Bauten für Tiere und Hirten

Im vorangehenden wurde schon der Bauwerke gedacht, die auf den Gehöften für die Tiere und für das Futter errichtet wurden. Hier soll nur von den meistens jährlich erneuerten provisorischen Bauten gesprochen werden, mit denen man auf der Weide für Mensch und Tier einigermaßen Schutz gegen die Witterung zu schaffen suchte.

Die im Freien überwinternde Herde sollte weniger vor Kälte als vielmehr vor dem Wind geschützt werden. Deshalb trieb man die Tiere für die Nacht in eine Talmulde oder in eine Flußniederung, wo sie notdürftig geschützt waren. In völlig ebener Gegend baute man aus Schilf einen Windschutz, und zwar mehreckig verzweigt, so daß das Tier immer eine Seite finden konnte, die es einigermaßen vor dem Wind schützte. Für Schafe grub man Schilfrohr nicht eben tief in die Erde ein und verband die Schilfwand durch Querstangen. Für Rinder und Pferde warf man einen Erdhügel auf und setzte den Windschutz obenauf, damit die Tiere ihn nicht zertraten.

Die meisten Hürden hatten den Zweck, die Herde zusammenzuhalten und vor Feinden zu bewahren. Ein Dach besaßen die Hürden nicht. Die einfachste Form war diejenige, die man im Eichenwald für Eicheln fressende Schweine aus Zweigen, meistens in runder Form, abzäunte. Der Eingang wurde mit Stangen oder mit einer improvisierten Tür verschlossen, so daß der Hirt ruhig schlafen konnte, denn seine Herde war sowohl vor Angriffen als auch vor dem Auseinanderlaufen bewahrt.

Abb. 121. Einfangen ungarischer Rinder aus der ständig auf der Weide gehaltenen Herde mit der Fangleine.

Abb. 121. Einfangen ungarischer Rinder aus der ständig auf der Weide
gehaltenen Herde mit der Fangleine.
Vukmarovica, Slawonien, um 1910

In der Tiefebene errichteten die Hirten größere Hürden aus Schilfwänden als Nachtlager für die Schafe; die Umzäunung bestand aus an Stangen befestigten geflochtenen Stücken, die die Hirten, wenn sie von einer Weide auf die andere überwechselten, abbauten und mitnahmen, um sie am neuen Platz wieder aufzustellen. Auf Brachfeldern wiederholte sich dieser Vorgang fast täglich oder jeden zweiten Tag, damit die Herde eine möglichst große Fläche bemistete, das heißt fruchtbar machte; je nachdem, um welche Tiere es sich handelte, verfertigte man die Hürden aus kürzeren oder – für Rinder und Pferde – {G-289.} aus längeren Stangen. Für die umsetzbaren Schafhürden hatte man eine besondere Bezeichnung; im östlichen Teil des ungarischen Sprachraums hießen sie esztena (Pferch), im Unterschied zu esztrenga, worunter man eine stationäre Hürde verstand, in der die Schafe gemolken wurden. Beide Wörter wurden von den Siebenbürger Rumänen übernommen und sind ein Beweis für die vielseitige Terminologie in der Hirtensprache.

Abb. 122. Windschutz und Hirtenhütte.

Abb. 122. Windschutz und Hirtenhütte.
Karcag, Kom. Szolnok, Anfang 20. Jahrhundert

Abb. 123. Pferch und Hirtenhütte aus Schilfrohr.

Abb. 123. Pferch und Hirtenhütte aus Schilfrohr.
Orgovány, Kom. Pest, um 1930

Auf den Weiden hatte man aber auch gedeckte Bauten: manchmal solche, deren eine Seite offenblieb, aber auch solche, die überhaupt keine Seitenwände hatten. Diesen fügte man aus Balken oder Stangen einen Vorbau (karám) an, der Stallbau (akol oder állás) genannt wurde; darin fanden die Tiere besseren Schutz. Die Merinoschafe waren kälteempfindlich, weshalb man sie nicht im Freien nächtigen ließ, sondern für sie mit Dach und Wänden versehene Scheunen (hodály) baute. {G-290.} Diese erst in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts aufgekommenen Bauten errichtete man aus traditionellem Baumaterial, Erde, Stein, Schilf usw.

Den geringsten Schutz gewährte man der Schweineherde. Die im Freien gehaltenen Säue warfen in Gruben, die sie sich selbst auswählten oder die künstlich für sie eingetieft wurden. Zum Schutz der Ferkel – solange sie aus der Grube nicht herauskamen – legte man etwas Stroh oder Heu zurecht.

Eines Schutzes bedurften auch die im Freien lebenden Hirten, und die Bauwerke, die sie für sich selbst errichteten, waren anfänglich nicht viel anders als die für die Herde bestimmten. Es gab genug Hirten, die keinen Wert auf einen Schutzbau legten, denen ihr Suba, der große Pelz, genügte – besonders natürlich vom Frühling bis zum Herbst. Diese Hirten nannte man Gewandhirten (gulyás pásztor); sie beförderten ihre einfache Ausrüstung zumeist auf einem Esel von einem Ort zum anderen.

Das einfachste Schutzmittel war der Windfang, eine simple, aus Schilf geflochtene Platte, die aufgestellt wurde, damit der Hirt auf der windgeschützten Seite seine Sachen aufbewahren oder selbst Schutz suchen konnte. Solche Schutzwände konnten auch aus Zäunen oder Brettern gemacht sein, und sie wurden immer je nach der Windrichtung gedreht. Natürlich sollte eine solche Wand auch vor Sonnenglut schützen.

Die meisten Hirtenbauten waren transportabel. Dazu gehörten zum Beispiel in der Gegend zwischen Donau und Theiß die cserény genannten Hürden, deren Name darauf schließen läßt, daß sie ursprünglich aus Ruten geflochten waren; eine solche Hürde hatte einen quadratischen Grundriß und war meistens mit drei Wänden versehen für die Pferde, die die Hirten immer in der Nähe haben wollten. Ein Teil eines solchen cserény war gedeckt; dort bewahrten die Hirten ihre Kiste mit Kleidungsstücken und Handgeräten. Eine solche Hürde durfte nur so hoch sein, daß sie dem aufrechtstehenden Hirten Ausblick auf die Herde gewährte; später wurden die Hürden mehr und mehr gedeckt, boten also größeren Schutz vor der Witterung und verwandelten sich allmählich {G-291.} in stationäre Bauten – in Hütten, die zumeist den ganzen Sommer über an Ort und Stelle blieben. Ursprünglich aber war ein cserény das Quartier des wandernden Hirten, mit dem er weiterzog, wenn die Herde das Weidestück abgegrast hatte.

In einzelnen Teilen Siebenbürgens, aber auch in der mittleren Theißgegend hatten die Hirten auf Rädern rollende Hütten von rechteckiger Form; zuerst rollten diese auf massiven, später auf Speichenrädern; sie besaßen Satteldächer. Das vorgespannte Tier konnte auch auf weglosem Gelände weiterkommen. Der Ursprung solcher fahrbarer Bauten kann zu den walachischen Hirten und auch weiter bis zum Balkan zurückverfolgt werden.

135. Sennhütte.

135. Sennhütte.
Gyimes, ehem. Kom. Csík, Rumänien

Abb. 124. Windschutzhürde aus Korbgeflecht.

Abb. 124. Windschutzhürde aus Korbgeflecht.
Kleinkumanien-Bugac, Kom. Bács, Anfang 19. Jahrhundert

Unter den schwer beweglichen und meistens nur einmal im Jahr erneuerten Bauwerken ist noch eins zu erwähnen, das die Hortobágyer Hirten hatten und vasaló nannten; es waren richtige Hirtenwohnungen mit Küche und Aufbewahrungsplatz für die gesamte Habe. Das Baumaterial war hauptsächlich Schilf, und der Grundriß hatte eine Birnenform; das Schilfdach war nach innen gebogen und reichte oben nicht zusammen. Gegenüber dem Eingang hatte der Schäfermeister seine größere, rechts und links die Hirtenjungen ihre kleinere „Kiste“; die Einrichtung {G-292.} bestand außerdem noch aus einigen Hockern; Löffel, Gabeln und Messer wurden in das Schilfdach gesteckt, außerdem noch Ahlen und anderes Werkzeug, das man immer zur Hand haben mußte. In der Mitte stand der offene Herd, auf dem der jüngste Hirtenjunge das warme Essen bereitete. An dieser vasaló genannten Hütte hielten die Hortobágyer Hirten derart fest, daß sie eine solche auch dann noch bauten, wenn sie schon ständige Häuser hatten; sie wurde aber dann nur noch als Küche benutzt.

136. Schafherde im Pferch

136. Schafherde im Pferch
Szék, ehem. Kom. Szolnok-Doboka, Rumänien

Abb. 125. Hirtenküche.

Abb. 125. Hirtenküche.
Hortobágy, Kom. Hajdú, um 1920

137. Schäferhütte für die Nachtwache

137. Schäferhütte für die Nachtwache
Csíkszentdomokos, ehem. Kom. Csík, Rumänien

Einer der charakteristischsten Hirtenbauten war die aus Holz errichtete Schopfhütte (kontyos kunyhó); sie hatte eine runde Form und einen Durchmesser von 4 bis 5 m, an der Südseite eine Tür aus Schilfplatten, später auch aus Brettern. Im Innern befanden sich herum {G-293.} Lagerstätten und Kisten, und an den nach innen geneigten Wänden hingen kleinere Handgeräte. Feuer wurde in einem solchen Gebäude nie angezündet, gekocht wurde draußen. Runde Hütten bauten auch die Schweinehirten, die ihre Herde im Winter in Eichenwäldern weiden ließen, nur bauten sie ihre Hütte aus Holzstämmen. Das luftige Gerüst isolierten sie mit Stroh, Erde oder Soden. Zuweilen vertieften sie ein solches Bauwerk in die Erde. In solchen Hütten zündeten sie auch Feuer an und ließen den Rauch durch die Tür oder durch ein im Dach frei gelassenes Loch entweichen. Nach den bisherigen Forschungen lassen sich derartige Bauwerke aufgrund von sachlichen und sprachlichen Indizien bis in die finnisch-ugrische Zeit zurückverfolgen.

Nachdem die Weideplätze festgelegt worden waren, machte man auch die Bauten stabil; nun wurden die Hütten gewöhnlich schon aus Lehm oder Lehmziegeln gebaut, hatten mit Schilf oder Stroh gedeckte Satteldächer, und ihr Platz war zumeist neben den Ställen und Hürden.

Die Hirten der Tiefebene gebrauchten gern den Wach- oder Hochbaum (õrfa, állófa). Darunter ist ein 5 bis 7 m hoher entzweigter Baumstamm zu verstehen, der neben der Hütte oder der Hürde eingegraben wurde. Die Bestimmung eines solchen „Wachbaumes“ war, daß der {G-294.} Hirt an ihm hochklettern und seinen sich bei der Herde aufhaltenden Gefährten Zeichen geben oder nur eben das Verhalten der Herde überwachen konnte. Die Rinder liebten es, sich an einem solchen Baum das Fell zu scheuern; auf diese Weise bekam es eine schöne Politur. An die aus Schilf oder Ruten geflochtenen Stämme hangten die Hirten ihren Brotsack, unter Umständen auch das rohe Fleisch für ihre Nahrung. In früheren Zeiten galt so ein Baum auch als Zeichen: Wo der Schäfermeister einen solchen Baum aufrichtete, durfte nur er seine Herde weiden lassen. Zwischen Donau und Theiß wurde der Baum nacheinander an verschiedenen Seiten der Hütte aufgestellt, und so bemistete die ringsum nächtigende Herde nach und nach das ganze Weideland.