18. Die Illustrationen der ältesten ungarischen Perikopenbücher. Teil III

Gutenberg Jahrbuch (Mainz) 1981. 229–233.

In den zwei vorhergehenden Beiträgen über dieses Thema wurden die Illustrationen der Druckereien der Familie Heltai zu Klausenburg (Kolozsvár) in Siebenbürgen und der Familie Hoffhalter beschrieben[1]. Diesmal werden die Holzschnitte einer weiteren Offizin behandelt, die auch im 16. Jahrhundert überwiegend in Ungarn arbeitete und ihre Produkte mit ähnlichem Buchschmuck verzierte wie die zwei oben erwähnten Druckereien. Der Inhaber dieser Druckerei war Joannes Manlius, der sich deutsch Mannel, Mandl oder Männel, südslawisch Mandelc nannte. Seine typographische Tätigkeit kann man in seinen Druckwerken ziemlich genau verfolgen: Ljubljana (YU – Laibach) 1575–1580, Güssing (A –Németújvár) 1582–1585, Varaždin (YU – Warasdin) 1586–1587, Eberau (A – Monyorókerék) 1587–1592, Deutsch-Schützen (A – Sicz) 1592–1593, Güssing 1595–1597, Deutschkreutz (A – Keresztúr) 1598–1599, Sárvár (H) 1600, Deutschkreutz 1601, Sárvár 1602, Deutschkreutz 1603–1605. Manlius wechselte also sehr häufig den Druckort, blieb jedoch stets am südöstlichen Rand des zusammenhängenden deutschen Sprachgebietes (heute drei Länder). So ist auch die deutschsprachige Literatur über Manlius verhältnismäßig zahlreich[2].

Zwischen der oben erwähnten Familie Hoffhalter und Manlius kann man nun eine direkte Beziehung auf dem Gebiet der Buchillustrationen feststellen. Eine Serie von Initial-Holzschnitten mit Illustrationen aus dem Alten Testament und mehrere Bilder aus dem Neuen Testament, die von Rudolf Hoffhalter in Unterlindenbach (Dolnja Lendava YU – Alsólendva) im Jahre 1573 benutzt wurden, tauchen bei Manlius später in Ljubljana (1576), in Güssing (1584) und in Eberau (1588) auf.[3] Die etwa 27x27 mm großen Holzschnitte aus dem Neuen Testament, die im vorigen Aufsatz behandelt wurden,[4] kamen jedoch von Hoffhalter nicht zu Manlius, sondern in die städtische Druckerei nach Hermannstadt (Sibiu R – Szeben).

Wenn man den Holzschnittbestand von Manlius untersucht, zeigt sich, daß auch er eine ähnliche Serie besaß. Die Maße der Bilder mit 30x30 mm sind etwas größer als bei den Serien von Heltai in Klausenburg bzw. von Hoffhalter. Die Vorlage für alle drei jedoch ist dieselbe: die große Illustrationserie von Hans Sebald Beham zum Neuen Testament.

In folgenden drei Druckwerken von Manlius aus den achtziger Jahren des 16. Jahrhunderts sind diese Holzschnitte zu finden:

  1. [Schreibkalender nach der alten Zeitrechnung für das Jahr 1584. Güssing 1583.] Doch ist nur der Bogen „B”, dann jedoch gleich in sieben Exemplaren, im Stadtarchiv von Ödenburg (Sopron) vorhanden[5].

  2. Antun Vramec: Postilla. Varaždin 1586[6].

  3. Gergely Frankovics: Hasznos és fölötte szükséges könyv. Monyorókerék 1588[7].

In diesen drei Werken von Manlius, von denen eines sogar nur fragmentarisch erhalten ist, sind insgesamt 44 verschiedene Holzschnitte dieser Serie zu finden (Abb. 1–44)[8]. So darf man vermuten, daß Manlius noch mehr Holzstöcke aus dieser Serie besaß, deren Verwendung jedoch bis jetzt bibliographisch nicht bekannt ist.


1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

15.

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17.

18.

19.

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21.

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23.

24.

25.

26.

27.

28.

29.

30.

31.

32.

33.

34.

35.

36.

37.

38.

39.

40.

41.

42.

43.

44.

Die hier reproduzierten Abbildungen kommen in den drei Druckwerken von Manlius an den folgenden Stellen vor:

1.        1: B1b. – 2: V1a.

2.        1: B1b. – 2: A1a.

3.        1: B1b. – 2: Bb2b, Cc2b.

4.    1: B2b. – 2: Ee1a, Qq4a.

5.    1: B2b. – 2: Ggg4a.

6.    1: B2b. – 2: Ee4a, Ff3b.

7.    1: B3b. – 2: Kk1a.

8.    1: B3b.

9.    1: B3b. – 2: Oo4a. – 3: B1b, Q3b.

10.  1: B4b.

11.  1: B4b. – 2: M3a.

12.  1: B4b.

13.  2: A4b.

14.  2: B4a.

15.  2: C4a, Mmm2a.

16.  2: D3b, G3a, H2b.

17.  2: F2a, K1a, Hh2b.

18.  2: K4b, Nn4b.

19.  2: L4b, Kk4b. – 3: a2a.

20.  2: N1b, O2b.

21.  2: N3a.

22.  2: P2a.

23.  2: Q1b.

24.  2: R1b, Nn1a.

25.  2: R4b.

26.  2: T1a.

27.  2: X2a.

28.  2: Cc4b.

29.  2: Gg3b, Ii2b, Ll1a, LI3b, Mm2a, Tt3b, Hhh3a .

30.  2: Qq1a, Fff3b. – 3: d2b.

31.  2: Rr3b.

32.  2: Ss4a.

33.  2: Vv2b.

34.  2: Xx2a, Ddd3b.

35.  2: Yy2b, Lll3a.

36.  2: Zz3b.

37.  2: Aaa3a.

38.  2: Bbb3a. – 3: Y4a.

39.  2: Ccc2b. – 3: S4a, a2a.

40.  2: Eee3a.

41.  2: Iii2a.

42.  2: Iii4b.

43.  3: E1b, O3b.

44.  3: V3b.

Ein kurzer statistischer Überblick ergab folgende Ergebnisse: Im „Schreibkalender” sind 12, bei Vramec 39 und bei Frankovics 7 verschiedene Holzschnitte zu finden. Innerhalb eines Druckes wiederholen sich die Bilder, wie folgt: in Vramec 11 zweimal, 2 dreimal und 1 siebenmal, in Frankovics 3 zweimal. In den drei Druckwerken kommen die 44 Illustrationen insgesamt an 82 Stellen vor: 21 einmal, 13 zweimal, 8 dreimal, 1 viermal und 1 siebenmal. Von den 21 Holzschnitten, die nur einmal vorkommen, stehen 17 bei Vramec, 3 im „Schreibkalender” und 1 bei Frankovics. Es seien noch zwei Ausnahmefälle erwähnt: Nr 9 ist in allen drei Werken zu sehen, Nr 27 wiederholt sich allein bei Vramec siebenmal und innerhalb des Bogens „Ll” sogar zweimal.

Wenn man die Holzschnitte von Manlius mit der großen Illustrationserie von Hans Sebald Beham zum Neuen Testament vergleicht,[9] fällt auf, daß viele davon auch in den zwei anderen Offizinen von Ungarn aus dem 16. Jahrhundert zu finden sind, über die im Gutenberg Jahrbuch bereits früher gehandelt worden war,[10] zum Beispiel:

Geisberg-sz.

Heltai

Hoffhalter

Manlius

27

34

36

10

36

12

4

11

46

4

15

14

51

35

39

32

129

44

12

41

161

42

25

30

Das bedeutet, daß manche Bilder unter den 233 Holzschnitten von Beham besonders beliebt waren und daher auffallend gern nachgestochen wurden:

Nach der kurzen Beschreibung dieser Holzschnittserie von Manlius könnte man die Frage stellen: Was hat sie mit dem Thema des Titels („Die Illustrationen der ältesten ungarischen Perikopenbücher”) zu tun? Zumal ein Perikopenbuch von Manlius mit diesen Bildern heute unbekannt ist. Das einzige Perikopenbuch aus seiner Offizin, wovon heute noch ein Exemplar vorhanden ist, erschien im Jahre 1589 in Eberau[11], doch ohne Buchschmuck.

In den Katalogen der Bibliothek des Theresianum in Wien ist ein Werk verzeichnet mit dem Titel „Az evangeliomoc es az epistolak” („Die Evangelien und die Episteln”) aus dem Jahre 1596. Dieses ungarische Perikopenbuch wurde von Manlius in „Nimet Vivarat” (d. h. in Güssing) gedruckt. Leider ist das Exemplar[12] heute unauffindbar, und auch die Angabe im Katalog wurde ungarischen Bibliographen erst jetzt bekannt, obwohl der Katalog schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts – anonym allerdings – erschienen ist[13]. Sein Verfasser, Josef Sartori, stellte also zu Recht die Behauptung auf: »Editio rarissima nec in bibliotheca hungarica nec alibi indicata.«

Man kann annehmen, daß dieses im Zweiten Weltkrieg verschollene Perikopenbuch von Manlius mit der oben beschriebenen Holzschnittserie illustriert war. Auch wenn es nicht so gewesen wäre, war diese Gelegenheit dazu geeignet, über eine dritte Bilderreihe des 16. Jahrhunderts aus Ungarn zu berichten, die mit den zwei früheren und mit den anderen eng verwandt ist. Über die anderen Holzschnitte soll in den folgenden Jahrgängen des Gutenberg Jahrbuchs berichtet werden.


[1] Gutenberg Jahrbuch 1979. 283–290. – 1980. 246–257.

[2] Die neueste Zusammenfassung dieser Literatur: Semmelweis, Karl: Der Buchdruck auf dem Gebiete des Burgenlandes bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts. Eisenstadt 1972. 7–52 und Borsa Gedeon: Der Drucker und Buchhändler Joannes Manlius im Dienste der Südslawen. In: Studia Slavica (Budapest) 1979. 63–69.

[3] Soltész Zoltánné: A magyarországi könyvdíszítés a XVI. században (Buchschmuck in Ungarn im XVI. Jahrhundert). Budapest 1961. 89, 111, 114–115, Taf. XXXVI. 1, 3–10, 12, XXXIX. 11–12.

[4] Gutenberg Jahrbuch 1980. 246–257.

[5] Az Országos Széchényi Könyvtár Évkönyve (Jahrbuch der Ungarischen Nationalbibliothek Széchényi) 1972. 178–180. – Magyar Könyvszemle 1976. 288–290.

[6] Badaliæ, Josip: Jugoslavica usque ad annum MDC. 2. Aufl. Aureliae Aquensis 1966. Nr. 192.

[7] RMNy Nr. 617.

[8] Sieben von ihnen wurden von Frau Soltész beschrieben: Soltész Zoltánné: A magyarországi könyvdíszítés a XVI. században (Buchschmuck in Ungarn im XVI. Jahrhundert). Budapest 1961. 146–147, Nr. 18–24, Taf. LXVIII. 2–5.

[9] Geisberg, Max: Die deutsche Buchillustration in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. 2. Folge, 9. Heft. München 1932. Nr. 907–1139. [Zitiert: Geisberg Nr. 1–233.]

[10] Gutenberg Jahrbuch 1979. 283–290. – 1980. 246–257.

[11] RMNy Nr. 630.

[12] Seine letzte Signatur nach dem Ersten Weltkrieg lautete: 2174, die früheren: Da 1 und H. III. 2.

[13] Sartori, Josephus: Catalogus bibliographicus librorum in bibliotheca caes. reg. et equestris Academiae Theresianae exstantium. IV. Vindobonae 1803. 5b.




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