Zusammenfassung

Mit diesem Band eröffnet der Verlag der Ungarischen Akademie der Wissenschaften (Akadémiai Kiadó) eine Serie unter dem Titel «Alte ungarische Prosa. Eine Auswahl aus dem 16. bis 18. Jahrhundert».

Der vorliegende Band ist die kritische Ausgabe sämtlicher Werke von Márton Szepsi Csombor (1595-1622). Szepsi Csombor war einer der hervorragendsten weltlichen Schriftsteller der bürgerlichen ungarischen Spätrenaissance, der außer mit einigen religiösen Liedern durch sein Reisetagebuch Europica varietas (Kaschau 1620) – der ersten Reisebeschreibung in ungarischer Sprache – und seine postume Morallehre Udvari schola (Hofschule) (Bartfeld 1623) in die Literaturgeschichte eingegangen ist. Er hinterließ der mit Theologie schwer belasteten alten ungarischen Literatur eines der heitersten weltlichen Werke. Neben seinem Zeitgenossen und Vorbild, dem Psalmenübersetzer, Wörterbuchredakteur, Verfasser einer Grammatik, Albert Szenci Molnár (1574-1634), und als Vorläufer des ersten Herausgebers der ersten Ungarischen Encyclopaedia (Utrecht 1635), János Apácai Csere [= Apácai Csere János: Magyar Encyclopaedia. Bev. és sajtó alá rend. Bán Imre. A jegyzeteket összeáll. Gyenis Vilmos. Bp. 1959. Magyar Klasszikusok.] (1625-1659), nimmt er einen erstrangigen Platz bei den ungarischen bürgerlichen Kulturbestrebungen des 17. Jahrhunderts ein. Ebenso wie der hauptsächlich mit den protestantischen Gelehrtenkreisen in Deutschland in Verbindung stehende Kalvinist Szenci Molnár und der Kartäuser Apácai Csere [= Apácai Csere János: Magyar Encyclopaedia. Bev. és sajtó alá rend. Bán Imre. A jegyzeteket összeáll. Gyenis Vilmos. Bp. 1959. Magyar Klasszikusok.], der in Holland studiert hatte, war auch Szepsi Csombor bestrebt, die ungarische mit der europäischen Zukunft in Einklang zu bringen. Die Europica varietas wollte mit der Beschreibung der entwickelteren westeuropäischen Zustände zur Hebung des kulturellen Niveaus in der Heimat beitragen.

Sein Hauptwerk, das Tagebuch, verdient in vieler Hinsicht die Aufmerksamkeit der ausländischen wissenschaftlichen Kreise und des breiten Publikums, weil es auch in europäischer Hinsicht eine der umfassendsten Erfahrungssynthesen der charakteristischen Zustände des im Werden begriffenen modernen Europas ist. Szepsi Csombor wanderte in den Jahren vor dem Dreißigjährigen Krieg durch Europa (1616-1618), als die Scheidung der kapitalistischen Entwicklungsrichtungen der west– und osteuropäischen Gesellschaften vor sich ging. Sein Reisebericht wird vor allem durch seine äußerst reichen objektiven Beobachtungen – z. Bdurch Vergleich der Preisverhältnisse – zu einer wertvollen Quelle. Doch auch zeitlich blieb er nicht hinter der europäischen Entwicklung dieser Kunstgattung zurück, denn das Erscheinen der Europica varietas (1620) fiel in die Zeit zwischen der Herausgabe der großen Serie Civitates orbis terrarum (1572-1617) von Georg Braun [= Georg Braun-Franz Hogenberg: Civitates orbis terrarum… Vol. I-VI. 1572-1617. Bp. Egyetemi Könyvtár MV 2r 1,2,7.] und Franz Hogenberg bzw. der in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre des 17. Jahrhunderts begonnenen Respublica-Reihe von Elzevir. Vom Standpunkt der einzelnen europäischen Länder ist das Werk vornehmlich wegen seiner unmittelbaren und vielseitigen Beobachtungen wertvoll. Englische und polnische Forsaher haben dies bereits früher erkannt. Die Beziehungen auf England in der Europica varietas sind auch in englischer Sprache (Studies in English Philology [Budapest], Vol. III, 1938, 63-80) veröffentlicht; über die topographischen Rahmen der Londoner Reise hat der Mitarbeiter des London Museum, Martin Holmes, M. [= Martin Holmes: The London of Marton Csombor. New Hungarian Quarterly 1964. V. köt. 15. sz. 134-142.], eine ausführliche Studie verfaßt (The London of Marton Csombor. New Hungarian Quarterly. [Budapest], Vol. V, No. 15, 134-142), und der Warschauer Verlag Czytelnik hat sogar die ausführliehen polnischen Kapitel auch in Buchform herausgegeben (Martona Csombora Podróz po Polsce. 1961). Über das sehr schöne Pariser Kapitel besitzen wir auch eine topographische Studie in ungarischer Sprache von Imre Bán (Irodalomtörténeti Közlemények [Literaturhistorische Mitteilungen] 1956). Das französische Kapitel ist jedoch nicht übersetzt und auch von den tschechischen, dänischen, holländischen und deutschen Teilen wurden keine Übersetzungen angefertigt. Um diese Übertragungen anzuregen und die ausländischen Forsehungen anzuspornen, zählen wir an dieser Stelle die wichtigeren Stationen der Reise von Márton Csombor auf: Košice (Kaschau) – Warschau – Gdańsk (Danzig) – Koppenhagen – Helsingör – Amsterdam – Leiden – Voorschoten – Voorburg – Delft – Rotterdam – Dordrecht – Middelburg – Vlissingen – London– Gravesend – Rocheter – Canterbury – Dover – Dieppe – Rouen – Richeville – Pontoise – Argenteuil – Paris – Meaux – Ferté-sous-Jouarre – Luzancy – Charly – Château-Thierry – Dormans – Epernay – Châlons-sur-Marne – Nettancourt – Bar-le-Duc – Ménil-la-Horgne – Void – Toul – Gondreville – Nancy – Saint-Nicolas-du-Port – Lunéville – Blâmont – Sarrebourg – Phalsbourg – Saverne – Straßburg – Haguenau – Wissembourg – Bergzabern – Landau – Speyer – Heidelberg – Möckmühl – Marienthal – Bad-Mergentheim – Schäftersheim – Bieberehren – Vindscheim – Nürnberg – Sulzbach – Waidhaus – Kladruby – Plzeň (Pilsen) – Bušovice – Rokycany – Mýto – Beroun – Prag – Nymburk – Městec Králové – Jaroměř – České Skalice – Náchod – Krakau – Košice. Über alle diese Ortschaften, Länder und Landschaften gab unser Reisender eine ausführliche Beschreibung. Insbesondere interessierten ihn die Städte, Bauwerke und Schulen, doch auch die Wirtschaft, die Gesellschaft und die religiösen Zustände, das Alltagsleben, die Menschen, die Lebensweise, die Bräuche und die Institutionen erweckten seine Neugier. Sein Tagebuch ist eine reiche gleichermaßen geschichtliche, geographische, kulturhistorische, kunstgeschichtliche und lokalhistorische Quelle. Márton Csombor war Protestant. In der Europica varietas nimmt er begeistert Stellung für die Politik von Gábor Bethlen, den Initiator der habsburgfeindlichen Unabhängigkeitsbewegung. Dennoch wurde seine Betrachtungsweise nicht von religiöser Befangenheit verzerrt. Katholische Kathedralen oder jesuitische Lehranstalten interessierten ihn ebenso wie protestantische Kirchen und Schalen. Die Beschreibung der Sehenswürdigkeiten würzt er mit Erzählungen spannender persönlicher Erlebnisse und seine Eindrücke faßt er in den wissenschaftlichen Rahmen eines Geographiebuches, unter anderem auf Grund der Werke von Münster [= Sebastian Münster: Cosmographia universalis lib. VI… Bázel 1550. Szegedi Somogyi Könyvtár Ge. 125.], Mercator [= Gerardi Mercatoris Atlas sive cosmographicae meditationes de fabrica mundi et fabricati figura. Amszterdam 1613. Bp. Egyetemi Könyvtár Ir Ge 110.] und Ortelius [= Abraham Ortelius: Theatrum orbis terrarum… Antverpen 1592. Bp. Egyetemi Könyvtár Ge. I. 113.]. Vielleicht hat er aber nur eine auf diese gestützte deutsche oder lateinische geschichts-geographische Arbeit vom Anfang des 17. Jahrhunderts benutzt, die uns nicht bekannt ist. Auf dieser Grundlege bringt er reichliche geographische Angaben und kosmographische Kuriosa.

Die Udvari schola ist eine Morallehre von stoischer Färbung in manieristischem Stil. Den Titel hat er wahracheinlich den auch in deutscher Sprache bekannten Institutiones vitae aulicae oder Hoffschul des Spaniers Antonio de Guevara entlehnt. Die Quellen der zwanzig moralischen Ermahnungen jedoeh sind Exempelsammlungen aus den Werken von Fulgosius [= Baptistae Campofulgosi dictorum factorumque memorabilium libri. Kiadva: Hanapus [= Nicolaus Hanapus: Virtutum et vitiorum exempla. Bázel 1555. Sárospataki Könyvtár E 3. Benne: Virtutum et vitiorum Nicolai Hanapi… liber. 3-174., Valerii Maximi factorum dictorumque memorabilium libri. 175-348., Aeliani variae historiae libri. 349-480., Marci Antonii Coccii Sabellici exemplorum libri. 481-657., Aristotelis philosophi maximi oeconomicarum dispensationum exempla. 658-666., Baptistae Campofulgosi dictorum factorumque memorabilium libri. 667-1075., Parthenii Nicaenis de amatoriis affectionibus liber, Iano Cornario Zuiccaviensi interprete. 1076-1100., Guidonis de Fonte Nayo Bituricensis rerum humanarum varia exempla. 1101-1176., M. Marulli Spalatensis de vita religiosa per exempla instituenda. 1176-1442., Ex Heraclide de politiis. 1443-1452., Sexti Iulii Frontini V. C. exempla sive stratagemata. 1453-1559.] 658-666.], Alexander ab Alexandro [= Alexandri ab Alexandro Neapolitani I. C. genialium dierum libri sex. Leiden 1598. Sárospataki Könyvtár HH 746.], Ravisius [= Joh. Ravisii Textoris Nivernensis… officina sive theatrnm histor. et poeticum ex Nat. comite, Linoceris et Gyraldo… a J. Jac. Grassero… cum augmento exornatum. Bázel 1626. Bp. Egyetemi Könyvtár Fa. 464.], Volaterranus [= Raphaelis Volaterrani commentariorum urbanorum libri octo et triginta. Ap. Claudium Marnium et haer. Iohannis Aubrii, 1603. Sárospataki Kvt E. 321.], Stobaeus [= Loci communes sententiarum ex S. Scriptura, veteribus theologis et secularibus scriptoribus collecti per Antonium et Maximum monachos atque Io. Stobaei locos relati. Orleans 1609. Sárospataki Kvt E 639.], Valerius Maximus [= Valerii Maximi factorum et dictorum memorabilium libri novem. Cum Julii Paridis et Januarii Nepotiani epitomis. Iterum recensuit Carolus Kempf. Lipcse 1888.], Sabellicus [= Marci Coccii Sabellici exemplorum libri. Kiadva: Hanapus 481-656.] usw. bzw. solche Florilegien, die ebenfalls die Exempel dieser Verfasser aufgearbeitet haben. Die Udvari schola enthält zahlreiche fesselnde Exempel, unter anderem auch eine interessante Dante-Anekdote nach Volaterranus [= Raphaelis Volaterrani commentariorum urbanorum libri octo et triginta. Ap. Claudium Marnium et haer. Iohannis Aubrii, 1603. Sárospataki Kvt E. 321.].

Unsere kritische Ausgabe mit einer eingehenden Lebensbiographie in der Einführung bringt die Texte wortgetreu; die nach der originalen Paginierung numerierten Anmerkungen im Anhang beziehen sich hauptsächlich auf die Daten und erklären den Stoff auf Grund der Quellen. In einer tabellarischen Zusammenstellung bringen wir die drei wahrscheinlichen Textschichten der Europica varietas: das Rohdiarium, Teile einer späteren Abfassung bzw. die den Quellen entnommenen Belege. Das besondere geographische Register enthält sämtliche geographische Namen; die kursiven Ziffern weisen auf eine ausführlichere Beschreibung im Text hin.




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