Die Bearbeitung der Wolle

Die meisten Tierhaare lassen sich irgendwie bearbeiten, doch im Leben des ungarischen Volkes kommt der Schafwolle die größte Bedeutung zu. In älteren Zeiten wurde die Wolle der ungarischen Langwollschafe verarbeitet, bevor seit Beginn des vorigen Jahrhunderts auch die feinere Wolle des Merinoschafes bei den Bauern Verbreitung fand, was zweifellos bei den aus Wolle gefertigten Kleidungsstücken zu großen Veränderungen führte. Die ungarischen Schafe wurden gewöhnlich im Jahr zweimal geschoren, die Merinoschafe nur einmal im Spätfrühjahr.

164. Spinnerin

164. Spinnerin
Lészped, Moldau, Rumänien

{G-340.} Nachdem die große Wollkonjunktur in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts vorbei war, kamen die Bauern von der Bearbeitung der Schafwolle immer mehr ab, und nur bei den Szeklern und anderen ungarischen Volksgruppen in Siebenbürgen hat sich die bäuerliche Schafwollbearbeitung bis in die heutige Zeit erhalten. Hier werden die Schafe am Urbanstag (25. Mai) geschoren, und zwar treibt man sie auf den Hof des Besitzers der entsprechenden Hürde und nach vollzogener Schur noch am selben Tag wieder auf die Weide zurück. Häufig kommt es auch vor, daß man die Schur draußen auf der Weide vornimmt und die ungewaschene Schurwolle in Säcken nach Hause transportiert.

Aus der fettigen Schurwolle werden die größten Verschmutzungen, Mist- und Futterreste, Kletten usw. entfernt; dann wird das Ganze eine halbe Stunde in lauwarmem Wasser eingeweicht, danach in einem Bach oder anderem Gewässer gründlich durchgeschlagen und schließlich sorgfältig getrocknet. Dann folgt das Zupfen, wobei die Wolle zu winzig kleinen Fusseln auseinandergenommen und die weißen Fusseln von den schwarzen getrennt werden. Die quadratischen Wollballen werden tüchtig durchgekämmt und in die Länge gezogen, damit sich die Fasern zum Spinnen eignen. lm Gegensatz zum Hanfspinnen ist man bemüht, das Wollspinnen, das genau wie beim Hanf mit Hilfe der Spindel erfolgt, noch im Sommer zu erledigen. Dann kann das Wollgarn bereits im Herbst verwebt werden, und es bleibt Zeit für die Hanfbearbeitung. Der Webstuhl ist der gleiche wie beim Hanfweben, nur wird ein Tuchwebblatt eingesetzt, und auch beim Zetteln gibt es bestimmte Unterschiede.

Das fertige Tuch ist noch zu dünn, um daraus Kleidungsstücke fertigen zu können, darum wird es in der Walkmühle mit dicken Stangen geschlagen, damit es verfilzt und verdichtet wird. Das Walken kann bis zu 24 Stunden dauern; zwischendurch wird das Tuch – oft bis zu dreimal – herausgenommen und zusammengefaltet. Beim Walken schrumpft der Stoff im allgemeinen auf die Hälfte zusammen, wird aber strapazierfähiger und wärmer. Das Walken geschieht im Frühjahr, wenn sich die Gewässer schon zu erwärmen beginnen. Berühmte Walkmühlen wurden oft von weit her aufgesucht.

Die Herstellung von guba, einem langwolligen, groben Zeug, gehörte von jeher in den Bereich der handwerklichen Tätigkeit. Die Wolle wird ähnlich wie bei der Tuchherstellung gereinigt, gezupft und gesponnen und dann auf einem besonderen Webstuhl (gubaszék) so gewebt, daß auf der einen Seite das Wollgarn in langen Locken heraushängt, während die andere Seite glatt bleibt. Aber auch ein solches flauschiges Wollzeug ist noch recht dünn und muß ebenfalls gewalkt werden. Man staucht es solange, bis es zu einem dicken, steifen Wollstoff wird, der sich gut verarbeiten läßt.

Das Szûrtuch, ein rauhhaariges, dichtes Gewebe, stellen die Szekler ähnlich wie das Wolltuch her. Durch Walken werden die Fäden so zusammengepreßt, daß der oberflächliche Betrachter es leicht mit Filz verwechseln kann. Filz aber wird im Gegensatz zu den oben beschriebenen Stoffen nicht gewebt, sondern gepreßt. Werden Wollfasern in nassem Zustand stark zusammengepreßt, haften sie so aneinander, daß {G-341.} sie nicht mehr voneinander getrennt werden können. Diese Eigenschaft der Wolle macht man sich bei der Filzherstellung zunutze. Mit Filz arbeiteten die Hutmacher und die Fußlappenmacher, die bereits in frühen ungarischen Urkunden erwähnt werden.