Die Organisation der Hirten

122. Rinderhirt

122. Rinderhirt
Kom. Borsod-Abaúj-Zemplén

123. Oberhirt

123. Oberhirt
Dévaványa, Kom. Békés

Für die verschiedenen in Herden weidenden Tiere sorgen Hirten, die im Ungarischen – je nachdem, für welche Tiere sie Sorge zu tragen haben – verschieden benannt und auch verschieden eingeschätzt werden. In den meisten Gegenden gab man den ersten Rang den Rinderhirten (gulyás), die früher einmal eigene Tiere in bestimmter Zahl unter denen des Gutsherrn halten durften. In der Tiefebene saßen sie zu Pferd; Stock und Hetzpeitsche waren ihre Geräte, ihre Waffen und ihr Schmuck. Der Nächste in der Reihe war der Pferdehirt (csikós), dessen Stellung ähnlich dem des Rinderhirten war; in der Kleidung jedoch unterschieden sie sich voneinander. Er benutzte keinen Stock, sein wichtigstes Handgerät war die Hetzpeitsche. Rangniedriger war der Schäfer (juhász), obwohl es eben dieser am ehesten zu Vermögen bringen konnte. Er durfte selbst Schafe halten, außerdem gehörten ihm die doppelten Würfe, und ein gewisser Anteil an den Milch- und Wollerträgen erhöhte sein Einkommen. Am wenigsten wurden die Schweinehirten (kondás) geschätzt; sie repräsentierten die ärmste Schicht, was auch in ihrem Lohn zum Ausdruck kam. Die Hüter der wilden und halbwilden Herden überlieferten ihre fachlichen, von Anschauungen des Volksglaubens nicht freien Kenntnisse hauptsächlich ihrer Familie. {G-271.} So kann die Geschichte einer Hirtenfamilie oft über mehrere Generationen verfolgt werden.

Anders standen die Dinge mit solchen Hirten, die das Vieh täglich hinaus und herein trieben, was sich sogar in ihrer Benennung zeigt. So werden die Rinderhirten dieser Kategorie nicht gulyás, sondern weniger ehrenvoll csordás, und die Schweinehirten ebenso herabsetzend csürhés (etwa Sauhirten) genannt. Sie nahmen gesellschaftlich eine geringere Stellung als die eigentlichen Hirten ein, die die entsprechende wilde oder halbwilde Herde ständig hüteten. Es handelte sich bei jenen gewöhnlich um eine Gelegenheitsbeschäftigung, für die sie nichts von Tierzucht zu verstehen brauchten. Es waren arme, bedürftige Bauern, die mit der Arbeit gern aufhörten, sobald sich etwas Besseres bot. In den letzten Jahrzehnten stellte man für die Dorfherden immer häufiger Zigeunerhirten an, weil andere diese Arbeit nicht mehr übernehmen wollten.

124. Rinderhirten beim Mittagessen

124. Rinderhirten beim Mittagessen
Hortobágy

Der Leiter der Hirten beziehungsweise Schäfer, die eine große Herde hüteten, war der Hirten- beziehungsweise Schäfermeister (számadó, etwa Rechnungsführer). Die Bauern als Eigentümer vertrauten ihm die Tiere, für die er auch materiell haftete, an. Deshalb war er gewöhnlich ein Mann mit eigenem Tierbestand, der seine Tiere zusammen mit denen der Bauern weiden durfte. Das bildete die Gewähr dafür, daß ein eventueller Schaden von ihm beglichen werden konnte. Nach der Rangordnung war der erste Hirtenknecht (elsõbojtár, számadó bojtár) {G-272.} der Stellvertreter, die rechte Hand des Hirten- beziehungsweise Schäfermeisters. Er besaß ebenfalls eigene Tiere, und an vielen Plätzen kontrollierte er die Herde auf Vollzähligkeit. Ihm folgten, dem Alter und der Dienstzeit entsprechend, die übrigen Hirtenjungen, so viele, wie für die Betreuung der Herde erforderlich waren. In den Hirtengehöften der Tiefebene arbeiteten auch Junghirten (tanyás, lakos, etwa Herdhüter), die am Tage nicht viel mit den Tieren zu tun hatten; ihre Aufgabe war die Zubereitung einer warmen Mahlzeit für den Oberhirten und die Hirten, wenn diese mit der Herde heimkehrten. Nachts aber durften sie nicht schlafen, denn da hatten sie die schlafende Herde zu bewachen. Zum Besorgen der wöchentlichen Nahrung mußten sie zu Fuß oder mit einem Karren in die Stadt, weshalb sie an manchen Orten Kärrner (talyigás) genannt wurden.

Die Anstellung der Hirten erfolgte in den verschiedenen Perioden und Gegenden zu verschiedenen Zeitpunkten. In Kleinkumanien zum Beispiel datierte der Vertrag von Demetrii (26. Oktober) bis Demetrii. Nach Ablauf der Frist übergab der Oberhirt dem Herrn das ihm anvertraute Vieh. Bei der halbwilden Haltung wurde der Hirt nur für die {G-273.} Zeit vom Austreiben bis zur Rückkehr, also für die Weidesaison, aufgenommen. Der täglich austreibende Hirt war eigentlich ein Jahresknecht. Dieser wurde zumeist in der Weihnachtswoche aufgenommen. Dabei war der Kauftrunk üblich, wobei der neue Hirt mit den Bauern, die ihn ausgewählt hatten, nacheinander anstieß.

125. Austreiben der Herde am Morgen

125. Austreiben der Herde am Morgen
Szék, ehem. Kom. Szolnok-Doboka, Rumänien

126. Schäfer

126. Schäfer
Hortobágy

In einigen Gegenden nannte man den Frühlingsviehmarkt auch Hirtenmarkt, weil die Hirten bei dieser Gelegenheit aufgenommen wurden. Dort erschienen die Rinderhirten, die Pferdehirten, die Schäfer und die Schweinehirten, wenn sie ihre bisherige Stelle mit einer neuen vertauschen wollten. Auch die Bezahlung wurde hier mit den Viehbesitzern vereinbart. Später nahm man am Sonntag vor Georgii (24. April) den Tierbestand der Gemeinde auf. Der Hirt durchwanderte das {G-274.} Dorf von Haus zu Haus und vermerkte, wer wie viele Tiere auszutreiben wünschte. Gleichzeitig bekam er vom Bauern einen Teil seiner Jahresbezüge ausbezahlt, was abends im Gasthaus mit einem Trunk gefeiert wurde.