{G-321.} Fleischgerichte

Wichtig von jeher in der Ernährung des ungarischen Volkes, wenn auch nicht gleichmäßig verteilt, war der Fleischkonsum. Hirten aßen immer mehr Fleisch als die Dorfbewohner oder die Schnitter, Gedingearbeiter und Tagelöhner. Die wohlhabenden Bauern verzehrten wiederum das ganze Jahr viel mehr Fleisch als die armen Bauern, die das Fleisch hauptsächlich für die großen Feiertage und für die Hauptarbeitszeit aufhoben. In der Tiefebene war es Sitte Fleisch mit Brot ohne jede Garnierung zu essen. Saures ißt man hier viel weniger als etwa in Siebenbürgen.

Einen geringen Anteil an den Fleischsorten hatte das Wildbret, dessen Zubereitung viele archaische Züge bewahrt hat. Erinnert sei an eine Zubereitungsart der Vögel, die samt Federn in eine dicke Lehmschicht gepackt und so ins Feuer geworfen wurden. Der hartgewordene Lehm ließ sich samt den Federn abschälen, und darunter war das Fleisch schön weich geworden.

Fisch verstehen die Ungarn auf vielerlei Art zuzubereiten: am Spieß gebraten, über der Glut geröstet oder in der Pfanne. Am beliebtesten ist aber die Fischsuppe, besonders im Süden, wo sie Paprikafisch genannt wird, was eben mit der Verbreitung des Paprika in dieser Gegend zusammenhängt; weiter nördlich wird die Fischsuppe meist mit Zwiebeln gekocht. Die Fischsuppe und andere bäuerliche Zubereitungsarten von Fisch sind weitgehend in die städtischen und Restaurantsküchen eingegangen.

Am leichtesten erreichbar von den Fleischsorten war für die Bauernhaushalte das Geflügel, vor allem Hühner und Hähnchen. Hühnersuppe und gekochtes Hühnerfleisch gehörten zu den verbreitetsten Festessen. Geflügel in Paprikasoße zu kochen ist eine spätere Einführung in die Bauernküchen. Noch neuer ist das gebratene und gefüllte Huhn. Enten und Gänse sind zwar im ganzen Sprachraum verbreitet, aber als traditionelle Festtagsgerichte von geringerer Bedeutung. Die Armen hielten Gänse der Federn halber, mit denen sie die Kissen füllten; zum Schlachten dieses Federviehs kam es nur selten, lieber verkauften sie es auf dem Markt. Nicht so die Reichen, bei denen das Mästen mit Mais seit dem vorigen Jahrhundert allgemein üblich ist, wobei gemästete Gänse und Enten allerdings zugleich gesuchte städtische Marktartikel darstellen.

Pferdefleisch wurde seit der Landnahme im ganzen Mittelalter allgemein gegessen, verlor aber mit der Zeit an Bedeutung, im vorigen Jahrhundert aßen allein noch die Hirten Pferdefleisch. Es gibt Aufzeichnungen darüber, daß in manchen Gegenden der Tiefebene, zum Beispiel im Jászság (Jazygerland), die ärmeren Leute Esel mästeten, deren Fett dem Gänsefett an Geschmack nicht nachsteht.

In manchen Gegenden des ungarischen Sprachraums wird viel Schaffleisch gegessen, sowohl an Wochen- wie auch an Festtagen. Brei mit Schaffleisch ist das übliche Gericht der Tieflandhirten, wurde aber auch in den Dörfern gegessen. Später verlor das Schaffleisch an Bedeutung, gewann dagegen eine gewisse zeremonielle Rolle bei den Festmahlen, die nach Abschluß größerer Arbeiten – so der Getreide- oder Weinernte- gegeben wurden. Das ungarische Schaf hat ein viel schmackhafteres Fleisch als der Merino, so daß man für die Küche die ungarischen {G-322.} Schafe – solange es sie gab – vorzog und Fleischgerichte in Paprika, Zwiebeln oder im eigenen Saft daraus bereitete.

Das Rindvieh, so groß auch sein Bestand war, spielte niemals eine bedeutende Rolle in der ungarischen Bauernnahrung. Es wurden keine besonderen Arten der Konservierung und Zubereitung entwickelt, und in der Speisenfolge bei Festmählern kam Rindfleisch nur selten vor. War die Suppe aus Rindfleisch, aß man das Fleisch hinterher als besonderes Gericht. Im mittleren Teil des ungarischen Sprachraums erlangten Gulasch (gulyás) und die Gulaschsuppe (gulyásleves) große Bedeutung. Im ersten Fall setzte man das in kleine Stücke zerschnittene Fleisch mit Zwiebeln und Fett auf, ließ es im eigenen Saft schmoren und würzte es mit Paprika. Wollte man eine Gulaschsuppe kochen, setzte man das Fleisch mit Wasser auf, wozu man neuerdings auch Kartoffeln und Nockerln tut. Gulasch in dieser oder jener Form ist ein Hauptbestandteil der ungarischen Küche geworden und hat sich sogar weit über die Landesgrenzen hinaus verbreitet.

Den wichtigsten Platz in der Ernährung der Bauern nahm und nimmt das Schwein ein. Das Schwein spendet den wichtigsten Grundstoff, das Fett (zsír), das auch heute noch ausschlaggebend für die ungarische bäuerliche, aber auch für die städtische Küche ist. Der Speck (szalonna), der roh, gekocht oder geräuchert gegessen wird, galt früher als das wichtigste Volksnahrungsmittel; erst in unseren Tagen begann der Speck an Bedeutung zu verlieren. Das durch Räuchern oder auf andere Weise konservierte Schweinefleisch bildete den Hauptbestandteil der Nahrung während der wichtigsten landwirtschaftlichen Arbeiten. Sogar die ärmeren Schichten gaben sich alle Mühe, um mindestens ein Schwein mästen zu können, während die wohlhabenderen mehrere Mastschweine im Stall hatten.

Das Schlachtfest gilt als eines der größten Ereignisse in den Bauernhäusern. Der geeignete Zeitpunkt dafür ist vor Weihnachten oder im Januar. Man richtete die Mast so ein, daß das Schwein in den kältesten Monaten das beabsichtigte Gewicht erreiche; auf diese Weise konnte man einen Teil des Fleisches gefrieren lassen und längere Zeit frisch halten.

Ein Schwein zu schlachten und zu zerlegen versteht jeder Bauer selbst. Dennoch gab es in jedem Dorf einige Spezialisten dafür, die meistens gegen Bezahlung in Naturalien zum Schlachtfest hinzugezogen wurden. Am frühen Morgen wird das Schwein abgestochen und das Blut sorgfältig in Gefäßen aufgefangen; dann beginnt das Abbrennen der Borsten über einem Strohfeuer. Neuerdings ist man in Westungarn zum Enthaaren durch Abbrühen mit heißem Wasser übergegangen, aber viele sind der Meinung, daß beim Abbrennen der Speck schmackhafter bleibt. Das enthaarte Schwein wird mit einer dicken Lehmschicht bestrichen, die dann mit dem Messer abgezogen wird; durch diesen Vorgang sollen die verbliebenen Borsten entfernt werden.

Danach wird das Schwein auf den Rücken gelegt, und es beginnt das Zuhauen mit dem Herausschneiden der vier Schinken. Dann werden die Innereien herausgeholt, und nun schalten sich auch die Frauen ein, die das Gedärm, den Magen, die Nieren säubern und gründlich {G-323.} waschen. Unterdessen schneidet der Schlächter das Rückgrat des Tieres mit dem daran haftenden Fleisch (orja) heraus, woraus die beste Suppe gekocht wird. Verschiedene Fleischstücke werden gesammelt, kleingeschnitten, mit Zwiebeln, Pfeffer und Paprika gewürzt und in den Dünndarm gefüllt; so bekommt man eine Dauerwurst (kolbász), die geräuchert bis in den Sommer haltbar und genießbar bleibt. Aus der Leber und aus dem Blut, auch aus der Lunge macht man – neuerdings mit Zutaten von Reis und Gewürzen – verschiedene Sorten von Weichwürsten (hurka), die in der winterlichen Kälte einige Wochen frisch bleiben. Der Schweinemagen wird mit Fleisch-, Haut- und Zungenstücken gefüllt und dann ebenfalls geräuchert.

Das Schweineschlachten ist eine gesellige Angelegenheit. Am Abend des ersten Tages kommen die Verwandten und Nachbarn zum Schlachtfest ins Haus, es gibt Abendessen, das gewöhnlich aus der berühmten orja- Suppe und Schweinefleisch mit Sauerkraut besteht; zuweilen gibt man auch noch Würste und bleibt dann bis spät in die Nacht beim Wein zusammen. Am zweiten Tag wird der Schmer ausgebraten, Fleisch und Speck werden eingesalzen; zwischendurch bereitet die Bäuerin auf Tellern Kostproben vom Schlachtfest für die Verwandten und Nachbarn, die derartige Geschenke auf ähnliche Weise vergelten.