Lieder der Erdarbeiter

Die Erdarbeiter standen von allen Schichten der ungarischen Landbevölkerung der organisierten Arbeiterschaft am nächsten. Der Bau von Eisenbahndämmen, Flußdeichen und die Erdarbeiten überhaupt erforderten eine straffe Organisation, die wiederum die gemeinsame Interessenvertretung den Arbeitsgebern gegenüber förderte. Ein Teil der Erdarbeiterlieder ist den Soldaten- und Hirtenliedern verwandt, da sie ja meist aus solchen umgebildet wurden. Besungen wird die Härte der Erdarbeit:

Hab gekarrt den ganzen Tag,
Abends unterm Busch ich lag,
Unterm Himmel ausgestreckt,
Mit dem Himmel zugedeckt.
 
Schwer von Schlamm, daß Gott erbarm,
Knarrt das Rad vor meinem Karrn.
Schaff’s nicht mehr mit Arm und Bein,
Möcht ein Grashalm lieber sein.

                           Zsadány (Komitat Bihar)

Der fortwährende Ortswechsel, das Kommen und Gehen gewöhnten manche Erdarbeiter an die Kneipe, das Wirtshaus und auch an weniger düstere Lieder:

{G-549.} Erdarbeiter baut kein Haus,
Gibt das Geld im Wirtshaus aus,
Zahlt dem Wirt für das Billard
Und fürs Mädchen blond und zart.

                           Szentes (Komitat Csongrád)

Die Lieder der Erdarbeiter sind gemischt in Ursprung und Zusammensetzung. Die meisten geben sich keck und spöttisch; gelegentlich kommen auch bitter gestimmte Wein- und Zechlieder vor. Individueller und der Wirklichkeit angepaßter sind die Lieder über ihre Wanderungen, ihre Arbeitsplätze und über das Abschiednehmen:

Allerschwerstes Leben, das es gibt,
Hat ein Mädchen, das den Kärrner liebt.
Wenn’s den Kärrner mal zum Wandern treibt,
Weint das Mädchen, das zu Hause bleibt.

                           Hódmezõvásárhely (Komitat Csongrád)

Die meisten Erdarbeiterlieder waren im Süden der Großen Tiefebene bekannt, in anderen Gegenden nur dann, wenn sich Kärrnertrupps dort längere Zeit aufhielten.