Haus und Hof in Oberungarn (bei den Palotzen)

91. Höhlenwohnung

91. Höhlenwohnung
Alsóborsod

92. Wohnhaus mit vorgeschobenem

92. Wohnhaus mit vorgeschobenem
Dach. Kom. Borsod

Das Gebiet umfaßt das Bergland zwischen den Flüssen Garam und Hernád, wobei sich gewisse architektonische Züge bis zum Fluß Bodrog verfolgen lassen. Im Norden grenzt diese Region an das slowakische Sprachgebiet, im Süden reicht sie bis an die Tiefebene heran. Obwohl das Land durch die Täler der von Nord nach Süd eilenden Flüsse {G-201.} und durch Wasserscheiden gegliedert ist, stimmten die wichtigsten Elemente des Hausbaus dennoch überein. Der Boden und die natürlichen Gegebenheiten der Gegend waren bescheiden, so daß notgedrungen viele archaische Züge bewahrt blieben.

Abb. 55. Grundriß eines Wohnhauses.

Abb. 55. Grundriß eines Wohnhauses.
Márianosztra, Kom. Nógrád, 19. Jahrhundert.
1. Zimmer; 2. Vorraum (Küche); 3. Kammer

Siedlungen mit geteilter Gliederung in Wohn- und Wirtschaftshof gab es nicht nur im Flachland, sondern auch am Fuß der Berge, stellenweise sogar im Bergland. Da die Türken nur bis zum Südrand der Region vorstießen, erhielten sich in der Anordnung der Dörfer viele mittelalterliche Züge. Zahlreich waren die Haufendörfer, die erst in allerjüngster Zeit zu Straßendörfern umgestaltet wurden. Stellenweise findet man auch Beispiele für spindelförmig angelegte Dörfer.

Als die Wälder noch nicht gerodet und den Bauern auch noch zugänglich waren, bauten die Palotzen aus Holz. Die Wände bestanden aus übereinandergelegten behauenen Stämmen, die an den Hausecken miteinander verbunden wurden, hier und da auch aus starken Bohlen, die in die Nuten der senkrechten Ständer geschoben wurden. Lehmbauten verbreiteten sich erst aufgrund des Holzmangels in den letzten hundert Jahren auf immer größerem Raum. Die Dachkonstruktion war manchmal ein Roofendach, häufiger ein Sparrendach, und gedeckt wurde fast ausschließlich mit Strohschauben. Die Palotzen waren schon immer große Meister dieses Handwerks.

Soweit das Haus historisch zurückzuverfolgen ist, hatte es stets einen von innen heizbaren Ofen, vor dem auf einem offenen Herd mit kleiner Lehmbank gekocht und gebraten wurde. Der große, zumeist flache Ofen mit Feuerstelle war auch im Norden, bei den slowakischen Nachbarn der Ungarn zu finden. Im 19. Jahrhundert verbreitete sich der Haubenofen aus der Tiefebene von Süden nach Norden. An das Einraum-Haus schloß sich zunächst ein ungeheizter Vorraum (hideg-pitvar) an, der meist als Lagerraum diente. Später verlegte man den Herd in den Vorraum, und das Haus erhielt noch einen dritten Raum, die Kammer.

Größe und Einteilung des Palotzenhauses entsprachen einer Großfamilie mit 25 bis 30 Familienangehörigen. Die Familie blieb in der männlichen Linie zusammen, das heißt, die erwachsenen Söhne brachten ihre Frauen ins Haus. Diese Gemeinschaft war zugleich eine ökonomische Einheit. In der außerordentlich großen Stube hielt sich im Winter die ganze Familie auf, in der Stube wurde gekocht und gegessen, die Männer schliefen hier auch. Die Frauen und die kleinen Kinder schliefen in der ungeheizten Kammer, die mit dem Vorraum verbunden war. Die Betten waren in der Regel durch Fliegennetze getrennt, diehim Sommer Fliegen und Mücken, im Winter ein wenig die Kälte abhielten. Die jungen Burschen schliefen am liebsten im Stall, im Sommer in der Scheune oder auf dem Dachboden im Heu.

Das wichtigste der größeren landwirtschaftlichen Gebäude war die Scheune, bei Großbauern dreiteilig, ansonsten zweiteilig. Von den vielen kleinen landwirtschaftlichen Bauten war der Schweinestall (hidas = mit Brücke) auf jedem Hof zu finden. Diese zerlegbare und leicht wiederzusammensetzbare Stallform wurde auch zum Verkauf in südliche Gebiete hergestellt.