Milch und Milchprodukte

In der Ernährung der ungarischen Bauernschaft spielen Kuh- und Schafmilch eine große Rolle. Hinweise auf den Genuß von Stutenmilch gibt es nur für vorgeschichtliche, nicht für historisch überblickbare Zeiten.

Die ungarische hellgraue Kuh gibt zwar wenig Milch, aber ihre Milch hat einen hohen Fettgehalt. Die in der Herde auf der Weide gehaltenen Kühe wurden nicht gemolken; das Kalb konnte trinken, soviel es wollte. Nur ein paar Kühe wurden in der Nähe des Gehöfts gehalten und für den Bedarf der Hirten gemolken, die die Milch zumeist roh tranken, mitunter aber auch saure Milch bereiteten. Die am längsten bekannte Art von Sauermilch heißt tarhó; ihre Zubereitung erlernten die Ungarn wahrscheinlich noch während ihrer Wanderschaft von den Turkvölkern. Die Milch wird in einem großen Topf gekocht; dann läßt man sie leicht auskühlen, aber nur soweit; dann erfolgt ein Zusatz von Milchsäurebakterien, der gewöhnlich nichts anderes ist als ein vom vorigen Kochen übriggebliebener kleiner Rest. Im gedeckten Topf gerinnt die Milch in einigen Stunden, im offenen Topf erst in acht bis zwölf Stunden. Wenn die saure Milch so dick ist, daß ein Strohhalm darin stehen bleibt, kann sie genossen werden.

Abb. 147. Milchkrüge.

Abb. 147. Milchkrüge.
Õrség, Kom. Vas, um 1930

Die Bauernhaushalte verbrauchen die Milch größtenteils roh. Der in Tonkrüge abgefüllte Teil wird sauer und ist besonders im Sommer ein erfrischendes Getränk. Am oberen Rand der Milch oder Sauermilch sammelt sich das Fett von leichterem spezifischen Gewicht und bildet die süße oder die saure Sahne (tejszín und tejfel). Aber auch die Sahne enthält noch Wasser, erst wenn dieses entfernt wird, bleibt Butter (vaj) übrig.

Die einfachste Art der Butterbereitung besteht darin, die Sahne in einem Gefäß so lange zu schütteln, bis sich die reine Butter absetzt. {G-324.} Solche Art der Butterbereitung ist über den gesamten ungarischen Sprachraum verbreitet, und das gleiche Verfahren findet man in erster Linie bei den östlichen Slawen. Nach und nach kamen die verschiedenen Butterfässer aus Holz, Ton oder Blech auf, in denen man eine Stange mit Flügeln hin und her drehte oder auf und ab bewegte, bis die Butter sich von der Milch löste. Die zurückbleibende Flüssigkeit ist die Buttermilch (író), die von Kindern gern getrunken wird; den Rest bekommen die Ferkel. Das Buttermachen gehört zu den ältesten Arten der Verarbeitung von Kuhmilch. Ein Beweis dafür ist die teils auf das Finnougrische, teils auf das Bulgarisch-Türkische verweisende Terminologie (vaj, ráz, köpû, író). Erhitzt man die abgerahmte Sauermilch, entsteht der Quark; die Flüssigkeit wird herausgedrückt und der Quark in Säcken zum Trocknen aufgehängt; Quark ist eine beliebte Zutat oder Füllung für gebackene oder gekochte Mehlspeisen.

Die Verarbeitung der Schafmilch ist nicht Sache der Frauen, sondern die der Hirten. Die Frauen und Töchter helfen höchstens dabei, weil die Verarbeitung von Schafmilch nicht allgemein geläufig, sondern Spezialisten vorbehalten ist.

Immer mehrere Bauern zusammen ließen ihre Schafe von einem gemeinsamen Schäfer hüten, der seinen – in den verschiedenen Landesteilen verschieden berechneten – Anteil an der Milch hatte. In der Theißgegend gaben meistens sechs Bauern je zwanzig Schafe einem Schäfer zum Hüten. Der einzelne bekam dann einmal in der Woche die Milch von einem ganzen Tag (vom morgendlichen und abendlichen Melken), während die Milch vom siebenten Tag dem Schäfer gebührte. In Siebenbürgen wurden die Schafe zum erstenmal am St. Georgstag, dem 24. April, feierlich auf die Weide getrieben. Zuvor hatte jeder Eigentümer seine Schafe selbst gemolken und das Ergebnis genau festgestellt und aufgezeichnet. Die entsprechende Menge stand ihm anteilig den ganzen Sommer über zu. Bei den Palotzen verbreitete sich bereits im vorigen Jahrhundert der Brauch, den Milchertrag zu verpachten. Für die ganze Zeit gab der Schäfer dem Eigentümer des milchenden Mutterschafes ohne Rücksicht auf dessen tatsächlichen Ertrag zwei Kilogramm frischen Käse. Die Schafe zu melken war immer Männerarbeit. Im allgemeinen wurden die Schafe vier Monate lang, von Mai bis September gemolken, und das Ergebnis wechselte je Schaf von 10 bis 40 cl.

Abb. 148. Butterfaß.

Abb. 148. Butterfaß.
Szalafõ, Kom. Vas, um 1930

Die Schafe werden auf engem Raum dem Schäfer zugetrieben; der packt das Schaf, melkt es bis auf den letzten Tropfen und läßt es dann laufen. Der Milchbottich war früher aus Holz, neuerdings ist er aus Blech. Zwischen den beiden Henkeln des Bottichs ist eine Doppelschnur ausgespannt, auf der ein kleinerer Topf hängt; die Milch wird immer in dieses kleinere Gefäß gemolken, sonst würde sie im großen Bottich zu sehr schäumen. Die süße Schafmilch wird nicht unmittelbar verbraucht, sondern nur zur Schafkäse- und Quarkbereitung verwendet.

Dazu benötigt man vor allem ein Ferment. Das gewannen die palotzischen Schäfer aus dem Magen eines Lammes oder Kälbchens. Sie säuberten ihn, salzten ihn ein, tags darauf wuschen sie das Salz heraus und bliesen den Magen auf; so wurde er trocken aufbewahrt, und wenn man ihn gebrauchen wollte, schnitt man ein {G-325.} Stückchen davon ab, weichte es in lauwarmer Milch ein, gab unter Umständen auch etwas Molke dazu, und schon war der Gärungsstoff gebrauchsfertig. Ähnlich machte man es auch in der Tiefebene, wo es aber auch vorkam, daß die im Magen des dreiwöchigen Kalbes verbliebene Milch mitgetrocknet und der Magen so aufgehoben wurde.

Abb. 149. Tongefäß zum Buttern mit Deckel und Schlagholz.

Abb. 149. Tongefäß zum Buttern mit Deckel und Schlagholz.
Szomoróc, Kom. Vas, um 1930

Die gemolkene Schafmilch wird eine Weile stehengelassen, dann gibt man, der Menge entsprechend, Fermentstoff dazu. Die geronnene Milch wird mit der Hand oder einem Löffel gründlich zerbröckelt und umgerührt, sodann in diesem Zustand kurze Zeit aufgehoben. Dann tut man das Ganze in ein Leinentuch und wringt die Molke aus; manche legen den Beutel in eine Presse, um damit die Feuchtigkeit herauszudrücken. In der Tiefebene gibt man dem Schafkäse eine Kugelform (gomolya), in anderen Gegenden eine Scheibenform, oder man nimmt Gußformen verschiedenster Art. Schließlich läßt man den Käse an luftigem, schattigem Ort trocknen.

155. Beim Buttern

155. Beim Buttern
Kazár, Kom. Nógrád

Der Käse wird mit Brot gegessen; wenn aber im Juli und August die Schafmilch schon scharf schmeckt, macht man aus ihr einen Quark, den man zerbröckelt, einsalzt und in einem Holz- oder Tongefäß festdrückt, so daß er lange Zeit aufbewahrt werden kann. In Siebenbürgen und bei den Moldau-Csángós hält man den Käse in Schläuchen aus Schafhaut und räuchert ihn auch zuweilen. Aus der Molke des Schafkäses bereitete man auch einen zsendice genannten Quark, in dem {G-326.} man ein Zehntel süße Schafsmilch dazugab und das ganze, angewärmt, so lange rührte, bis daraus eine breiige Masse entstand. Sie galt bei den Bauern bis in die neueste Zeit als ein bewährtes Mittel gegen Lungenkrankheiten.