15. Die beiden Ausgaben der „Chorographia Transylvaniae” von Johannes Honter

Zeitschrift für Siebenbürgische Landeskunde (Köln–Wien) 1988. 150–160.

Die Sachsenlandkarte von Honter hat eine ganz besondere Wichtigkeit: sie ist die erste geographische Darstellung von Siebenbürgen, wobei die sächsischen Siedlungen bevorzugt dargestellt werden. Diese „Chorographia Transylvaniae” verfertigte Honter in Basel 1532 eigenhändig. Ein einziges, von diesem Holzstock abgezogenes Exemplar ist bis heute erhalten geblieben; es befindet sich in der Ungarischen Nationalbibliothek in Budapest. Seinem historischen und kulturellen Gewicht entsprechend wurde dieser Holzschnitt – angefangen von Karl Fabritius[1] bis Gerhard Engelmann[2] – im Laufe des letzten Jahrhunderts von mehreren Autoren ausführlich behandelt. Alle wichtigen Feststellungen der Fachliteratur hat Engelmann zusammengefaßt,[3] so daß man im folgenden von seiner Publikation ausgehen kann, um sie in mancher Hinsicht zu ergänzen oder zu korrigieren.

Die meisten Verfasser, die über Honters Siebenbürgenkarte geschrieben haben, arbeiteten aufgrund von Reproduktionen die zwischen 1878 und 1960 veröffentlicht wurden.[4] Dadurch sind einige Dinge außerachtgeblieben, obwohl über sie teilweise schon früher berichtet worden war. Auf das Unikat in Budapest gestützt, kann man nun manche Einzelheiten auffrischen bzw. ergänzen. Die heutige Signatur der Karte lautet „RMK. III. 296.”, die frühere „Mapp. 3190d”.[5] Fabritius hat berichtet, daß die Karte schon im 16. Jahrhundert auf Leinwand aufgezogen worden ist, wodurch dieser Einblattdruck die Jahrhunderte unbeschadet überleben konnte.[6] Im März 1970 wurde die Karte vom Leinen abgelöst und durch sog. Japanpapier verstärkt. Dabei sind die beiden miteinander identischen Wasserzeichen der zwei Bogen zum Vorschein gekommen. Beide befinden sich in der unteren Hälfte der Bogen. Es handelt sich um die damals weit verbreitete gotische Krone, deren Spitzen zueinander geneigt in die Mitte zeigen.

Beim Entfernen der Leinwand verschwanden einige wenige zeitgenössische Wörter, die dort früher lesbar waren. Das mit Tinte geschriebene Wort „Vicarrt”, worüber Fabritius geschrieben hat[7], ist aber am rechten unteren Rand auch weiterhin sichtbar. Das Exemplar stammt aus der berühmten Sammlung von Miklós Jankovich[8], die am 17. Juni 1836 dem Ungarischen Nationalmuseum übergeben wurde.[9]

Die Reproduktionen der Sachsenlandkarte von Honter machen es schwer, die handschriftlichen Ergänzungen vom Druck zu unterscheiden. Fabritius hat die mit Tinte hergestellten Linien, Beschriftungen und Zeichnungen ziemlich genau beschrieben.[10] Zwei solche Ortschaften hat er registriert: östlich von „Thorrenburg” „kaltherberg” und nördlich von „Langenaw” „rutbom”. Zwei lückenhafte Beschriftungen wurden ergänzt: in der rechten unteren Ecke „(Valach)iae Pars” und südlich von „Agnetin” „Har(bach)”. Der Bach Aranyos/Arieº, der keine Beschriftung trägt, weist im Druck nur eine kurze, etwa 10 mm lange senkrechte Linie östlich von „Thorrenburg” bei seinem Mittelabschnitt auf, der Verlauf des Baches wurde südlich der Berge etwa 30 mm und östlich bis zum Fluß Mieresch etwa 40 mm lang mit Tinte nachgezogen.

Genau in der Mitte der rechten Hälfte der Karte findet man einen waagrechten weißen Streifen, der eine Breite von 1–1.5 mm hat. Es handelt sich dabei nicht um eine Falte des Papiers, sondern um einen technischen Mangel. Der Abzug vom Holzstock wurde nämlich nicht in einem, sondern in zwei Arbeitsgängen hergestellt, zwischen denen das Papier unter der Presse etwas verrutschte. Dieser Holzschnitt wurde demnach von einem Tiegel gedruckt, der nur die Größe eines halben Bogens besaß. Der Holzschnitt trägt zwar das Impressum: „Basiliae MDXXXII”, doch eine so kleine, anspruchslose Presse kann für eine Basler Offizin nicht charakteristisch sein. In dieser Stadt wurden die wichtigsten wissenschaftlichen Werke der Zeit in großen Mengen mit Hilfe von Pressen in der Größe von ganzen Bogen hergestellt.

Schon Fabritius hat angenommen, daß Honter die oben erwähnten Korrekturen in seiner Siebenbürgenkarte eigenhändig eingetragen hat.[11] Dieser Eingriff war einerseits durch die lückenhafte Beschriftung nötig, die durch den nicht besonders gut gelungenen Abzug verursacht worden ist. Andererseits hat Honter seine Siebenbürgenkarte mit neuen Ortschaften angereichert. Er hat die Siedlungen entsprechend ihrer Größe mit einem oder mit mehreren kleinen Häusern und Bauten gekennzeichnet. Bei dem neu eingezeichneten Dorf „rutbom” unweit seiner Heimatstadt – liegt das Häuschen auf einer Linie. Derartige Grundlinien sind im Holzschnitt sonst nicht zu finden: Bäume und Häuser sind immer ohne irgendeine Unterlage zu sehen. Aber in seinem kleinen Atlas „Rudimenta cosmographica”, zum erstenmal in Kronstadt 1542[12] gedruckt, hat Honter die Grundlinie überall konsequent gebraucht.[13] So liegt es auf der Hand, daß Honter die handschriftlichen Korrekturen erst nach seiner Rückkehr aus Basel in seine Heimatstadt vorgenommen hat.

Die oben angeführten technischen Mängel weisen darauf hin, daß der Abzug des Budapester Exemplars der Honteruskarte möglicherweise in Kronstadt angefertigt wordén ist. Die Offizin von Honter war dort ab 1539 tätig. Alle Lagen ihrer Produktion haben den Umfang eines halben Papierbogens. Dieser Umstand beweist, daß die Druckerei nur eine Presse in der Größe eines halben Bogens besaß. Nach Honters Tod kann man in den Druckwerken seines Schülers und Nachfolgers auch in der Druckerei, Valentin Wagners, dieselbe Beobachtung machen. Erst 1555 sind in Kronstadt Bücher erschienen, die ein größeres Format als Oktav besitzen, gleichzeitig vergrößert sich der Umfang der Lagen auf einen ganzen Bogen. Wagner ließ nämlich in diesem Jahr die typographische Einrichtung seiner Druckerei u. a. durch Erwerb mehrerer neuer Typen auffrischen. Damals erhielt die Offizin eine größere Presse. Es ist interessant zu beobachten, wie genau man den Wechsel im Gebrauch zwischen Tiegeln mit der Größe eines halben Bogens und Tiegeln eines ganzen Bogens in der Produktion der Kronstädter Druckerei des Jahres 1555 feststellen kann. Von den zehn Druckwerken, die aus diesem Jahr erhalten geblieben sind, gehören sieben[14] zu der früheren und drei[15] zu der späteren Periode.

Die oben erwähnten technischen Mängel sind vermutlich durch einen Tiegel in der Größe eines halben Bogens in Kronstadt entstanden. Um Beweise für diese Annahme zu bekommen, wurden die für mich zugänglichen Exemplare der Honterschen Druckwerke untersucht. Es gelang, das gleiche Wasserzeichen zu finden, das in dem Unikat der Siebenbürgenkarte vorkommt. In dem Budapester Exemplar einer kleinen Sammlung mit Texten von Cato und Ausonius, die von Honter zusammengestellt und 1539 gedruckt wurde, war genau das gleiche Wasserzeichen in der zweiten Hälfte des ersten Bogens zu finden.[16] Es handelt sich um eine gotische Krone in der Größe von 73 mm mit acht Perlen am Bügel und oben mit Kreuz und Stern. Von Piccard wird es unter Nummer VII.84a registriert.[17] Dieses Wasserzeichen ist auf Dokumenten des deutschen Sprachraumes in den Jahren 1539–1561 zu finden. In dem bedeutendsten Erzeugungsgebiet von Kronenpapier, den Vogesen, waren um 1540/50 nicht weniger als 21 Papiermühlen tätig; so ist eine Identifizierung des Wasserzeichens mit einer bestimmten Mühle nicht möglich; die Provenienz kann nur großräumig als „oberrheinisch–vogesisch” benannt werden.[18] Auch der Umstand, daß dieses Papier erst ab 1539 in Verwendung genommen wurde, spricht für einen Druck der Siebenbürgenkarte in Kronstadt 1539 und damit gegen einen Druck in Basel 1532.

Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß Honter die Holzstöcke, die er in Basel 1532 gestochen hat, nach Kronstadt überführte, wo er nach der Errichtung seiner Druckerei im Jahre 1539 einige Exemplare seiner Karte abgezogen hat. Das heute bekannte einzige Exemplar stammt also aus dieser Periode.

Man kann jedoch annehmen, daß die „Chorographia Transylvaniae” auch schon in Basel veröffentlicht wurde, obwohl von dieser Auflage kein Exemplar erhalten geblieben ist. Die Siebenbürgenkarte der Offizin Heinrich Petri in Basel aus dem Jahre 1540 folgt ziemlich genau dem Honterschen Holzschnitt von 1532.[19] Der Umstand, daß Honter die beiden Holzstöcke der Karte nach Kronstadt mitbrachte, weist darauf hin, daß sie ihm gehörten. Die Vermutung, daß die Basler Auflage von Heinrich Petri veröffentlich wurde, ist darum nicht überzeugend;[20] sicher kann man aber die Mutmaßung Engelmanns beiseite lassen, daß Honter die Druckstöcke der Sachsenlandkarte vernichtet hat.[21]

Am Rande des Unikats von Budapest ist ein handgeschriebenes Wort nicht ganz eindeutig zu lesen: „Vicari9” = Vicarius. Fabritius hat „Vicarrt” = Vicariat gelesen. In diesem Zusammenhang äußerte er die Vermutung, daß es sich auf Adrianus Wolphardus bezieht.[22] Dieser Siebenbürger Sachse war mit Honter befreundet und von 1531 bis zu seinem Tod 1544 Vikar des siebenbürgischen Bischofs in Weißenburg.[23] Die in Kronstadt gedruckte Karte kann also tatsächlich einmal Wolphardus gehört haben.

Aus einem Brief des Antonius Verantius vom 2.8.1544;  der von 1538 bis 1549 Propst in Weißenburg war, weiß man, daß Honter mit seinem Erstlingswerk unzufrieden war. Er hat die Karte nach einer Zeit nicht mehr verbreitet und sogar versucht, die noch im Verkehr befindlichen Exemplare einzuziehen[24]. Verantius hat nach dem Tode Honters in einem Brief vom 15.7.1549 ziemlich scharfe Kritik an der Siebenbürgenkarte geübt.[25] Tatsächlich ist die geographische Darstellung Siebenbürgens nicht wenig verzerrt: eine starke Verschiebung der Ortslagen findet im Gegensinne des Uhrzeigers statt;[26] die reale Form der Provinz hat Honter vernachlässigt und als Viereck dargestellt, den meisten Flüssen gab er einen geraden Lauf, ohne ihre Richtungsänderungen zu beachten.[27] Solche und ähnliche Beobachtungen von Verantius waren begründet; und so ist auch das kritische Verhalten des Kronstädter Humanisten seiner eigenen Karte gegenüber zu verstehen. Verantius hat 1544 berichtet, daß Honter „verum meliores auctioresque cudere dicitur”;[28] er wollte also eine verbesserte und ergänzte Karte schneiden. Von seinen diesbezüglichen Bemühungen zeugen die Korrekturen, die er in das Unikat der Sachsenlandkarte eigenhändig eingetragen hat. Fabritius hat vermutet, daß Honter seinen Plan nicht verwirklichen konnte.[29] Theobald Wolf konnte aus dem erwähnten Brief des Verantius vom Jahre 1549 vorsichtig etwas mehr herauslesen: „Dies steht im Einklang mit einem Brief, den Honters Freund Verantius an Christian Pomarius, Pfarrer in Lechnitz, schreibt, ohne daß man indessen bestimmt weiß, ob er sich auf die Chorographie Honters oder auf eine zweite nicht mehr vorhandene oder wenigstens bisher nicht wieder aufgefundene Karte bloß des Sachsenlandes bezieht.”[30]

Die Vermutung von Wolf war nicht unbegründet. Unlängst wurden aus den Einbanddecken eines Buches – gedruckt in Weißenburg 1645 – von einem Privatsammler in Budapest vier Bruchstücke der Sachsenlandkarte ans Tageslicht gebracht. Es handelt sich dabei um zwei Blätter in der Größe von 20x15 cm und weitere zwei von 20x11.5 cm. Die zwei größeren Stücke haben in der Mitte durch Nässeeinwirkung stark gelitten. Die zweimal zwei Blätter bilden zwei Paare, die ehemals zusammengehörten, doch wurden sie für die Einbanddecken zerschnitten. Dadurch entstand eine senkrechte Lücke zwischen den beiden zusammengehörenden Teilen von etwa 14 mm. Da die zwei Paare sich jedoch nicht ganz genau decken, vermindert sich die Lücke von 14 auf etwa 6 mm.



1. Das südliche Burzenland und ein Teil der Walachei auf dem Fragment der verbesserten HonterusKarte: die Widmungs– und Spruchtäfelchen fehlen.



2. Der Alt-Durchbruch und das Harbachtal auf dem zweiten Fragment der verbesserten Honterus–Karte. Südlich des "Rot-thurn"s ist deutlich die neue Art der Gebirgsdarstellung zu erkennen.

Die beiden Paare stammen aus demselben Teil der Siebenbürgenkarte und zeigen die Gegend zwischen Hermannstadt und Kronstadt. Sie bilden das rechte untere Viertel des Holzschnittes von Honter oder, anders gesagt, die untere Hälfte der rechten Tafel, weil die „Chorographia Transylvaniae” aus zwei rechteckigen Holzstöcken in stehendem Format besteht. Beim Vergleich der ans Tageslicht gekommenen Bruchstücke mit dem Unikat von Budapest stellt sich heraus, daß sie teilweise identisch, teilweise aber ganz anders sind. Im großen und ganzen stimmt der Holzschnitt in der oberen Hälfte des Bruchstückes mit dem vollständigen Exemplar, das in Kronstadt 1539 abgezogen wurde, überein. Die untere Hälfte der Bruchstücke ist dagegen anders geschnitten.

Durch eine genaue Untersuchung kann man die waagrechte „Grenzlinie” zwischen den zwei Teilen finden, die das untere Drittel von den oberen zwei Dritteln trennt. Diese Linie ist nicht ganz gerade, weil sie sich gelegentlich an die Struktur des Holzschnittes anpaßt. So wurde z. B. der Holzstock nördlich von „Langenaw” durch die stilisierten Bäume so gesägt, daß zwei Bergspitzen wegfielen.

Honter hat also seine Originalholzstöcke zum größten Teil beibehalten; nur der untere 5–6 cm breite Teil wurde ersetzt. Die beiden Teile hat er äußerst geschickt zusammengepaßt. Nur mit großer Mühe kann man die Nahtstelle finden, z. B. unter der Beschriftung von „rotthurn” im Fluß Alt. Der Lauf des Alt ist entsprechend der Vermehrung seiner Wassermenge mit zusätzlichen parallel laufenden Linien gekennzeichnet. An der betreffenden Stelle besteht er schon aus vier Linien, wovon nur eine fortlaufend zu sein scheint. Bei den drei anderen läßt sich eine Unterbrechung feststellen, allerdings nur mit der Lupe. In der Regel kann man bei den über die Nahtstelle laufenden Linien aber keinen Spalt finden, so genau hat Honter die beiden Holzstöcke zusammengefügt.

Wenn man die Sachsenlandkarte von Budapest mit den Bruchstücken vergleicht, um Abweichungen festzustellen, fällt sofort auf, daß für die Neuauflage die unteren Teile der „Chorographia Transylvaniae” entfernt wurden. Diese trugen die Widmung an den Hermannstädter Rat, datiert von Basel 1532, sowie zwei Täfelchen mit Reimsprüchen. Honter hielt diese Texte – nun zu Hause in Kronstadt – offenbar für überholt und hat sich darum für ihre Entfernung entschieden.[31] Dadurch entstanden größere Lücken im unteren Teil der Karte. Um sie zu eliminieren, wurde der untere Streifen, der etwa ein Fünftel des Holzschnittes ausmacht, durch Einsetzen eines neu geschnittenen Holzstocks ausgewechselt. Dieser enthält die unmittelbar südlich der Karpaten liegende Gegend der Walachei.

Früher waren hier nur die Ortschaften „Langenaw” und „Terwisz” bzw. die Beschriftung „Hazek” und „Valachiae Pars” in der rechten Hälfte der „Chorographia Transylvaniae” zu finden. „Hazek” verschwand in der neuen Ausführung spurlos. „Valachiae Pars” hat einen wesentlich größeren Schriftgrad erhalten. Die zwei Städte tragen nun eine doppelte Benennung: „Campolongũ Langenaw”, bzw. „Tergovistia Teruisch”. Dazu kommen drei neue Ortschaftsnamen: „rebnick” (Rîmnicul Vîlcea), „Piteszt” (Piteºti) und „Arg…”. Diese letzte Beschriftung ist nur an einem Bruchstück zu finden und auch dort nur verstümmelt. Es handelt sich höchstwahrscheinlich um „Argesch” (Curtea de Argeº). Auch ein Flußname erscheint zwischen „Langenaw” und „Teruisch”, und zwar „teltz fl.”.

Auf dem neu geschnittenen Teil der Sachsenlandkarte ist die in Kronstadt angenommene Praxis Honters besonders gut zu erkennen. Wie oben schon erwähnt, zeichnete er nach seiner Rückkehr in seine Heimatstadt – so in seinem Atlas von 1542 – die Häuschen und Bäume immer auf eine waagrechte Linie. In Basel waren solche Linien allenfalls bei Bergen und Hügeln zu beobachten, aber auch da nicht konsequent.

Durch diese Linien sind die zwei Ortschaften sofort zu erkennen, die Honter in den Originalholzstock von Basel zu Hause eingearbeitet hat. Es handelt sich um „rudbom” und „cernen”. Die erste war schon in das Unikat der „Chorographia Transylvaniae” nachträglich mit der Hand eingetragen. Also ein weiterer Beweis, daß Honter durch die Umarbeitung des Holzschnittes eine zweite verbesserte Ausgabe seiner Siebenbürgenkarte verwirklichen wollte. Beide erwähnte Ortschaften liegen unweit von Kronstadt: „cernen” (Zernescht) noch innerhalb und „rudbom” (Rukendorf) außerhalb der Karpaten. Die zwei neuen Namen wurden in kleine Holzstücke geschnitten, die zur Korrektur in den Holzstock von Basel eingefügt wurden. Dabei war es notwendig, Platz zu schaffen, so daß einige Linien des ursprünglichen Holzschnittes in der Umgebung dieser Ortschaften verschwunden sind.

Im Papier des schwerer beschädigten Bruchstückpaares findet man das charakteristische Wasserzeichen der Kronstädter Papiermühle: die Krone auf dem Stumpf mit Wurzeln. Die Tätigkeit dieser Papiermühle ist aus der Zeit zwischen 1546 und etwa 1600 bekannt.[32] Aufgrund seiner kennzeichnenden Linienführung ist es sicher, daß Honter die Korrektur eigenhändig ausgeführt hat. Er starb am 23.1.1549. So kann man annehmen, daß die zweite Auflage um 1546–1548 zustande gekommen ist. Leider ist das erwähnte Wasserzeichen durch starke Beschädigung sosehr verstümmelt, daß es zu einer genaueren Zeitbestimmung ungeeignet ist. Theoretisch besteht nämlich die Möglichkeit, daß die nun aufgetauchten Bruchstücke der zweiten verbesserten Ausgabe nicht in der oben angegebenen Zeitspanne, was wahrscheinlich ist, sondern erst nach dem Tode Honters von den alten Holzstöcken abgezogen wurden. Aufgrund des Kronstädter Papiers ist aber sicher anzunehmen, daß es noch in 16. Jahrhundert geschehen ist.

Aus denselben Einbanddecken sind u.a. noch Bruchstücke eines Einblattdruckes vor Hermannstadt aus dem Jahre 1630 und eines Kronstädter Gebetbuches zum Vorschein gekommen. Die Einbanddecken, in die das Druckwerk von Weißenburg aus dem Jahre 1645 eingebunden war, enthielten also Makulaturen von siebenbürgischen Drucken aus der Zeit zwischen 1546 und 1645. Der Umstand, daß die Siebenbürgenkarte in zwei fast identische Exemplaren zum Vorschein gekommen ist, macht wahrscheinlich, daß es Makulatur eine siebenbürgischen Buchhandlung war, die 1645 zum Einband gebraucht wurde. Auch kam man annehmen, daß der betreffende Buchhändler mit dem Buchbinder identisch war, dem diese beiden Berufe waren damals häufig miteinander verbunden.

Die in die zweite verbesserte Auflage neu eingeschobenen Ortschaften machen es möglich die Verwendung der Karten Honters in der späteren Zeit genauer zu definieren. Es war schon früher bekannt, daß die Wiener Siebenbürgenkarte von Sambucus aus dem Jahre 1566 und deren Nachstiche von Ortelius sich auf die Sachsenlandkarte von Honter stützen.[33] Engelmann fügte noch die Siebenbürgenkarte der Offizin Arnold Mylius von Köln 1595 hinzu.[34] Nun kann man die Nachdrucke genauer unterscheiden. Die in die zweite Auflage eingesetzen Ortschaften sind, angefangen von Sambucus, überall zu finden. So kann man feststellen, daß nur die Siebenbürgenkarte von Basel 1540[35] aufgrund der ersten Auflage der „Chorographia Transylvaniae” hergestellt worden ist; alle anderen stützen sich auf die nun zum Vorschein gekommene verbesserte Karte von Honter.

Es ist natürlich unmöglich, die nicht erhaltenen Teile der korrigierten Karte von Honter vollkommen zu erschließen. Mit dem Einschub „kaltherberg” könnte man sicher rechnen, da er in das Unikat der ersten Auflage handschriftlich eingetragen wurde. Mit Hilfe der in Kupfer gestochenen Siebenbürgenkarte von Sambucus aus dem Jahre 1566 kann man nun versuchen, das fehlende Dreiviertel der zweiten Auflage wenigstens in groben Zügen darzustellen.[36]

Wenn man den Basler Holzschnitt 1532 von Honter mit dem Wiener Stich 1566 von Sambucus vergleicht, so fällt sofort auf, daß die Karte von Sambucus im Westen und Süden etwas über Honters Kartenrahmen hinausgreift.[37] Bei der Gegenüberstellung der Ortschaftsnamen beider Karten wurde natürlich als erster der schon erwähnte Flecken „kaltherberg” gesucht. Mit Erfolg: er kommt im Jahre 1566 unter der Form „Kalterbrig” vor.[38] Der oben ergänzte Ortschaftsname „Argesch” ist als „Argisch templum” bei Sambucus zu finden. Unmittelbar in der Nähe von der Einschiebung „Kalterbrig” sind noch weitere neue Ortschaftsnamen zu finden: „naglack”, „bogatz”, „keresztmezö”, „Koczard” und „gerenb”.[39]

Für uns sind die Stellen besonders interessant, die in der ersten Auflage von Honter mit Schrifttafeln und Wappen belegt wurden. In dem ans Tageslicht gekommenen und oben bechriebenen Viertel der zweiten Auflage konnte man feststellen, daß Honter die Spruchtafel entfernt hatte. So bestand also kaum Zweifel darüber, daß er auch in der linken Hälfte der zweiten Auflage ebenso vorgegangen ist. Diese feste Vermutung wird durch die bei Sambucus aufgetauchten neuen Ortschaften an diesen Stellen bekräftigt. So sind die Flecken „raczest” und „S. francisco”[40] östlich von Mühlbach zu lesen, wo in der ersten Auflage von Honter die linke Hälfte der mittleren Widmungstafel zu finden ist. Auch an der Stelle der linken, deutschsprachigen Schrifttafel von Basel – also in der Gegend zwischen „Altemburg” und „Weissenburg” – tauchen neue Ortschaften bei Sambucus auf: „Zalatnae Rüdera”, „Semich” und „Therma”.

In seiner Urauflage hat Honter noch in Basel in die oberen Ecken die Wappen von Hermannstadt (links) und von seiner Geburtsstadt Kronstadt (rechts) geschnitten: An beiden Stellen sind neue Ortschaften bei Sambucus zu finden: „schippesdorf”, „milstorf” und „banisa” in der linken, bzw. „Pretz”, „pag. hauos” und „Tartross” in der rechten oberen Ecke. So kann man also annehmen, daß Honter in der zweiten Auflage seiner Siebenbürgenkarte auch die beiden Wappen entfernt und an diese Stellen neue Ortschaften geschnitten hat. Sambucus ließ auch das Spruchband unweit von Kronstadt mit den Anfangsbuchstaben Honters weg. Damit bot sich dem Wiener Humanisten eine Chance, 1566 zwei neue Namen zwischen die Spitzen der Südkarpaten unweit von Kronstadt einzuschieben: „Buzest” und „Cherneste”. Honter konnte also seine „Chorographia Transylvaniae” noch in einer verbesserten Auflage publizieren; doch war es ihm nicht mehr möglich, eine vollkommen neu gezeichnete Sachsenlandkarte zustande zu bringen. So ist es zu verstehen, daß Verantius am 15.7.1549 Christian Pomarius aufforderte, die kosmographische Tätigkeit des berühmten Kronstädters fortzusetzen.[41] Die von Verantius in diesem Brief vorgeführten Mängel der Siebenbürgenkarte Honters warteten also weiterhin auf eine Korrektur. Es sieht so aus, als habe Pomarius den Erwartungen des Verantius nicht entsprechen können. Binder nahm an, wenn Pomarius eine solche Karte veröffentlicht habe, so sei das vor der Gründung der Druckerei von Klausenburg (1550) in Kronstadt geschehen. Seine Begründung lautet: „Die von Honterus in Kronstadt gegründete Druckerei besaß eine spezielle Einrichtung und Matrize für den Kartendruck”.[42] Zur Herstellung von Karten, die in Holz geschnitten wurden, braucht man aber keine spezielle Einrichtung und Matrize. Alle Pressen der Druckerei waren dazu geeignet, von Holzstöcken Abzüge herzustellen. Anders ist es bei Kupferstichen: zum Tiefdruck benötigt man nämlich eine wesentlich stärkere Presse als beim Buchdruck und beim Holzschnitt.

Im obigen wurde versucht, zu beweisen, daß das Unikat der „Chorographia Transylvaniae” mit dem Impressum „Basilae 1532” in Kronstadt 1539 abgezogen wurde. Außerdem wurde etwa ein Viertel der verbesserten Auflage der Siebenbürgenkarte von Honter vorgestellt, die er in seinen letzten Lebensjahren geschnitten hat.


[1] Fabritius Károly: Erdélynek Honter János által készített térképe 1532-bõl (Die von Johannes Honter verfertigte Karte Siebenbürgens von 1532). Budapest 1878.

[2] Engelmann, Gerhard: Johannes Honter als Geograph. Köln–Wien 1982. 1–50.

[3] Engelmanns Liste über das von ihm benutzte Schrifttum enthält über 600 (!) Titel.

[4] Engelmann, Gerhard: Johannes Honter als Geograph. Köln–Wien 1982. 38.

[5] Diese mit Bleistift geschriebene alte Signatur am rechten unteren Rand führte zu einem Mißverständnis. Pál Binder sah darin eine „Eintragungsnummer 3180”. – Revue Roumaine d'Histoire 1973. 1042.

[6] Fabritius Károly: Erdélynek Honter János által készített térképe 1532-bõl (Die von Johannes Honter verfertigte Karte Siebenbürgens von 1532). Budapest 1878. 12. – Auch Binder in Revue Roumaine d'Histoire 1973. 1043.

[7] Fabritius Károly: Erdélynek Honter János által készített térképe 1532-bõl (Die von Johannes Honter verfertigte Karte Siebenbürgens von 1532). Budapest 1878. 12.

[8] Taschenbuch für die vaterländische Geschichte. Hrsg. von Hormayr und Mednyansky. 2. Wien 1821. 343.

[9] Az Országos Széchényi Könyvtár Évkönyve (Jahrbuch der Ungarischen Nationalbibliothek Széchényi) 1970–71. 152.

[10] Fabritius Károly: Erdélynek Honter János által készített térképe 1532-bõl (Die von Johannes Honter verfertigte Karte Siebenbürgens von 1532). Budapest 1878. 11.

[11] Fabritius Károly: Erdélynek Honter János által készített térképe 1532-bõl (Die von Johannes Honter verfertigte Karte Siebenbürgens von 1532). Budapest 1878. 11.

[12] RMNy Nr. 50.

[13] Gutenberg Jahrbuch 1986. 49–55.

[14] RMNy Nr. 110, 111, 113, 115, 117, 121, 122.

[15] RMNy Nr. 118, 120, 123.

[16] RMNy Nr. 31.

[17] Piccard, Gerhard: Die Kronen. Wasserzeichen. Findbuch I. Stuttgart 1961. 40, 105.

[18] Piccard, Gerhard: Die Kronen. Wasserzeichen. Findbuch I. Stuttgart 1961. 27.

[19] Engelmann, Gerhard: Johannes Honter als Geograph. Köln–Wien 1982. 38–40, Abb. 6.

[20] Engelmann, Gerhard: Johannes Honter als Geograph. Köln–Wien 1982. 2.

[21] Engelmann, Gerhard: Johannes Honter als Geograph. Köln–Wien 1982. 37.

[22] Fabritius Károly: Erdélynek Honter János által készített térképe 1532-bõl (Die von Johannes Honter verfertigte Karte Siebenbürgens von 1532). Budapest 1878. 11.

[23] Ernuszt Johanna: Adrianus Wolphardus. Budapest 1939. 46, 54.

[24] Verancsics Antal összes munkái (Die sämtlichen Werke von Antonius Verantius). VI. Pest 1860. 173–175.

[25] Verancsics Antal összes munkái (Die sämtlichen Werke von Antonius Verantius). VI. Pest 1860. 329-333.

[26] Engelmann, Gerhard: Johannes Honter als Geograph. Köln–Wien 1982. 30.

[27] Revue Roumaine d'Histoire 1969. 174.

[28] Verancsics Antal összes munkái (Die sämtlichen Werke von Antonius Verantius). VI. Pest 1860. 174.

[29] Fabritius Károly: Erdélynek Honter János által készített térképe 1532-bõl (Die von Johannes Honter verfertigte Karte Siebenbürgens von 1532). Budapest 1878. 23.

[30] Wolf, Theobald: Johannes Honterus, der Apostel Ungarns. Kronstadt 1894. 182.

[31] Über den politischen und konfessionellen Hintergrund dieser Widmung hat Karl Kurt Klein geschrieben. In: Südostdeutsche Semesterblätter 14. (1964/65) 22–28.

[32] Magyar Könyvszemle (Ungarische Bücherschau) 1968. 343.

[33] Fabritius Károly: Erdélynek Honter János által készített térképe 1532-bõl (Die von Johannes Honter verfertigte Karte Siebenbürgens von 1532). Budapest 1878. 25–26.

[34] Engelmann, Gerhard: Johannes Honter als Geograph. Köln–Wien 1982. 47–48, Abb. 8.

[35] Engelmann, Gerhard: Johannes Honter als Geograph. Köln–Wien 1982. Abb. 6.

[36] Das von Engelmann erwähnte Exemplar in Dillingen ist dort in der Studienbibliothek unter der Signatur X 123 zu finden (Engelmann, Gerhard: Johannes Honters als Geograph. Köln – Wien 1982. Fußnote 118.). Herr Hans Meschendörfer, München, hat mir liebenswürdigerweise eine Kopie davon zur Verfügung gestellt. Für seine Hilfe sage ich ihm nochmals aufrichtigen Dank. – Die Karte in Dillingen ist aber nicht identisch mit der von Engelmann unter Abb. 7 reproduzierten Siebenbürgenkarte. Diese ist eine spätere Fassung, die nicht vor 1570 erschienen ist, wie Engelmann richtig feststellte (Engelmann, Gerhard: Johannes Honter als Geograph. Köln–Wien 1982. 43). Die Wiener Originalkarte von Sambucus aus dem Jahre 1566 in der Studienbibliothek Dillingen ist also – soweit man es heute feststellen kann – ein Unikat.

[37] Engelmann, Gerhard: Johannes Honter als Geograph. Köln–Wien 1982. 41–42.

[38] Hier sei erwähnt, daß Sambucus die Namen in seiner Karte auffallend oft verschrieb.

[39] Sambucus hat sich also bemüht, die von Honter offensichtlich mit Absicht außer acht gelassenen kleineren Ortschaften, die nicht von Sachsen bewohnt waren, in seine Karte von Wien – wenigstens teilweise – einzuarbeiten.

[40] Die Aufschriften der Sambucus-Karte sind oft schwer lesbar, wodurch einige Unsicherheit entsteht.

[41] Revue Roumaine d'Histoire 1969. 174.

[42] Revue Roumaine d'Histoire 1969. 174.




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