Die Möbel im Wohnhaus

Die Form, ganz besonders aber die Verzierung der Möbel wechselte vergleichsweise schnell, je nach der Zeitmode und den Wandlungen in der volkstümlichen Ornamentik. Darauf werden wir im folgenden noch zurückkommen. Für die Einrichtung des Wohnhauses gab es jedoch feststehende Regeln, die von der Hausarbeit, der Lebensweise und nicht zuletzt den Traditionen bestimmt wurden. Sie änderten sich nur schwer, und neue Elemente versuchte man nach Möglichkeit in die alte Ordnung einzugliedern.

72. Hochgetürmtes Bett in einem Sárközer Haus

72. Hochgetürmtes Bett in einem Sárközer Haus
Decs, Kom. Tolna

73. Stubenecke

73. Stubenecke
Sióagárd, Kom. Tolna

Hinsichtlich der Einrichtung der Bauernstube werden mehrere historische Perioden unterschieden. In der ältesten Zeit verliefen rings um die Wände Lehmbänke, auf denen man sitzen, schlafen und bestimmte Kleidungsstücke ablegen konnte. An die Stelle der Lehmbänke traten später Holzbänke ohne Rückenlehne; sie standen auf Pfählen, die man in die Erde rammte. Die Lehm- und Holzbänke waren bei den Palotzen noch im vorigen Jahrhundert allgemein üblich, und bei den Tschangos fand man sie sogar noch in unserem Jahrhundert. An der Innenwand der Stube stand schon in der ersten Einrichtungsperiode {G-175.} der Herd, davor ein niedriger Tisch, wie er bei den Hirten in der Tiefebene und in entlegenen Gehöften noch vor einigen Jahrzehnten benutzt wurde. In die Mitte des Tisches war ein rundes Loch für den Kochkessel geschnitten, aus dem sich jeder bei den gemeinsamen Mahlzeiten bediente. In die Wände waren Nägel eingeschlagen, an die man Schuhzeug und Oberbekleidung hängen konnte: für die Aufbewahrung kleiner Gegenstände wurden Borde gezimmert. An den Deckenbalken befestigte Stangen dienten ebenfalls zur Kleiderablage.

An der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit begann in der Bauernstube eine stufenweise Trennung von Arbeits- und Wohnraum. Infolgedessen traten an die Stelle der Bänke zunehmend Tisch, Truhe, Bett und Stuhl. Eine besondere Bedeutung erhielt der Tisch, der nun gegenüber dem Herd stand. Seine früheste Form mag ein Brett auf vier in die Erde getriebenen Pfählen gewesen sein, während später der Tisch mit Schublade oder „Kammer“ aufkam, der bereits Merkmale der verschiedenen Stilrichtungen aufwies. Zwei Bänke standen über Eck am Tisch. Der Hauptplatz gehörte dem Bauern, neben ihm nahm der älteste Sohn Platz. Die Hausfrau durfte, wenn überhaupt, nur auf der dem Herd zugewandten Seite sitzen. In großen Teilen des ungarischen Sprachgebiets durften sich Frau und Töchter bei den Mahlzeiten nicht an den Tisch setzen. Sie aßen, auf Schemeln oder auf der Türschwelle hockend, wenn die Männer bereits mit dem Essen fertig waren.

74. Stube

74. Stube
Hollókõ, Kom. Nógrád

{G-176.} Der Tisch bewirkte eine Zweiteilung der Stube. Der Platz um den Herd herum wurde zur Arbeit benutzt, hier kochte man und verrichtete verschiedene kleinere Arbeiten (Schnitzen, Reparieren von Geräten, Waschen usw.). Tisch und Sitzecke dürfen mit Recht die heilige Ecke (Herrgottswinkel) genannt werden, was auch dadurch bestätigt wird, daß das Bauopfer – verschieden je nach Zeit und Gegend – in diesem Teil des Hauses eingemauert war. Hähne als Bauopfer sind schon aus dem 11. bis 13. Jahrhundert bekannt; ihre Überreste wurden stets genau unter dieser Ecke des Hauses gefunden. Hin und wieder fand man auch Pferde- oder Hundeschädel, und in einer der erschütterndsten ungarischen Volksballaden können die immer wieder einstürzenden Mauern der Burg Déva erst dann sicher aufgebaut werden, nachdem die Asche der Frau des Maurers Kelemen dem Mörtel beigemischt wurde. Die heilige Ecke war der Platz, an dem in katholischen Gegenden die Heiligenbilder, der Brautkranz der Frau, von Fall zu Fall ein Kruzifix oder ein Hausaltar, eventuell auch Heiligenstatuetten von Wallfahrtsorten an die Wand gehängt beziehungsweise aufgestellt waren. In protestantischen Gegenden erhielten hier Öldrucke von Freiheitshelden, das Soldatenfoto des Bauern und auf einem kleinen Bord die Bibel, der Psalter, Groschenhefte, Kalender, Aufzeichnungen, amtliche Papiere usw. Platz. An den Wänden dieser Ecke wurden die schönsten Teller paarweise symmetrisch aufgehängt.

Die Betten standen an den Seitenwänden parallel zueinander. Den höchsten Rang hatte das Bett in der Ecke gegenüber dem Tisch; es {G-177.} gebührte dem Bauern und seiner Frau. Das andere Bett, das des jungen Ehepaars, stand in der entgegengesetzten Ecke hinter der Tür. Zwischen dem ersteren Bett und dem Herd wurde ein kleines, primitives Gestell aus Brettern für die Kinder aufgestellt.

An den Enden der beiden Bänke, die die Sitzecke bildeten, stand je eine Truhe für Kleidungsstücke. In der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts wurden sie durch Kommoden (komót, sublót) mit drei oder vier Schubfächern ersetzt. Über einer der Kommoden hing, etwas vorwärts geneigt, der Spiegel. Im Zwischenraum zwischen Wand und Spiegel konnten Bücher, Zeitungen und Papiere aufbewahrt werden. Auf der Kommode standen Andenken: Mitbringsel von Jahrmärkten, Honigkuchenfiguren, bunte Kännchen und Töpfe, kleine Figuren, hübsche Trinkgläser, ein Kruzifix, ein Sparschwein usw.

75. In einer Bauernstube

75. In einer Bauernstube
Mezõkövesd

76. Kammer in einem Palotzenhaus

76. Kammer in einem Palotzenhaus
Parád, Kom. Heves

77. In der guten Stube

77. In der guten Stube
Mátisfalva, ehem. Kom. Udvarhely, Rumänien

Bei dieser Möbelanordnung büßten die Bänke viel von ihrer Bedeutung und mannigfaltigen Funktion ein. Sie umgaben vor allem den Tisch, doch konnte auch vor dem Bett eine Bank stehen. Allerdings stellte man lieber Stühle vor das Bett, und zwar zwei, seltener drei, {G-179.} weil diese bei den Mahlzeiten an die leer stehenden zwei Seiten des Tisches geschoben werden konnten. Ergänzt wurde die Einrichtung höchstens noch durch ein Eck- oder Wandschränkchen (téka), in dem Bücher, Arzneien, Schnaps und überhaupt Dinge, die man unter Verschluß hielt, Platz fanden.

Gab es im Haus zwei Stuben (links und rechts der Küche), so wurden diese im großen und ganzen auf die gleiche Weise, mit den gleichen Möbelstücken eingerichtet. Der einzige Unterschied bestand darin, daß die besseren, neueren, prächtigeren Möbel in die gute Stube kamen, die nur selten, lediglich zum Empfang von Gästen, benutzt wurde.

Die Eckenanordnung, die im ganzen ungarischen Sprachgebiet ziemlich allgemein verbreitet war; hat sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts gelockert. Bis dahin hatte das Haus an den beiden Seiten des Ecktisches je ein Fenster (zur Straße und zum Hof), so daß man schon von draußen feststellen konnte, wo sich die heilige Ecke des Hauses befand. Nun aber erhielt die gute Stube zwei symmetrisch angeordnete Fenster an der Straßenfront. Von da an stand der Tisch zwischen den Fenstern, gegenüber der Tür, und hinter ihm nur noch eine einzige Banktruhe, in der Kleider aufbewahrt wurden, auf der man aber auch schlafen konnte. Über der Bank hing der Spiegel, außerdem Teller und Bilder, die teilweise auch die Wände über den Betten schmückten. Die heilige Ecke verschwand also, genauer, ihre Requisiten wurden zwischen der Stubenmitte und den Seitenwänden aufgeteilt.

Bei dieser parallelen Anordnung stand am Fußende der Betten rechts und links vom Tisch je eine Truhe beziehungsweise später ein Möbelstück für die Aufbewahrung der Kleidungsstücke (Schrank). Innerhalb von fünfzig Jahren verdrängte die parallele Zimmereinrichtung im größten Teil des ungarischen Sprachgebiets die Eckenanordnung.

Von einer traditionellen Kücheneinrichtung kann man kaum sprechen, da es in den ungarischen Küchen bis in die jüngste Zeit kaum Möbelstücke gab. Die Küche bewahrte ihren archaischen Charakter bedeutend länger als die Wohnstube. Lehmbauten fürs Kochen und Backen blieben weiterhin erhalten. Die meisten Küchengeräte hingen in ganz bestimmter Reihenfolge an der Wand. Ein Grund für die langsamere Entwicklung ist darin zu sehen, daß der Rauch aus dem Stubenofen in der Regel durch die Küche abzog, die einen Schornstein hatte. Daher blieb die Küche in der Entwicklung hinter den anderen Räumen des Wohnhauses zurück; erst später erhielt sie ein Deckengewölbe und einen kompletten Rauchabzug.

Im vorderen Teil der Küche (pitvar) mit einer Tür zum Hof hin bestand die einzige Möglichkeit, Möbelstücke unterzubringen. Hier befanden sich ein niedriger Ständer für Eimer und Kannen und ein Küchenschrank (tálas oder kredenc), auf dessen bordartigem vergittertem Oberteil Schüsseln und Teller aufgestellt wurden. Der untere Teil des Schrankes hatte Türen; hier wurde das größere Kochgeschirr aufbewahrt,