Das Leben im Haus und auf dem Hof

Bei der Beschreibung des Wohnhauses und des Bauernhofes gab es bereits Hinweise auf die Lebensweise der Bauern. Ein Überblick, der für das ganze ungarische Sprachgebiet gültig wäre, ist an dieser Stelle nicht möglich. Die Unterschiede sind nicht nur hinsichtlich der Einteilung des Hauses, sondern auch in bezug auf Arbeit und Lebensweise zu groß. Fest steht jedenfalls, daß das Haus – vor allem im Sommer – für die Bewohner lediglich ein zeitweiliger Ruheort war, wo man sich in den kurzen Pausen zwischen der Arbeit auf dem Feld und auf dem Hof erholte. Im Winter dagegen war das Haus, genauer der Raum um den Herd, der Arbeitsplatz. Die Männer sägten, schnitzten und reparierten die Werkzeuge im Haus, allerdings nur, wenn es draußen schon so bitter kalt war, daß sie nicht mehr auf dem Hof oder im Schuppen arbeiten konnten. Die Frauen kochten und backten, wuschen, nähten, verarbeiteten Hanf und Flachs und verrichteten unzählige andere, sich täglich wiederholende oder einmalige Arbeiten.

Der Arbeitstag des Bauern begann frühzeitig am Morgen. Der Bauer und seine Söhne waren schon morgens um vier auf den Beinen. Bevor sie in den Stall gingen, machten sie Feuer. Gleich nach ihnen standen die Frauen auf; nur die Kinder und die Alten durften etwas länger ruhen. Nachdem das Vieh gefüttert und der Stall ausgemistet war, folgte nach kurzer Säuberung das Frühstück. Anschließend gingen die Männer und, wenn es die Arbeit erforderte, auch die Frauen und Mädchen aufs Feld oder taten ihre üblichen Arbeiten auf dem Hof. Etwa um drei Uhr nachmittags wurde das Vieh getränkt und gefüttert, dann folgte die Mahlzeit. Im Winter blieb bis zum Schlafengehen noch ein wenig Freizeit, in der man sich unterhielt, mit den Nachbarn sprach, Märchen erzählte oder Erlebnisse berichtete.

Im Haus war nicht nur der Alltag, sondern auch der Verlauf seltener oder außerordentlicher Ereignisse geregelt. So wurde im Frühjahr – meist zu Ostern – und im Herbst – in der Regel im September – das ganze Haus innen und außen frisch gekalkt. Die Möbel trug man hinaus und scheuerte sie, der Lehmfußboden im Haus wurde neu gestampft oder, wenn er aus Dielen bestand, tüchtig geschrubbt. All das war Frauenarbeit.

Ebenso oblag den Frauen der Kampf gegen Ungeziefer und Schädlinge wie Mäuse oder Küchenschaben, die sie mit zumeist recht rationellen Mitteln verjagten. Gleichzeitig mußten sie die Hausschlange schützen, denn fast im ganzen ungarischen Sprachgebiet war man bei den Bauern überzeugt, in den Wänden eines jeden Hauses lebe eine Schlange, die Krankheit und Übel fernhalte. Wurde sie gewollt oder {G-209.} ungewollt getötet, kam Unglück über die ganze Familie oder einige Familienangehörige.

Von den großen Ereignissen im Leben der Bauern brachte die Hochzeit Haus und Hof am meisten aus der gewohnten Ordnung. Aus dem großen Zimmer wurde das ganze Mobiliar hinausgetragen, und an den Wänden entlang legte man Bretter über Stühle und Böcke; davor stand der Tisch. Beim Herd wurde eine Ecke für die Musikanten hergerichtet. Alle überflüssigen Möbel kamen in den Schuppen oder in die Scheune, selbst aus dem hinteren Zimmer, wo man gewöhnlich Lebensmittel und Wein aufbewahrte. Hierher zogen sich die Älteren zum Umtrunk und Gespräch zurück, sobald der. Tanz begann. Gekocht wurde meistens auf dem Hof oder im Schuppen. Im Sommer wurde im Hof ein Zelt aufgestellt, wo die Gäste Platz nehmen konnten.

Bei einem Todesfall mußte nicht ganz so viel im Haus geräumt werden. Der Tote wurde meist in der guten Stube mit dem Gesicht zur Tür aufgebahrt. Der Spiegel wurde verhängt, der Tisch hinausgetragen; um die Bahre herum standen Stühle und Bänke für die Totenwächter. Die Totenfeier und die Grabrede fanden im Hof vor dem Haus statt. Die Gäste, die zum Leichenschmaus eingeladen waren, wurden im Hof oder in der zweiten Stube bewirtet. Hatte man nur einen Raum, bat man die Nachbarn um einen Platz für das Essen.

Zum Festessen nach der Taufe waren meist nur die Paten eingeladen, so daß an der Hausordnung kaum etwas verändert werden mußte. Fand man sich zum Spinnen am Abend zusammen, wurde höchstens der Tisch aus der Stube getragen, und die Gäste brachten Stühle mit, damit möglichst viele Personen beieinander sitzen konnten. Für den Abschlußball nach dem Spinnen oder nach anderer getaner Arbeit mußte allerdings wieder alles ausgeräumt werden, so wie bei der Hochzeit. Gleich am anderen Tag wurde das Haus neu getüncht, der aufgewühlte Lehmboden neu gestampft. Für das Federlesen brauchte im Haus nichts umgestellt werden. Man holte nur noch ein paar Sitzgelegenheiten hinzu. Im Osten des ungarischen Sprachraums veranstaltete man im Sommer auch Tanz in der Scheune.

Der Laubengang, der Hof und auch die Scheune waren oft Arbeitsplatz kollektiver Tätigkeiten wie Maisentlieschen (Entfernen der Maiskolbenblätter) oder Sonnenblumenentkernen (bugázás). Dabei wurden Märchen erzählt, Lieder gesungen, und zum Schluß schwang man auch das Tanzbein.

Der Hund bewachte den Hof vor fremden Eindringlingen, er durfte nie ins Haus. Sein Platz war auf dem Hof, und höchstens konnte er sich im Stall, im Schuppen oder in der Scheune ein warmes Plätzchen suchen.

Die größte Gefahr für die dicht besiedelten Dörfer und aneinandergrenzenden Scheunen war das Feuer; ein Brand vernichtete oft ganze Teile des Dorfes. Hatte der Blitz eingeschlagen, löschte man das Feuer zunächst mit Milch, denn der Volksglaube hielt Wasser hierfür nutzlos. Bei jedem Feuer lief das ganze Dorf zusammen. Die Frauen bildeten Eimerketten, die Männer rissen so schnell wie möglich das Dach herunter, um das Feuer zu bändigen beziehungsweise an der Ausbreitung zu hindern.