Die Getreideverarbeitung

Ehe das Getreide als menschliche Nahrung Verwendung finden kann, müssen die Körner zerkleinert werden., Das einfachste und älteste Gerät war der Holzmörser, den man durch Aushöhlen eines Holzstückes fertigte. Darin wurde das Korn in allerfrühester Zeit mit einem hölzernen, später mit einem eisernen Stößel zerstampft. In den Randgebieten des ungarischen Sprachraums ist der Mörser noch heute in Gebrauch, allerdings höchstens um Hirse oder Mais als Hühnerfutter zu zerkleinern, während er zum Zerstampfen von Mohn oder Paprika seltener verwendet wird.

Abb. 85. Holzmörser.

Abb. 85. Holzmörser.
a) Göcsej, Kom. Zala; b) ehem. Kom. Bereg, Ende 19. Jahrhundert

Eine Weiterentwicklung des Mörsers war der külü, ein gewissermaßen mechanisiertes Gerät, das mit dem Fuß oder durch Verlagerung des Körpergewichts in Bewegung gebracht wurde. Manche külü hatten mehrere Reiblöcher, so daß gleichzeitig mehrere Personen damit arbeiten konnten. Im külü wurde die äußere Hülle der Hirse und des Buchweizens abgestoßen. Zum Brechen des Paprikas wurde er bis in die jüngste Zeit verwendet.

Ein schnelleres und erfolgreicheres Verfahren bestand darin, das Korn zwischen zwei Steinen zu mahlen. Der untere Stein war unbeweglich, der obere, der Läufer, ließ sich drehen. In die Mitte des Steins, in das sogenannte Auge, gab man das zu mahlende Kom. Diese einfache, durch Menschenhand angetriebene Mühle ist bis auf die Urzeit zurückzuverfolgen. In den Bauernwirtschaften wird sie vereinzelt auch heute noch verwendet. Früher mahlte man damit Mehl zum Breikochen, später Salz und Futter. Es sind zwei Formen dieser Mühle bekannt. Bei der einen ist der Griff unmittelbar am oberen Stein befestigt, so daß das Drehen viel Kraft erfordert. Beispiele dieser Form sind seit der Römerzeit zu finden, und sie weisen zumeist nach dem Westen. Bei der anderen Form ist die Antriebsstange an einem Balken über den Steinen befestigt, was das Mahlen erleichtert. Diese Form findet man auch bei den östlichen Slawen häufig.

Abb. 86. Handmühle.

Abb. 86. Handmühle.
Szalonna, Kom. Borsod, um 1930

110. Trockenmühle (Tiermühle)

110. Trockenmühle (Tiermühle)
Szarvas

Der ungarische Getreidebau mit einer großen Vergangenheit und flächenmäßigen Ausdehnung hatte zur Folge, daß eine stattliche Reihe von Mühlen (malom) angetrieben durch Wasser, Wind oder Zugtiere, entstand. Das ungarische Wort malom (für Mühle) und das damit verbundene Wort molnár (Müller) sowie viele dazugehörige Bezeichnungen sind zwar lateinischen Ursprungs, dürften aber den Ungarn mit slawischer Vermittlung schon vor dem Ende des 10. Jahrhunderts bekannt gewesen sein. Dazu gehörte mit großer Wahrscheinlichkeit die Wassermühle, denn im folgenden Jahrhundert (1083–1095) werden schon zahlreiche Mühlen im Bakonywald erwähnt. Vermutlich haben sich die Tiermühlen (ungarisch auch szárazmalom = Trockenmühle), die von im Kreis gehenden Tieren gedreht wurden, erst später verbreitet. Die Windmühlen wurden erst im 18. Jahrhundert aus dem Westen {G-242.} übernommen, und ihre tatsächliche Verbreitung erfolgte dann im 19. Jahrhundert.

Abb. 87. Skizze des Drehwerks einer Tiermühle, ein- und ausgeschaltet.

Abb. 87. Skizze des Drehwerks einer Tiermühle, ein- und ausgeschaltet.
Szarvas, Kom. Békés, 19. Jahrhundert

Die Wassermühlen (vízimalom) im Karpatenbecken lassen sich in zwei große Gruppen teilen. Die eine arbeitete mit Turbinenantrieb, die andere mit Wasserradantrieb. Erstere kam verhältnismäßig selten vor. Das Schaufelrad der Turbine lag waagerecht im Wasser; aus seiner Mitte ragte senkrecht eine Spindel empor, deren Ende unmittelbar am Läufer des Mühlsteins befestigt war. So oft sich unten das Rad im Wasser drehte, drehte sich auch der Mühlstein. Diese Form' ist im südlichen Teil Siebenbürgens und auch in der Draugegend bekannt, so daß sich unmittelbare Einflüsse von der Balkanhalbinsel her vermuten lassen.

Die Wassermühlen mit Mühlrad können wiederum in zwei große Gruppen unterteilt werden. Die eine hatte ein unterschlächtiges, die andere ein oberschlächtiges Wasserrad. Mühlen mit unterschlächtigem Wasserrad wurden an großen, ruhigen Flüssen gebaut. Man nannte sie auch Schiffsmühlen (hajómalmok), da die Mühle mit dem dazugehörenden Haus die Form eines Schiffes hatte, so daß man sie bei Flußvereisung an einen sicheren Ort verbringen konnte. An die Schiffsmühle war ein etwas kleineres Depotschiff angeschlossen, das nicht nur zur Lagerung des Mahlgutes diente, sondern auch das andere Ende der gewaltigen Radwelle hielt. Sämtliche Teile waren aus Holz, zumeist aus Eichenholz, nur die Zahnräder zimmerte man aus Hagebuchenholz. Die Tagesleistung einer Schiffsmühle kann auf 10 bis {G-243.} 12 dt geschätzt werden, was über der Leistung der Windmühlen, aber unter der der Tiermühlen lag.

Die Zahl der Mühlen mit oberschlächtigem Wasserrad war stets höher als die der Mühlen mit unterschlächtigem Wasserrad, da das angestaute Wasser irgendeines kleinen Baches leicht von oben auf die Radschaufeln geleitet werden konnte. Die Wassermühlen bauten die Müller selbst; sie waren zugleich hervorragende Zimmerleute und reparierten auch die Mühle. Die Müllerfamilie lebte gewöhnlich in einem Haus bei der Mühle. Helfer, Gesellen oder Lehrlinge wurden nur in größeren, mit mehreren Steinen arbeitenden Mühlen angestellt. Für das Mahlen nahm der Müller einen Mahlzoll in Mehl, den er mit dem Gutsbesitzer verrechnete, sofern er nicht dem Gutsbesitzer eine Pachtgebühr für das ganze Jahr in einer Summe zahlte.

111. Arbeit in der Mühle

111. Arbeit in der Mühle
Gyimesközéplok, ehem. Kom. Csík, Rumänien

Abb. 88. Konstruktion einer Tretmühle.

Abb. 88. Konstruktion einer Tretmühle.
Bakonypeterd, Kom. Veszprém, um 1930

Die Verbreitung von Tiermühlen ist in Ungarn bis zum Mittelalter zurückzuverfolgen. Nichts beweist ihre Bedeutung besser als die statistische Angabe, daß es 1863 noch 7966 Tiermühlen in Ungarn gab, wobei sich in den folgenden 40 Jahren ihre Zahl dann allerdings auf 651 verminderte. Die Tiermühle bestand aus zwei Teilen, dem Drehzelt (kerengõsátor), in dem die Mühlpferde ein gewaltiges Rad {G-244.} im Kreis drehten, und dem Mühlenhaus (malomház), in dem das vom großen Rad übertragen angetriebene Mahlwerk untergebracht war und noch Platz für Kornspeicher und Mehllager blieb. Wer Korn zur Mühle brachte, mußte für die Antriebskraft, die Zugtiere, sorgen; der Müller bediente nur das Mühlwerk. In den Tiermühlen dauerte es zumeist lange, bis die Wartenden an die Reihe kamen, denn die Arbeit ging nur langsam voran. Die Leute aus dem Dorf oder den benachbarten Siedlungen plauderten miteinander, um sich die Zeit zu verkürzen. So spielten die Mühlen eine gewisse gesellschaftliche Rolle bei der Weitergabe von Nachrichten, aber auch bei der Vermittlung bestimmter geistiger Traditionen.

Eine Abart der Tiermühle wird Tretmühle (taposómalom) genannt. Das große Rad wurde mit Brettern beschlagen und schräg gestellt, und auf diesem bewegte sich das Tier, scheinbar immer nach oben tretend, fort, doch tatsächlich kam es nicht von der Stelle. Die Tretkraft brachte das gewaltige Rad in Bewegung, und der Mühlstein drehte sich mit der entsprechenden Zahnradübertragung.

Die Windmühlen (szélmalom) kamen verhältnismäßig spät nach Ungarn. Sie verbreiteten sich in erster Linie in der Tiefebene und in einigen Gegenden Westungarns. Ihre einfachste Form war die Bockwindmühle (bakos szélmalom), die, auf einem gewaltigen senkrechten Pfosten ruhend, mit diesem in den Wind gedreht werden konnte. Die im Mittelmeerraum allgemein übliche Windmühle war vermutlich zur Zeit der Kreuzzüge nach Westeuropa gelangt und dort verändert worden; später gelangte sie von dort nach Ungarn, wo sie sich aber nie stark verbreitet hat und nur einige Bilder und Aufzeichnungen an sie erinnern. In der jüngsten Vergangenheit gab es im Süden der Tiefebene (Hódmezõvásárhely) noch kleine Schrotmühlen (széldaráló) mit Windantrieb, die nach dem gleichen Prinzip arbeiteten.

112. Turmwindmühle

112. Turmwindmühle
Südtiefebene

Abb. 89. Konstruktion der Ölmühle.

Abb. 89. Konstruktion der Ölmühle.
Mekényes, Kom. Baranya, Anfang 19. Jahrhundert

Einige bekannte und noch erhaltene Windmühlen gehören zum Turmtyp der Holländermühlen (tornyos malom). Vermutlich wurden Bauunterlagen durch protestantische Studierende bekannt, die vom 17. Jahrhundert an häufig die Universitäten Hollands besuchten. Der Turm der Holländermühlen wurde aus Lehmziegeln, noch häufiger aus Backsteinen gebaut. Die Windmüller verstanden sich auf die {G-246.} Maurerarbeiten und auch auf die außerordentliche Genauigkeit erfordernde Zimmermannsarbeit. Sie fügten die Balken zusammen, schnitzten die Zahnräder, verfertigten das Gerippe der Flügel und verzierten innen die Blendplatten des Triebwerks mit reichen Schnitzereien. In dem mehrere Geschosse hohen Bauwerk hatten die Steine, das Getriebe und der Speicher ihre besonderen Räume. An der Turmhaube war von außen ein Windrad mit vier Flügeln angebracht, das mit der ganzen Haube durch eine lange Stange in die gewünschte Richtung gedreht werden konnte. Die Holländermühlen behaupteten sich länger als die Tiermühlen. 1863 wurden in Ungarn 475 Windmühlen gezählt, 10 Jahre später hatte sich ihre Zahl auf 854 erhöht, und noch 1906 gab es 691 Windmühlen, die das Korn hauptsächlich zwischen Donau und Theiß mahlten.

Zu den Mühlen zählen auch die Ölmühlen oder Ölschläger (olajütõ), deren verschiedene Formen im ganzen ungarischen Sprachraum zu finden sind. Öl wurde meistens aus Kürbis-, Hanf-, Raps-, Lein- und Sonnenblumensamen sowie Eicheln gepreßt beziehungsweise geschlagen.