{G-210.} Die Gewinnung der pflanzlichen und tierischen Rohstoffe

Jahrhundertelang waren die Bauernwirtschaften notgedrungen autark. Den Rohstoff für ihre Ernährung, Bekleidung und Unterkunft mußten sie selbst herstellen. Aus diesem Grunde haben sie kaum mehr produziert, als sie verbrauchen konnten. Und auch die Frondienste hemmten die Entwicklung der Produktivität. Je größer die Ernte war, um so höher waren die Abgaben, und die Bauernschaft hatte kein Interesse daran, den Ertrag mit Hilfe neuer Arbeitsgeräte oder durch die Urbarmachung größerer Flächen zu steigern. So wurde der Feudalismus immer eindeutiger zum Hemmschuh des Produktionswachstums.

All das gilt zwar für die bäuerliche Wirtschaftsform insgesamt, doch setzte schon sehr früh eine gewisse Spezialisierung der ländlichen Produktion ein, teils innerhalb der Siedlungsgebiete und teils in den einzelnen Dörfern und Landstrichen, je nach den Naturgegebenheiten und gemäß den besonderen Kenntnissen und Traditionen der Bevölkerung. Innerhalb der Siedlungen übernahmen Handwerker gewisse Tätigkeitszweige. So gab es seit dem Mittelalter Schmiede, Stellmacher, Böttcher usw. Ebenso wurden das Gerben und die Verarbeitung des Leders sowie die Bearbeitung der Wolle Aufgabe spezieller Handwerker. Sie haben sich auf dem Lande nicht weiter von den Bauern isoliert, denn gewöhnlich blieben auch sie Ackerbauern und übten ihr Handwerk nur nebenbei aus.

Gefördert wurde die Differenzierung durch gewisse Naturgegebenheiten. Salz etwa wurde in salzarme Gegenden transportiert; die Eisenverhüttung und -bearbeitung hatte schon im frühen Mittelalter bekannte Zentren, von denen aus Kaufleute mit Halbfabrikaten und Fertigwaren auszogen, um ihre Waren einzutauschen oder zu verkaufen. In waldreichen Gegenden fertigten die Bewohner landwirtschaftliche Geräte, Leiterwagen und Möbel aus Holz. In den Bergen wurde Kalk und Holzkohle gebrannt und ins Flachland gebracht. Fuhrwerke mit Schüsseln, Näpfen und Krügen beladen zogen von den Töpferzentren aus kreuz und quer durchs Land. In diesem Prozeß wurden nicht nur Waren getauscht, sondern auch ständig Kontakte zwischen entfernten Landstrichen und verschiedenen Volksgruppen ausgebaut.

Die Art und Weise, wie der Rohstoff beschafft wurde, war eng verbunden mit der Siedlungsform und bestimmte die innere und äußere Ordnung des Bauernhofes und der Wirtschaftsgebäude. Neben den natürlichen ökonomischen und gesellschaftlichen Bestimmungsfaktoren dürfen auch die Traditionen und die ethnischen Merkmale nicht übersehen werden. Aus der Summe all dieser Komponenten ergibt sich ein ständig wechselndes Bild, das schwer zu überblicken ist. Es soll daher nur auf einige Charakteristika hingewiesen werden, wobei wir uns weitgehend auf die Bauernwirtschaft konzentrieren.

96. Beim Mattennähen

96. Beim Mattennähen
Tiefebene