Westungarn

181. Junge Frau aus Kapuvár

181. Junge Frau aus Kapuvár
Kom. Gyõr-Sopron

182. Brautpaar Kapuvár, Kom. Gyõr-Sopron

182. Brautpaar Kapuvár, Kom. Gyõr-Sopron

Westungarn war, bedingt durch seine geographische Lage, sowohl im Hinblick auf das Material als auch auf den Schnitt und die Formen der Kleidung dem westlichen Einfluß am unmittelbarsten ausgesetzt. Die {G-368.} südlichen Gebiete dieser Region hatten mit Kroaten und Slowenen Berührung, die hier mit den Ungarn zusammen lebten, und es können zahlreiche Wechselwirkungen unter ihnen nachgewiesen werden. In der Donaugegend haben sich Traditionen serbischer und anderer südslawischer Volksgruppen nach Norden verbreitet, und die ungarischen Volkstrachten wurden vor allem in bezug auf Farbigkeit und Vielfalt beeinflußt. Gleichzeitig macht sich nach Westen und Süden hin auch der ungarische Einfluß bemerkbar, worauf hier jedoch nicht weiter eingegangen werden soll.

183. Brautführer

183. Brautführer
Martos, ehem. Kom. Komárom, Tschechoslowakei

184. Ehepaar mit Sohn in halbfestlicher Sommerkleidung

184. Ehepaar mit Sohn in halbfestlicher Sommerkleidung
Martos, ehem. Kom. Komárom, Tschechoslowakei

Aus der Volkstracht von den Regionen Göcsej und Hetés sind uns nur noch einzelne Elemente erhalten. Die langen, mit Bändern geschmückten Zöpfe der Mädchen gingen oft bis zu den Fersen. Die Frauen steckten ihr Haar auf, indem sie es über ein Holzstück rollten; später nähten sie sich eine Haarknotenunterlage aus Karton. Als Festtagsschmuck trugen sie einen kapuzenartigen Kopfschmuck (pacsa) aus weißem gestärktem Leinen. Entsprechende Formen dieser Kopftracht {G-369.} finden sich auch bei den Kroaten. Die Frauen trugen einen Leinenrock und darüber eine Schürze, ebenfalls aus Leinen. Zu ihrer Winterkleidung gehörte der kurze Pelzmantel, den rote, weiße und gelbe Saffianledereinsätze verzierten. Die Männer trugen früher kurze Hemden, und erst in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts wurden die langen Hemden üblich, die vorn mit weißem Baumwollgarn bestickt waren. Die Gatyahose aus einer bis anderthalb Bahnen wurde Mitte des vorigen Jahrhunderts von der weiten Gatyahose aus 5 bis 6 Bahnen mit ausgefransten Hosenbeinen verdrängt, die als Festtagskleidung galt. Dazu wurde eine mit Streifen verzierte Schürze getragen. Die Tuchhosen kamen hier erst Mitte des vorigen Jahrhunderts auf. Winter wie Sommer trug man im allgemeinen bocskor (Bundschuhe); wenn es kalt war, wurden die Füße in Fußlappen gewickelt, die ein Riemen zusammenhielt, so daß nichts von den Fußlappen aus dem Schuh heraussah. Über dem Hemd trug man eine mit Schnüren verzierte Weste, während die Älteren sich ein Brustfell umbanden. Darüber hängte man sich den kurzen Szûr um die Schultern, nur wohlhabendere Bauern trugen den langen Szûr.

185. Junges Mädchen, zum Kirchgang gekleidet

185. Junges Mädchen, zum Kirchgang gekleidet
Martos, ehem. Kom. Komárom, Tschechoslowakei

Die Tracht von Rábaköz (Raabinsel) haben am längsten die Bewohner von Kapuvár bewahrt. Die Frauen banden an Feiertagen ein besticktes {G-370.} weißes Batist- oder Tülltuch über ihre Haube. Ein bevorzugtes Material der reichen Kleidung der Frauen ist der rote Samt mit goldenen Sternen, aber auch blauer Atlas war hier in Mode, was unter den ungarischen Volkstrachten einmalig ist. Über den langen Rock binden die Frauen eine farbige Seidenschürze. Ihre Tracht ist außerordentlich vielfältig, zumal sie seit Mitte des vorigen Jahrhunderts hauptsächlich aus verschiedenen Manufakturerzeugnissen gefertigt wurde. Auch die Männer trugen reichverzierte Kleidungsstücke. An ihre kleine pelzbesetzte Kappe steckten sie sich einen großen Strauß. Ihre Hemden aus Feinleinen schmückten minuziöse Stickereien, und auch die Beine der Gatyahose waren bestickt. Die Weste war mit Rosenmustern bestickt und wurde überdies mit Bändern geschmückt. Darüber banden sie eine Schürze aus Lüster, die ebenfalls mit Blumen bestickt war. Ihre Stiefel mit harten Schäften trugen sie sowohl zur hellblauen Tuchkleidung im Winter wie zu ihrer Sommerkleidung.

186. Frauen aus Érsekcsanád, Kom. Bács-Kiskun

186. Frauen aus Érsekcsanád, Kom. Bács-Kiskun

Aus dem Landstrich Csallóköz (Große Schütt) wollen wir die Tracht der {G-371.} Frauen von Martos (Martovce, ČSSR) näher beschreiben. Die Mädchen banden um das Haar ein schwarzes, gekräuseltes Band, das sie vorn weit in die Stirn zogen. Das konnten auch die jungen Frauen tragen, doch setzten sich diese lieber eine mit Goldspitze und Seidenbändern geschmückte Haube auf ihr hochgestecktes, über einen Kamm zum Knoten gedrehtes Haar. Um den Hals trugen sie oft eine Silberkette oder Schnüre aus Granatsteinchen. Ein Hauptbestandteil ihrer Tracht war der Unterrock (pendely), der aus fünf Bahnen Hanfleinen genäht wurde und Träger hatte. Meistens zogen sie ein stark gebläutes Hemd mit weiten Ärmeln an. Das Leibchen war vorn und hinten ausgeschnitten und reichte bis zur Taille; die Festtagsleibchen waren aus Kattun, Seide oder anderem Manufakturstoff. Der Überrock (szoknya) kam bei den Frauen erst im letzten Jahrhundert in Mode. Um die Schulter legten sie sich ein Tuch, das sie auf dem Jahrmarkt oder im Dorfladen erworben hatten. Die jungen Leute trugen rote Stiefel mit durchgehend {G-372.} faltigem Schaft und schnallten sich auch Schellen an die Stiefel. Die Älteren trugen schwarze Stiefel. Gewisse Züge dieser Tracht können wir bis zu den Palotzen verfolgen.

Im südlichen Teil von Westungarn soll von den zahlreichen Dörfern, in denen die Volkstracht noch lebendig ist, Törökkoppány im Komitat Somogy erwähnt werden. Die Haartracht der Mädchen ist insofern interessant, als sie – abweichend von der allgemeinen Gewohnheit – mit der der Frauen übereinstimmt. Die einen wie die anderen stecken ihre Haare zum Knoten hoch. Darüber setzen sie ein kleines steifes Häubchen, pille (Falter) genannt, das reich mit Perlen bestickt ist. Die Feiertagsröcke sind aus Samt und werden über einem ziemlich umfangreichen Steißpolster getragen, das die Frauen rundlicher erscheinen läßt. Typisch für die Tracht der Männer ist das häufig am unteren Teil mit Spitze verzierte Hemd, das sie nicht in die Hose stecken, sondern darüber hängen lassen.

Die Volkstracht im Landstrich Ormánság hat zahlreiche archaische Züge bewahrt. So blieb hier am längsten die weiße Trauerfarbe erhalten, die sich auch in der Kleidung der älteren Frauen durchgesetzt hat. Die Mädchen gingen barhäuptig, ihr Haar hatten sie zu zwei Zöpfen geflochten und mit roten Bändern geschmückt. Die Frauen setzten sich Hauben in der ihrem Alter entsprechenden Farbe und Form auf. Die jungen Frauen trugen bis zum 35. Lebensjahr rote Hauben mit breiter Schleife, zwischen dem 35. und 40. Lebensjahr mischte sich dann auch Blau und später Weiß und Grün in das Rot, die bis zum 50. Lebensjahr schließlich die Oberhand gewannen. Bei Frauen über 50 war die Haube ganz klein und weiß, die Schleifen fielen ganz weg. Der Rock (bikal) war aus Leinen, über den die Jüngeren höchstens noch einen Rock aus Tüll trugen. Über dem Hemd trug man an Feiertagen ebenfalls ein Tüllhemd. Anfang dieses Jahrhunderts gingen die Frauen unter bürgerlichem Einfluß immer mehr zur schwarzen Farbe über, und das Weiß wurde Mitte unseres Jahrhunderts fast völlig verdrängt.

187. Junge Frauen in Volkstracht

187. Junge Frauen in Volkstracht
Decs, Kom. Tolna

Die am reichsten verzierte Tracht Westungarns findet man im Sárköz an der Donau. Diese Gegend war ursprünglich ein Sumpfgebiet, das Mitte des vorigen Jahrhunderts trockengelegt wurde. Dadurch wurde viel Land fruchtbar, die einstigen Sümpfe brachten nun reiche Ernten, und die materiellen Verhältnisse der Bevölkerung verbesserten sich innerhalb kurzer Zeit, was sich auch im Reichtum ihrer Tracht äußerte. Die Mädchen trugen einen Jungfernkranz über der Stirn, dessen neuere dreiteilige Form man bársony (Samt) nannte. Die Frauen formten aus ihrem Haar einen Knoten in Halbkranzform, den sie in der Mitte hochsteckten, und darüber trugen sie eine Haube, die die Form einer Zwille hatte. Sie war aus schwarzem Stoff und wurde mit weißem Garn bestickt, denn auch in dieser Gegend war die schwarze Farbe die Farbe der Jugendlichen. Die jungen Frauen bedeckten ihren Kopf bis zur Geburt ihres ersten Kindes noch mit einem langen Schleier, bíbor genannt, der mit Seiden- und Goldstickereien verziert war und dessen Enden so auf der Brust angeordnet wurden, daß die Stickereien bestens zur Geltung kamen. Um den Hals banden sie sich oft Ketten aus Münzen oder anderem Zierat. Die Tracht der Männer unterschied sich kaum von der der umliegenden Gegenden. Ihre langen Haare {G-373.} steckten sie im Winter unter eine Mütze (süveg), und im Sommer trugen sie auch hier breitkrempige Hüte. Der Szûrdolman, eine Art kurzer Wams, war aus weißem Tuch; im Schnitt und in der Länge paßte er zu dem bis zum Nabel reichenden Hemd, an der Seite war er mit rotem oder grünem Tuch oder auch mit Lederstücken verziert. Der Cifraszûr und der Schafpelz (suba) waren in dieser Gegend ebenfalls sehr beliebt.

Die Tracht der östlichen Gebiete Westungarns war sehr vielfältig und fast in jedem Dorf verschieden. Als besonders bemerkenswert sei die Tracht der Ortschaft Fadd im Bezirk Tolna genannt, die archaische Züge trägt. Das Hemd reicht nicht einmal bis zur Taille. In der Festtagskleidung kannte man auch den Unterrock (pendely). Das Leibchen wurde mit dem Rock zusammengenäht. Außerdem trugen die Frauen ein Schultertuch und viel Schmuck, ebenso wie im Sárköz. Pelzjacke (ködmön) und rote Stiefel vervollkommneten die stattliche Volkstracht.

188. Mädchen

188. Mädchen
Sióagárd, Kom. Tolna

{G-375.} Fast erst in jüngster Zeit, im Laufe eines Jahrhunderts, hat die Volkstracht von Sióagárd im Komitat Tolna ihre Blüte erlebt. Über dem blusenartigen taillierten Hemd wird eine kleine Seidenjacke getragen. Die Schürze und neuerdings auch das Leibchen werden mit bunten Farben reich bestickt. Die dicken Strickstrümpfe haben ein buntes Muster, und dazu trägt man Stoffpantoffeln.