Die Lederherstellung und -verarbeitung

165. Schuhmacher bei der Arbeit.

165. Schuhmacher bei der Arbeit.
Bild auf einer Zunftlade, 1800 Kom. Borsod-Abaúj-Zemplén

166. Gerbergesellen.

166. Gerbergesellen.
Bild auf einer Zunftlade, 1800 Kom. Borsod-Abaúj-Zemplén

Die Lederherstellung und -verarbeitung ist ein sehr altes Handwerk, das sich zum Teil aber schon frühzeitig auf die Fertigung von bestimmten Kleidungsstücken spezialisierte. Die primitivsten Methoden und Verfahren der Lederherstellung haben die Hirten fast bis in die heutige Zeit bewahrt. Sie versuchten vor allem, die Haut verendeter Herdentiere für sich zu nutzen. Am besten von den Hirten verstehen es die Schäfer, Tierhäute – natürlich die Häute von Schafen – zu bearbeiten. Sie stellen sich aus Schaffell verschiedene einfache Kleidungsstücke her. In der Gegend um die Pußta (Heide) Hortobágy wird das abgebalgte Lammfell sorgfältig von Fleischresten gesäubert, gespannt und an einem schattigen Platz getrocknet. Ist es sehr verschmutzt, wird es ausgewaschen und erneut getrocknet. Dann streicht man es gründlich mit einer Mischung von Kochsalz und Alaun ein, streut Kleie darüber und faltet das Ganze zusammen. Nach einigen Tagen wird das Fell {G-342.} entweder nach primitiver Art mit der Hand gebrochen oder über die stumpfe Seite der Sense gezogen, damit es weich wird. Dabei streut man von Zeit zu Zeit Kreidepulver oder Mehl darüber, wodurch das Fell ganz weiß wird. Aus Blauholz (Phytolacca Tourn), Galläpfeln und Kupfervitriol wird eine Farbe gekocht, die lauwarm auf das Leder aufgetragen wird, wodurch es eine schöne schwarze Farbe erhält.

Abb. 157. Gerät zum Brechen des mit Alaun präparierten Leders.

Abb. 157. Gerät zum Brechen des mit Alaun präparierten Leders.
Kézdivásárhely, ehem. Kom. Háromszék, um 1930

Diese Art der Fellbearbeitung haben früher auch die ungarischen Gerber angewandt, deren Erzeugnisse sogar in französischen Quellen aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts anerkennend erwähnt werden (DIDEROT: Encyclopedia, Paris 1712). Das Wesentliche des Verfahrens bestand darin, daß die Haare von der abgebalgten Haut mit dem Messer ohne Anwendung irgendwelcher Chemikalien entfernt wurden. Dadurch blieben die Haarwurzeln im Leder und machten es fester und widerstandsfähiger. Die Tierhäute wurden gründlich mit einer Alaun-Kochsalz-Lösung behandelt, kräftig getreten und, wenn sie völlig durchgewalkt waren, zuerst im Schatten und dann über der Feuerglut getrocknet; dadurch weiteten sich die Hautporen und nahmen den heißen Talg, mit dem das Leder anschließend eingeschmiert wurde, leicht auf. Dieses Verfahren wurde vor allem bei Ochsenhaut angewandt, weil diese dadurch weiß wurde. Die Bearbeitung dauerte insgesamt nur 2 bis 4 Wochen, im Gegensatz zum allgemeinen europäischen Gerbverfahren, das sich oftmals 3 bis 4 Jahre lang hinzog. Die Vorteile der ungarischen Art der Lederbearbeitung – geringere Zeitdauer und festeres Leder – machten das Verfahren auch in Westeuropa beliebt. Es war im Grunde ein Verfahren, das in Innerasien, im Nahen Osten und während des Mittelalters auch an der Südküste des Mittelmeeres üblich war. Daher ist anzunehmen, daß die Ungarn diese Art der Lederbearbeitung bereits vor ihrem Einzug in das Karpatenbecken, der sogenannten Landnahme, kannten.

Vom Mittelalter an arbeiteten die Gerber dann mit anderen Methoden. Sie haben die eingeweichte Tierhaut kräftig gekalkt und 2 bis 3 Wochen so liegen lassen; danach konnten sie die Oberhaut mit den Haaren oder der Wolle leicht von der Haut lösen. Die Wolle sammelten sie und verkauften sie ausgewaschen an die Hersteller der Guba (Bauernrock). Waren Fleisch- und Oberhautreste sorgfältig vom Leder entfernt, wurde das ganze eine Zeitlang in einer Beize aus Hühnermist gehalten. Darauf folgte das Gerben mittels der Lohe, deren Grundstoff abgeschälte und zerbröckelte Eichenrinde oder Galläpfel waren. In dieser Gerberlohe lag die Haut bis zum Abschluß des Gerbprozesses, wobei jeden Tag frische zerstoßene Eichenrinde zugesetzt wurde, so daß die Gerbstoffe immer die gleiche Konzentration behielten. Wenn das durch Einschnitte geprüfte Leder innen gelb war, konnte die Gerbung beendet werden. Das Leder wurde kurz getrocknet, mit Fett eingeschmiert und gefärbt. Dieses Bearbeitungsverfahren ist für Europa sowie für Süd- und Kleinasien kennzeichnend. Es setzte sich im Laufe der Zeit auch in Ungarn immer mehr durch und verdrängte das erstgenannte Verfahren der ungarischen Hirten.

Unter den pflanzlichen Gerbstoffen stößt man vor allem in Westungarn und in der Plattenseegegend auch auf den Sumach (Rhus cotinus), der hier vermutlich von den Türken eingebürgert worden war.

Abb. 158. Behälter für die Hirtenutensilien (Messer, Stein, Stahl, Baumschwamm) aus Leder.

Abb. 158. Behälter für die Hirtenutensilien (Messer, Stein, Stahl, Baumschwamm) aus Leder.
Große Tiefebene, zweite Hälfte 19. Jahrhundert

167. Einberufungstafel einer Zunft

167. Einberufungstafel einer Zunft
Kom. Bács-Kiskun

{G-344.} Beweis dafür ist auch, daß diejenigen, die sich damit beschäftigten, tobak genannt werden, was im Osmanisch-Türkischen soviel wie Gerber (ungarisch: tímár) bedeutet. Sumach ist ein wertvolles pflanzliches Gerbmittel, das die Qualität des Leders erhöht. Aus dem so hergestellten Saffianleder wurden ausgezeichnete Stiefel gefertigt.

Abb. 159. Geräte zur Lederverarbeitung.

Abb. 159. Geräte zur Lederverarbeitung.
Sárrétudvari, Kom. Bihar, um 1940.
1. Ahle; z. Locher aus Knochen; 3. Schabemesser; 4. Lederstrecker; 5. Kiskákó; 6. Entfleischer; 7. Zurichter