonst die Körner ausgefallen wären, was für den Gutsbesitzer einen großen Verlust bedeutet hätte. Wiederholte Male traten die Schnitter unmittelbar vor Beginn oder während der Ernte in den Streik, um ihre Rechte durchzusetzen und sich ein höheres Deputat zu erkämpfen. Derartige Streiks wurden von Gendarmen niedergeschlagen, die Aufwiegler verhaftet und eingekerkert, bis die anderen, eingeschüchtert, die Arbeit wieder aufnahmen. Die Gutsbesitzer hatten {G-89.} seit dem Ende des vergangenen Jahrhunderts einen gewissen Respekt vor den Schnitterstreiks und versuchten deshalb, die Arbeiter auf verschiedene Weise an sich zu binden, unter anderem, indem sie sie am Maisanbau beteiligten.

Das Maisdeputat bekam im allgemeinen aber nur derjenige, der bei der Getreideernte mitarbeitete. Die Größe des Maisfeldes hing von den Umständen ab und machte 1 bis 2 Hektar aus. Das Feld wurde vom Gutsbesitzer gepflügt und besät und dann dem Landarbeiter anteilmäßig übergeben, der den Mais dreimal hackte, die Kolben abbrach, die Ernte einbrachte und die abgeschnittenen Maisstengel in Puppen aufstellte. Für diese Arbeit erhielt er früher die Hälfte der Ernte als Entlohnung, dann ein Drittel und später ein Viertel. Wer allerdings am Schnitterstreik teilnahm, dem wurde das Maisfeld weggenommen, was gleichbedeutend damit war, daß er im nächsten Winter kein Schwein mästen konnte.

24. Deputatschnitt, um 1910

24. Deputatschnitt, um 1910
Tiefebene

Von der Jahrhundertwende an war die Anpflanzung von Produkten, die sich industriell verwerten ließen (insbesondere Zuckerrüben), auf dem Großgrundbesitz sehr verbreitet. Die Großgrundbesitzer versuchten, die damit verbundene Tagelöhnerarbeit möglichst zu verbilligen. Deswegen schlossen sie mit den Deputanten, die den Getreideschnitt und die Maisarbeit besorgten, Verträge, demzufolge die Deputanten das ganze Jahr über für den üblichen Tagelohn jedwede Arbeit zu verrichten hatten, sofern es der Gutsbesitzer beziehungsweise der Verwalter für notwendig erachtete. Das bedeutete, daß der Landarbeiter nirgendwo {G-90.} eine eventuell besser bezahlte Arbeit übernehmen konnte, weil die Herrschaft den Vertrag mit ihm löste, falls er bei Anforderung nicht sofort erschien, und ihm damit seine Existenzgrundlage entzogen war.

In dem Vertrag war allerdings außer den oben aufgeführten Punkten auch noch festgelegt, daß der Deputant verpflichtet war, an einigen Tagen jedwede vom Arbeitgeber genannte Arbeit unentgeltlich zu verrichten. Während dieser Zeit bekam er weder Bezahlung, das heißt Tagelohn, noch Essen. In diesen Arbeitsverträgen, insbesondere im sogenannten „Abarbeiten“, in der unentgeltlichen Arbeit, läßt sich leicht die Fortsetzung der feudalen Fronarbeit erkennen. Die Deputatschnitter hatten im allgemeinen ein bis zwei Tage unentgeltlich zu dienen, und diese Zeit leisteten sie meist mit der Einbringung der Halmfrüchte ab. Die unentgeltliche Arbeit auf den Maisfeldern wurde wesentlich höher angesetzt. In der Tiefebene schwankte diese Verpflichtung pro Katastraljoch zwischen ein und drei Tagen, doch betrug sie in einigen westungarischen Komitaten auch eine ganze Woche. Ihr Deputat transportierten die Arbeiter nach dem Drusch auf gemeinsam gemieteten Fuhrwerken nach Hause, den Fuhrpreis zahlten sie anteilmäßig; manchenorts gelang es, die Heimfuhre auf den Gutshof abzuwälzen.

Abends, doch oft auch in der Mittagspause wurde bei den Deputatschnittern viel gesungen. Besonders liebten sie die Schnitterlieder. Gern hörten sie Märchen, Sagen, Geschichten oder Erlebnisse aus der Soldatenzeit, und derjenige, der besonders viel und farbig zu erzählen wußte, genoß großes Ansehen.

Die Schnitter arbeiteten unter der Führung eines Vorschnitters oftmals Jahrzehnte zusammen, und sie hielten nicht nur in der Arbeit zusammen, sondern auch im täglichen Leben, im Dorf und bei Vergnügungen.