50. Deutsche Buchdrucker des 17. Jahrhunderts in Ungarn

WolfenbüttelerSchriften zur Geschichte des Buchwesens VI. (Hamburg1980) 67–87.

Um eine Information über die deutschen Buchdrucker des 17. Jahrhunderts in Ungarn zu geben, halte ich es für unentbehrlich, zuerst die damalige Situation in Ungarn – natürlich nur in ihren für uns charakteristischen Zügen – zusammenzufassen. Dieser Raum liegt am Rand des südöstlichen deutschen Sprachgebiets, mit dem er damals durch unzählige wirtschaftliche und kulturelle Beziehungen eng verbunden war. Wenn man sich in der Beschaffenheit der Buchdruckergeschichte in Ungarn orientieren möchte, so ist es unbedingt notwendig, die örtlichen Verhältnisse der Sprachen, der Religion und der Typographien wenigstens in ihren Grundzügen kennenzulernen.

Unter Ungarn des 17. Jahrhunderts versteht man das Karpatenbecken, begrenzt im Süden durch die Flüsse Donau und Drau. Dazu gehört also – außer dem heutigen Ungarn – im Norden die heutige Slowakei, im Osten Siebenbürgen, im Süden die Batschka und das Banat, im Westen das Burgenland.

Es war für dieses Gebiet immer charakteristisch gewesen, daß die dort lebenden Völker sowohl ethnisch, als auch sprachlich voneinander stark abwichen. So fanden die Ungarn, die sich als eine der letzten großen Welle der Völkerwanderung am Ende des 9. Jahrhunderts hier ansiedelten, schon Slawen vor. Bald tauchten die Deutschen und etwas später auch die Rumänen auf, wenn man sich nur auf die größten Sprachgruppen beschränken will. Das bedeutet also, daß man auf diesem verhältnismäßig kleinen – etwa 250 000 km2 – Gebiet die Repräsentanten drei großer, indo-europäischer Sprachgruppen, die germanischen Deutschen, die slavischen Slowaken, Kroaten, Serben usw. und die romanischen Rumänen finden kann. Dazu kommen noch die Ungarn, die innerhalb der uralaltaischen Sprachfamilie zu den finnisch-ugrischen Sprachen gehören. So kann man sagen, daß dieser Teil von Europa sprachlich vielleicht der bunteste ist.

Im Mittelalter war die lateinische Sprache durch die damals noch einheitliche Kirche von Rom äußerst verbreitet. Dadurch ist sie fast in ganz Europa die amtliche Sprache geworden. Auch die einheitliche Sprache der Wissenschaften war das Latein. Unter dem Einfluß der Renaissance und der Reformation haben die Volkssprachen immer mehr an Boden gewonnen. Im vielsprachigen Ungarn spielte aber die lateinische Sprache auch weiterhin eine wichtige Vermittlungsrolle. So blieb sie hier bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts die amtliche Sprache. Dadurch ist die einzigartige Wichtigkeit der lateinischen Sprache in Ungarn noch im 17. und 18. Jahrhundert zu verstehen. Sie bedeutete hier nicht allein die gute Verständlichkeit innerhalb der römischen Kirche, oder unter den ausländischen Gelehrten, sondern spielte eine enorm wichtige Rolle auch zwischen den Völkern mit grundversehiedenen Sprachen innerhalb des Landes.

Nicht nur die Sprachen, sondern auch die Religionen bieten in Ungarn im 17. Jahrhundert ein äußerst buntes Bild. Das Gebiet lag zwischen Rom und Byzanz, gehörte aber im Spätmittelalter eindeutig zu Rom, wie dies auch die beachtliche Rolle der lateinischen Sprache andeutet. Doch tauchten im Laufe der Zeit die Rumänen und die durch die Türken nach Norden getriebenen Serben auf. Beide Völker bekannten sich zur orthodoxen Kirche. Im Laufe der Reformation waren es in erster Linie die Deutschen, die die Lehre von Luther angenommen hatten. Die späteren und immer radikaleren Wellen der Glaubensspaltung hatten vor allem bei den Ungarn ein Echo gefunden. Dadurch entstand eine feste Burg der Kalvinisten in der ungarischen Tiefebene und in Siebenbürgen, bzw. der Antitrinitarier meistens in Siebenbürgen. Im Laufe des 17. Jahrhunderts konnte die katholische Kirche in Ungarn – nach einem großen Rückgang im 16. Jahrhundert – ihre Positionen immer stärker und stärker ausbauen.

Die ganze Entwicklung im Karpatenbecken wurde durch die historischen Ereignisse weitgehend beeinflußt. Ungarn spielte noch im Mittelalter eine wesentliche Rolle in Mittel- und Ostmittel-Europa. Die Schlacht von Mohács im Jahre 1526 bedeutete für das Land eine vollständige Niederlage den Türken gegenüber, die dann bis zum Ende des 17. Jahrhunderts die mittleren und südlichen Teile des Landes besetzten. In dieser Zeit der Erstarrung der Fronten zwischen dem Reich und der Türkei existierte in Ostungarn vorübergehend ein Pufferstaat: das Fürstentum von Siebenbürgen. So entstand die Dreiteilung von Ungarn: das Gebiet der Türkenherrschaft, das siebenbürgische Fürstentum und das sogenannte königliche Ungarn. Dieses dritte Gebiet bestand aus West- und Nord-Ungarn und hatte die Habsburger als Könige. Auch diese Situation begünstigte die Entfaltung der Vielfältigkeit von mehreren Religionen.

Die bisher ausgeführte sprachliche, konfessionelle und historische Situation bestimmte auch die Entwicklung des Buchdruckes in Ungarn. Obwohl die erste Typograhie im Jahre 1473 in Buda chronologisch zu den frühesten Gründungen der neuen Kunst zählte, gehörte das Land später – genauso wie in der Politik und in der Wirtschaft – nicht mehr zu der vordersten Linie in Europa. Erst ab Mitte des 16. Jahrhunderts entstanden die ersten Druckereien mit kontinuierlicher Produktion. Durch die ungünstige wirtschaftliche und politische Situation arbeiteten bis zur Vertreibung der Türken – also bis Ende des 17. Jahrhunderts – gleichzeitig nur 6 bis 10 Offizinen im Lande. Es sei schon hier bemerkt, daß kein einziges Druckwerk aus dem von den Türken besetzten Gebiet in Ungarn bekannt ist.

Ein charakteristischer Zug der Sprachverhältnisse in Ungarn war, daß die hiesigen Völker – abgesehen von den Ungarn – außerhalb des Karpatenraumes oder dicht anschließend Sprachverwandte (z. B. die Slowaken in Tschechen) oder sogar Gleichsprachige (z. B. die Deutschen in Österreich) hatten. Dieser Kontakt bedeutete für diese Völker eine große und gute Chance, ihre Buchansprüche auch außerhalb Ungarns in den Nachbarländern zu befriedigen. Allein die Ungarn hatten keine solche Möglichkeit, doch gab es die gut entwickelten Wiener Druckereien, die im Notfall für die Katholiken immer produktiv waren.

Aufgrund dieser kurzen Ausführungen kann man sich doch bereits vorstellen, wie die sprachliche, konfessionelle, historische und typographische Situation im 17. Jahrhundert in Ungarn ausschaute. Man sollte darüber kurz berichten, welche Möglichkeiten zu einem Überblick der damaligen ungarländischen Typographien bestehen. Es handelt sich um die retrospektive, ungarische Nationalbibliographie, die ihre Produkte registriert.

Die verhältnismäßig beschränkte Zahl der alten ungarländischen Druckwerke ermöglicht ihre relativ leichte Erfassung. Schon im Jahre 1878 bzw. 1885 wurden zuerst die Bücher in ungarischer Sprache, dann alle ungarländischen Drucke in anderen Sprachen, die vor 1712 erschienen sind, von Károly Szabó unter dem Titel Régi Magyar Könyvtár (d. h. altungarische Bibliothek) bibliographisch beschrieben. Der erste Band enthält 1793, der zweite 2547 Nummern. Im Laufe der Zeit und mit der immer eingehenderen Bearbeitung der Drucksammlungen in den Bibliotheken, Museen und Archiven tauchten Hunderte und Aberhunderte, früher bibliographisch unbekannter Werke auf. So war es immer mehr und mehr nötig, die Ergänzungen zu registrieren und zu publizieren. In der nach Ferenc Széchényi benannten Nationalbibliothek von Ungarn wurde ein Team im Jahre 1961 dazu ins Leben gerufen. In den letzten Jahren wurde die Registrierung altungarländischer Druckwerke vor 1801 in allen öffentlichen Sammlungen (Bibliotheken, Museen und Archive) des Landes fast ganz durchgeführt. Es ist eine verhältnismäßig umfangreiche Arbeit, wenn man bedenkt, daß z. B. allein die katholische Kirche über mehr als 2000 Pfarreien verfügt.

Im 17. Jahrhundert gehörten zu Ungarn – wie es oben schon erwähnt wurde außerhalb des heutigen Gebietes noch weitere wesentliche Landteile. So ist es selbstverständlich, daß alte ungarländische Druckwerke auch dort in großer Zahl zu finden sind. Man bemüht sich immer mehr und mehr, auch die Sammlungen der heutigen Nachbarländer von diesem Standpunkt aus zu durchsuchen.

Die Produktion der damaligen Typographien von Ungarn diente – abgesehen von den Publikationen der Universitätsdruckerei von Nagyszombat (Tyrnau – heute Trnava) – fast ausschließlich zur Befriedigung der örtlichen Bedürfnisse. Dadurch ist die Verbreitung dieser Druckwerke außerhalb der Grenzen des damaligen Ungarns verhältnismäßig gering. Das kann man am besten in den Franziskanerbibliotheken von Nordwest-Jugoslawien erfahren, die von den Säkularisationen der vergangenen Jahrhunderte verschont geblieben sind. Fast mit jedem Zehnkilometer südwestlich von der Grenze nimmt die Zahl der altungarländischen Druckwerke regelmäßig ab. Ein etwa 100 km breiter Gürtel existiert, der parallel mit den damaligen Grenzen von Ungarn läuft. Dazu gehören solche wichtigen Städte, wie Graz, Wien, Brünn, Olmütz, Krakau usw. Hier sind alte Drucke aus Ungarn noch in einer relativ größeren Zahl zu finden, die aber mit der, die man auf dem Gebiet des historischen Ungarns registrieren kann, nicht zu vergleichen ist.

Außerhalb von diesem Gürtel sind die größten Bibliotheken der Welt mit einem allgemeinen Sammelkreis (z. B. in München, in London), wo natürlich – unter anderen – auch altungarländische Bücher in größeren Mengen aufbewahrt sind. Auch in einigen Spezialsammlungen, die weiter nach Norden und Westen liegen (z. B. in der Bibliothek der ehemaligen ungarischen Bursa an der Wittenberger Universität – heute in Halle a. d. Saale) sind noch solche Druckwerke zu finden.

Nun ist es vielleicht so weit, daß man nach der notwendigerweise oberflächlichen Schilderung des allgemeinen Bildes auch in die Einzelheiten gehen kann. Es handelt sich also um die Buchdruckergeschichte von Ungarn des 17. Jahrhunderts und innerhalb dieses Themas die Rolle der deutschen Typographen. Um sich in der Frage der Größenordnung in der damaligen Tätigkeit der Druckpressen dieses Landes orientieren zu können, möchte ich einige charakteristische – meistens abgerundete – Zahlen aus dem 16., 17. und 18. Jahrhundert mitteilen. Dadurch kann man schon einigermaßen die Tendenz der Entwicklung beurteilen.

Die Zahl der Druckorte und der Typographen war in diesen drei Jahrhunderten: 30 – 30 – 50, bzw. 50 – 100 – 250. Die Zahl der Drucker in den einzelnen Ortschaften erhöht sich also im Durchschnitt ständig: 1. 7 – 3 – 5. Es ist ein klares Zeichen für die Herauskristallisierung der lebensfähigen Druckorte. Anfangs wanderten die Drucker auffallend oft von einem Mäzen zu dem anderen, oder von einer Stadt zu der anderen. Mit der Zeit spielten aber die feudalen Mäzene eine immer kleinere Rolle. Sie wurden von der frühkapitalistischen Marktwirtschaft verdrängt, die nur in den ökonomischen Plätzen arbeitete.

Die Zahl der heute bekannten Druckwerke aus Ungarn aus den drei erwähnten Jahrhunderten ist in bibliographischer Einheit ausgedrückt: 900 – 4 500 – 25 000. Es ist also eine imponierende Verfünffachung per Säkulum. Diese Entwicklung ist auch in der Gegenüberstellung mit den Druckorten bzw. mit den Typographen eindeutig. Die Durchschnittszahl der Publikationen für eine Ortschaft lautet: 30 – 150 – 400 und für einen Drucker: 18 – 45 – 80.

Nach dem Vergleich mit den Nachbarjahrhunderten kehren wir zum 17. Jahrhundert zurück. Für diese Periode war auch weiterhin die Dreiteilung des Landes unter dem Einfluß der Türken charakteristisch. (Erst im Jahre 1686 wurde die in der Mitte von Ungarn liegende Hauptstadt Buda von den Osmanen durch die Kaiserlichen zurückerobert). Diese Situation wirkte natürlich auf die Entwicklung hemmend. Nur in dem sog. königlichen. Ungarn und in Siebenbürgen arbeiteten Buchpressen, in den von den Türken besetzten Landteilen keine einzige. Paradoxerweise bedeutete aber die geographische und wirtschaftliche Isolierung von Siebenbürgen einen Ansporn zu einer relativen Entwicklung des Buchdruckes. Der Zwang der Autarkie zwang diesen Pufferstaat dazu.

Wie schon erwähnt wurde, tauchten die ersten deutschen Ansiedler im Donaubecken schon relativ früh, im 11. Jahrhundert auf. Die größte und organisierte Ansiedlung war um die Mitte des 12. Jahrhunderts. Der ungarische König Géza II. (1141–1162) wollte die dünn bewohnten Grenzgebiete vor allem im Norden und Südosten des Landes gegen die Spätwellen der Völkerwanderung mit ihnen verteidigen. Dadurch entstanden die größten deutschen Kolonien unmittelbar innerhalb der Karpaten: im Norden – unweit der Hohen Tatra, die sog. Zipser, und in Südsiebenbürgen die Sachsen, mit großzügigen königlichen Privilegien versehen.

Die Deutschen in Ungarn, die noch vor den Türken angesiedelt waren, wurden allgemein Sachsen genannt, obwohl sie meistens Franken, Bayern bzw. Österreicher waren. Ihr Stadtrecht richtete sich nach dem bekannten Sachsenspiegel, dadurch haben sie diese Benennung erhalten, die sie in Siebenbürgen bis heute haben.

Die einheimischen Deutschen – vor allem Handwerker und Kaufleute – waren nicht nur in den von ihnen kolonisierten Gebieten, sondern in fast allen Städten in Ungarn zahlenmäßig stark vertreten. Mit der Zeit setzten sich die meisten Druckereien eben in den Städten fest. So besaßen fast alle wichtigen Druckorte des 17. Jahrhunderts in Ungarn eine mehr oder weniger starke deutschsprachige Bürgerschaft, die eben auf den Gebieten, die mit der Typographie in Verbindung standen – also Handwerk und Handel – immer in der ersten Linie standen. Dadurch ist es zu verstehen, daß die einheimischen Deutschen in der Geschichte des ungarländischen Buchdruckes eine äußerst wichtige Rolle spielten.

Diese deutsche Prägung wurde noch dadurch verstärkt, daß die Buchdruckerei im 15. Jahrhundert, ausgegangen aus Mainz, noch fast in ganz Europa einen mehr oder weniger deutschen Charakter hatte. In dem wenig entwickelten Norden und Osten von Europa galt er – wenn auch in abnehmendem Maße – noch in den weiteren Jahrhunderten. Ungarn konnte sich wegen der Türken von Osten und Süden nur nach Westen und nach Norden wenden, wo die deutschen Elemente in der Typographie eine führende Rolle spielten. So ist es zu verstehen, daß die Deutschen für das Druckwesen des 17. Jahrhunderts in Ungarn fast bestimmend waren.

Um das zu beweisen genügt, wenn man nur eine Kurzliste der Drucker einiger Städte von Ungarn – meistens von deutschen Bürgern bewohnt – hier von Westen angefangen anführt.

Pressburg (Pozsony, heute Bratislava) unweit von Wien: Gottfried Gründer (1669–1673), Gregor Johann Zerweg (1675–1678), David Schäffer (1683), Johann Christoph Schäffer (1698).

Tyrnau (Nagyszombat – heute Trnava): Nikolaus Müller (1619–1620), Philipp Jakob Mayr (1648 –1653), Matthias Willmann (1654), Melchior Schneckenhaus (1654–1664), Matthäus Byller (1664–1671), Martin Thomas (1676), Matthias Rietmiller (1676–1679), M. Rechlinger (1680), Johann Ferdinand Sonntag (1686), Johann Christoph Beck (1688–1689), Andreas Johann Hauck (1689–1690), Johann Adam Friedl (1690–1693), Johann Andreas Hörmann (1686–1703), Johann Georg Frey (1695).

Leutschau (Lõcse – heute Levoèa) in der Zips: Jakob Klöss (1614), Daniel Schultz (1617–1622), Laurenz Brewer (1625–1664), Samuel Brewer (1665–1699).

Bartfeld (Bártfa – heute Bardejov) dicht an der polnischen Grenze: Jakob Klöss sen. – jun. (1597–1664), Martin Wolfgang (1621), Georg Sambuch (1668–1669), Thomas Scholtz (1669–1671, 1694–1707), Leonhard Ockerlan (1683).

Kaschau (Kassa – heute Košice): Johann Fest (1614–1622), Johann Fischer (1610–1614), Nikolaus Müller (1621–1622), Daniel Schultz (1623–1629), Valentin Grevers (1654–1655), Johann David Türsch (1663–1668), seine Witwe Susanna Schanderin (1668), Georg Pilgram (1674), Johann Seiderlich (1676), Johann Klein (1691–1691).

Hermannstadt (Szeben – heute Sibiu) die Hauptstadt der Sachsen in Siebenbürgen: Simon Grüngras (1601–1608), Paul Seel (1610), Paul Wolff (1611–1612), Jakob Thilo (1616–1622), Benjamin Fiebick (1616–1622), Christoph Hildebrand (1659–1660), Blasius Prösl (1665), Stephan Jüngling (1666–1687), Johann Barth (1689–1707).

Kronstadt (Brassó – heute Braºov) die größte Stadt der Sachsen in Siebenbürgen: Martin Wolfgang (1625–1635), Michael Hermann (1638–1690?), Nikolaus Müller (1666–1701), Peter Pfannenschmied (1675–1678), Lukas Seuler (1694–1702).

Allein diese Liste von etwa 50 Personen ist ein Beweis dafür, wie stark die deutschen Elemente in den ungarländischen Offizinen des 17. Jahrhunderts vertreten waren: über die Hälfte der bekannten Druckernamen lauten deutsch.

Damals spielte die Muttersprache im Vergleich zur Religion und zur Einstufung in die feudale Gesellschaft eine untergeordnete Rolle. Die Produkte der Offizinen bieten auch viel zu wenig konkretes Material zur Orientierung auf diesem Gebiet. Leider sind auch enorm wenig Materialien in den Archiven erhalten geblieben, die auch noch dazu teilweise aus diesem Standtpunkt nicht einmal durchforscht wurden. So stehen verhältnismäßig sehr wenige konkrete Anhaltspunkte zur genauen Bestimmung der ethnischen Zugehörigkeit zur Verfügung.

Diese Unsicherheit wurde durch die international klingenden lateinischen Namensformen verstärkt. So weiß man auch heute nicht sicher, ob z.B. Johannes Manlius, der Erstdrucker von Laibach ab 1575, der später als Protestant nach West-Ungarn flüchtete, wo er bis 1605 auch weiterhin als Drucker arbeitete, laut seiner Benennung „Janez Mandelz” eine slovenische, oder als „Johann Mannel” eine deutsche Abstammung hatte. Nur aus dem archivalischen Material ist klar geworden, daß .der Typograph Ericus Eric in Kaschau z.B, aus Schweden nach Oberungarn gekommen ist, und eigentlich Erik Erikson hieß. Aber woher Georgius Rhenius, der Drucker des berühmten mährischen Pädagogen Johannes Amos Comenius in Patak in Oberungarn stammt, weiß man leider wiederum nicht.

Es war recht selten, daß der Drucker des 17. Jahrhunderts in Ungarn seinen Geburtsort angegeben hat. Zu dieser kleinen Gruppe gehören Paul Rheda und sein Sohn Peter, die in den Jahren 1596–1619, bzw. 1620–1629 in Debrecen, in der Hauptstadt der berühmten ungarischen Puszta, druckten und aus Leipzig dorthin gekommen sind. Aus dem oberösterreichischen Linz kamen Markus Pistorius (offenbar ursprünglich Beck oder Becker genannt) und sein Nachfolger Martin Pistorius. Beide arbeiteten in Hermannstadt, und zwar in der Zeit zwischen 1629–1654 bzw. 1657. Diese zwei Familiennamen klingen keineswegs deutsch, obwohl díe Mitglieder beider Sippen eindeutig aus deutschsprachigem Raum stammten. Das ist auch ein Beweis dafür, daß die Möglichkeit besteht, daß noch mehrere weitere Drucker mit lateinischem oder anderem nicht deutschen Namen in Ungarn des 17. Jahrhundert doch eine deutsche Abstammung haben konnten.

Noch ein weiterer Drucker hat seinen Geburtsort in seinen Publikationen angegeben: Jakob Effmurdt aus Liegnitz. Der Schlesier war der Faktor der siebenbürgischen fürstlichen Druckerei von Karlsburg (Gyulafehérvár – heute Alba Iulia) in den Jahren 1628–1635.

Um die Herkunft weiterer Typographen zu klären, besteht aber die Möglichkeit, nach Namen bekannten Drucker des 17. Jahrhunderts in Ungarn in dem großartigen und grundlegenden Nachschlagewerk von Josef Benzing über. „Die Buchdrucker des 16. und 17. Jahrhunderts im deutschen Sprachgebiet” zu forschen. So findet man Johann Nikolaus Martius (wiederum mit einem lateinischen Namen), der in den Jahren um 1692–1729 in Hof (Oberfranken) eine Typographie besaß. Er arbeitete – laut Benzing – in der Druckerei der Jesuiten zu Wien und Tyrnau. Wir kennen ihn wohl aus den Jahren 1687–1688, als er in Ungarn in der Universitätsdruckerei von Tyrnau tätig war.

Benzing schrieb über Gottfried Gründer, der in der Zeit 1650 und 1663, bzw. 1673 und 1681 in Breslau – als Verwandter – die Baumännische Offizin führte. Man kann von Ungarn aus wenigstens die zweite Hälfte dieser Lücke zwischen den zwei obigen Perioden füllen: er arbeitete nämlich in den Jahren 1669–1673 in Pressburg.

Benzing kennt einen gewissen Jakob Thiele (auch Thilo genannt), der von 1651 bis 1657 in Strassburg als Typograph tätig war und auch dort starb. Der Mann ist höchstwahrscheinlich mit dem gleichnamigen Drucker in Hermannstadt aus der Periode 1616–1622 identisch. Auch dort hieß er sowohl Thiele als auch Thilo. Allein, über die fast drei Jahrzehnte ist nichts bekannt, die in der Zeit zwischen den Karpaten und dem Rhein fehlen.

Die Druckwerke tragen meistens nur den Namen des Inhabers oder des Faktors der Offizin, die dort angestellten Gesellen blieben aber meistens unbekannt. Nur eíne eingehende Studie des archivalischen Materials, falls es überhaupt existiert, könnte diese Leute – wenigstens teilweise – ans Tageslicht bringen. Ein gutes Beispiel dafür leistete eine Studentin von mir, Ilona Pavercsik, die zu ihrer Diplomarbeit das Stadtarchiv von Leutschau wegen der Buchdrucker-Familie Brewer durchforschte (Diese Offizin arbeitete dort von 1625 bis Mitte des 18. Jahrhunderts). So haben wir eine ganze Reihe von neuen Kenntnissen erhalten, die durch die gedruckten Werke sonst nicht überliefert wurden. Es lohnt sich, diese Angaben auszuwerten.

Bruno Brayer aus Wittenberg erhielt das Bürgerrecht der Stadt Leutschau im Jahre 1567. Er war der Vetter von Johann Rühel, der die Verlagsgemeinschaft von Wittenberg – laut Benzing – mit seinem Bruder Konrad von 1579 bis 1597 leitete. Der Gründer dieser Dynastie von Leutschau beschäftigte sich selbst mit den Büchern: er war Buchbinder und Buchhändler. Auch sein Sohn und Enkel mit demselben Vornamen waren durch Generationen auf diesem Gebiet tätig. Doch Laurenz, der jüngere Sohn von Bruno d.Ä. gründete in Jahre 1625 die oben schon erwähnte Typographie in seiner Zipser Geburtsstadt. Laurenz hatte zwei Söhne: Johann und Samuel. Samuel erbte die väterliche Druckerei und leitete sie von 1664–1699. Dagegen wanderte Johann nach Deutschland zurück, wo er in Leipzig mit Johann Fuhrmann in der Zeit zwischen 1674 und 1681 – laut Benzing – verlegerisch tätig war.

In den Akten des Stadtarchivs von Leutschau tauchten die Namen einiger Buchdrucker auf, die in der Offizin der Familie Brewer arbeiteten. Im Jahre 1640: Georg Springer von Liegnitz, 1672: Johannes Sagitarius aus Ober-Schlesien, 1674: Christoph Pach aus Schlesien. Weitere (Jakob Kusman, Matthias Vitrarius usw.) Gesellen sind leider ohne Geburtsort genannt. Auch aus den Leutschauer Akten ist es klar geworden, daß der Drucker von Kaschau aus dem Jahre 1663–1668, Johann David Türsch aus Jena, nach Ungarn gekommen ist.

Von diesen Leuten war allein Georg Springer als Leiter der Fürstlichen Druckerei von Liegnitz in den Jahren 1622–1629 zu identifizieren. Der 30jährige Krieg hat wohl der Tätigkeit dieser Offizin – laut Benzing – ein Ende bereitet. So ist es zu verstehen, daß Springer später als Geselle in einem fremden Land arbeiten mußte. Sein Fall aber sollte eine Ausnahme bilden. Normalerweise sollte eher nur ein Geselle sein, der mehr leisten wollte und nach Osten wanderte, um dort als selbständiger Drucker zu arbeiten. Dadurch kann man erklären, daß alle obigen Leute, also Rheda in Leipzig, Pistorius in Linz, Effmurdt in Liegnitz, Türsch in Jena usw. von Benzing als selbständige Drucker nicht registriert wurden. Höchstwahrscheinlich arbeiteten sie dort nur als Angestellte und haben dadurch ihre typographischen Fachkenntnisse in Deutschland erworben.

Dieser typographische „Drang nach Osten” von deutschen Buchdruckern verstärkte sich bald nach der Rückeroberung Ungarns von den Türken am Ende des 17. Jahrhunderts. Das Land bot in diesen Jahrzehnten – nach der Vorstellung vieler Drucker in Deutschland – große Chancen für ein schnelles materielles Fortkommen. Einige Leute schmiedeten sofort große Pläne. So meldete sich Johann Ferdinand Sonntag im Jahre 1698 schriftlich bei dem Rat der Stadt Pressburg. Er arbeitete damals als Setzer in der Endterschen Druckerei von Nürnberg. Sonntag sollte schon manche Erfahrung aus Ungarn haben, weil er im Jahre 1686, also eben in der Zeit der Rückeroberung von Buda, als Faktor der Universitätsdruckerei in Tyrnau war. Seine Pläne, eine selbständige Typographie in Pressburg zu haben, wurden nicht verwirklicht. Noch schneller reagierte Quirin Heil, der in den Jahren 1685–1687 zu Würzburg als Verleger und Buchhändler arbeitete. Im Jahre 1689 reichte er eine Petition bei Kaiser Leopold I. wegen Errichtung einer Druckerei in Buda ein. Da ihm jedoch die jährliche Unterstützung von 2000 Talern, um die er für den Fall seiner Niederlassung ersucht hatte, von der Hofkammer verweigert wurde, ist sein Plan nicht zur Ausführung gelangt. Im Jahre 1691 tauchte Heil schon als Buchdrucker und Verleger in Mergentheim auf. Er hat also seine romantischen Pläne mit Buda, das damals noch fast ganz in Trümmern lag, endgültig aufgegeben.

Erst nach dem Sturz der ungarischen Revolution gegen die Habsburger im Jahre 1711 war die hiesige Situation für die deutschen Drucker wiederum günstig, daß sie nun tatsächlich einer nach dem anderen nach Ungarn wanderten, um dort eine neue Typographie für das Land und ein neues Leben für sich selbst aufzubauen. Das war der charakteristische Zug in der Entwicklung des Druckwesens von Ungarn in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts.

Nicht nur in der Reihe der Inhaber und Leiter der Offizinen in Ungarn spielten die Deutschen eine wesentliche Rolle, sondern – wie es oben schon erwähnt wurde – auch die Gesellen waren meistens Ausländer. Das verursachte natürlich bei der Herstellung von Werken in der weitaus isolierten ungarischen Sprache große Schwierigkeiten. Für einen fremden Setzer war und ist ein ungarischer Text immer wie „chinesisch”. Darüber klagten auch die damaligen Verfasser ausgiebig. Um die vielen, oft groben Druckfehler zu entschuldigen, erwähnten sie nicht selten in dem Vorwort, daß die Mitarbeiter der Typographie keine Ungarn waren. Das war sogar in Debrecen der Fall z.B. im Jahre 1620, obwohl diese Stadt ethnisch von den damaligen Druckorten weitaus die ungarischste war.

Nicht nur die Abstammung der Typographen, sondern auch ihre Rechte übten in Ungarn eine starke Wirkung aus. Ein Beispiel soll hier erwähnt werden. Im Jahre 1610 überreichte der Drucker Johann Fischer die erste Produktion seiner Presse, einen Kalender in ungarischer Sprache, dem Stadtrat von Kaschau. Gleichzeitig bat er, daß man ihn zu den kirchliche Personen zählen soll, so wie es in Deutschland üblich („secundum consuetudinem solitam in Germania”) und auch in der Stadt Debrecen der Fall war.

Auf dem Gebiet der Typographien spielten die Niederlande im 17. Jahrhundert in ganz Europa die führende Rolle. So ist es zu verstehen, daß die sagenhaften Überlieferungen der ungarischen Buchdruckergeschichte zu dieser Zeit eine niederländische Herkunft des Druckmaterials von manchen Druckereien in Ungarn vermuteten. Gewiß bestand eine rege Beziehung zwischen den holländischen und den ungarischen Calvinisten. Diese Religion konnte eigentlich – außerhalb der Schweiz allein in diesen zwei Ländern Fuß fassen; so haben diese Elemente, wie immer und überall, die religiöse oder ethnische Minderheit stark zusammengehalten. Gewiß erhielten mehrere Drucker aus Ungarn ihre fachmännische Ausbildung in Holland. Aber wenigstens einer von ihnen, Miklós Tótfalusi Kiss, hat auch eine große Gegenleistung dort erbracht, als er als Letterschneider in den 80er Jahren des 17. Jahrhunderts in Amsterdam eine fast weltweite – von Grusien bis England reichende – und anerkannte Tätigkeit ausübte. Seine Typen leben auch heute – teilweise unter dem Namen von Janson – weiter.

Gewiß gab es also eine starke typographische Verbindung zwischen den Niederlanden und Ungarn vor allem in der Periode 1640–1700. Das meiste typographische Material in Ungarn stammte aber aus Deutschland. Leider fehlen bzw. bleiben die schriftlichen Dokumente darüber in den Regalen der Archive bis heute verborgen. Es ist also wichtig, nach diesen Materialien zu suchen bzw. sie aufzufinden, wie es im Laufe der schon erwähnten Diplomarbeit über die Brewer–Offizin von Leutschau der Fall war.

Oben war die Rede schon davon, daß man sich in den letzten Jahrzehnten darum stark bemüht hat, die älteste Periode der retrospektiven ungarischen Nationalbibliographie zu ergänzen und neu zu publizieren. Es handelt sich um alle Druckwerke, die vor 1801 in Ungarn hergestellt wurden. Man kann sich lebhaft vorstellen, wie schwer es ist, die alten Druckwerke ohne Impressendaten zu bestimmen: wo und wann sie hergestellt wurden? Natürlich ist es heute unmöglich, alle solche Werke wie die Inkunabeln mit Hilfe des Typenrepertoriums von Haebler zu bestimmen, doch ist es für die Arbeitsgruppe der retrospektiven ungarländischen Nationalbibliographie unentbehrlich festzustellen, ob ein Druckwerk aus der Presse auf dem Gebiet von Ungarn herausgekommen ist oder nicht. Es klingt sehr einfach, aber das zu erreichen, braucht man enorm große Anstrengungen.

Ganz kurz möchte ich auch diese Arbeit schildern. Die einzelnen Typen waren schon am Ende des 15. Jahrhunderts nicht immer einwandfrei charakteristisch. In den späteren Perioden ist die Situation von diesem Standpunkt aus immer ungünstiger geworden. Die Patrizen, die Matrizen und die gegossenen Lettern sind soweit in Bewegung gekommen, daß ein einziger Buchstabentyp in Dutzenden oder sogar in Hunderten von Druckereien sogar gleichzeitig gebraucht wurde. Allein das ganze typographische Material der einzelnen Offizinen könnte in seiner Gesamtheit in den späteren Jahrhunderten mehr oder weniger charakteristisch sein. Aus verschiedenen Quellen in eine Typographie zusammengekommene Typen, Buchschmuck usw. weisen nur gemeinsam, also keineswegs einzeln, meistens schon individuelle Chrakterzüge auf.

So wird angestrebt, das gesamte typographische Material aller alten ungarländischen Druckereien aus ihren eigenen Produkten zu rekonstruieren. Es ist natürlich eine enorm mühsame Kleinarbeit, alle Buchstaben und Zeichen sämtlicher Typen voneinander zu unterscheiden, dann sie aus einer mit dem Original gleichgroßen Xerokopie auszuschneiden, zu ordnen und in einer einheitlichen Tabelle zusammenzustellen. Man muß dabei nicht nur die genaue Linienführung der Buchstaben, sondern auch die Größe (d.h. die Zeilenhöhe) der Lettern wegen des Umgußes berücksichtigen. Es ist nämlich nicht selten, daß auch derselbe Typ innerhalb einer Offizin seine Gestalt oder seine Kegelhöhe im Laufe der Zeit änderte. Mit der genauen Beobachtung der Abnützungsstufe der Texttypen kann man sogar die Chronologie der undatierten Werke und Bruchstücke mit einer beschränkten Sicherheit feststellen.

Parallel mit den Typen werden auch alle anderen typographischen Materialien ähnlicherweise rekonstruiert: alle gegossenen und geschnittenen Zierden und Schmucke: Initialen, Vignetten usw. Dabei sind die Holzschnitte besonders nützlich, die einerseits individuell geschnitten wurden, andererseits im Laufe des Gebrauches oft leicht beschädigt wurden. Diese Züge bieten eine gute Chance einerseits zur Identifizierung der Druckerei, andererseits die gesprengten Holzstöcke mit ihren charakteristischen Rissen zur genaueren Datierung.

Alle obigen Angaben in Tabellen zusammengefaßt mit den nötigen Registern und mit den geordneten Reproduktionen bieten eine sichere Grundlage, die Offizin der problematischen Druckwerke zu bestimmen.

Nach der kurzen Schilderung der Schwierigkeiten von der Rekonstruktion könnte man vielleicht denken, daß es unmöglich ist, das ganze typographische Material sämtlicher Offizinen von einem Land allein aus einem Jahrhundert zusammenzustellen. Gewiß ist es mit Handarbeit bei den größeren und entwickelteren Ländern schon im 16. Jahrhundert unmöglich, doch in Ungarn – eben wegen der damaligen ungünstigen Verhältnisse – arbeiteten im 16. und im 17., aber auch noch im 18. Jahrhundert nur einige Dutzende von Druckereien. Auch sie besaßen meistens nur wenige, etwa 10–20 Typen. Auch der Buchschmuck war begrenzt. Natürlich gab es auch größere und langlebige Offizinen. In einer von ihnen, in der Druckerei der Familie Brewer in Leutschau, waren mehr als hundert verschiedene Typen innerhalb von 125 Jahren vorhanden. Doch besteht die Möglichkeit, daß man mit der Zeit durch konsequente Kleinarbeit die zur Druckerbestimmung nötigen Unterlagen in Ungarn herstellen kann.

In diesem Jahr ist die Handschrift des zweiten Bandes der neubearbeiteten retrospektiven ungarischen Nationalbibliographie fertig geworden. Aus der Periode 1601–1635 wurden hier etwa 800 verschiedene Druckwerke genau beschrieben und bestimmt. Es war nicht leicht, doch nicht unmöglich, alle aus Exemplaren bekannten Drucke nach der Offizin zu bestimmen. Dadurch konnte man auch die fingierten Impressen entlarven. Um die Bücher der weiteren Jahrzehnte des 17. Jahrhunderts ähnlicherweise zu bearbeiten, sind mehrere Bibliothekare und Studenten bemüht, das typographische Material weiterer ungarländischer Druckereien zu rekonstruieren. Auf diesem Weg hofft man, die heute noch wesentlichen Lücken unserer Kenntnisse auf diesem Gebiet zu schließen. Schon die ersten Ergebnisse waren verblüffend: eine ganze Reihe von Zusammenhängen bzw. Selbständigkeiten von ungarischen Offizinen aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts konnte dadurch einwandfrei geklärt werden.

Wenn man die Ergebnisse der erwähnten typographischen Rekonstruktion mit dem archivalischen Material ergänzt, erhält man eine feste Grundlage, um die Geschichte der einzelnen Druckereien zusammenzustellen. Dadurch tauchen eine ganze Reihe von neuen Relationen zwischen Ungarn und Deutschland bzw. Österreich auf. Von den Leutschauer Gesellen aus Deutschland war oben schon die Rede, aber auch manche neuen Dokumente über die Herkunft des typographischen Materials kamen zum Vorschein. So weiß man nun, daß die Buchstaben der Druckerei der Magnatenfamilie Batthyány in Güssing durch Vermittlung des Wiener Typographs Johann Fiedler im Jahre 1615 aus Linz stammten. Die Pressburger Jesuiten haben im Jahre 1640 die ehemalige Offizin von Lõrinc Ferenczffy, Sekretär der königlich-ungarischen Kanzlei im Wiener Hof, erhalten. Doch mit Hilfe der Typenforschung bzw. der ehemaligen Akten konnte man die Abstammung dieser Druckerei noch weiter verfolgen. Sie kam in den 20er Jahren des 17. Jahrhunderts aus Prag, wo ihr ehemaliger Inhaber Georgius Nigrinus war. Die Typen weisen jedoch eindeutig auf einen Ursprung aus Deutschland hin.

Dies waren nur einige Beispiele dafür, daß man mit der Zeit und mit dem Fortschritt der Forschungen auch weitere bisher unbekannte typographische Beziehungen zwischen Ungarn und den deutschsprachigen Gebieten der vergangenen Jahrhunderte entdecken bzw. erkennen kann.




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