{G-107.} Die Gemeinschaftsarbeiten und Zusammenkünfte

Oben haben wir bereits einige Arbeiten beschrieben, die auf den Guts- und Bauernhöfen gegen Geld und Deputat verrichtet wurden. Wir haben auch die Arbeitsorganisation und -lenkung in der Familie kennengelernt. Im Leben des Dorfes spielte aber außerdem auch die Arbeitsleistung im Interesse des Gemeinwesens oder die auf Gegenseitigkeit beruhende Nachbarschaftshilfe eine große Rolle. Nach getaner Arbeit folgten oft Vergnügungen oder zumindest ein Umtrunk, wodurch eine Verbindung zwischen Vergnügen und Arbeit geschaffen wurde und die Teilnahme an einer solchen Gemeinschaftsarbeit anziehend war.

Die für das Dorf, für das Gemeinwesen geleistete Arbeit war eigentlich für jeden Beteiligten von Nutzen. Deshalb verköstigte man sich bei diesen Gelegenheiten auch meistens selbst, höchstens boten die Dorfobrigkeiten den Beteiligten zum Abschluß einen Trunk an. Im allgemeinen beteiligten sich die Männer an derartigen Arbeiten. Im Szeklerland – jedoch auch anderswo – wurde beispielsweise, wenn sich die Wölfe stark vermehrt und in den Viehherden Schaden angerichtet hatten, eine Treibjagd veranstaltet. Dann hetzten die männlichen Dorfbewohner – mit Stöcken, Ästen und Schußwaffen ausgerüstet – die Wölfe den ganzen Tag, bis sie sie zur Strecke gebracht oder in die Nachbarflur vertrieben hatten.

33. Beim Mähen

33. Beim Mähen
Szék, ehem. Kom. Szolnok-Doboka, Rumänien

34. Frühstückspause währen des Maisbrechens

34. Frühstückspause währen des Maisbrechens
Átány, Kom. Heves

Eine ähnliche gemeinsame Arbeit war die Instandhaltung der Weidegründe. Zum Frühjahrsanfang zogen die Männer aus, um die Maulwurfshügel einzuebnen, die Büsche zu roden, das dürre, stachlige Unkraut zu jäten, die Brunnen und Viehtränken auszubessern und in den Gebirgsgegenden die Quellen zu reinigen. Jeder brachte sein {G-108.} Essen selbst mit, lediglich Getränke stellte der Gemeindevorstand oder die Weidegenossenschaft. In ähnlicher Weise sorgte die Gemeinde in der Frühjahrsperiode auch für die Instandhaltung der Feldwege und Pfade.

An vielen Orten verfügten das Dorf und die Kirche auch über ein mehr oder weniger großes Stück Land, das die Ortsbewohner gemeinsam bestellten und abernteten. Der Gewinn wurde für gemeinnützige Ausgaben verwendet. (In ähnlicher Form wurde der Boden, der den Dorfvorständen und dem Pfarrer zugewiesen worden war, von der Dorfgemeinde gemeinsam bestellt. Für die Einbringung der Ernte jedoch mußte der Nutznießer selbst sorgen.) Arbeitete die Gemeinde für Amtspersonen, war es üblich, den Beteiligten Essen und Trinken anzubieten.

Wichtiger als die oben angeführten Arbeiten aber waren hinsichtlich ihrer Verbreitung und ihrer wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedeutung vor allem die mit gegenseitiger Hilfeleistung bewältigten Privatarbeiten. Derartige Zusammenkünfte wurden außer segítség (Hilfe) im ostungarischen Sprachraum auch noch kaláka, anderswo móva oder koceta genannt, worunter immer eine mit vereinten Kräften ausgeführte Arbeit zu verstehen ist. Von den Arten der gegenseitigen Hilfe, die sich auf zahlreiche Bereiche und auf nahezu alle Gebiete des wirtschaftlichen Lebens erstreckte, wollen wir an dieser Stelle nur einige nennen.

Der Hausbau. Er wurde in freiwilliger Hilfe gemeinschaftlich {G-109.} durchgeführt, was in ganz Ungarn allgemein verbreiret war und auch heute noch vielerorts üblich ist. Beim Heranschaffen der Baustoffe half man durch Fuhren, und nachdem der Bauer den Beginn der Arbeit bekanntgegeben hatte, erschienen zuerst diejenigen, die sich zum Ausschachten des Fundaments bereit erklärt hatten. War das Fundament gelegt, wurde das Gelingen der Arbeit „begossen“. Dann zog man die Mauern hoch und errichtete die Dachkonstruktion. War der Dachstuhl aufgesetzt, hielt man das Richtfest ab. Dieser Brauch lebt auch heute noch sogar in der Stadt fort. Der Bauer notierte sich die Namen der Helfer, wußte er doch, daß er die geleistete Hilfe mit der gleichen Anzahl von Arbeitstagen erwidern mußte. War das Haus endgültig fertig, kam es zum größten Fest, der Hauseinweihung, wozu die Helfer eingeladen wurden. Auf dem Speisezettel standen meistens Paprikasch oder Gulasch vom Schwein, wonach ein guter Wein gereicht wurde. Bei einer solchen Gelegenheit sang man gemeinsam, und es wurde in Trinksprüchen auch um Gottes Segen gebeten.

Das gemeinsame Feststampfen des Fußbodens im Haus beziehungsweise in der Scheune hieß im Szeklerland kaláka. Hieran beteiligte sich vor allem die Jugend. Im Takt eines Liedes gingen sie, langsame Stampfbewegungen ausführend, durch das ganze Haus, um den geglätteten Fußboden möglichst fest zu stampfen. Aus dieser Bewegung entwickelte sich einer der bekannten Szeklertänze, dessen Bezeichnung auf seinen Ursprung verweist: csûrdöngölõ (Scheunenstampfer, etwa: Schuhplattler).

35. Kartenspieler

35. Kartenspieler
Méra, ehem. Kom. Kolozs, Rumänien

{G-110.} Von den landwirtschaftlichen Arbeiten erfolgte die Heumahd großenteils in gegenseitiger Hilfeleistung, so unter anderem im Kalotaszeg, Siebenbürgen. In dieser Zeit zog das ganze Dorf hinaus, und der Reihe nach wurden die Heuwiesen der Beteiligten gemäht. Die Männer mähten das Gras, während die Frauen die Schwaden wendeten und zusammenharkten. Das Aufschobern und schließlich das Einbringen gehörte wieder zu den Pflichten der Männer.

Angefangen vom Mistfahren wurden beim Ackerbau viele Arbeiten gemeinschaftlich durchgeführt. Der Mist wurde mit dem Wagen aufs Feld gefahren, erst von dem einen Hof, dann von dem anderen, und die Helfer wurden gegenseitig bewirtet. In Gebirgsgegenden schleppte man den Mist auf dem Rücken die steilen Felder hinauf. Im Gegensatz zu den sonstigen Arbeiten – Aufladen, Fahren, Abladen – gehörte das Tragen auf dem Rücken vorrangig zu den Aufgaben der Frauen.

36. Abendliches Stallgespräch

36. Abendliches Stallgespräch
Átány, Kom. Heves

Bei der Getreideernte halfen sich nur die kleineren Bauern gegenseitig. Im Szeklerland war bis in die letzte Zeit die sogenannte aratókaláka {G-111.} (gegenseitige Erntehilfe) Brauch. Der Bauer sprach die ausgewählten Helfer bereits Tage vorher an. Gemeinsam zogen sie hinaus auf die Felder und leisteten den ganzen Tag über Schnitterarbeit, ohne sich dabei jedoch übermäßig anzustrengen. Für Essen und Trinken kam der Bauer auf. Abends erwartete die Helfer im Hause des Bauern ein warmes Abendessen. Man blieb noch einige Stunden zusammen und tanzte.

Das Dreschen und das Einbringen der Kartoffel- und Maisernte sowie beinahe sämtliche Phasen der Hanf- und Flachsverarbeitung erfolgten in kollektiver Arbeit. Bewirtung und Vergnügung spielten hierbei eine bedeutende Rolle. Oftmals waren sie der eigentliche Sinn und der wichtigere Teil der gemeinsamen Unternehmung.

So fehlte bei der Weinbergwache der Mädchen in Südwestungarn der Arbeitscharakter bereits nahezu völlig. Zum Beginn der Reifezeit der Weintrauben zogen die Mädchen in die Weinberge und schreckten die Vögel durch Geschrei und Gesang ab. Oft sangen sie auch sogenannte „Kuppellieder“, die von den in der Nähe lauschenden Burschen gern gehört wurden, weil aus den Liedtexten, in denen der Name des Liebespaares erwähnt wurde, hervorging, für wen das Herz eines Mädchens schlug. In der Gegend von Sárköz (Sárinsel) zogen die Mädchen nach dem sonntäglichen Gottesdienst in Reihen hinaus in die Weinberge. Bis zum Tor durften auch die Burschen sie begleiten. Von da an durfte die Grenze der Weingärten eine Woche lang von niemandem mehr überschritten werden. Für die Beköstigung der Mädchen sorgte ein jeweils Auserwählter, der zur Dämmerung seinen Korb mit dem Essen für den nächsten Tag füllte. Am Tor oder am Graben übergab er ihn einem wartenden Mädchen, von dem er sich nach einer kurzen Unterhaltung trennen mußte.

Eine andere Form, bei der Arbeit Hilfe in Anspruch zu nehmen, beruhte schon nicht mehr auf dem Gleichheitsprinzip. Die Mehrheit der landarmen Bauern besaß keine Zugtiere, so daß sie ihre Felder nicht selbst pflügen konnten. Dies besorgte irgendein Gespannbauer oder ein Fuhrunternehmer für sie. Pro Katastraljoch mußte der Bauer als Gegenleistung vier bis sechs Tage Landarbeit zu Fuß verrichten. Auf die gleiche Weise wurde die Ernte eingebracht, was für die Masse der landarmen Bauern eine besondere Belastung war. Ein abschließendes Vergnügen und gemeinsames Essen konnten sie sich nicht erlauben. Als die ersten Kornreinigungsmaschinen mit Handantrieb aufkamen, wurden sie von den Unternehmern gekauft und unter der Bedingung verliehen, daß der Betreffende für die Reinigung einer bestimmten Menge Korn einen oder mehrere Tage seine Arbeitskraft zur Verfügung stellte.