{G-180.} Wirtschaftsbauten des Bauernhofes

Nachdem wir das Wohnhaus von innen und außen betrachtet haben. wollen wir uns die verschiedenen Bauten auf dem Hof ansehen. In einigen war das Vieh untergebracht, in anderen lagerten die Feldfrüchte, und wieder andere – manchmal auch Stall oder Scheune – waren Arbeitsräume.

Das größte landwirtschaftliche Gebäude war die Scheune, im westlichen Teil des ungarischen Sprachgebiets pajta, im östlichen Teil csûr genannt. Man findet sie meist in Landschaften, in denen die Getreideernte aufgrund der klimatischen Verhältnisse nicht lange im Freien lagern konnte, beziehungsweise dort, wo das Getreide mit Flegeln gedroschen und nicht durch das Vieh ausgetreten wurde. In der Tiefebene wurden also keine Scheunen gebaut und im östlichen Teil Westungarns auch seltener als nahe der Westgrenze; in der Kleinen Tiefebene ist die Scheune erst seit einigen Jahrhunderten bekannt. Wirklich beheimatet ist sie im Palotzenland und den südlich anschließenden Landstrichen, ferner an der ungarischen Westgrenze sowie in Siebenbürgen.

Form und Funktion der Scheune wechselten je nach der Gegend. Hier sollen nur einige beschrieben werden.

Im Landstrich Göcsej (Westungarn) bestand die Scheune meist aus drei Teilen; es gab auf Pfosten stehende offene und auch geschlossene Scheunen. Der Mittelraum, die Tenne, war so groß, daß er einen beladenen Wagen aufnehmen konnte. Hier wurde das Getreide gedroschen, während im kleineren Scheunenteil (pajtafia) das Korn lagerte. Seit dem Übergang zum Mähdrusch wird dieser Teil hauptsächlich zur Lagerung von Futter genutzt. Geschlossene Scheunen standen auf dem Hof. Das Dach über dem Mittelteil war gebogen, so daß der Dachraum besser ausgenutzt werden konnte. Gedeckt war die geschlossene Scheune mit einem Schauben-Walmdach, wie früher auch das Wohnhaus.

Im Komitat Somogy wurden die Getreidescheunen in 600 bis 800 m Entfernung rund um die Siedlung im sogenannten Scheunenhof aufgestellt. Sie standen auf mächtigen Grundschwellen und waren 12 bis 15 m lang und 6 bis 7 m breit. Das Gerüst wurde mit Flechtwerk ausgefüllt und häufig mit Lehm beworfen. Der zumeist durchgehende Innenraum war an den Längsseiten durch je ein Tor erschlossen, das sich auf einem Holzklotz drehte; die Torfüllung bestand aus Rutengeflecht, das Dach aus Schindeln. Einst brachte man vom Feld die Garben hierher und schichtete sie so, daß in der Mitte Raum für den Wagen blieb. Nachts hüteten die Burschen das Getreide. In dieser Gegend war es üblich, das Getreide vor der Scheune durch das Vieh austreten zu lassen. Damit war man in der Regel im September fertig, so daß danach nur noch Stroh und Heu in der Scheune aufbewahrt wurden. Seit dem Einzug der Dreschmaschine um die Jahrhundertwende diente die Scheune zur Lagerung von Heu und anderem Futter, das man im Winter mit dem Wagen oder auf dem Schlitten in der jeweils notwendigen Menge für das Vieh ins Dorf schaffte.

78. Scheune in Ständer-Bohlenbauweise

78. Scheune in Ständer-Bohlenbauweise
Csurgó-Nagymartoner Weinberg, Kom. Somogy

Im Bakonygebirge gab es ebenfalls Scheunen von 12 bis 17 m Länge und 7 bis 8 m Breite. Die kleineren, primitiveren Formen wurden in der Längsachse des Hauses – gleichsam als dessen Fortsetzung – gebaut, {G-181.} während die größeren im rechten Winkel zum Haus standen und den Hof nach hinten abschlossen. Erstere wurden auf Holzschwellen, letztere eher auf Steinsockeln errichtet. Bei einem Holzsockel bestanden die Wände aus Rutengeflecht; beim Steinfundament wurden auch die Wände meistens aufgemauert und beidseitig durch Brettertüren verschlossen. Das Satteldach hatte häufig einen Vorsprung zum Hof hin, unter dem die Spreu gelagert wurde. Manchmal verlängerte man die Unterfahrt so weit zum Hof hinaus, daß dort ein Wagen Platz fand und an der Wand Arbeitsgeräte aufgehängt werden konnten. Auch im Bakony diente die Scheune vor allem als Lagerraum und Druschplatz für Getreide, erst in neuerer Zeit wird auch Futter in der Scheune gelagert. Größe und Bauweise der Scheune gaben über die Vermögenslage des Bauern Auskunft.

Abb. 43. Grundriß eines geschlossenen Schuppens.

Abb. 43. Grundriß eines geschlossenen Schuppens.
Göcsej, Kom. Zala, Anfang 20. Jahrhundert.
1. Tenne; 2. Nebenschuppen; 3. Scheune

Bei den Palotzen wurden die meisten Scheunen aus Holz gebaut. Das Fundament bestand aus großen Steinen, über die Schwellen gelegt wurden. An den Ecken senkrecht verzapfte Ständer trugen das umlaufende Gebälk. Die Seitenwände bestanden entweder aus Holzriegeln oder Bohlen; das Strohdach ruhte auf Sparren. Die Scheune war zwei- oder dreigeteilt. Den größeren Teil bildete die Tenne (szérû) auf der das Getreide gedroschen wurde. Die Tenne war in der Regel beidseitig offen, erst in neuerer Zeit erhielt die Scheune Lattentore. Über der Tenne lagen Querbalken; dadurch entstand der Tennenhals (szérûtorok), wo das wertvollste Futter gelagert wurde. Ein anderer Teil der Scheune, der Speicher (csûrág) hieß, nahm das ungedroschene Getreide auf. Mancherorts gab es in diesem Teil noch einen Verschlag (fiók), in dem eine kleine Werkstatt mit einer Hobelbank und allen notwendigen Arbeitsgeräten eingerichtet war. Hier fertigte und reparierte man Heugabeln, Rechen und andere hölzerne landwirtschaftliche Geräte.

Abb. 44. Grundriß einer Scheune mit zwei Lagerräumen.

Abb. 44. Grundriß einer Scheune mit zwei Lagerräumen.
Nyíri, Kom. Abaúj, Ende 19. Jahrhundert

Östlich des Palotzengebietes, im Hegyköz (Komitat Abaúj), waren die meisten Scheunen dreiteilig. In der Mitte befand sich die Tenne (szérû), die zu beiden Seiten durch eine 150 bis 180 cm hohe Wand {G-182.} von den Bansen (fiók) getrennt war. Über der Tenne lag der Scheunenhals als Speicherraum für Futter. Die Scheunentenne war vorn und hinten durch Tore verschlossen, auf die man jedoch verzichtete, wenn es üblich war, den Wagen in der Scheune unterzustellen. Die Scheune stand im rechten Winkel zum Wohnhaus, am Ende des Hofes; dahinter lag der Obst- und Gemüsegarten. Durch Öffnen beziehungsweise Schließen der Scheunentore regulierte man den Luftstrom, unter anderem zum Worfeln des gedroschenen Getreides. Die Scheunen hatten Bohlenwände, doch gab es auch Scheunen mit Wänden aus Flechtwerk, die manchmal mit Lehm verschmiert wurden. Später erhielten die Scheunen einen festen Steinsockel, wobei die Wände weiterhin aus Flechtwerk oder Brettern bestanden. Gedeckt wurden sie mit Stroh, nur hier und da mit Schindeln oder Dachziegeln; in neuerer Zeit kommen auch Blechdächer vor. Eine dreiteilige Scheune war im Hegyköz wie anderswo ein Zeichen des Wohlstands; weniger begüterte Bauern hatten nur einen Bansenraum.

79. Scheune mit Ständer-Flechtwand

79. Scheune mit Ständer-Flechtwand
Szenna, Kom. Somogy

80. Getreidespeicher

80. Getreidespeicher
Magyarbóly, Kom. Baranya

81. Scheune und Tenne mit Dachstuhl

81. Scheune und Tenne mit Dachstuhl
Inaktelke, ehem. Kom. Kolozs, Rumänien

{G-183.} Sogenannte Jochscheunen (jármos csûrök) gab es in Siebenbürgen, unter anderem im Kalotaszeg. Den Namen erhielten sie wegen ihrer leichtgeschwungenen, in der Mitte parallel verlaufenden Balken. Sie bestanden aus drei Teilen. In der Mitte befand sich die Tenne, die so hoch war, daß ein beladener Wagen einfahren konnte. Dadurch ließ sich das Heu leichter auf dem Boden (hij) aller drei Scheunenteile abladen. Rechts vom Hoftor der Scheune befand sich in der Regel der Stall (pajta) für das Vieh, der linke Scheunenraum hieß Zelt (sátor) und diente als Speicher und Geräteschuppen. Die wichtigsten Arbeiten auf der Tenne waren der Drusch und die Reinigung des Getreides durch Worfeln. Die Tenne konnte aber auch andere Funktionen erfüllen, so wurde zum Beispiel an Sonntagnachmittagen auf der Tenne getanzt. Die Scheune stand meist am Ende des quadratischen Hofes, im rechten Winkel zum Wohnhaus, so daß das Scheunentor dem Hoftor gegenüberlag. Hatte der Hof nach hinten ein Gefälle, so daß Gefahr bestand, daß die Scheune bei Regenwetter überflutet wurde, baute man sie parallel zum Wohnhaus, manchmal auch dem Haus gegenüber. Die Scheune ruhte auf Bodenschwellen; darauf fußten senkrechte Ständer, sasfa (Adlerholz) genannt, die mit Riegeln oder Bohlen ausgefacht wurden. Der Dachstuhl bestand aus Sparren, {G-184.} an deren Enden man etwa 60 cm lange Stäbe befestigte, die das über ein V-förmiges Holzgerüst gezogene Strohdach trugen: Einige Scheunen hatten auch ein Schindeldach. Zum Hof hin war das Dach verlängert, womit man Raum für verschiedene Ställe gewann (für Schweine, Hühner, aber auch einen Lagerraum für Häcksel).

Abb. 45. Gerüst einer Spannjochscheuer.

Abb. 45. Gerüst einer Spannjochscheuer.
Inaktelke, Kalotaszeg, ehem. Kom. Kolozs, um 1940

Die Scheune der Siebenbürger Szekler war ein großzügiges, ihrem Wohnhaus ebenbürtiges Gebäude. Von den vielfältigen Scheunenformen soll hier die Scheune von Kászon vorgestellt werden. In dieser Ortschaft waren die Scheunen 11 bis 12 m lang und 7 bis 10 m breit. Der mittlere, meist durch ein Tor verschlossene Teil (csûrköze) war mindestens vier Meter breit, sonst konnte man nicht mit dem Dreschflegel arbeiten. Auf einer Seite der Scheune befand sich wiederum der Pferde- und Rinderstall, während die andere Seite (odor) als Getreidespeicher diente. Außen fügten sich noch mehrere kleine Anbauten (Schweinestall, Gänsestall usw.) an. Ebenso wie das Haus wurde auch die Scheune aus rohen Tannenrundhölzern zusammengefügt. Unter den wesentlich dickeren Bodenschwellen lagen an den Ecken große Steine. Der Mittelteil der Scheune besaß eine Dielung aus 8 bis 10 cm dicken Brettern, so daß beim Dreschen kein Korn verlorenging. Der Stall war kaum zwei Meter hoch; darüber befand sich der Heuboden, der im Winter die Wärme im Stall hielt. Das Vieh stand an der kürzeren äußeren Seite. Das Scheunendach wies eine Sparrenkonstruktion auf und war mit Schindeln gedeckt. Das Lattentor drehte sich um hölzerne Stifte und hatte einen mächtigen Holzriegel, damit das {G-185.} Lagergut unter Verschluß war und die Kinder keinen Schaden anrichten oder gar die Scheune in Brand stecken konnten.

Alle hier beschriebenen Scheunen aus den verschiedensten Gegenden hatten einen annähernd gleichen Grundriß, auch wenn sich Baumaterial, Form und Dachkonstruktion je nach den örtlichen Gegebenheiten, den wirtschaftlichen Bedürfnissen, Sitten und Gewohnheiten unterschieden. Sie dienten vor allem als Getreidespeicher und Tenne. Außerdem beherbergten sie das wertvollere Futter, vor allem das Heu, eine Funktion der Scheune, die mit dem Aufkommen des Mähdrusches an Bedeutung gewann. Im Osten des ungarischen Sprachraumes, aber auch in anderen Gegenden, diente ein Teil der Scheune als Stall. Ställe für Federvieh und Schweine wurden außen angebaut.

Damit kommen wir zu den Bauten für das Vieh. Früher hießen die meisten Unterkünfte für das Vieh ungarisch ól – ein Wort alttürkischer Herkunft. Später wurde es vom slawischen Lehnwort akol und in jüngerer Zeit von einem italienisch-deutschen Abkömmling, dem Wort istálló, verdrängt. Im allgemeinen Sprachgebrauch nennt man heute den Pferde- und Rinderstall istálló, während ól nur noch den Schweine- oder Geflügelstall bezeichnet.

Abb. 46. Scheune (Grundriß).

Abb. 46. Scheune (Grundriß).
Kászonimpér, ehem. Kom. Csík, 1911.
1. Zwischenscheune; 2. Stall; 3. Getreidespeicher (odor) ; 4. Hühnerstall; 5. Schweinestall

Die einfachste Form der Stallbauten war der Unterstand (állás), der auf Pfosten ruht und vornehmlich Schutz gegen Regen bietet. Der (oft runde) Futtertrog stand in der Mitte. Im Winter wurde an den Seiten des Viehunterstandes Futter, eventuell Dung oder auch Schilf, aufgestapelt, besonders wenn empfindliche Jungtiere vor Kälte geschützt werden mußten. Daraus entwickelte sich wahrscheinlich der Stall mit Seitenwänden, ól genannt.

Eine charakteristische Form dieses Typs war der in der Tiefebene verbreitete heizbare Stall (tüzelõs ól), ein Bau ohne Dachboden, der am längsten auf Wirtschaftshöfen und Einödgehöften üblich war. Er war in der Regel von einer Art Lehmwand umschlossen, und sein Dach bestand aus Schilf, das von unten mit Lehm verkleidet wurde, um die Brandgefahr zu mindern. Das Vieh wurde normalerweise nicht festgebunden, sondern stand nur hinter einem Gatter. Im Stall brannte ein offenes Feuer, an dem sich die Männer wärmten, die hier gewöhnlich abends zusammenkamen, um miteinander zu plaudern. Die Feuergrube wurde bei den Matyós in einer Ecke des Stalls, rechts oder links von der Tür ausgehoben und mit Steinen oder Ziegeln verkleidet. Das war der geeignetste Platz für die Feuerstelle, denn der Rauch konnte schnell durch die Stalltür abziehen. In solchen Ställen gab es eine Lehmbank oder eine primitive Bettstelle auf vier in die Erde gerammten Pfählen (dikó), auf der der Bauer oder sein erwachsener Sohn, zuweilen auch der Knecht schliefen.

Später waren die Ställe weitaus entwickeltere Bauten mit Satteldach und Dachboden, meistens ein Anbau des Wohnhauses. Der Pferde- und der Rinderstall waren äußerlich sehr ähnlich, höchstens hatte der Rinderstall eine breitere Tür, damit das graue ungarische Rind mit seinen breit ausladenden Hörnern bequem hindurchkam. War der Stall groß genug, stand an beiden Schmalseiten je eine Krippe, um Pferde und Rinder auf diese Weise voneinander zu trennen. Wenn möglich, wurden Pferde und Rinder aber in getrennten Ställen {G-186.} untergebracht, denn Pferde brauchen mehr Wärme und werden häufiger gefüttert, was die Rinder nur stört. Auch in diesen Ställen stand eine provisorische Bettstelle (dikó), auf der der erwachsene, unverheiratete Sohn der Familie gern schlief, da so sein Kommen und Gehen weniger kontrolliert werden konnte. Bei wohlhabenderen Bauern schlief der Knecht im Stall, damit er das Vieh unmittelbar unter Kontrolle hatte.

Abb. 47. Schweinekoben auf Balken

Abb. 47. Schweinekoben auf Balken (hidas).
Bény, Kom. Esztergom, Ende 19. Jahrhundert

Weniger einheitlich waren die Schweineställe. Sie wurden oft an die Scheune angebaut – in der Tiefebene an die Maisscheune –, in anderen Gegenden waren es separate Bauten mit Auslauf. In Westungarn und im Oberland, wo es reichlich Holz gab, waren die Schweineställe Meisterwerke der Zimmermannskunst; sie trugen die Bezeichnung hidas (mit Brücke), da der Boden mit dicken Bohlen ausgelegt war. Der Stall stand auf einem Schwellenkranz, in den senkrecht so viele Ständer eingelassen wurden, wie Schweinekoben notwendig waren. In die Ständer wurden Nuten geschnitten, in die man die Bretter einsetzte. Ein solcher Stall konnte leicht zerlegt, transportiert und an einem anderen Ort wieder aufgestellt werden. Der Futtertrog war eingebaut und vorn durch ein Brett verschlossen, das man hochziehen konnte, um von außen den Trog mit Schlempe oder Mais zu füllen.

Für das Geflügel baute man erst in neuerer Zeit Ställe, meistens an der Scheune; sie ähneln manchmal den Schweineställen. In der Tiefebene gab es früher runde Hühnerställe mit Schilfwänden; die Form war dem Hirtenobdach ähnlich, nur eben kleiner. Ansonsten übernachtete das Federvieh auf Bäumen oder im Schuppen. Überall im ungarischen Sprachgebiet gab es Taubenschläge (galambdúc) auf einem senkrechten Pfahl, oben mit einer Eisen- oder Blechplatte, die die Katzen vom Taubenschlag abhalten sollte.

Ferner seien hier noch die verschiedenen Heuspeicher aufgeführt, die früher, als in der Scheune noch kein Platz für das Heu war, größere Bedeutung hatten. Die meisten Heuspeicher bestanden nur aus einem Dach auf Holz- oder Steinständern. Im nordöstlichen Bergland hießen Heuspeicher aus Holz sop; manche von ihnen hatten Bohlen- oder Bretterwände. Im oberen Theißgebiet war ein Heuspeicher namens abora verbreitet, der aus vier kräftigen Pfosten und einem viereckigen Gleitdach bestand, das in seiner Höhe verstellt werden konnte, entsprechend der darunter befindlichen Heumenge.

Abb. 48. Heutrockner

Abb. 48. Heutrockner (abara) mit beweglichem Dach.
Oberes Theißgebiet, Anfang 20. Jahrhundert

Eine der schwierigsten Aufgaben der Bauernwirtschaft war die Kornspeicherung beziehungsweise die Sicherstellung einer Reserve für den Fall einer Mißernte. Kleinstbauern und landlose Landarbeiter hatten es insofern leicht, als ihnen der Dachboden oder die Kammer als Kornspeicher genügte. In der Kammer wurde das Getreide in Truhen (szuszék) oder Kornkästen (hombár) bis zur nächsten Ernte gelagert. Mitunter hatte man dazu runde Fässer aus Weichholz und viereckige geflochtene und mit Lehm überzogene Behälter. Für die Großbauern aus. den Dörfern und Marktflecken der Tiefebene, wo es riesige Getreidefelder gab, reichte all dies natürlich nicht aus. Diese produzierten ja auch für den Markt und speicherten das Getreide in entsprechend großen Räumen mit Vorliebe bis zum Frühjahr, wenn die Preise stiegen.

82. Blockbauscheune mit Strohdach

82. Blockbauscheune mit Strohdach
Székelyvarság, ehem. Kom. Udvarhely, Rumänien

{G-187.} Eine weitverbreitete Form der Getreidespeicherung war die Grubenmiete (verem). Getreidegruben kannte man im ganzen Karpatenbecken, am häufigsten waren sie jedoch in der Tiefebene. Zwei Formen sind bekannt: die viereckige Längsgrube (sírverem), die aber nur in völlig trockenem Boden angelegt werden konnte, und die weitaus sicherere Rundgrube. Die Längsgrube nutzte man bei reicher Ernte für kurze Zeit, da sie nicht vollkommen luftdicht abgeschlossen werden konnte.

Die Rundgruben wurden von speziellen Gräbern (veremvágó) angelegt, die meist im Frühjahr aus dem Oberland in die Tiefebene kamen. Für einen bestimmten Lohn hoben sie den Boden aus und brannten das Grubeninnere so lange mit Stroh aus, bis die Wände fest wie Backstein waren. Nach gründlicher Lüftung wurde die Grube mit frischem Stroh ausgelegt, worauf das Korn eingelegt werden konnte. Es hielt sich jahre-, oft jahrzehntelang in der Grubenmiete, sofern nicht von unten Grundwasser Schaden anrichtete. Auf den Herrschaftsgütern wurden Getreidegruben auch aus Ziegelsteinen gemauert und verputzt. Die Öffnung der Grube verschloß man mit Stroh, Sand und Asche, so daß weder Luft noch Schädlinge eindringen konnten. Mancherorts wurde über die Öffnung eine dicke Schicht Getreide gelegt und begossen, damit die Wurzeltriebe des keimenden Getreides eine dicke, luftundurchlässige Decke bildeten.

Abb. 49. Mieten zum Speichern von Getreide.

Abb. 49. Mieten zum Speichern von Getreide.
1.–2. Pereszteg, Kom. Sopron; 3.–4. Miete in Flaschenform (allgemein); 5. Brunnenschacht in sandigem Gebiet, mit Balken verengte Brunnenöffnung

Die Grube oder auch mehrere Gruben wurden auf dem Hof gegenüber dem Hauseingang, manchmal auch auf der Straße unmittelbar {G-188.} unter dem Fenster angelegt, um Diebe abschrecken zu können. Es wurden auch vielfach alle Gruben an einer Stelle – unterhalb des Dorfes – angelegt und Tag und Nacht von einem Feldhüter bewacht. In den Gegenden der Tiefebene, wo das Grundwasser sehr hoch stand, wurden vom Ende des 18. Jahrhunderts an überirdische Mieten aus Lehm und Schlamm gebaut, die oft 4 bis 5 m hoch waren und an die Rundöfen der Bauern erinnern.

An dieser Stelle sei die im ungarischen Sprachgebiet recht verbreitete, getrennt stehende oder dem Wohnhaus angegliederte Vorratskammer erwähnt, in der Getreide und andere Nahrungsmittel aufbewahrt wurden. Ihre verschiedenen Formen bildeten sich heraus, als die Kammer neben der Küche zur zweiten Wohnstube ausgestaltet wurde. Man baute nun eine gesonderte Vorratskammer an das Haus an, die eine Tür zum Hof hatte und die Funktion eines Lagerraumes erfüllte. In Südwestungarn, bei den Palotzen und in einigen Teilen Siebenbürgens sind die Vorratskammern selbständige Speichergebäude an verschiedenen, jedoch immer gut sichtbaren Stellen des Hofes.

In der südungarischen Ormánság stand der Vorratsspeicher – gemäß dem südlichen Charakter der Gegend – gegenüber dem Haus. Er war vor allem die Schlafstätte des jungen Ehepaars, zugleich aber auch Lagerraum. Später erhielt die zweite Funktion das Übergewicht, und man bewahrte hauptsächlich Kleidungsstücke in dem Raum auf. Auch bei den Palotzen ist die Kammer wahrscheinlich einst ein selbständiges Lagergebäude gewesen, denn dieselbe Form gibt es in den benachbarten slowakischen Gebieten. Ihre Funktionen machten eine ähnliche Entwicklung wie im Ormánság durch, wobei die Kammer hier jedoch später ans Haus angebaut wurde.

Abb. 50. Kammer mit Stockwerk

Abb. 50. Kammer mit Stockwerk (kástu).
Szalafõ, Kom. Vas, 19. Jahrhundert

Ein typischer Kornspeicher Südwestungarns heißt kástu. Es war ein ebenerdiger, selten zweigeschossiger Bau, der als Speicher für Korn und andere Nahrungsmittelverwendet wurde. Das Wort kástu stammt aus dem Slowenischen beziehungsweise Deutschen; auch der Bau selbst zeigte Kontakte zu slowenischen und österreichischen Gegenden. Der kástu hatte seinen Platz auf dem Hof immer so, daß man ihn vom Fenster aus im Auge behalten konnte. Er war in der Art der Blockhäuser errichtet, nur kleiner, die Grundfläche entsprach der einer Stube. Getreide und Lebensmittel wurden im Obergeschoß aufbewahrt, zu dem eine Holztreppe führte. Unten war Platz für Werkzeug und eine kleine Reparaturwerkstatt. Der Bau hatte keine Fenster, nur eine Tür, zunächst besaß er ein Schauben-, später ein Schindeldach. Die Zeit der Ziegeldächer erlebte der kástu im allgemeinen nicht mehr.

83. Kástu (Kornspeicher) in Südwestungarn

83. Kástu (Kornspeicher) in Südwestungarn
Szalafõ, Pityerszer, Kom. Vas

Zwischen Donau und Drau findet man Kufenspeicher (szántalpas hombár), die aus dem Süden stammen; sie sind wahrscheinlich Abkömmlinge der Hirtenhütten auf Kufen. Früher hatten sie innen mit Lehm bestrichene Flechtwände und Schilddächer. Als man zum großflächigen Getreideanbau überging, wurden sie in derselben Form aus Holz errichtet und mit Ziegeln gedeckt. Im Bedarfsfall, so etwa bei Feuerausbruch, konnten diese beweglichen Speicher aus dem gefährdeten Gebiet gebracht werden. Sie waren vor allem in Gegenden üblich, wo Ungarn mit Serben, Kroaten und anderen Slawen (Bunjewatzen, {G-189.} Schokatzen) zusammen lebten; bei den letzteren gibt es sie heute noch.

In größeren Bauernwirtschaften wurden besonders Getreidespeicher zur Lagerung der reichen Getreideernte gebaut. Diese Lehm- oder Ziegelbauten waren im ganzen ungarischen Sprachgebiet verbreitet, vor allem aber in der Tiefebene, wo sie die Grubenmieten verdrängten. In Gegenden mit Einödhöfen ließ der Bauer den Getreidespeicher im Hof seines Dorf- oder Stadthauses aufbauen, wo ihm das Getreide sicherer schien. Der Speicher stand gegenüber dem Haus, mit der Schmalseite zur Straße, damit man ihn im Auge behalten konnte. Der Innenraum war durch Lattenwände vom Fußboden bis zur Decke in Verschläge aufgeteilt, in deren Fugen in entsprechender Höhe Bretterböden eingeschoben werden konnten. Unten hatte der Speicher eine Öffnung, die mit einem Brett verstellt wurde; nahm man es heraus, floß das Getreide in den Scheffel, aus dem man es in Säcke füllte.

{G-190.} Die zahlreichen Varianten der Kornspeicher sollen nicht weiter aufgezählt werden, denn sie waren sich im wesentlichen überall ähnlich. Es seien vielmehr die Speicher für den Mais beschrieben, der im Karpatenbecken ein besonders wichtiges Produkt ist. Spuren der Maisspeicher sind nur bis zum 18. Jahrhundert zurück zu verfolgen, als der Anbau dieser neuen Kulturpflanze bedeutend zunahm. Die frühesten Formen dürften die Speicher aus vier in die Erde gerammten Pfosten mit Flechtwerkwänden gewesen sein (Grundfläche: 1,0 bis 1,5 × 3,0 bis 4,0 m). Da derart schmale Bauten leicht umkippten, wurden sie stets an windgeschützten Stellen aufgestellt. In einem breiteren Speicher wären die Maiskolben nicht so leicht getrocknet. Der sogenannte Maiskorb (kukoricakas) oder Maisspeicher (kukoricagóré) hatte in der Regel eine Ober- und eine Untertür, wobei die Maiskorben durch die obere eingefüllt und durch die untere entnommen wurden. Andernorts war das Dach des Speichers abnehmbar, und durch dieses konnte auch die obere Öffnung gefüllt und entleert werden. In Südwestungarn, am oberen Theißlauf und in Siebenbürgen waren diese Maiskörbe und -speicher bis in die jüngste Vergangenheit üblich; früher gab sie auch in einigen Gegenden der Tiefebene.

Später wurde der Mais in scheunenartigen Gebäuden mit Holzgerüst und Lattenwänden gelagert. Solche Speicher sind seit den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts belegt. Sie stehen auf 1,2 bis 2,0 m hohen Holz- oder Steinständern, die den Schwellenkranz tragen. In diese sind senkrechte Ständer eingelassen, die oben von umlaufenden Hölzern zusammengehalten werden. Die Wände sind dicht mit Latten verkleidet, damit die Maiskolben nicht herausfallen und auch die Vögel nicht an den Mais herankommen können. Das wichtigste ist, daß der eingelagerte Mais durchlüftet werden und dadurch schnell trocknen konnte. Die Breite solcher Speicher wechselt zwischen 1,2 und 2,0 m. Auf großen Gütern baute man zwei durch einen Gang getrennte Speicher mit gemeinsamem Dach. Unter dem Pfahlbau war Platz für Schweine- und Geflügelställe, und herabfallende Maiskörner fanden hier gleich Verwertung. Der Platz für den Maiskorb oder Maisspeicher auf dem Hof war nicht genau festgelegt; in der Regel stand auch der Maisspeicher gegenüber dem Eingang des Wohnhauses, oft mit der Längsseite zur Straße. Er war einer der verbreitetsten Speicherbauten auf den ungarischen Bauernhöfen.

Auch die verschiedensten Arten von Mieten waren auf dem Bauernhof zu finden. In der Tiefebene (Derecske, Komitat Bihar) kannte man eine 1,5 bis 2,0 m tiefe, etwas breitere und 3 bis 4 m lange Miete (boglyásverem = Feimenmiete) für Kartoffeln, Kohl und anderes Gemüse. An der Vorderseite wurde eine niedrige, mit Lehm verputzte Flechtwerkwand aufgestellt, darüber legte man Akazienhölzer, und das Ganze wurde mit einem 3 bis 4 m hohen Strohschober überdeckt, um die Miete warm zu halten.

84. Geflochtener Maisschober

84. Geflochtener Maisschober
Berzence, Kom. Somogy

Viele Häuser, besonders im Bergland, waren unterkellert. Die Tür des Kellers befand sich an der Schmalseite des Hauses zur Straße hin. Auf dem Hof und im Garten gab es auch häufig provisorische Mieten, in denen vom Herbst bis zum Frühjahr Kartoffeln und Rüben eingelagert wurden. Bei den Szeklern in Siebenbürgen legte man eine {G-191.} Miete oder einen Keller unter der Vorratskammer des Hauses an, welch letzterer unmittelbar vom Haus aus Zugang hatte. Anderswo gelangte man vom Vorraum in den kleinen Keller.

Weitere Bauten auf dem Hof und im Garten waren die verschiedenen Schuppen (szín), ein größerer für Wagen und einer für Holz- und Bastelarbeit; auch Spreu wurde gesondert gelagert. In der Nähe des Misthaufens befand sich der Abort (budi) aus Flechtwerk oder Bretterwänden. Wo es viel Holz gab, war ein Schuppen fürs Schnitzen, Zimmern und Tischlern (faragószín) unerläßlich. Gegenüber dem Haus baute man oft eine Sommerküche (nyári konyha), um Hitze und Fliegen vom Wohnhaus fernzuhalten. Im Garten waren Bienenstand (méhes) und Obstdarre (szilvaaszaló) zu finden.

Selbstverständlich durfte auf keinem Hof der Brunnen fehlen. Die häufigste ungarische Brunnenform ist der Ziehbrunnen (gémeskút), den es von Westungarn bis Siebenbürgen überall gibt, wo der Grundwasserspiegel nicht zu tief liegt. Wirklich beheimatet ist der Ziehbrunnen in der Tiefebene, da hier überall Wasser zu finden ist. Bei größeren Tiefen ist dieser südliche Brunnentyp nicht mehr geeignet. Ein anderer weitverbreiteter Typ ist der Schöpfbrunnen oder Radbrunnen (kerekeskút), wie man ihn überall in Europa sieht. In Gegenden, wo es viele Quellen gibt, wird das Wasser durch einen ausgehöhlten Baumstamm herangeleitet (bodonkút). Je nach dem Viehbestand gab es neben dem Brunnen eine kleinere oder größere Tränke, die in ihrer frühesten Form aus einem einzigen Holzstamm ausgehöhlt war.