2. Der siebenbürgische Staat und sein Umfeld
in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts


Inhaltsverzeichnis

Die Grenzen des zwischen 1529 und 1571 entstandenen neuen Staates Siebenbürgen sind genauso schwer auszumachen wie die Geburt des Staates selbst. Die Oberhoheit Johanns I. und Bruder Georgs erstreckte sich auf alle die Gebiete, deren Grundherren sie als ihre Landesherren anerkannten. Die Territorien der beiden Ungarn verkeilten sich lange Zeit mosaikartig ineinander. Auf eine genaue Fixierung der Grenzlinien mußte bis zum Abkommen von Speyer gewartet werden: Damals verzichtete Johann II. (Johann Sigismund) auf sein Hoheitsrecht über alle Güter in den Komitaten unter Habsburgerherrschaft und erhielt im Tausch dafür das Territorium der Komitate Marmarosch, Kraszna, Mittel-Szolnok und Bihar (das „Partium“ ).

Obwohl dieser Frieden keine Verfügungen über die nachfolgenden Gebiete enthielt, galten ein Teil des Banats (das Lugosch-Karansebescher Banat) und {269.} je ein kleiner Teil der Komitate Arad und Zaránd am westlichen Fuß des Bihargebirges (der schon den türkischen Grenzstreifen darstellte) als zu Siebenbürgen gehörig.

Das Territorium des Fürstentums betrug insgesamt ca. 100 000 km2 (davon gehörten ca. 58 000 km2 zum eigentlichen Siebenbürgen).

Die Größe der Bevölkerung läßt sich wegen der Dürftigkeit der zur Verfügung stehenden Angaben nur ansatzweise schätzen – ebenso wie ihre ethnische Verteilung:

Tabelle 1. Die Bevölkerung des Fürstentums Siebenbürgen am Ende des 16. Jahrhunderts (Schätzung)


Gebiet

Ungarn

Sachsen

Rumänen
Sonstige (Raizen, Ukrainer)
Insgesamt etwa
Szeklerland 150 000 ? ? 160 000
Sachsenland ? 65 000 15 000 85 000
siebenbürgische Komitate 210 000 20 000 170 000 ? 400 000
Partium 140 000 90 000 80 000 300 000
Insgesamt etwa 500 000 90 000 280 000 85 000 955 000


Das Territorium des Königreichs Ungarn vor 1526 hatte demgegenüber ca. 350000 km2 umfaßt, mit einer Bevölkerung von wahrscheinlich mehr als 4 Millionen. Der im Laufe des 16. Jahrhunderts entstandene Staat war also, gemessen an seinem Vorgänger, wesentlich kleiner. Darüber hinaus war er einer Reihe von Einwirkungen von außen ausgesetzt, die nicht ausgeschaltet werden konnten.

In erster Linie handelte es sich dabei um das langsame Vordringen der Türken, womit ein fortwährender, offener oder verdeckter Kriegszustand verbunden war: Türkische Streifen ließen selbst in Friedenszeiten nicht von ihren verheerenden Raubzügen ab, worauf die Besatzungen der ungarischen Grenzburgen mit ähnlichen Aktionen antworteten.

Diese Kriegstaktik war eng mit der Herausbildung einer Zone doppelter Besteuerung verknüpft. Die Türken vermochten nicht einmal auf dem Höhepunkt ihrer Macht die Husarenaktionen zu verhindern, und die herrschende Schicht Ungarns und Siebenbürgens nutzte diese Streifzüge von Anfang an dazu, nicht nur theoretisch, sondern auch ganz praktisch ihre Besitzrechte über ihre von den Türken eroberten Güter auszuüben. Die Türken wiederum waren – schon im Sinne ihrer traditionellen Taktik der beständigen Aufreibung ihres Gegners – darum bemüht, jedes für sie erreichbare Gebiet zu besteuern.

Solange Siebenbürgen verbündeter Vasalle der Pforte war, hatte sich diese Zone mit Doppelbesteuerung auch an ihren gemeinsamen Grenzen gebildet, aufgrund der allgemeinen Lage selbstverständlich zum Nachteil Siebenbürgens. Die türkische Steuereintreibung reichte bis in die westlichen Dörfer des Komitats Hunyad, und im Komitat Bihar zahlten 53%, der Hufen Steuern an den Sultan und seine Spahis.

Der anhaltende Kriegszustand schadete notwendigerweise den Handelsbeziehungen des neuen Staates. Der Verkehr auf dem Haupthandelsweg, der {270.} Siebenbürgen mit Ungarns Zentren und mit Wien verband (Wien–Preßburg–Waitzen–Szolnok–Debreczin oder Wardein–Klausenburg) blieb zwar auch dann lebhaft, als sich die Türken in der Großen Ungarischen Tiefebene eingerichtet hatten. Die Kaufleute benutzten jedoch immer häufiger die Reiseroute von Klausenburg nach Kaschau und von dort durch das Waag-Tal nach Preßburg. Unter anderem hatte dies zur Folge, daß neben Wien nunmehr Krakau zur wichtigsten westlichen Basis des siebenbürgischen Handels wurde.

Von den übrigen wichtigen Handelswegen läßt sich die Bedeutung der Straße vom Unterlauf des Mieresch durch das Save-Tal nach Dalmatien und Italien nur schwer bestimmen. Die Zollpacht von Karansebesch besaß gegen Ende des Jahrhunderts einen sehr hohen Wert (1583: 6000 Gulden; 1588: 1900 Gulden), was aber eher auf ein Aufleben der Balkan-Beziehungen hindeutet. Der Handel über die von Bistritz, Kronstadt und Hermannstadt in die rumänischen Länder führenden Straßen geriet zur Jahrhundertmitte in die Krise. Der Bistritzer Dreißigstzoll (tricesima, Zollamt) war für eine lächerliche Summe zu pachten (1552 für 200, 1569 für 70, um 1574 für 100–120 Gulden). Beim Kronstädter Zollamt, das 1503 Waren im Wert von 167 000 Gulden abgefertigt hatte, wurden 1530 – als damals freilich in Siebenbürgen Krieg geführt wurde – Waren im Wert von genau 33 000 Gulden registriert. Dieser Betrag sollte sich auch in der zweiten Jahrhunderthälfte höchstens auf 80 000 Gulden erhöhen. In Hermannstadt mit ungefähr dem halben Umsatz von Kronstadt läßt sich eine ähnliche Konjunkturbewegung feststellen. Die unmittelbare Ursache für diesen Niedergang bildete das Ausfuhrverbot der Pforte für die Moldau und die Walachei. Beide Länder waren dazu gezwungen, das riesige Istambul mit Lebensmitteln zu versorgen. Zum Aufschwung gegen Ende des Jahrhunderts mochte die sich belebende Gewürzstraße, die Siebenbürgen von der Südukraine aus erreichte, beigetragen haben. An der Westgrenze des Landesteils der Szapolyais hatte bereits Bruder Georg mit der Errichtung neuer Dreißigstzollämter begonnen, und nach der Wende von 1556 entstand hier eine funktionstüchtige Außenhandels-Zollinie. Über ihren Umsatz besitzen wir wenig Angaben, er muß aber ganz erheblich gewesen sein, was sich aus den 929 Gulden Einnahmen des nicht allzu bedeutenden Amtes von Zillenmarkt 1588 ersehen läßt. Natürlich ließen auch die Türken und später das königliche Ungarn ihre neuen Grenzen nicht unbeaufsichtigt. Auf der Strecke nach Wardein lag der bekannte Waitzener (türkische) Zoll und an der von Klausenburg nach Kaschau der (Habsburg-ungarische) Dreißigstzoll von Tokaj. Die Kaufleute auf ihrem Weg von Siebenbürgen durch die Tiefebene nach Westen mußten nun an den zwei neuen Grenzen innerhalb des früheren Ungarn ihren Zoll an vier neue Ämter entrichten.

Mit dem Verfall der Außenhandelsbeziehungen verringerte sich zugleich auch das Interesse des Auslandskapitals. Von den Bodenschätzen des Fürstentums hatte das Salz den größten Wert. Zu den Salzgruben von Salzburg, Desch, Salzgrub, Seck und Thorenburg kamen die ähnlich reichen Fundstätten von Marmarosch hinzu. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts bemühte sich noch das weltberühmte Bankhaus der Fugger um die Pacht der Siebenbürger Salzkammer, während der Kämpfe von 1528/29 verschaffte sich Gritti dieses einträgliche Geschäft, und nach seinem Tod gelang es Johann I., bayerische Geschäftsleute an diesem Unternehmen zu beteiligen. Nach 1541 {271.} aber plagten sich lange Zeit nur die kapitalschwachen lokalen Unternehmer (z.B. Peter Haller) mit den Salzgruben ab.

Ein ähnliches Schicksal traf die von Gritti wieder in Betrieb genommenen Goldgruben im Siebenbürgischen Erzgebirge: Nach anfänglichen Erfolgen verringerte sich das Interesse an diesen immer mehr, so daß sie beispielsweise zur Zeit Stephan Báthorys von obskuren italienischen Grubenpächtern (vielleicht Leute Biandratas?) geleitet wurden. Über eine Ausbeutung der später bedeutsamen sonstigen Bodenschätze – Eisen, Quecksilber – verfügen wir für das 16. Jahrhundert kaum über Angaben.

Das westliche Kapital blieb dem zum Kriegsschauplatz gewordenen Karpatenbecken nicht nur aus Vorsicht fern. Die Fugger gaben um 1546 auch die Pacht der ziemlich geschützten Kupfergruben in Oberungarn ab. Der Handel über den Atlantischen Ozean, die ostindischen Gewürze und die südamerikanischen Edelmetallgruben versprachen schnelleren und höheren Gewinn.

Die Flut der Azteken- und Inka-Schätze verringerte Wert und Ertrag der europäischen Goldbergwerke spürbar, mit entsprechenden direkten Auswirkungen auf Siebenbürgen.

Das Edelmetalldumping fiel zugleich mit einer entscheidenden Wende in der Wirtschaftsentwicklung Europas zusammen. Infolge des bemerkenswerten Aufschwungs des westeuropäischen Gewerbes stieg die Bevölkerung der dortigen Städte sprunghaft an. Der entsprechend stark gewachsene Lebensmittelverbrauch war aus der unmittelbaren Umgebung nicht mehr zu befriedigen. Die Getreidepreise stiegen deshalb schneller als die Preise der Gewerbegüter (auf das Vier- bis Sechsfache gegenüber dem vielleicht Dreifachen), die sich umkehrende Agrarschere verlangte wesentlich mehr Bargeld von den Städten, so daß genügend Bedarf für das Gold und Silber aus Übersee vorhanden war.

Inzwischen hatte die „Preisrevolution“ – im Ergebnis all dessen parallel mit dem Goldstrom aus der spanisch-amerikanischen Welt, dem Aufschwung der europäischen Industrie und dem plötzlichen Bevölkerungswachstum der westlichen Städte entstanden – auch das Karpatenbecken erreicht. In Rahmen der internationalen Arbeitsteilung entwickelte sich diese Region zu einem der großen Nahrungsmittel- und Rohstofflieferanten, der Preis ihres wichtigsten Exportartikels, des Mastrindes, erhöhte sich zwischen 1520 und 1580 auf das Dreifache und der des Weines auf das Vierfache; der Preis des eigentlich nur für den Eigenverbrauch bestimmten Weizens wurde infolge des Gleichgewichtsstrebens der Wirtschaft auf das Fünffache angehoben.

Das entfernte und kleine Siebenbürgen bekam von dieser Entwicklung größtenteils nur die Kehrseite zu spüren. Im Ackerbau kannten nur die Sachsen die moderneren Methoden, aber im Szeklerland begann man gerade, sich auf die Dreifelderwirtschaft umzustellen. Das Interesse am Gemüse- und Obstanbau wuchs in ganz Siebenbürgen erst zum Ende des Jahrhunderts, ebenso wie die ersten Versuche zur Stallhaltung und Futtermittelproduktion erst damals einsetzten.

Das Getreide ließ sich aufgrund der großen Entfernung und der in südöstlicher Richtung fließenden schiffbaren Flüsse nicht exportieren, das siebenbürgische Mastvieh wurde qualitativ von dem aus der Großen Ungarischen Tiefebene übertroffen, welches zudem auf einem kürzeren Weg zum Verbraucher getrieben werden konnte. Der Wein besaß in dem gerade {272.} ertragreich werdenden Anbaugebiet von Tokaj einen mächtigen Konkurrenten, ähnlich wie das Salz in den direkt auf dem Weg liegenden polnischen Salzgruben.

So blieb also Siebenbürgens Außenhandelsbilanz negativ. Die Preise der importierten Gewerbegüter (Stoffe, Werkzeuge, Waffen, Luxusgüter) konnten nicht einmal durch Verringerung der Importmenge ausgeglichen werden. Der Goldbergbau stellte zwar eine gewisse Hilfe dar, doch der Bergbau vegetierte aufgrund der Konkurrenz des billigen südamerikanischen Erzes nur noch dahin. Auch hier drückte die anhaltende Inflation den Wert der Goldmünzen. In der zweiten Jahrhunderthälfte wurden der Reihe nach – undurchführbare – Preisregelungsgesetze erlassen.

Die Bewohner Siebenbürgens hatten daher im 16. Jahrhundert tatsächlich mit den globalen Entwicklungstendenzen zu kämpfen, wenn sie nicht die Rolle eines passiven Zuschauers ihres eigenen Niederganges übernehmen wollten.

Sächsische und ungarische Städte

Das alte Ungarn hatte ein dürftiges Netz von relativ kleinen Städten besessen. Siebenbürgen im geographisch engeren Sinne besaß im Gegensatz dazu Städte genug: Neben den Siedlungszentren der Sachsen (Kronstadt, Hermannstadt, Mediasch, Schäßburg, Broos und Bistritz) besaßen auch Klausenburg, Desch, Thorenburg, Neumarkt und Weißenburg Stadt-Privilegien. Das Partium stand dem ungarischen Durchschnitt schon näher: Zwei seiner Siedlungszentren, Wardein und Debreczin, waren keine Städte im vollen rechtlichen Sinn, und Frauenbach genoß die Rechte einer Bergstadt.

Mit den Behinderungen im Westhandel und der Ausschaltung der Konkurrenz der übrigen Städte Ungarns (Kaschau, Ofen und Pest) wuchs das wirtschaftliche Gewicht des sächsischen Bürgertums ganz von selbst, zumal sich seine früher bloß lokal praktizierte Selbstverwaltung durch die Union der „drei Nationen“ zu einem der ständisch-politischen Grundpfeiler des neuen Staates entwickelte.

Die Mehrheit der Siebenbürger Sachsen waren zwar damals noch Bauern, ihre führende Schicht bildete jedoch eindeutig das Stadtbürgertum. Der sächsischen „Nationsuniversität“ standen noch immer der Königsrichter und der Bürgermeister von Hermannstadt (in einer Person der Sachsengraf) vor, die ebenso wie die Vorstände der übrigen Stühle und Städte als Patrizier in ihre Ämter gewählt wurden. Die städtischen Zünfte kontrollierten auch die dörflichen Handwerker. Das Handelsmonopol lag in der Hand der Städte, die allein das Marktrecht besaßen. Die gesellschaftliche Elite ging aus den großen Kaufmannsfamilien (Haller, Rapolt, Armbruster, Offner, Lulay usw.) hervor, soziale Unzufriedenheit war nur selten festzustellen (z.B. in den Tagen des ungarnfeindlichen Aufstandes von 1556 in Hermannstadt).

Allen voran waren die sächsischen Handwerker im Rahmen der Zünfte darum bemüht, den Platz ihrer ungarischen Konkurrenz einzunehmen. Mitte des 16. Jahhunderts waren in Kronstadt bereits 19 Zünfte registriert, und Hermannstadt verfügte über 28 Zünfte in 30 Gewerbezweigen. In Kronstadt war seit den 1570er Jahren die erste Tuchmanufaktur Südosteuropas in Betrieb.

{273.} Auch in dieser Periode der politischen Unsicherheit wuchsen und verschönerten sich die Städte der Siebenbürger Sachsen. Die früheren Holzhäuser wurden in raschen Tempo von stattlichen Steingebäuden abgelöst. Die sächsischen Goldschmiede versahen die anspruchsvolleren Haushalte mit ihren prächtigen Meisterwerken. Die kriegerische Episode hat sicherlich das Ihre dazu beigetragen, denn solche Schätze ließen sich leichter verbergen und damit retten. Dennoch nahm die Bevölkerung der sächsischen Städte kaum zu; Kronstadt hatte am Ende des 16. Jahrhunderts auch nur 8–9000 Einwohner gegenüber den früheren 7000, Hermannstadt zählte gerade 6000, und die übrigen stagnierten bei 2–3000. Ein Grund dafür ist zweifellos darin zu erkennen, daß die traditionelle Abgeschlossenheit der Siebenbürger Sachsen weiter fortbestand.

Ungarische Handwerker und Kaufleute wurden durch das Zuzugsverbot ferngehalten. Familienbeziehungen bestanden zum Deutschtum in Ungarn und den deutschen Reichsländern. Ihre ursprüngliche ständische Denkweise wurde gerade in den Jahren um Mohács mit neuem politischen Inhalt aufgeladen und äußerte sich nicht nur in ihrer Sympathie mit der Sache der Habsburger, sondern auch in der zahlenmäßigen Selbstbeschränkung des Bürgertums auf freiwilliger Basis. Ausschlaggebender war freilich die Tatsache, daß sich das relativ dichte Städtenetz Siebenbürgens auf ein nur schwach besiedeltes und wirtschaftlich zurückgebliebenes Hinterland stützen konnte. Das durch die Trennung verursachte Vakuum füllte das örtliche Handwerk zwar bald auf, dann aber machten sich sämtliche Folgen der wirtschaftlichen Isolierung vom Westen bemerkbar: der mit den hohen Preisen verbundene Geldmangel sowie die Schwächung der traditionellen sächsischen Handelsbeziehungen mit den Märkten der Moldau und der Walachei. Der anfängliche Aufschwung wurde dadurch sehr bald abgebrochen.

Wachsende Sorgen bereiteten darüber hinaus neue Konkurrenten in Gestalt der aus dem Türkischen Reich kommenden griechischen, türkischen, armenischen, mazedorumänischen und südslawischen Händler (der Raizen). Gegen ihre billigen, für den lokalen Gebrauch bestimmten Produkte bot das Stapelrecht kaum Schutz, zumal diese „Fremdlinge“ häufig die vorgeschriebenen Transportwege vermieden. Mit ihrem Erscheinen können die Zollangaben von Karansebesch in Verbindung gebracht werden.

Eine weitere Konkurrenz stellten die nichtsächsischen Bürger des Landes dar. Zwar besaßen die ungarischen Städte (Desch, Thorenburg, Neumarkt, Weißenburg) auch kein Stapelrecht und lagen fern von den Haupthandelswegen. Dagegen erhielt das sich allmählich aus einer deutschen in eine ungarische Stadt verwandelnde Klausenburg bei der Entstehung des neuen Staates eine Schlüsselposition als Ausgangspunkt beider von Siebenbürgen nach Westen führenden Handelswege (nach Kaschau bzw. Wardein). Die damit sich bietenden Möglichkeiten wurden von den Kaufleuten der Stadt auch genützt, und ihren wachsenden Gewinn verdankten sie – motiviert gerade durch ihre antisächsischen Gefühle – ihrer ausdrücklichen Parteinahme für die Szapolyais. Königin Isabella erneuerte 1558 das ihnen 1437 entzogene Stapelrecht. Die für die Sachsen so unangenehmen balkanischen Konkurrenten waren für Klausenburg ein Gewinn: Ihre unter Umgehung der Märkte von Hermannstadt und Kronstadt nach Siebenbürgen gebrachten Waren fanden auf dem lebhaften Klausenburger Markt ihre besten Abnehmer. {274.} Die immer wieder von den Sachsen erzwungenen Landtagsbeschlüsse von 1556, 1560, 1571, 1591, die den Zweck verfolgten, die Tätigkeit der armenischen, griechischen u. a. Kaufleute gesetzlich zu regeln, konnten schon deshalb nicht durchgesetzt werden, weil die übrigen Städte mit entgegengesetzten Interessen ihre Mitwirkung verweigerten.

Klausenburgs Bevölkerung (9–10 000) hatte am Ende des 16. Jahrhunderts die größte sächsische Stadt, Kronstadt, überflügelt. Hier war die Bautätigkeit vielleicht noch intensiver als bei den Sachsen, am Ende des Jahrhunderts zierten die Stadt eine ganze Reihe wahrer kleiner Paläste (der schönste erhalten gebliebene ist das sog. Wolphard-Kakas-Haus). Als Vorbild oder geradezu Lehrstück diente die wiederholte fürstliche Bautätigkeit im nahen Appesdorf und in Julmarkt, ja Stephan Báthory ließ sein für Klausenburg geplantes Universitätsgebäude von italienischen Architekten entwerfen. Ebenso wie das sächsische Bürgertum übernahm man hier für Einrichtung und Gebrauchsgegenstände den Renaissancestil, womit zugleich auch die Bequemlichkeit in die Wohnungen einzog. Dieser Aufschwung hielt zudem bis zum Jahrhundertende an. In Ermangelung ähnlich günstiger Voraussetzungen fand Klausenburgs bemerkenswerter Aufschwung wenig Nachahmung. Von den annähernd vergleichbaren zwei bedeutendsten Städten war Wardein ursprünglich Bischofsstadt und wurde erst nach 1556 fürstliche Civitas, Debreczin dagegen blieb immer ein Oppidum, eine Landstadt im Besitz von Grundherren mit begrenzter Selbstverwaltung.

Wardein war ein traditionelles Zentrum im Gebiet jenseits der Theiß und wichtige Station auf der Strecke Wien-Klausenburg. Seit den 1540er Jahren bis 1591 wurde die Stadt noch dazu mit gewaltigen Befestigungsanlagen ausgestattet. Über Zahlen verfügen wir zwar nicht, doch galt die Stadt als erheblich reich, und aus dem türkisch gewordenen Pest waren viele Bürger hierher umgesiedelt.

Für Debreczins sprunghafte Entwicklung gibt es nur unzulängliche Erklärungen. Diese Siedlung an einem geographisch absolut unwichtigen Platz, in der nicht einmal besonders fruchtbaren Großen Ungarischen Tiefebene, zählte bereits um die Mitte des 16. Jahrhunderts über 1300 besteuerte Hufen, was auf eine Bevölkerung von ungefähr 20 000 schließen läßt. Weder in Siebenbürgen noch im königlichen Ungarn gab es eine einzige Stadt, die sich der Größe nach mit Debreczin messen konnte!

In den Komitaten der Tiefebene befand sich keine einzige königliche Stadt. Deshalb sammelten sich hier in den Grundherrndörfern mit Marktrecht sehr rasch Untertanen aus der Umgebung, die sich im Handwerk und Handel versuchten. Solche Siedlungen mit beschränkter Selbstverwaltung wurden Landstädte oder Markflecken („oppida“) genannt.

Die tüchtigen Bauernbürger dieser Marktflecken richteten ihre Aufmerksamkeit auf die geschäftlichen Möglichkeiten, die ihnen das Mastrind und später auch der Wein boten. Da der Adel die Beschäftigung mit Waren und Geld noch verachtete und die Bürger der „echten“ (königlichen) Städte kein Interesse an Berufe verschwendeten, die als bäuerlich angesehen wurden, blieben Rindermast und Weinbau mit dem dazugehörigen Handel vorwiegend in der Hand der „cívis“ genannten Agrarbürger. Debreczin dehnte seine Gemarkung ins Riesenhafte aus und wurde dank seiner in der Hortobágy gehaltenen Rinder zur wirtschaftlichen Großmacht. Seine Handelsbeziehungen reichten bis Krakau, Wien, Brünn, Breslau und Nürnberg.

{275.} Die Beteiligung bäuerlicher Untertanen an dem europaweiten Handel mit Agrarprodukten ist eine einzigartige Erscheinung. Das polnische Getreide, das andere wichtige Exportgut des östlichen Europas, wurde von den adligen Allodien (Eigenwirtschaften, Meierhöfen) produziert, die ihren Arbeitskräftebedarf durch maßlose Steigerung der Fronarbeit deckten. Dadurch festigte der Adel seine Herrschaft auf Jahrhunderte und bewirkte eine lang anhaltende gesellschaftliche Stagnation. Der wirtschaftliche Aufschwung der ungarischen Landstädte ließ hingegen die Hoffnung aufkommen, hier werde die adlige von einer bäuerlichen Warenproduktion in den Landstädten abgelöst. Der feudale Grundbesitz wurde eindeutig dadurch geschädigt, daß die verwüsteten oder verödeten Hufen verarmter Untertanen (manchmal die gesamte Gemarkung verlassener Dörfer) von den Agrarbürgern der Landstädte in Pacht genommen wurden und die Grundherren dafür keine feudalen Abgaben mehr erhielten.

Die Ende der 1520er Jahre erfolgte Teilung des Landes machte die Große Ungarische Tiefebene mit ihren reichen Marktflecken zum Randgebiet der türkisch-ungarischen militärischen Auseinandersetzungen. Nach dem Fall von Ofen 1541 wurde dieses Gebiet politisch aufgeteilt und dadurch als Region zerstückelt. Die pausenlosen Kämpfe entlang der neuen Grenzen, die unaufhörlichen Streifzüge auch in Friedenszeiten gefährdeten die Kontinuität des Wirtschaftsprozesses außerordentlich. Die im Grenzbereich des Türkischen Reiches entstandene Doppelbesteuerung stellte eine drückende Last dar, verschiedenenorts noch gesteigert durch den siebenbürgisch-habsburgischen Gegensatz. Debreczin, das wirtschaftliche Zentrum jenseits der Theiß, zahlte von 1567 an – über seine Dienstleistungen für den Grundherrn hinaus – gleichzeitig Steuern an Weißenburg (3200 Gulden jährlich), Istambul (2000 Gulden) und Preßburg (1000 Gulden).

Dennoch war die wirtschaftliche Konjunktur der Marktflecken noch ungebrochen. In dem zwischen Siebenbürgen und den Türken eingeklemmten Komitat Békés erlebten bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts drei Oppida (Gyula, Simánd, Békés) eine zweifellose Blütezeit: Die „cívis“ lösten das Neuntel und häufig die Fronarbeit mit Geld ab, letztere blieb aber immer weit hinter dem im Gesetz von 1514 festgelegten einem Tag pro Woche zurück, die Einnahmen der Grundherren – in erster Linie aus den Pferde- und Rinderherden der „cívis“ – betrugen mehrere tausend Gulden. Trotz der Nähe zum Kriegsschauplatz nahm das Gebiet nach wie vor am Rinderexport nach dem Westen teil, und rund ein Drittel seiner Bevölkerung betätigte sich auch in einem Handwerk.

Wir verfügen zwar kaum über ausführliche Angaben aus den eigentlichen Oppida Siebenbürgens, doch gibt es keinen Grund zu der Annahme, ihre Situation habe sich anders gestaltet. Allerdings ist in dieser bis zum letzten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts andauernden Blütezeit der Landstädte auch keine ausschließlich wirtschaftliche Erscheinung zu sehen. Der anhaltende Kriegszustand, die mehrfache Besteuerung und die wachsende Willkür der um die Rettung ihrer Wirtschaft bemühten Grundherren trieben die Untertanen aus ihren Dörfern. Zum ersten Ziel ihrer Flucht wurden die größere Sicherheit versprechenden Ortschaften, also die Marktflecken. Andererseits wiederum begannen gerade aus diesen die Wohlhabenderen, die Flucht zu ergreifen. Die Bürger von Szegedin siedelten sich z.B. nach 1552 in Tyrnau, Kaschau und Debreczin an.

{276.} Dieser Prozeß einer tiefgreifenden sozialen Umschichtung hatte für Siebenbürgen recht schwerwiegende Auswirkungen. Die größere Entfernung von den westlichen Märkten, die im Vergleich zur Tiefebene kleineren Weideflächen, die gegenüber dem „Tokajer“ qualitativ unterlegenen Weine, die relative Rückständigkeit und nicht zuletzt das dichte Netz sächsischer Städte verhinderten von vornherein, daß die bäuerliche Warenproduktion an Bedeutung gewann. Die seltenen Versuche, diese Wirtschaftshindernisse zu überwinden, wurden in erster Linie von den Sachsen blockiert, die zu diesem Zweck ihre Vorrechte in der Organisation der drei Nationen ausspielten. Zu Beginn der 1520er Jahre erreichte beispielsweise Kronstadt in jahrelangen Prozessen die Aufhebung des Marktrechtes des naheliegenden St. Georgen. Nur besonders günstige Möglichkeiten verhalfen zu einem Aufschwung. Thorenburg und Desch lagen in der Nähe reicher Salzgruben und vermochten deshalb die Rechte eines Oppidum zu erkämpfen, ja zählten in der Fürstenzeit sogar als Städte. Aber dazu kam es auch nur, weil sie die ganze Zeit über im Besitz des Königs bzw. der Landesherren verblieben. Eine weitere Quasi-Landstadt und der wichtigste Marktort im nicht-sächsischen Siebenbürgen, Neumarkt, war das wirtschaftliche Zentrum der „Szeklernation“.

Die zunehmend isolierte Lage der Landstädte in der Tiefebene mit der damit zusammenhängenden, zunehmenden Fluchtbewegung der „cívis“ lief darauf hinaus, daß der neue Staat im Moment seiner Geburt die sozioökonomisch vielleicht entwicklungsfähigste Schicht der Bevölkerung einbüßte. Die Möglichkeit einer auf agrarischer Warenproduktion begründeten, besonderen ungarischen Stadtentwicklung blieb ungenützt. König Johann I. hatte noch mit den „cívis“ als einer bedeutenden Wirtschaftskraft rechnen können. Er erhob deshalb Lippa zur königlichen Freistadt (1529), besiedelte Ofen und Kaschau anstelle der geflohenen deutschen Bürger mit ungarischen Bauernbürgern (1529, 1538) und stellte das 1514 aufgehobene Recht der Freizügigkeit der Untertanen wieder her (1530 1536). Wahrscheinlich hatte er dafür auch materielle und geistige Unterstützung erhalten. Seine Nachfolger befaßten sich aber nicht mehr mit den „cívis“-Angelegenheiten. Die Freizügigkeit hörte fast unmerklich auf; Debreczin war mit seiner bemerkenswerten Entwicklung ein Einzelfall. Die Größe der Debreczin an Bevölkerungszahl und wirtschaftlichem Gewicht nachfolgenden Marktflecken blieb sehr gering: Trestendorf hatte 1569 319 besteuerte Familien, Kraszna 281 – also betrug die Zahl ihrer Bevölkerung höchstens 4000 Menschen.

Die Bauern

Später als in den übrigen ungarischen Gebieten, aber doch bis zum Ende des 15. Jahrhunderts war in Siebenbürgen die Schicht der bäuerlichen Untertanen im klassischen Wortsinne entstanden. Darüber hinaus zerfiel die Bauernschaft des entstehenden neuen Staates in mehrere, scharf zu unterscheidende Schichten und Gruppen. Von der unter siebenbürgische Herrschaft gelangten „cívis“ des Gebietes jenseits der Theiß war bereits die Rede; aber auch die Rechte der freien sächsischen Bauern und militärdienstpflichtigen Szekler unterschieden sich von denen der eigentlichen Untertanen der Grundherrschaften, die man traditionell in drei Kategorien einteilt: Hufenbauern, ganz oder teilweise von den Fronlasten Befreite (szabados) und Häusler.

{277.} Unter den Hufenbauern waren stets auch die Unterschiedlichkeit des Kindersegens, die Bodenqualität, die persönliche Befähigung und manchmal auch das Glück differenzierende Faktoren. In den entwickelteren ungarischen Komitaten war schon im 15. Jahrhundert der Halbhufenbauer typisch – in den Dörfern Siebenbürgerns ist hingegen noch zur Mitte des 16. Jahrhunderts der Anteil der Vollhufenbesitzer sehr hoch. In der Herrschaft Neuschloß lag dieser bei 35 %, in der Gegend um Kõvár bei 65 %, in der Herrschaft Erdeed im Partium bei 60–90 %. In erster Linie ist dies wohl auf die relativ geringe Bevölkerungsdichte zurückzuführen. Zugleich kann infolge der großen Bedeutung der Viehzucht (Schaf und Rind) die Klassifizierung der Untertanen nach Hufengröße nicht als oberster Maßstab der Bewirtschaftung gelten; über ihren Anteil am Viehbestand wissen wir fast überhaupt nichts.

Zu den teils oder ganz von den Fronlasten Befreiten gehörten die in den persönlichen Dienst des Grundherrn aufgestiegenen Untertanen, die Betreiber einiger wichtiger Berufe (Fischer, Metzger) und schließlich die Anführer der Dörfer oder einzelner Landbezirke (Dorfrichter, Schulzen, Vögte, Woiwoden, Knesen).

Die dritte Gruppe, der Kreis der Häusler, ist ebenfalls höchst unterschiedlich. In den meisten Herrschaften wurden ihnen die ohne Hufe wirtschaftenden Armen und die Neuankömmlinge zugerechnet. Aber als Häusler galten auch die Einwohner der Landstädte, welche vom Rinderhandel oder Weinbau lebten und deshalb auf Hufenbesitz verzichteten – diese gehörten jedoch eindeutig zu den Reichsten –, wie auch die von den Grundherrschaften oder Landstädten beschäftigten bäuerlichen Intellektuellen, die „litterati“.

Ebensowenig wie zwischen den Hufenbauern und von den Fronlasten Befreiten gab es eine vermögensmäßige Trennlinie zwischen Hufenbauern und Häuslern, ja man kann sagen, daß die Urbariallasten der Häusler im allgemeinen geringer waren. Ihre Dienstleistungen waren vertraglich geregelt, ihren Zehnten und die fälligen Geschenke lösten sie mit einer Gebühr nach Vereinbarung ab. Der relative Reichtum an Boden verzögerte nicht nur die Hufenzerstückelung, sondern auch den Prozeß, daß die Bauern zu Häuslern wurden: Gegenüber einem Anteil der Häusler an der Untertanen von damals 25 % im Habsburger-Ungarn schwankte dieser Anteil in Siebenbürgen einschließlich des schon weiter entwickelten Partiums zwischen 5 und 20%.

Die Lasten, welche den Bauern durch Staat und Grundherrn auferlegt wurden, waren ebenfalls sehr unterschiedlich.

Der Zins wurde für das Dorf insgesamt veranschlagt, wobei der Schulze dann die Verteilung auf die einzelnen Familien festlegte. Grundlage der Veranschlagung mag die Zahl der Hufen oder der Ochsenjoche gewesen sein, anderenorts wurde der Zins noch durch eine Direktbesteuerung seitens des Grundherrn erhöht. Dementsprechend unterschieden sich die Steuersummen je nach Gebiet. Gemeinsam war ihnen nur, daß sie im allgemeinen unter dem 1514 gesetzlich vorgeschriebenen einen Gulden pro Familie blieben. Anscheinend blieb auch die Inflation ohne Auswirkung: Der Zins des Marktfleckens Trestendorf betrug 1569 genauso ca. 1000 Gulden wie 1589, und die Zinseinnahmen der Herrschaft Appesdorf bewegten sich zwischen 1580 und 1599 bei 180 Gulden.

Ähnlich vielschichtig war das System der Naturalabgaben (munera): Roggen wurde überall und Weizen an den meisten Orten gefordert, Geflügel, {278.} Schweine, Schafe, Eier, Honig, Gemüse, Obst und Brennholz örtlich verschieden. Bis zum Ende des Jahrhunderts ist bei den Lasten eine langsam ansteigende Tendenz zu verzeichnen.

Weniger den örtlichen Gewohnheiten war die Abgabe des Neuntels (nona) unterworfen. Der siebenbürgische Landtag von 1549 bestätigte das Neuntel-Gesetz von 1514, das damals neu eingeführt wurde, dessen ungeachtet läßt sich seine Anwendung bis zur Jahrhundertmitte nur in den Komitaten des Partiums beobachten, und auch dort nicht in der Höhe des gesetzlich vorgeschriebenen 1/10 Goldguldens. Später wurde dann seine Eintreibung verschärft. In der Herrschaft Gyula stieg der Wert des Neuntels von 4–500 Gulden in den Jahren 1526/1527 auf ca. 2000 Gulden im Jahre 1562.

Der Zehnte behielt bis zum Beginn der 1540er Jahre seine ursprüngliche Funktion als kirchliches Einkommen. Er wurde von fast allen Produkten erhoben, ob dies nun Getreide, Obst, Wein oder Schweine waren. Spätere Veränderungen waren von den politischen Verhältnissen abhängig. Zuerst wurde das Einkommen des 1542 vakant gewordenen Bistums Weißenburg und seit 1556 auch das des Bistums Wardein den Staatseinnahmen zugeschlagen. (Die Reformation spielt dabei eine nur sekundäre Rolle.) Der Zehnte wurde auch weiterhin in Pacht gegeben, zumeist an die jeweiligen Grundherren selbst.

Auch die Praxis der Fronarbeit war nicht einheitlich und konnte dies gar nicht sein. Die siebenbürgischen Stände vertraten den uralten Standpunkt, dem zufolge das Verhältnis von Herr und Bauer ausschließlich von ihnen selbst abhing.

Darauf bestanden sie so nachdrücklich, daß sie kein Gesetz zur Regelung der Fronarbeit zuließen und sich genausowenig auf das Gesetz von 1514 über den wöchentlich einen vorgeschriebenen Tag der Fronarbeit für den Grundherrn beriefen. Auf den Gütern bemaß man zum Teil die Belastung nach Familien, anderswo nach Pflügen bzw. Jochtieren, und diese Forderungen begannen in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts anzuwachsen. In der Herrschaft Fogarasch – dort bestand die Fronarbeit 1508 außer der zweitägigen Heumahd nur noch im Transport von zwei Fuhren Holz – wurde 1570 zusätzlich noch eine dreitägige Erntearbeit eingefordert; 1596 lehnten sich die Untertanen bereits gegen die umfangreiche Fron für den Grundherren auf. Aus den Landstädten des Szilágy-Gebietes im Besitz der Drágffys, aus Csehi wurde 1556 nur von der Fuhrfron nach Erdeed und Kõvár berichtet, aber der neue Grundherr György Báthory verlangte bereits erheblichen Pflug- und Erntefrondienst und schaffte, um stärkeren Druck auszuüben, die eigenen Pflüge seines Meierhofes ab. In einer anderen Herrschaft Báthorys, dem ebenfalls von den Drágffys ererbten Bildegg, wurden im Sinne des neuen Systems alle Arbeiten der Gutswirtschaft des Grundherrn als Frondienst durchgeführt und selbst in die früher in Lohnarbeit gegebenen Weingärten Fronarbeiter beordert – darüber hinaus war die Zwangsarbeit nicht mehr zeitlich begrenzt: Jeder hatte seiner „Fähigkeit entsprechend“ (pro facultate) Arbeiten zu verrichten.

Bis zur Jahrhundertwende wurde diese „der Fähigkeit entsprechende“ und damit praktisch unbegrenzte Arbeit für den Grundherrn im gesamten Fürstentum allgemein. Nun wird nicht mehr die Arbeitszeit, sondern die zu leistende Arbeit fixiert. In einzelnen Herrschaften kommt es gar zum bindenden Dienst an jedem dritten Tag, zur doppelten Überbietung der {279.} eintägigen Fronvorschrift, die Werbõczy 1514 noch als phantastische Übertreibung erschienen war. Inzwischen war den Untertanen noch eine weitere Arbeitsverpflichtung auferlegt worden. Die Grenzen des neuen Staates mußten aufgrund der ständigen Kriege befestigt werden, und zur Errichtung dieser Befestigungen (und Paläste) wurden viele Hände benötigt. Daher wurde der Burgdienst eingeführt und sehr bald zu einer gleichfalls unbegrenzten Verpflichtung wie die traditionelle Fronarbeit.

Der Verlust des Rechtsschutzes (Freizügigkeit, Regelung der Lasten) und die zunehmenden Belastungen führten nur deshalb nicht zur allgemeinen Verarmung, weil Siebenbürgen von schwer kontrollierbaren Gebirgsgrenzen umschlossen war und darüber hinaus auch über gewisse Reserven an Grund und Boden verfügte, weshalb selbst die offene Gewalt gewisse Möglichkeiten des Selbstschutzes nicht beseitigen konnte. Dazu gehörten die Flucht der Bauern, der Kauf und der Verkauf von bäuerlichem Grund ohne Genehmigung des Grundherrn und schließlich der freie Handel mit Rodungsböden. Solche Möglichkeiten halfen den Bauern, die parallel zu den Lasten der Grundherren ebenfalls angewachsenen staatlichen Steuerlasten zu tragen.

Am einheitlichen System der normalen staatlichen Steuer wurden nur allmählich Veränderungen vorgenommen. 1543 war eine solche von Bauern mit einem Vermögen von 3 Gulden und seit 1552 von 6 Gulden zu zahlen, bis zur Jahrhundertwende „nach Pforten“ (porta, Hufe), was damals nicht mehr Bauernhufe bedeutete, sondern eine rein theoretische Berechnungseinheit war. Basis der Veranlagung war höchstwahrscheinlich ein Jochtier: Der Preis für ein Paar Ochsen betrug 6 Gulden. Die Steuer selbst wurde bis zu den 1540er Jahren mit 1 Gulden pro Pforte und Jahr bestimmt, 1545 nur mit 60 Denaren, nach 1550 wieder mit 1 Gulden und schließlich nach 1556 mit ca. 2 Gulden. Aber schon in den 1540er Jahren verlangte der Staat unabhängig davon gesonderte Abgaben für die Unterhaltung der Grenzburgen, für die Deckung der Türkensteuer, für den Burgenbau und allgemein für Subsidium („Kriegsunterstützung“); der Gesamtwert dieser Abgaben überstieg sehr bald 3 Gulden pro Pforte.

Die ganze Periode hindurch blieb außerdem die teilweise (jede 8.–16. Familie betreffende) Kriegsdienstpflicht erhalten. Stephan Báthory gab diesen „Hufensoldaten“ 1575 einen stabilen Rahmen in Gestalt jährlich zweimaliger Musterungen (Heerschau). Auch die uralte Institution des Landsturms war erhalten geblieben, verschwand dann aber in den sechziger Jahren, die Landtage „vergaßen“ sie und belebten sie auch im 1593 beginnenden Fünfzehnjährigen Krieg nicht wieder.

Die moderne Kriegsführung verlangte in erster Linie eine ausgebildete und ständig in Bereitschaft stehende Armee. Aus den „Hufensoldaten“ entwickelt sich deshalb bald eine Schicht von Freien neuen Typs (die „Darabonten“ = Trabanten), die durch die Fürstenmacht stufenweise von den Grundherrendiensten entbunden wurde. Sie stellte eine billige und beliebig einsetzbare Truppe dar, und da sie weder an die Bauern noch an den Adel gebunden war, nahmen die Fürsten ihre Dienste auch gern in Anspruch.

In der zweiten Jahrhunderthälfte hatten sich im allgemeinen die Lebensbedingungen der Bauern verschlechtert. Für den einfachen siebenbürgischen Bauern, der sich schon bisher kaum in den Kreislauf von Warenproduktion und Warenwirtschaft einzuschalten vermochte, wurden die Chancen dazu immer geringer. Die große ungarische Katastrophe des 16. Jahrhunderts und {280.} die Geburt des neuen Staates erlebte er als passiver Zuschauer oder gar als leidendes Subjekt. Der Bauer wurde nicht zu einem politischen Faktor, ja selbst die „cívis“ des Gebietes jenseits der Theiß konnten nicht einen solchen Rang erreichen.

Die Rumänen

Türkeneroberung und Kampf gegen die Habsburger hatten eine Westgrenze Siebenbürgens in der Weise gezogen, daß sämtliche von Rumänen bewohnten Gebiete des alten Königreichs Ungarn zum neuen Staat gehörten. Der Wandel in der Lebensweise der Rumänen vom Wanderhirten zum Ackerbau treibenden Bauern setzte sich auch im 15. Jahrhundert fort und führte manchmal auch zum Religions- und Sprachwechsel. Es fand ein langsamer und gewaltloser Assimilationsprozeß statt, infolge dessen sich das Los der zu Untertanen klassischen Typs gewordenen Rumänen nur schwer verfolgen läßt.

Die im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts verstärkte Einwanderung aus den rumänischen Fürstentümern hat diesen Assimilationsprozeß jedoch gestoppt. Mit dem Zusammenbruch des mittelalterlichen Ungarn haben diese beiden Staaten jenen Nachbarn verloren, der zwar ebenfalls von ihnen den Lehensgehorsam verlangt, zugleich aber ein Gegengewicht gegen die Übermacht der Hohen Pforte gebildet hatte. Der Kampf um die Macht nahm daher in diesen beiden, dem osmanischen Joch in steigendem Maß ausgelieferten Ländern immer unwürdigere Formen an. Die Pforte hat immer offener in diesen Kampf eingegriffen und ihre Machtposition auch innerhalb der beiden Länder ausgebaut: In der Moldau und der Walachei wurden ständige türkische Garnisonen eingerichtet, und die Woiwodenwürde wurde von den Türken stets demjenigen verliehen, der die höchsten Steuern anzubieten vermochte und sich am willfährigsten zeigte. (In der Walachei lösten in 64 Jahren 19 Woiwoden einander ab, und nur zwei von ihnen starben eines natürlichen Todes.) Die rasch ansteigenden Steuerlasten lösten eine Fluchtbewegung der Hirten und Bauern aus.

Die Flüchtlinge benützten die uralten Wegstrecken, entlang der Gebirge Siebenbürgens. Doch hier hat die Bevölkerung bereits in den vergangenen Jahrhunderten zugenommen. Die neuerliche Einwanderungswelle kam auf den bisher nur zeitweise genützten mageren Weiden ins Stocken. Deshalb ging man dazu über, fortlaufend neue Felder unter den Pflug zu nehmen. Die von Rumänen bewohnten Gebiete bildeten nunmehr eine zusammenhängende Kette von Marmarosch über das Belényeser Becken und das Julmarkter Gebirge bis zum Komitat Hunyad, zum Sörényer Banat und Fogarasch. Der kaiserliche Zahlmeister Zacharias Geizzkofler notierte 1602: „[…] weil es mit den wallachischen Dörfern auch dahin khommen, dass, da irer vor zeiten venig gewesen, anietzo in den Gebirgen, da gegen Verödung des platten Landes die Gebürg sehr erbauet werden […].“* EOE X. 182.

Ortssuche und Ansiedlung waren zumeist organisiert: Schulzen oder Woiwoden führten die Einwanderer an und einigten sich mit den neuen Grundherren über Ansiedlungsplatz und Dienstleistungen. Bei der {281.} Gründung neuer Dörfer gewährten Landesherr wie Grundherr zeitlich begrenzte Vergünstigungen, denn eine Zunahme der arbeitenden Bevölkerung lag im Interesse aller.

Doch bedeutete das bei den Rumänen noch immer dominierende Hirtendasein ein hartes Brot. Für den seitens der Grundherren forcierten Ackerbau blieben den Neuankömmlingen meist qualitativ schlechtere Böden übrig. Zudem waren die Bauern aus der Moldau und der Walachei auch technisch weit zurückgeblieben. Sie waren noch ganz dem Weidewechsel verhaftet, während sich in Siebenbürgen schon allmählich die Dreifelderwirtschaft verbreitete. In Siebenbürgen fand sich der rumänische Bauer daher unter den Ärmeren wieder.

Im Mittelalter pflegte man sich nicht allzu sehr darum zu kümmern, in welcher Sprache die Bauern sprachen. Es gab sächsische, ungarische und rumänische Dörfer (possessio hungaricalis, saxonicalis oder walachicalis); eine solche Unterscheidung bezog sich allerdings auf die Lasten und das gültige Recht. Für das Rechtsverhältnis der Untertanen zum Grundherrn war auch die Herkunft der Bauern von Bedeutung, doch läßt sich daraus – im Umkehrschluß – nicht zuverlässig der ethnische Charakter der Dörfer erschließen, da deren Bevölkerung ethnisch noch nicht als Einheit betrachtet werden kann.

In einem Punkt waren die rumänischen Dörfer vor den ungarischen oder sächsischen im Vorteil: Da sie keine Katholiken waren, ließ sich von ihnen auch der Zehnt nicht eintreiben. Nur die bereits assimilierten, katholisch gewordenen Rumänen wurden dazu gezwungen bzw. im Sinne der Gesetze von 1559 jene Rumänen, die sich an dem Ort einer zehntzahlenden Bevölkerung angesiedelt hatten.

Einen Nachteil bildeten einige Dienste, die ausschließlich sie belasteten. Im allgemeinen waren sie ihren eigenen Dorfschulzen zu Arbeitsleistungen verpflichtet, an den Grundherrn lieferten sie in Erinnerung an ihre Hirtenzeit Quark (brînza) und Schafe (das Fünfzigstel, andernorts stronga, Schafstall-Steuer), entsprechend dem Rinderbestand „tretina“ (einen dreijährigen Ochsen), also eine Lebendviehsteuer.

In einer besonderen Lage waren die rumänischen Bauern im Gebiet der Burg Fogarasch: Das charakteristische „Fünfzigstel“ (quinquagesima) läßt sich bei ihnen nicht nachweisen (vielleicht aufgrund der langen Grundherrschaft von walachischen Woiwoden), dagegen bezahlten sie an die Bojaren und den Grundherrn „Fischgeld“ und „Silbergeld“. Ihre Bezeichnung war auch nicht das gewohnte „colonus“ oder „iobagio“, sondern „vecin“ nach walachischem Muster.

Die rumänische Führungsschicht behielt unverändert ihre gesellschaftliche Stellung. Die aus ihrer eigenen Gemeinschaft hervorgehenden Woiwoden, Knesen und Dorfschulzen entsprachen den „Richtern“ der ungarischen und den „Hannen“ der sächsischen Dörfer, die Dörfer wurden sogar in kleinere Bezirke aufgeteilt, deren Vorsteher ebenfalls Woiwode oder Knese genannt wurden. Gemäß ihrer Rechtsstellung waren sie vom Frondienst befreit: sie organisierten die Frondienste und selbst schuldeten sie dem Grundherrn symbolische Dienstleistungen (Reh- und Sperbersteuer), andererseits erhielten sie Produkte und gewisse Arbeitsleistungen von ihrer eigenen Dorfbevölkerung. Der wirkliche Aufstieg, die Aufnahme in den Adel, gelang nur wenigen, vor allem in den früheren Ansiedlungsgebieten: in der Gegend um {282.} Wallenthal, in einzelnen Gebieten von Marmarosch und Bihar, im 16. Jahrhundert allerdings schon seltener und immer schwerer. Diese adlig gewordenen Rumänen verschmolzen, wenn auch nicht sprachlich, so doch gesellschaftlich, sehr schnell mit der ungarischen herrschenden Schicht, so daß es daher nirgends zur Bildung einer spezifisch rumänischen feudalen Gesellschaft gekommen ist. Kennzeichnend dafür ist die Rechtslage der „Bojaren“ im Gebiet Fogarasch. Praktisch genossen diese die volle Freiheit des Adels und waren durch starke Bande mit den vornehmen Familien der Walachei verbunden. Wegen ihrer streng bewahrten Orthodoxie und der rumänischen Sprache betrachtete sie die ungarische herrschende Schicht nur als Halbadlige, ähnlich den Szeklern.

Der Lebensweg des als Rumäne geborenen Siebenbürgers mit der glänzendsten Karriere im 16. Jahrhundert, Miklós Oláh, veranschaulicht den Preis für den sozialen Aufstieg, der in der Trennung von der rumänischen Gemeinschaft bestand. Oláh war als Kind walachischer Eltern in Hermannstadt geboren, zum katholischen Priester ausgebildet worden und starb als Primas von Ungarn (Graner Erzbischof). Als namhafter Humanist seiner Zeit bezeichnete er sich selbstbewußt als „Hungarus“, und seine Hauptwerke behandeln die historischen Grundlagen Ungarns, den Hunnenkönig Attila und Matthias Corvinus – sie verkünden somit die Ideale des ungarischen Adels.

Unter solchen Umständen konnte sich das Identitätsbewußtsein der Rumänen nur auf religiöser Ebene artikulieren. Deshalb betrachteten sie die griechisch-orthodoxe Kirche als ihre ureigene Institution. Die rumänischen Popen lebten aber als Untertanen und zahlten – wenn auch nur symbolisch – Steuern an ihren Grundherrn („lazsnak“-, d. h. Bauerntuch-Steuer). Beaufsichtigt wurden sie von Protopopen oder Klostervorstehern (Igumenen). Erst im 16. Jahrhundert schufen sie sich eine größere Bezirke umfassende kirchliche Organisation, die von Bischöfen (Vlădica) geleitet wurde, deren Befugnis aber weder territorial noch juristisch genau umschrieben war. Eine zentrale orthodoxe Kirchenleitung in Siebenbürgen kam jedenfalls bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts nicht zustande. Die rumänische Kirche war als Kirche, die nur Untertanen umfaßte, unvollständig und ohne politischen Einfluß geblieben.

Der Verfall der Szeklergemeinschaft

Ganz im Gegensatz zum Jahrhunderte vorher entstandenen Feudalsystem ihrer Umgebung hatte die Gesellschaft der Szekler noch bis zu Beginn des 16. Jahrhunderts ihr archaisches Rechtssystem bewahrt. Bewahrt blieben die Dorfgemeinschaft, das gemeinsame Kriegsaufgebot, der Rückfall von Szekler Erbgut an die Gemeinschaft und damit die Autonomie, die diese Lebenswelt beschützte. Die selten eingehobene Steuer des Brandmarkens von Ochsen konnte das Prinzip der Befreiung von allen staatlichen Lasten nicht verletzen, da sie nach wie vor als Geschenk galt. Die Aufteilung in die drei gesellschaftlichen Schichten der Primoren, Reiter (Primipilen) und Fußsoldaten blieb erhalten. Das größere Gewicht der ersteren wurde nach wie vor durch die Geschworenen-Gremien und die Einrichtung der Nationalversammlung aller Szekler ausgeglichen.

{283.} Doch Bevölkerungszuwachs und Bodenmangel führten zu einer ständig zunehmenden Zahl armer Szekler, die sich in den Dienst vermögenderer Familien stellten. Die freiwillige Bindung war zum Ende des 15. Jahrhunderts im Begriff, sich in die Dienstabhängigkeit zu verwandeln, die Reichen „erpreßten Geld“, d. h. sie verlangten von ihnen Leibeigenendienste. Mehrere Szeklerführer strebten danach, die Szeklererbschaft und sogar das Land der in ihrem Dienst stehenden Armen zu ihrem Feudalbesitz zu machen. Damit setzte der Verfall der Rechtsgleichheit in der Szeklergemeinschaft ein.

Beschleunigt wurde diese vorerst ganz auf die Praxis beschränkte und rechtlich nicht fixierte Umgestaltung in den Jahren nach Mohács. Das Szeklerland war zu einem militärisch exponierten Teil des östlichen ungarischen Königreiches geworden, die ständigen Kriege verlangten immer häufiger den Einsatz der Szeklertruppen. Noch dazu hatte die unter Geldmangel leidende Szapolyai-Administration den Szeklergemeinden schon zu König Johanns Zeiten Sondersteuern auferlegt und Bruder Georg sie unter dem Vorwand der Türkensteuer belastet.

Die offensichtliche Gefahr mag der Grund gewesen sein, daß die ohnehin kämpferischen Szekler für eine gewisse Zeit die Verletzung ihrer alten Rechte hinnahmen. Im Sinne der Gesetze von 1554 wurden die Primoren und Reiter nach dem Muster des Adels von Steuern befreit; mit diesen auch die ihnen dienenden (und deshalb als Häusler betrachteten) ärmsten Schichten. Andererseits mußte jeder frei gebliebene Fußsoldat Steuern zahlen, was – mit der Militärdienstpflicht – praktisch eine Doppelbelastung darstellte. Königin Isabella rechnete nach ihrer Rückkehr 1556 mit einem langen und schweren Krieg. Deshalb beschlossen ihre Landtage in der Folgezeit eine ganze Reihe von Gesetzen über die Besteuerung und die Militärdienstpflicht der Szekler. Bei der Besteuerung ließ man eine Zeitlang die Möglichkeit offen, zwischen der einheitlichen Belastung der „Szeklernation“ und ihrer „pfortengemäßen“ Veranlagung zu wählen. Nach einem 1557er Landtagsgesetz waren aber von zwei Nationen angenommene Verordnungen auch ohne Zustimmung der dritten verbindlich.

Die Freiheit der gemeinen Szekler beschränkte sich im Grunde genommen auf zwei Dinge: auf die Teilnahme an den Geschworenengerichten und auf die Rechte eines freien Bauern für alle diejenigen, die bis dahin die Dienstleistung bei einem anderen vermeiden konnten, also keiner Herrschaft eines Grundherrn unterstanden und somit keine Urbariallasten tragen mußten. Aber bereits ab 1559 wurden den vom Landesherrn ernannten Königsrichtern die gewählten Beamten unterstellt, die Kommandanten und Stuhlrichter.

Letztlich sanktionierten diese Gesetze nur die im letzten halben Jahrhundert in der Szeklergesellschaft eingetretenen Veränderungen. Auf diese Weise erhielt die unvermeidliche „Modernisierung“ (Feudalisierung) ihre rechtliche Regelung, auch der Staat erhielt, was er brauchte, und die gemeinen Szekler bewahrten ihre persönliche Freiheit.

Es ist weiter nicht verwunderlich, daß die Unzufriedenheit der zum doppelten Dienst gezwungenen Fußsoldaten rasch zunahm, bis sich ihr Zorn auch gegen die privilegierte Führungsschicht richtete. Das langsame Tempo der Veränderungen verzögerte freilich den Ausbruch ihrer Erbitterung bis zum Zeitpunkt, als äußere Faktoren hinzukamen.

Im Dezember 1561 trat Landeskapitän Menyhért Balassa zu den Habsburgern über. Diese große Wende war gründlich vorbereitet. Die Verschwörer {284.} hatten auch Verbindung zu den Szeklern aufgenommen. Die mit dem Versprechen auf Wiederherstellung ihrer „alten Freiheiten“ aufgestachelten Szeklermassen griffen im Frühjahr 1562 zu den Waffen. Zu diesem Zeitpunkt hatte Johann II. infolge der verlorenen Schlacht bei Kriegsdorf mit den Anhängern Ferdinands I. bereits einen Waffenstillstand geschlossen. Die Szekler waren bei dieser Vereinbarung aber vergessen worden. Die Truppen des Herrschers zerstreuten zuerst bei Görgen an der Nyárád das kleinere Heer der Aufrührer, woraufhin sich sein größerer Teil bei Abstdorf von selbst aufzulösen begann. Die Anführer der Erhebung wurden gepfählt, vielen anderen wurden Hände, Nase oder Ohren abgeschlagen.

Johann II. versuchte auf dem Landtag von Schäßburg am 20. Juni 1562 die schon offen gärende Szeklerfrage zu ordnen. Einerseits beschloß er Repressionsmaßnahmen: Er hob das gewählte Berufungsgericht in Hofmarkt auf; schloß die Fußsoldaten als Geschworene von den Stuhlgerichten aus; strich die Ämter der Kommandanten und Stuhlrichter, deren Aufgaben er dem Königsrichter übertrug; machte Salzproduktion und -verkauf zum Staatsmonopol; sanktionierte, daß der Besitz der untreu gewordenen Szekler auf den Herrscher übergehen solle und damit dem Gemeinschaftseigentum der Szekler entzogen wurde, und machte schließlich die Ernennung gemeiner Szekler zum Reiter oder Primor zum Recht des Herrschers.

Mit den schwersten Folgen war jedoch die – einstweilen noch nicht als Gesetz ausgesprochene, in der Praxis aber schon verwirklichte – Maßnahme verbunden, die allgemeine Militärpflicht der Fußsoldaten aufzuheben. Denn mit dieser entfiel jede Rechtsgrundlage für die Freiheit der Szekler.

Andererseits wurden die freien Szekler 1562 zu Dienstleuten des Landesherrn erklärt und von der Militärpflicht und den Grundherrenlasten entbunden. Wahrscheinlich sollte dieser Beschluß Johanns II. ursprünglich verhindern, daß sie sozial abstiegen in die Schicht der untertänigen Bauern. Vier Jahre später jedoch, 1566, hatte er seine Befürchtungen wieder fallengelassen und verschenkte Hunderte von gemeinen Szeklern an Grundherren, Primoren und Primipilen, die sie als ihre Untertanen zu behandeln gedachten und Fron- bzw. öffentliche Arbeiten von ihnen verlangten.

Die Lücke, welche die gemeinen Szekler in der siebenbürgischen Militärorganisation hinterließen, wurde sehr bald durch neue, nach dem Prinzip der „Hufensoldaten“ aufgestellte Truppen geschlossen. Was anderswo Schütze oder „Darabont“ genannt wurde, das war in Siebenbürgen der „rote Darabont“ (nach der Farbe der Uniform). In dieser Truppe hatten die Szekler höchstens noch den einen Vorteil, daß sie aufgrund ihrer Erfahrung und Tradition bessere Soldaten waren als die übrigen Bauern.

Ohne diese Maßnahmen hätte sich der Prozeß der Feudalisierung noch mehr verzögert und wäre zur Ursache weiterer Unruhen geworden. Denn die archaische Szeklerfreiheit verweigerte sich nicht nur einer Anpassung an das Feudalsystem, sondern erwies sich zudem als eine Zentrifugalkraft, die den neuen Staat ernsthaft gefährdete.

Allerdings rechnete jeder damit, daß man jahrhundertealte Rechte nicht mit einem Federstrich beseitigen könne. Johann II. ließ zur Beobachtung des gärenden Szeklerlandes zwei Burgen errichten: „Szekleraufstand“ in Hofmarkt und „Szeklertrauer“ in den Drei Stühlen (Székelytámad, Székelybánja). Als Stephan Báthory den Thron bestieg, erwachten neue Hoffnungen auf Wiedererlangung ihrer Freiheiten, denn auch die Primoren waren {285.} über den Verlust ihrer Ämter und die Anwesenheit der unter ihnen angesiedelten ungarischen Adligen unzufrieden. Ein Teil der gemeinen Szekler griff tatsächlich im September 1571 zu den Waffen, doch wurden sie von der Übermacht wieder zum Gehorsam gezwungen. Danach fanden die unzufriedenen Szekler in Gáspár Bekes Hilfe von außen. Parallel zu seinem Feldzug 1575 erhob sich das Szeklerland erneut. Die Schlacht von Kerelõszentpál und die darauf folgenden Unterdrückungsmaßnahmen kehrten die Glut der Unzufriedenheit schließlich für mehr als ein Vierteljahrhundert unter eine Aschendecke.

Beschleunigt durch den Druck seitens der Staatsgewalt, war der Umgestaltungsprozeß der Szeklergesellschaft beinahe zum Abschluß gekommen. Doch die Erinnerung an die alte Szeklerfreiheit blieb wach und wurde zum Keim neuer Unruhen.

Macht- und Herrschaftsstruktur

Der neu entstandene Staat Siebenbürgen litt unter seiner geographischen Abgeschlossenheit, unter Inflation und Geldmangel, während sich seine Militärausgaben vervielfachten. Wer die Führung des Staates übernahm, hatte diese Schwierigkeiten zu meistern.

Ungarns Adel „dort drüben“, im westlichen Königreich, holte sich durch seine Beteiligung an der agrarischen Warenproduktion und der „Entdeckung“ der Gutswirtschaft den von der neuen Lage geforderten Oberschuß. Die am Ende des 15. Jahrhunderts noch ziemlich defizitären Latifundien brachten am Ende des 16. Jahrhunderts schon beachtlichen materiellen Gewinn.

Diesem Vorbild aber konnte Siebenbürgen nicht folgen. Sein Getreide (von dem es überdies nur wenig hatte) war wegen der Entfernung und der Transportschwierigkeiten kaum ins Ausland zu verkaufen. Diesbezügliche Versuche mit Wein und Rindern blieben ebenfalls erfolglos: Das Land vermochte seine wirtschaftlichen und geographischen Schranken nicht zu überwinden.

Der einzig gangbare Weg bestand darin, die Besitzeinkünfte auf Kosten der Untertanen zu erhöhen. Was in Werbõczys „Tripartitum“ noch als Ziel angepeilt wurde – nämlich das vollständige Besitzrecht der Grundherren auch über die Felder der Untertanen –, galt Ende des 16. Jahrhunderts im Fürstentum Siebenbürgen bereits als anerkanntes Gewohnheitsrecht. Das bildete zugleich die Grundlage für die Einrichtung der Meierhöfe. Diese praktisch autarke Gutswirtschaft zog die Steigerung der Fronarbeit nach sich, worüber im Abschnitt über die Bauern schon die Rede war. Was für die laufende Bewirtschaftung und Versorgung seines Haushalts vonnöten war, hatte der Bauer immer schon selbst produziert. Nun belieferten die Böttcher, Gerber und Schneider der Güter auch den Haushalt des Grundherrn mit dem Nötigsten. Der Geldmangel wiederum bewirkte, daß das Getreide die Funktion eines Zahlungsmittels übernahm. Der Grundherr war bestrebt, von diesem soviel als möglich zu horten (dafür war die Gutswirtschaft besonders gut geeignet), auf den Markt gelangte nur wenig davon, statt dessen zahlte er damit seine Knechte, Soldaten und Beamten aus. Für Weizen kaufte er Wein für seine Schenke, mit Weizen verköstigte er die in seinem Dienst stehenden Handwerker und Häusler.

{286.} Parallel zur Einrichtung der Gutswirtschaft wurden – wie wir sahen – auch die Naturalabgaben erhöht. Um die Zehntpachten entstand ein harter Wettbewerb. Die Zahl der grundherrlichen Mühlen und der Schenken – das Schankrecht war ein altes Privileg des ungarischen Adels – nahm in einem bis dahin unbekannten Ausmaß zu. Diese beiden „Geschäftszweige“ brachten das meiste Geld ein, das im übrigen auch für den Grundherrn nur sehr schwer beschaffbar war.

Solche Möglichkeiten ergaben sich jedoch nur ab einer gewissen Besitzgröße – aus Mittel- und Kleinbesitz ließ sich noch keine Gutswirtschaft einrichten. Im eigentlichen Siebenbürgen gab es jedoch wenig Großgrundbesitz (Fogarasch, Julmarkt, Hunyad) und dieser war überwiegend auch noch dem Fiskus zugefallen. Anders im Partium. In diesem Gebiet mit der typisch ungarischen Entwicklung gab es sogar riesige Latifundien. Die Herrschaft Sathmar, ein sehr begehrtes Gut im Krieg der Grenzburgen, verschaffte 1569/70 ihrem Besitzer jährlich 18 000 Gulden Einkommen – die in Siebenbürgen als reich geltende ehemals kirchliche Herrschaft Appesdorf nur ca. 1800 Gulden. Jene wenigen Magnatenfamilien, welche Burgen und Herrschaften im Partium besaßen (die Báthorys, Balassas, Drágffys und Perényis), errangen eine absolute materielle Überlegenheit über den siebenbürgischen Adel, was sich als entscheidender Faktor im neuen Staat erwies.

Die Sachsen wurden durch ihre wirtschaftlichen Schwierigkeiten und ihre habsburgfreundlichen Gefühle in eine politische Passivität getrieben. Ebenso führten die inneren Kämpfe der in Auflösung begriffenen Szeklergemeinschaft sowie ihre häufigen Aufstände gegen die Regierung zum Verlust ihrer ursprünglichen politischen Machtposition. Das Gebiet jenseits der Theiß wurde zusehends isoliert, die Entwicklung seiner Oppida kam ins Stocken, so daß auch diese keine politischen Rechte erlangen konnten. Die ungarischen Bürger Klausenburgs vermochten – auf sich allein gestellt – den Stand der Städte nicht auszufüllen.

So war der Adel mit seiner wirtschaftlichen Stabilisierungsfunktion machtpolitisch ohne jeden Konkurrenten. Das selbständige Siebenbürgen war als ein archaischer Feudalstaat entstanden und sollte ein solcher bleiben. Die gesellschaftliche Führung fiel dem Adel zu, als dessen Repräsentanten selbstverständlich die Reichsten der Macht am nächsten standen, in Gestalt der Großgrundbesitzerfamilien des Partium. Eine von ihnen, die sehr engagierten Báthorys, errang schließlich den Fürstenthron. Das erklärt auch die ungewöhnlich starke Zentralmacht der neuen Landesherren, wie sie bereits im Abschnitt „Der neue Staat“ skizziert wurde.

Die Steigerung der Einkommen aus dem Großgrundbesitz wurde einerseits durch die sprunghaft zunehmenden Militärausgaben verursacht, andererseits auch durch den Wandel in Lebensweise, allgemeinem Geschmack und Zeitgeist. Gleichzeitig mit der Bautätigkeit der sächsischen Städte und Klausenburgs setzten der Umbau und die Restaurierung der Burgen, Schlösser und Herrenhäuser in Siebenbürgen im Stile der Renaissance ein.

Eine von Europa beinahe losgetrennte Gesellschaft versucht hier mit Verspätung und ein wenig kümmerlich, Westeuropa nachzueifern. Die christliche Bevölkerung des siebenbürgischen Staates orientierte sich innerhalb ihres Machtsystems und ihrer Kultur in keiner Weise an der asiatischen Welt der Osmanen.