Das System des ungarischen Ackerbaus

Die früheste Form der Bodennutzung dürfte die unregelmäßige Feldgraswirtschaft (parlagolás) gewesen sein, bei der die erschöpften Felder zunächst nicht weiter bestellt, sondern neues Land unter den Pflug genommen wurde. Solche Felder lagen acht bis zehn Jahre, oft auch länger brach, dann erst bestellte man sie erneut. Dieses System der Bodenbewirtschaftung war natürlich nur so lange möglich, wie es genügend Land gab. Nachdem zum Beispiel die Türken aus Ungarn verjagt worden waren (17. Jahrhundert), ging man auch dort wieder zur Feldgraswirtschaft über, wo sie eigentlich schon lange nicht mehr üblich gewesen war. In der Großen Ungarischen Tiefebene wurden erschöpfte Felder als Weide genutzt; vom Vieh gedüngt und mit Gras überwuchert, wurden sie so mit der Zeit wieder fruchtbar.

Das Brachland der unregelmäßigen Feldgraswirtschaft heißt im Ungarischen parlag, die Brache bei der Mehrfelderwirtschaft dagegen ugar. Beide Wörter sind slawischen Ursprungs und zeugen davon, daß die Ungarn diese Systeme des Bodenbaus von irgendeinem slawischen Volk übernommen haben. Bei der Mehrfelderwirtschaft wurde die Gemarkung in zwei oder drei Teile geteilt, und die Hälfte beziehungsweise ein Drittel des Bodens – ugar – lag jeweils ein Jahr lang brach. Dieses System nennt man die Zwei- oder Dreifelderwirtschaft. Auf der Brache weidete ein Jahr lang das Vieh, wodurch der Boden in gewisser Weise gedüngt wurde. Auch untergepflügtes Unkraut und Wurzeln trugen zur Erholung des Bodens bei. In Gebieten, wo die Viehzucht dominierte, wählte man die Zweifelderwirtschaft, ansonsten die Dreifelderwirtschaft, bis letztere schließlich zur Regel wurde.

Die Dreifelderwirtschaft verbreitete sich zunehmend vom 13. Jahrhundert an und blieb im wesentlichen bis zum 19. Jahrhundert von Bestand. Dann begann man die Brache ebenfalls zu bestellen, und zwar mit Sommergetreide, häufiger aber mit Futterpflanzen oder Hackfrüchten. In den Landesteilen mit Mehrfelderwirtschaft gab es vom Mittelalter an in der Nähe der Dörfer auch alljährlich bestellte Daueräcker. Sie hießen tanor – ein slawisches Wort, das ursprünglich einen von Hecken umgebenen Acker bezeichnete. Auch das neu gerodete Land wurde nicht in das Mehrfeldersystem einbezogen, sondern zunächst jedes Jahr bestellt.

Im Karpatenbecken unterscheidet sich die Methode der Bodenbewirtschaftung des Berg- und Hügellandes von der der Tiefebene. Die Mehrfelderwirtschaft mit Brache gab es vor allem im Berg- und Hügelland. Typisch für den Ackerbau war hier auch, daß das Getreide mit der Sichel geschnitten, zu Garben gebündelt, in kreuzförmigen Haufen aufgestellt und mit dem Flegel gedroschen wurde. Die Tenne befand sich in der Scheune, wo das Halmgetreide oft bis in den Winter hinein gelagert wurde. In der Großen Tiefebene dagegen verrichtete man die {G-216.} meisten landwirtschaftlichen Arbeiten im Freien, weshalb es hier auch keine Scheunen gab. Das Getreide wurde schon in früher Zeit mit der Sense gemäht, mit dem Rechen zusammengehäuft, zur Tenne am Feldrand geschafft und dort meist durch Pferde ausgetreten. Das meiste Getreide lagerte dann in unterirdischen Gruben, die durch Ausbrennen wasserdicht gemacht worden waren.

Die Verschiedenheit der beiden Methoden ist vor allem im 18. und 19. Jahrhundert auffällig. Die Ackerbauform der Tiefebene hielt man lange Zeit für nomadische Tradition aus der Zeit der ungarischen Landnahme, während neue Forschungsergebnisse jedoch belegen, daß sie sich erst im Verlauf des 16. Jahrhunderts herausgebildet hat und während der Türkenherrschaft, besonders aber in der Folgezeit, üblich wurde. Von der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts an schwanden die Unterschiede langsam, und die allgemeine Entwicklung wies fortan überall die gleiche Tendenz auf.